Vom Grill-Imbiss zur Gourmet-Destination | BISS

Kategorie | 2025, Aktuelles, März 2025

Vom Grill-Imbiss zur Gourmet-Destination

Ai Pero

Es gibt viel zu entdecken

im Rheinland:

Gute Lokale, essbare Grünanlagen

und den rauen Dichter Charles Bukowski

 

Bevor Andernach zu einer Gourmet-Destination wurde, prägten Lokalitäten wie die Ali Baba Grillstube das Stadtbild. Die Besitzer-Familie Doetsch der Purs Fine Hotels & Restaurants, die kulinarisch anspruchsvoll ist und auch beim Wein Qualität schätzt, hat sehr viel Geld in die Hand genommen, um im kleinen Andernach große Gastronomie aufzubauen. Anfangs mit dem herausragenden Zwei-Sterne-Koch Christian Eckhardt und seiner Frau Sarah Henke, inzwischen mit einer anderen Mannschaft und einer neuen Offensive, bei der Peter Fridén als koreanisch-skandinaischer Koch federführend ist (siehe BISS Restaurantkritik „Die Entdeckung der genialen Leichtigkeit“).

Ai Pero

Aus dem Purs ist inzwsichen ein kleines Gourmet-Imperium geworden, zu dem zwei Hotels, fünf Restaurants und eine Eventlocation gehören. Das Restaurant Purs war dem Michelin bis letztes Jahr unter der Ägide von Küchenchef Yannick Noack (2022 – 2024) zwei Sterne wert, doch die Auszeichnung brachte nicht den gewünschten Erfolg. Das Hotelmanagement zog wegen der mangelnden Wirtschaftlichkeit die Reißleine und reagierte auf die deutschlandweit rückläufige Entwicklung der klassischen Gourmetgastronomie. „Auch im Restaurant Purs mussten wir 2023 diese Erfahrung machen und haben einen starken Einbruch der Gästezahlen hinnehmen müssen“, so Purs CEO Gerhard Pohl. Es folge eine Rochade: Der Küchenchef vom Restaurant Yoso, Peter Fridén, wechselte ins optisch hochwertigere Purs im gleichnamigen Hotel, während Yannick Noack das Haus verließ, um sich in Koblenz niederzulassen. Der einstige Zwei-Sterne-Koch Christian Eckhardt, der das Purs eröffnete und bekannt gemacht hatte (2018 – 2022), führt heute in Boppard gemeinsam mit seiner Frau Sarah Henke das kinderfreundliche Konzeptlokal Lemabri.

Yoso

Das Restaurant Purs ist nun auch rein ästhetisch dem stilvollen Design- Hotel näher gerückt und schafft eine homogene und ungewöhnliche Atmosphäre. Aus dem zuvor innovativen Yoso wurde jetzt ein eher auf den lokalen Markt zielendes Lokal mit „Asian Comfort Food“. Auf der Karte stehen japanisches Izakaya, chinesische Dim Sum oder koreanischer Pocha und anderes Street Food, das im Yoso verfeinert wird. Das unweit liegende italienische Lokal Ai Pero ist Enoteca und Trattoria unter einem Dach, es gibt sogar eine gute Pizza. Das Interieur und die Terrasse wirken einladend. Man darf auch nur auf ein Glas (guten) Prosecco oder eine schöne Flasche ohne Essensbegleitung einkehren. Man kann sehr gut essen und auf gutem Level trinken.

Charles Bukowski, der bekannteste Sohn der Stadt, hätte genug Durst für alle Purs-Lokale und noch den Ali Baba Grill dazu gehabt. Unvergessen ist seine Lesung in den Hamburger Markthallen im Mai 1978, bei der ein Kühlschrank auf der Bühne stand, damit ausreichend Flaschen Müller-Thurgau bereitstehen konnten.

Bukowski in Andernach

Der deutsch-amerikaniswche Schriftsteller wurde 1920 in Andernach geboren und veröffentlichte über vierzig Bücher, allein in Deutschland verkaufte er über vier Millionen davon. Einige seiner Werke erschienen im Maro Verlag von Literatur-Pionier Benno Käsmayr in Gersthofen. Eines der bekanntesten hieß „Gedichte, die einer schrieb, bevor er im 8. Stockwerk aus dem Fesnter sprang“. Charles Bukowski war vor allem an gebrochenen Charakteren interessiert, an Ganoven, Alkoholikern, Prostituierten. Seine witzig-derbe Diktion machte das Lesen leicht, wobei  die selbstironische und melancholische Seite seine Stärke war. Sprachlich war Bukowski verwegen, doch seine fast schon sanfte ruhige Art und die angenehme Stimme ließen noch mehr das Innere erkennen. Ein Charakterkopf, dessen Werk jedenfalls wieder entdeckt werden sollte. Andernach, das Bukowski anfangs eher verschämt verschwieg, erinnert sich mittlererweile gerne an ihn und hat einen Platz am Flussufer nach ihm benannt. Man sollte Bukowski in Andernach wieder eine literarische Bühne geben, warum nicht mit einer Lesung im Design-Kleinod Purs.

Ludwig Fienhold

 

Die essbare Stadt

Der Bienenstich-Kuchen soll in Andernach erfunden worden sein, doch tritt der Ort auch als „Essbare Stadt“ auf. Gemüsesorten wie Bohnen und Möhren, Obst- und Beerensorten, Spaliergehölze oder Küchenkräuter tragen zu einem schönen Stadtbild bei und laden sogar zum Ernten ein. Wo es andernorts heißt „Betreten verboten“ ruft man in Andernach „Pflücken erlaubt“. Der Anbau regionaler und seltener Sorten soll die Identifikation mit der Heimat stärken und die urbane Biodiversität unterstützen. Man kann sich alleine auf den Weg entlang der alten Stadtmauern machen, es gibt aber auch geführte Rundgänge, die lohnenswert sind. Eine solche Tour macht nicht satt, aber wir haben ja ausreichend gute Lokale genannt.  

Das Programm mit einem Klick:

Die essbare Stadt

 

Photocredit: Purs, Fienhold

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