Restaurant-Kritik: Das neue Holbeins im Städel Museum | BISS

Restaurant-Kritik: Das neue Holbeins im Städel Museum

Holbeins Titelxxx

Mario Lohningers

gelungener Start

 

Man sollte nicht mit den falschen Erwartungen kommen: Das neue Holbeins ist keineswegs das alte Silk, auch wenn Mario Lohninger hier jetzt mitmischt. Weit eher wird man Gerichte aus dem Micro finden, wo es weniger diffizil zuging und sich Lohninger seiner Lieblingsgerichte aus aller Welt annahm, insbesondere solchen der japanischen Art. Im Holbeins gibt es grob gezeichnet vor allem Steaks, Pasta, Salate und asiatisch inspirierte Fischspeisen. Das klingt nicht extravagant, kommt aber geschmacklich meist auf den Punkt.

Die Kooperation zwischen dem Spitzenkoch Mario Lohninger und dem Gastronomen, Delikatessenhändler und Caterer Gregor Meyer ist sicherlich auch eine zeitlich passende, denn Lohninger gab seine beiden Restaurants Silk und Micro im inzwischen insolventen  Cocoon Club auf, während Meyers langjähriger Küchenchef Joe Ballmann in den privaten Frankfurter Airport Club wechselte. Die Verbindung zwischen Lohninger und Meyer ist wohl keine Liebesheirat, sondern eine Zweckgemeinschaft. Das vermag zumindest in der Gastronomie mitunter mehr Bestand haben als törichtes Taumeln aus Leidenschaft. Nicht einfach ist aber vor allem die Dehnung einer Speisekarte, die sich nach einem unterschiedlichen Publikum strecken muss. Mittags saust der oft nicht nur zeitlich begrenzte Businesstyp ins Holbeins, ebenso ein Museumsbesucherpublikum, das eher zu unkompliziertem Essen neigt. Abends sind die mehr aufgeschlossenen und anspruchsvollen Gäste angesagt. All das fordert einen elastischen Spagat, dessen Akrobatik gewisse Brüche provozieren könnte.

Optisch ist das neue Holbeins noch wiederzuerkennen, die hinzugekommenen Sitzinseln geben dem Raum mehr Statur und verringern das Kantineske der dichten Sitzreihen. Die Terrasse ist jetzt noch ein wenig hübscher möbliert, wobei wie gehabt jeder Zentimeter genutzt wird und der Abstand zum Nachbartisch nichts für Kontaktscheue ist. Der Service ist nach wie vor sehr freundlich und aufmerksam, das Damenteam wurde um einige charmante Neuzugänge bereichert. Im Zuge der Erneuerung könnte man sich ruhig von einigen Allerweltsweinen trennen und diese durch individuellere Flaschen und Neuentdeckungen auffüllen.

Sushi-Meister Kawano Hirofumi

Kawano Hirofumi, der Sushi-Meister aus dem Silk/Micro hat im Holbeins im Souterrain ein eigenes Lokal bekommen, das zur Zeit als Lieferstation und für Events genutzt wird, aber sicher auch das Zeug zu einem eigenständigen Outlet hätte und vielleicht auch so etabliert wird. Die chirurgisch präzisen Miniaturen sind nicht nur optisch eine Delikatesse, eine Selektion von 16 Stück kostet 28 Euro, man kann es aber auch eine Nummer kleiner haben. Geflügel ist derzeit unterbesetzt und lediglich beim guten Ceasar Salad mit Hähnchensatay zu bekommen. Der top gebratene Seewolf mit Vanille, Pfifferlingen, Spätsommermais und Kartoffelstampf fällt im Grunde sehr gut aus, wobei man mit Vanille-Aroma noch dezenter umgehen sollte. Der hervorragende Miso-Lachs vom Grill mit Orangen-Ingwer-Marinade war schon im Micro eines unserer Lieblingsgerichte. Warum es immer noch die amerikanische Unsitte von Surf and Turf geben muss, erschließt sich uns nicht – entweder Fleisch oder Hummer, aber wir brauchen niemals beides auf einem Teller. Das rein fleischige, hochfeine, saftige und vitale Filetsteak vom Black Angus mit Zwiebelmarmelade, Kartoffelstampf und Sauce Béarnaise ist großartig, wobei man dazu wahlweise auch die hausgemachten Pommes frites bestellen kann. Die Desserts von Benjamin Kunert, der zuvor bei Harald Wohlfahrt in der Schwarzwaldstube und im Silk arbeitete, sind Extraklasse: Liaison von Pfirsich und Zitronenverbene mit Bourbon-Whiskey und Himbeere. Ein „Holbein´s Chef Menue“ mit vier Gängen kostet 55 Euro und bietet abends die vorteilhafteste Variante.

Mario Lohninger (l.) und Gregor Meyer

Bilanz: Das Holbein´s gehört nach wie vor zu den besten und optisch amüsantesten Adressen der Stadt. Man sollte die erst gerade vorgelegte und mit Vorsicht bedachte Speisekarte nicht als endgültige Weisheit betrachten und Mario Lohninger & Gregor Meyer zu mehr Mut und Eigensinnigkeit ermuntern.

Ludwig Fienhold

Siehe auch Artikel Neueröffnung Lohninger & Meyer und Mario Lohninger und Gregor Meyer betreiben gemeinsam das Holbein´s im Städel Museum

Holbein´s, Restaurant im Städel, Frankfurt, Holbeinstr. 1, Tel 069 6605 6666, Dienstag bis Sonntag 10 – 24 Uhr, Montag 18 – 24 Uhr.  Hauptgerichte 20 – 36 €. www.holbeins.de Sushi von Dienstag bis Samstag

 

 

 

 

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