Restaurantkritik Die Ente verleiht Flügel | BISS

Restaurantkritik Die Ente verleiht Flügel

NH-Brunnen

Michael Kammermeier

hebt ab

und schreibt ein Buch

 

Von Ludwig Fienhold

 

Das Wappentier steht immer in irgendeiner Variante auf der Speisekarte. Die Heide-Ente aus dem Rohr ist ein Klassiker, die gehobelte Entenleber mit Quitte, Quittengelee, Kakaosplittern und Salzbutterbrioche könnte man täglich essen, und die Challans-Ente gehört zum Besten, was man überhaupt bekommen kann. Küchenchef Michael Kammermeier vom Restaurant Ente im Grandhotel Nassauer Hof in Wiesbaden ist hochtalentiert, macht aber nicht viel von sich reden. Jetzt hat er ein Buch mit großartigen und spannenden Enten-Rezepten geschrieben, über das man sprechen sollte.

Challlans Ente

Challlans Ente

Die rosa gebratene Challans-Ente ist ein Bravourstück. Sie ist saftig, zart und feinaromatisch, doch die ganz große Pointe setzt die knusprige und umwerfend gut gewürzte karamellisierte Haut. Schwarzer Pfeffer, Szechuanpfeffer, Senfkörner, Fenchelsaat, Piment, Koriander, essbare Lavendelblüten, Steineichenhonig und Meersalz sind die Grundlage dafür. Und Paradieskörner, auch Guineapfeffer genannt. Dieser dient nicht nur als Gewürz und Heilkraut, man kann auch Rauschmittel daraus machen. Wir sind jedenfalls süchtig nach dieser Ente. Michael Kammermeier variiert die Canards de Challans und wählt als Begleitung Kürbisspätzle, Rosenkohl und Zimtblütenjus oder Sellerie Pumpernickel-Knödel, Pfifferlinge und Chicorée. Sehr schön auch die Challans-Ente mit Bohnencreme, Pfirsichspalten und Steinpilzen. Kammermeier gehört zu den wenigen Köchen in Deutschland, die auch mit einer Entenpresse arbeiten – ein schönes Schaustück, das eine wunderbare Sauce aus Entensaft, Cognac und Madeira ermöglicht. 3-Sterne-Koch Helmut Thieltges serviert in seinem Waldhotel Sonnora eine Brust von der Ente aus dem französischen Challans mit orientalischer Gewürzhaut und hat damit ein legendäres Signature-Gericht geschaffen. Kammermeiers Challans-Ente muss sich dagegen nicht verstecken.

Das Restaurant Ente in Wiesbaden ist geradezu verpflichtet, sich besonders intensiv um sein Haustier zu kümmern. Ein Buch mit entsprechend außergewöhnlichen Enten-Rezepten war eigentlich überfällig und ist jetzt im Tre Torri Verlag erschienen, illustriert mit ungemein animierenden und lustfördernden Bildern von Guido Bittner. Dabei spielen nicht nur Klassiker eine Rolle, auch Exotisches à la knusprige Entenfüße oder gebackene Entenzungen mit Langostino-Carpaccio. Und Fast Food Deluxe wie Entenburger und Entenschaschlik mit Backpflaumen.

Entenborschtsch

Entenborschtsch

Michael Kammermeier und sein Team stehen für eine intelligente und auf Höchstmaß verfeinerte und modern interpretierte Rustikalität. Man darf sie elegante Landhausküche nennen, man mag sie als extravagante Bodenständigkeit empfinden. Kammermeier sieht die Gemeinsamkeit in Gegensätzen und ergänzt gerne scheinbar Feines mit scheinbar Derbem.

Stilsichere Kombinationen sorgen für stets auf den reinen Geschmack konzentrierte Gerichte. So ausdrucksvoll wie möglich, so dezent wie nötig. Das merkt man bei Seezunge und glasiertem Hahnenkamm in Teriyaki mit Speck-Dashi, das spürt man beim Kabeljau mit geschmolzener Gänseleber mit Sellerie, Graupen, Pinkel und Grünkohlsaft, und das erlebt man beim bretonischen Rochenflügel mit Erbsengnocchi, Holunderblütenessig und Schweinskopfjus.   Längst arbeitet man auch wieder näher am Gast. Das kraftstrotzende Kalbskotelett wird am Tisch im Ganzen vorgelegt und aufgeschnitten, was die Vorfreude erhöht. Ein solch athletisches, saftig-zartes, Stück Lebenskraft bekommt man in dieser Qualität nicht oft.

Knusprige Challlans Ente

Knusprige Challlans Ente

Zu den wichtigsten Stationen des 37 Jahre alten Michael Kammermeier zählen Heinz Winklers Residenz in Aschau und das Waldhotel Sonnora, wo er bei Helmut Thieltges Souschef war. Beide Adressen sind ganz große Kaliber mit drei Sternen. Eine Küche auf diesem Niveau braucht auch einen Weinkeller, der mithalten kann. Und einen Sommelier, der alles treffsicher zusammenführt.

