Restaurantkritik: Die Leiter in Frankfurt | BISS

Kategorie | 2016, Aktuelles, April 2016, Archiv

Restaurantkritik: Die Leiter in Frankfurt

Die Leiter Gastraum

Der pikante Charme der Reife

 

Das Restaurant Die Leiter ist ein kulinarisches Fossil. Alt zu sein, ist noch keine Leistung, aber Beständigkeit schon. Seit 33 Jahren gehört das Lokal zu den besonderen Frankfurter Adressen und zu den ganz wenigen guten in der Innenstadt. Die Küche ist eine schlüssige österreichisch-italienisch-deutsche Freundschaft, die der ruhige Riese Alexander Gschaider aus der Steiermark grundsolide pflegt.

Küchenchef Alexander Gschaider (l.), Restaurant-Leiter Fernando

Küchenchef Alexander Gschaider (l.), Restaurant-Leiter Fernando

Kein anderes Innenstadtlokal bewegt sich so lange auf gutem Niveau wie Die Leiter in der Kaiserhofstraße an der Freßgass. Hochzeit hatte das Lokal, als man in der Stadt Dinner & Dance noch auf anspruchsvolle Weise miteinander verband und gleich nach dem Restaurantbesuch ins gegenüberliegende Le Jardin von Tatjana Gemming ging. Damals war die Leiter nicht nur ein Ess-Lokal, sie war weit mehr ein gesellschaftlicher Treffpunkt mit hohem Flirtfaktor. Während an den Tischen noch die Nudeln zwischen den Lippen entschlüpften, versuchten sich an der Theke bereits die Nimmersatten im amourösen Aufgabeln. Das Lokal war rappelvoll, mitunter auch einige Gäste, was aber nie störte. Diese ungezwungene gute Laune, die einmalige Mischung aus Restaurant und Bar, gab es nie zuvor und auch nie wieder danach. Gegenüber der Leiter, in der Kaiserhofstraße 11, wohnte übrigens der Frankfurter Schriftsteller jüdisch-russischer Herkunft Valentin Senger, den man endlich wiederentdeckt hat.

Pasta mit Meeresfrüchten

Pikante Pasta mit Meeresfrüchten

Drei Namen sind untrennbar mit dem Lokal Die Leiter verbunden: Hausherr Chester Sauri, der unter anderem noch den Evergreen Fattoria in Mörfelden-Waldorf betreibt, Restaurantleiter Fernando Mezzadra und Küchenchef Alexander Gschaider. Selbstredend gelingen dem Österreicher Heimatgerichte wie Wiener Schnitzel, Backhendl und Tafelspitz besonders gut, aber auch die Lammkoteletts sind ein Must-have. Standards italienischer Art machen ebenfalls Spaß, etwa die saftigen Papardelle mit würziger Salsiccia-Wurst oder die temperamentvollen Spaghettini mit Calamaretti, Garnelen, Steinpilzen, Knoblauch und Chili sowie das Pimento-Risotto mit Erbsen und Sesam-Wachtel. Es geht aber auch noch etwas kreativer. Da gibt es dann in der Pfanne hellbraun gedünsteten Zander auf cremigem Sauerkraut mit Speck und Kartoffelpüree oder die in Zimt und Nelken marinierten Kalbsbäckchen. Hervorragend auch die Spanferkelbäckchen mit gerührter Polenta, jungen Bohnen und krossem Speck. Es lohnt sich jedenfalls zu den Tagesempfehlungen zu greifen. Neben den Hausklassikern werden täglich sieben neue Positionen offeriert, das Drei-Gang-Menü kostet sozialverträgliche 32 €.

Team-Geister

Team-Geister

Küchenchef Alexander Gschaider steht seit 22 Jahren in der Leiter am Pass. Er hat im famosen Bareiss in Baiersbronn gelernt, stand in den seligen Unterberger Stub´n in Kitzbühel am Herd, wo Eckart Witzigmann Stammgast war, und kochte mit Alois Köpf im verblichenen Restaurant de France in Wiesbaden. Gschaiders Souschef Erwin Mayer steht seit 17 Jahren an seiner Seite.

Auch der Service ist eine gastronomische Antiquität. Fernando, der aus der italienischen Provinz Pavia stammt, schwirrt von Anfang an durchs Lokal.Die älteren Gäste kennen ihn sogar noch aus seiner Zeit beim Frankfurter Hof. Das Leiter-Team besteht vor allem aus altgedienten Mitarbeitern, wie Katharina oder Alberto und anderen ewig bekannten Gesichtern. Am Ambiente hat sich scheinbar wenig geändert, noch immer herrscht das Bild des sehr schlank geschnittenen Bistros vor. Doch es gibt inzwischen einige Veränderungen, der Gastraum wird dezent aufgemöbelt, das Licht hat sich bereits deutlich verbessert. Rechtzeitig zur Terrassensaison soll auch der Außenbereich schöner dastehen. Die Atmosphäre in Der Leiter hat etwas Unbeschwertes und erinnert auf angenehme Weise an gute alte Zeiten, ohne verstaubt zu wirken.

Immer nah am Gast arbeiten

Immer nah am Gast arbeiten

Die Leiter hat einen gutgefüllten Weinkeller, es lohnt sich, Fernando nach seinen letzten Entdeckungen zu fragen. Ganz neu im Repertoire sind Avantgarde-Champagnerwinzer, derzeit im offenen Ausschank ist ein Blanc de Noirs von Clement Perseval, der zum Mittagsmenü angeboten wird.  Außerdem interessant: Die Weine des französischen Drei-Sterne-Kochs Michel Guérard sind sonst nirgendwo in Deutschland zu bekommen, man sollte sie einmal probieren, vor allem den köstlich duftigen und enorm saftigen Sauvignon Blanc Baron de Bachen. Manchmal muss es auch ein Prosecco sein, der von Dal Din ist ein guter beschwingter Vertreter seiner Spezies.

Die Themen-Wochen und Events der Leiter gehören in den Kalender, die Österreich-Tage waren besonders gut gebucht. Die beiden Steirer Alexander Gschaider und Erwin Mayer zeigten sich in Bestform. Sehr gut etwa die Selchfleischtascherl mit brauner Butter, das Fiakergulasch vom Ochsenwadl mit Breznknöderl sowie Arme Ritter mit Blutwurstfüllung nebst gebackenem Haferflockenleberknödel. Einige Gerichte der Österreich-Tage werden auch immer wieder Einzug auf die Speisekarte finden. Von uns aus könnte es die Österreich-Tage das ganze Jahr über geben.

Ludwig Fienhold

 

Die LeiterDie Leiter, Frankfurt, Kaiserhofstr. 11, Tel. (069) 29 21 21.

Österreich Woche, 14.-23. April, ab 18 Uhr.

www.dieleiter.de

 

 

 

 

 

Photocredit: Die Leiter, Barbara Fienhold

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