Lokal der Luxusmobile
mit mehr PS am Start
Mehr noble Karossen stehen vor keinem Lokal in der Stadt. Die Klassikstadt nahe der Hanauer Landstraße in Frankfurt hat sich längst als Treffpunkt von Sportwagenfahrern und Oldtimerfans etabliert. Jetzt wird die Gastronomie dort von neuen Betreibern gelenkt. Thomas Haus, bekannt als Chef des Goldman-Restaurants, und Delikatessen-Gastronom Gregor Meyer steuern das Großraumlokal seit Anfang des Jahres im Zweisitzer. Die neuen Haus-Herren im Lokal sind Thomas Haus (r.im Bild) und Mario Herr (l.). Sie wollen gute Gasthausküche bieten, was in Frankfurt seltener ist als Haute Cuisine
Auf der Speisekarte stehen Gassenhauer und Evergreens sowie Meyers Met-Ware. Das hat ein klares Profil und bietet ganz viel, worauf man immer Lust hat. Wiener Schnitzel vom Münster-Kalb mit Bratkartoffeln oder geschmorte Ochsenbäckchen in kräftiger Sauce mit hausgemachten Spätzle etwa, beides von guter Qualität und mit Schmackes zubereitet. Lachs in Wirtshäusern ist eher selten gut, hier macht der hausgebeizte, zarte und feinaromatische Wildwasserlachs mit Honig-Senf-Sauce und Dill einfach Freude. Salate werden in der Gastronomie vernachlässigt, die in Höhls Apfelessig marinierten Blattsalate mit pikantem Mix aus Mango, Cashewnüssen und Chili enttäuschen nicht. Unter der Rubrik Metzger-Ware steht unter anderem der gegrillte Fleischkäse mit süßem Senf und Kartoffelsalat – mehr als ordentlich. Aus Meyers Delikatessenhandel könnte ja noch einiges Einzug halten, wie der wunderbare speckige Kartoffelsalat oder das saftige Sauerkraut. Simmentaler Rind vom Grill, Bauernenten und Bio-Hähnchen sowie Backfisch vom Angeldorsch ergänzen die animierende Karte. Einiges ist hausgemacht, wie die Spätzle und die Fritten mit jungem Knoblauch und frischen Kräutern. Eine willkommene Idee ist auch die Schinken-Vesper, frisch mit der Berkel aufgeschnittener luftgetrockneter Holsteiner Kernschinken. Wer von der Gourmetküche pausieren will und nach Herzhaftigkeiten sucht, wird genauso fündig, wie der gehobene Fresssack.
Thomas Haus ist zwar der Spiritus rector der Gastronomie, doch als Küchenchef der neu aufgestellten Werkskantine fungiert der 34 Jahre alte Mario Herr, der aus dem Badischen kommt und einige bemerkenswerte Stationen absolviert hat. Gelernt hat er im verblichenen Adler in Todtnau, den seinerzeit zwei Michelin-Sterne zierten. Danach ging es zu Dieter Müller nach Bergisch Gladbach und für ein Jahr ins Clouds nach Zürich zu David Martinez (1 Stern, 17 Punkte im Gault Millau). Ein wenig von der weiten Welt schnupperte Mario Herr bei den Robinson Clubs, wo er nicht mehr für wenige Gourmetgäste kochte, sondern auch größere Gruppen versorgte und Bankette arrangierte. Ein gutes Rüstzeug, um mit der großen Werkskantine umgehen zu können.
Mario Herr kann sich auf zehn Mitarbeiter stützen, die im Wechsel arbeiten. Eine solide Crew ist auch notwendig, denn es wollen 120 Plätze bedient werden, wobei die große Terrasse zusätzlich gut 100 Gäste fassen kann. Die Weinkarte versucht analog zur Speisenkarte sehr kompatibel für viele zu sein, ohne einen gewissen Anspruch zu verlieren. Weine von Knewitz, Spreitzer oder Pfannebecker sprechen auch den Ausgepichten an. Glasweise wird in der angenehmen Füllung von 0,1,5l ausgeschenkt, ein Glas von Markus Schneiders Rosé Saigner kostet beispielsweise 5,50 €. Den Service dirigiert Janka Krauzpaul, die durch ihre Arbeit im Frankfurter Haus und der Gerbermühle gelernt hat, mit Gästescharen umgehen zu können. Der vorherige Betreiber der Werkskantine, Sympathie-Gastronom Kay Exenberger, führt übrigens nach wie vor seinen überschaubaren kleinen „Frankfurt Imbiss“ in der Textorstraße in Sachsenhausen.
Die amüsant im New Yorker Tribeca Look designte Werkskantine könnte so auch in anderen Weltstädten stehen. Das auf den Namen „Klassikstadt“ getaufte Riesenreich von17.000 Quadratmetern, deren Teil die Werkskantine ist, entstand vor gut fünf Jahren aus einer 100 Jahre alten ehemaligen Fabrik. Das Backsteinschloss ist Eventlocation, Showroom und Werkstatt mit angeschlossenem Lokal. Das Industrie-Design und die solide Wirtshausküche gehen eine spannende Verbindung ein. Gastronomisch ist hier vielleicht so etwas gelungen, wie ein zeitgemäßer Oldtimer.
Ludwig Fienhold
Klassikstadt & Werkskantine, Frankfurt, Orber Str. 4a,
Tel. 069 41674151. Geöffnet Montag – Samstag, 11 – 23 Uhr durchgehend, Sonntag 11 – 18 Uhr.
Vorspeisen & Salate, 11,50 – 16,50 €, Hauptgerichte 13 – 28,50 €, Desserts 3,80 – 8,80 €. Stammessen (1 Gericht + Süßes) Mo.-Fr., 12-14.30 Uhr für 9,90 €.
BILDER GALERIE
Photocredit: Barbara Fienhold
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