Sebastian Mac Lachlan Müller kann das, leider nur noch in diesem Jahr, danach wechselt er zum Weingut August Kesseler in den Rheingau. Er holt aus dem begehbaren Weinklimaschrank stets mit sicherer Hand genau den Wein, der zum jeweiligen Gericht passt. Dass er dabei nicht zu kostspieligen, sondern einfach guten und durchaus bezahlbaren Tropfen greift, schafft noch mehr Vertrauen und Sympathie. Mal ist es ein feiner, frischer und kräuterwürziger Grauburgunder von der Toplage Grassnitzberg von Walter Polz aus der Steiermark. Mal ein finessenreicher Chablis Pierrelée von La Chablisienne oder ein süffig-schöner Rosé von Fred Loimer aus Niederösterreich. Natürlich könnte ein Sommelier in der Ente aus dem Vollen schöpfen und Weine von Mouton Rothschild bis zurück ins Jahr 1934 oder über 20 verschiedene Flaschen von Romanée-Conti auftischen. Doch ein Sommelier mit Gespür wird stets das Verlangen und das Budget seiner Gäste ausloten und danach entscheiden. Grundsätzlich eine vortreffliche Wahl ist der Hauswein, ein großartiger, saftiger und einfach nur unbekümmert leckerer Grauer Burgunder Qvintera 2013 vom Spitzenweingut Kühling-Gillot aus Rheinhessen, von dem es nur 4000 Flaschen gibt.

ENTENpresse

Entenpresse

Die Ente hatte einst den Anschein sehr formell zu sein, das Clochenheben war hier eine olympische Disziplin. Das ist längst Geschichte, mag zum Glück auch manche der wunderschönen alten Clochen erhalten und noch gelegentlich im Einsatz sein. Cem Yoldas ist ein pfiffiger Restaurantleiter, der seinen Auftritt mit einer Prise Humor würzt. Der Service ist amüsant, mitunter sogar unkonventionell, vermag aber in einen formellen Modus zu wechseln, wenn er merkt, dass dies gewisse Gäste erfordern. Diese sind inzwischen eher in der Minderheit, denn die Ente ist endlich auch als Adresse lässigen Lifestyles bekannt. Der vordere Teil des Restaurants, wo die einladend-schöne Theke zu Plaudereien bei einem guten Glas einlädt, wirkt etwas fröhlicher und kommunikativer, während das Restaurant sonst mehr zu besonderen Rendezvous einlädt, zu denen die Fensternischen bevorzugt werden. So oder so gehört das Restaurant zu den schönsten des Landes.

Wie die legendären Restaurants Aubergine, Schweizer Stuben oder Tantris hat auch die Ente im Grandhotel Nassauer Hof deutsche Küchengeschichte geschrieben. Man konnte dort schon hervorragend essen, als halb Deutschland noch am Eisbein nagte. Seit 35 Jahren gehört die Ente jedenfalls zur Spitze der kulinarischen Szene. Der große Ententainer Hans-Peter Wodarz war vor allem beim Ausbrüten kreativer Ideen ein Meister, Küchenchef Herbert Langendorf ein Arbeitstier mit Hang zur raffinierten deutschen Küche und Gerd Eis einer der wenigen mit Gespür für moderne asiatische Kost. Wodarz hat gerade sein kulinarisches Zirkuszelt Palazzo in Berlin aufgeschlagen, Langendorf betreibt mit seiner Frau den Landgasthof Zur Traube in Bad Sobernheim an der Nahe und Gerd Eis ist als gastronomischer Berater und Mietkoch tätig. Michael Kammermeier leitet seit 2006 die Küche und befindet sich vor allem die letzten beiden Jahre in einem Höhenflug. Die Ente war nie besser als heute. Mit einem Stern im Michelin und 16 Punkten ist sie gut bewertet, liegt aber in den Leistungen spürbar darüber.

 

Restaurant Ente

Restaurant Ente

Hotel Nassauer Hof, Restaurant Ente, Wiesbaden, Kaiser-Friedrich-Platz 3-4, Tel. 0611 133 666. Geöffnet Di-Fr: 18.30 – 22 Uhr, Sa 12 – 15 Uhr und 18.30 – 22 Uhr

 

 

 

 

 

 

 

 

Ente – Das Kochbuch, 50 Rezepte von Michael Kammermeier, Gestaltung/Bilder Guido Bittner, Tre Torri Verlag, 224 Seiten. Bis zum 31. Dezember zum einmaligen Subskriptionspreis für 37,45 €, danach 49,90 €.

Ente - Das Kochbuch

Ente – Das Kochbuch

Photocredit: Guido Bittner (6 x), Barbara Fienhold (Knusprige Challans Ente)

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