Kampf um ein ganz besonderes Weingut | BISS

Kategorie | 2024, Aktuelles, August 2024

Kampf um ein ganz besonderes Weingut

Weingut der Stadt Frankfurt

Die Weine der Stadt Frankfurt

haben an Qualität gewonnen

und sollen nun einen neuen

Pächter bekommen

 

Aber wie schmecken

die Weine eigentlich?

 

 

Frankfurt hat manche Eigenwilligkeiten, aber auch eine Besonderheit: Ein eigenes Weingut. Und dabei mit dem Lohrberger Hang in Seckbach einen kleinen Weinberg auf städtischem Boden. Auf 1,3 Hektar werden dort Reben gezogen, wo der Frankfurter sonst im Grünen so etwas wie Heimaturlaub macht. Die Weine der Stadt Frankfurt wurden bislang von der Bevölkerung nicht ausreichend zur Kenntnis genommen, obwohl sie eine Fangemeinde haben. Jetzt soll nach 30 Jahren das Weingut neu verpachtet werden, weil man sich eine bessere Vermarktung und Bio-Weine wünscht.

Frischer Wind zwischen den Rebzeilen kann ja gut sein, man fragt sich aber, was die Stadt Frankfurt selbst bislang für ihr Weingut getan hat. Dass der Wein bei offiziellen Empfängen ausgeschenkt wurde, kann nur als Selbstverständlichkeit gewertet werden. Die Grundsatzfrage muss lauten: Wer von den Verantwortlichen und wer unter den Journalisten, die jetzt so fleißig schreiben, hat eigentlich je die Weine der Stadt Frankfurt verkostet?

Der trockene Riesling Lohrberger Hang, von dem jährlich rund 10.000 Flaschen erzeugt werden, ist der interessanteste Wein im Sortiment. Der Weinberg mit Südhanglage gehört der Stadt seit 1803 und wurde davor vom Frankfurter Karmeliterkloster betrieben. Den Riesling ziert ein historisches Etikett, das im Gegensatz zu den anderen Flaschenetiketten Gestaltungswillen zeigt. Er schmeckt frisch, reintönig und saftig und fällt weit weniger säureknackig wie beispielsweise ein Rheingauer Riesling aus. Er eignet sich wegen seiner geografischen Einzigartigkeit und seiner nicht wahrnehmbaren Säure besonders gut für Hiesige und Auswärtige, die Angst vor der Rieslingsäure haben. Es ist ein seriöser Spaßwein, den man gerne verschenkt, aber auch selbst im Hause hat, um Gäste zu überraschen.

Wir haben aus dem Sortiment mehr als ein gutes Dutzend Weine probiert, auf unsere Kosten. Der Hochheimer Daubhaus, ein Blanc de Noir (aus Pinot Noir) fällt sehr saftig, cremig und charmant aus. Auch der leichte und beschwingte Rosé ist ein sympathischer Wein für die Terrasse. Grauburgunder und Weißburgunder sind beschwingte leichte Tropfen für sommerliche Abende. Unter den Roten gefällt uns der im Eichenholzfass gereifte Spätburgunder Hochheimer Hofmeister am besten. Er braucht 20 Minuten Luft und gewinnt dann ziemlich an Kraft und Fülle. Das Ergebnis ist ein leicht erdiger Wein mit schöner Beerenfrucht, etwas Karamell, einer Prise Speck, einem Hauch Champignon sowie einem Dash Holunder. Dabei groovt er sich sehr rund und harmonisch im Mund ein. Ziemlich viel Freude im Glas, für 7,70€. Die Weine der Stadt Frankfurt kosten im Schnitt 6,80 bis 7,90 € pro Flasche, der Riesling vom Lohrberger Hang fällt mit 11 € auch preiswert aus, vor allem wenn man bedenkt, dass man es mit einer Rarität zu tun hat. Alle Weine werden dem Anbaugebiet Rheingau zugeordnet, bei den Hochheimer Lagen ist dies verständlich, aber der Riesling vom Lohrberger Hang ist ein Unikat, das dem Rheingau weder geografisch noch geschmacklich nahe kommt.

Weingut der Stadt Frankfurt, Winzer Jürgen Rupp

Wir verfolgen das Weingut der Stadt Frankfurt seit über 20 Jahren und waren anfangs überhaupt nicht angetan von den Erzeugnissen. Um so erfreulicher war es, wie die Winzerfamilie Rupp Jahr für Jahr für mehr Qualität sorgte und gerade bei den letzten Jahrgängen an positiven Eindrücken gewinnen konnte.

So ein Weingut entsteht auch nicht über Nacht und braucht seine Zeit. Gut, es hätte vielleicht schneller gehen können mit der Qualitätssteigerung, vor allem aber wurde das Marketing ignoriert, wozu auch eine ansprechende Etikettierung gehört.

Die Rupps haben das Weingut der Stadt Frankfurt 30 Jahre lang bewirtschaftet. Jetzt wird das Weingut und noch einiges mehr, was dazu gehört, neu ausgeschrieben (www.weingut-stadt-frankfurt.de). Insgesamt geht es um 22 Hektar in Hochheim und den kleinen Weinberg am Lohrberger Hang.

Die Stadt möchte ein besseres zeitgemäßes Marketing bekommen, das auch jüngere Menschen anspricht. Dagegen ist überhaupt nichts zu sagen. Auch die Forderung nach Umstellung auf reinen Biobetrieb klingt zunächst einmal gut. Eine solche Bewirtschaftung ist aber auch letztlich teurer und bedeutet für den Verbraucher eine Preissteigerung. Die neue Verpachtung soll auch wieder 30 Jahre laufen, wobei sich die Winzerfamilie Rupp ebenfalls bewerben will. Es stehen dabei nicht nur die Weinberge an, sondern unter anderem auch die Weinstube im Römer, die seit längerem leer steht und nur während der Fußball EM als Pop-up betrieben wurde, wobei die Fußball-Wimpel immer noch vor der Tür baumeln.

Über die Verpachtung der Weinberge entscheiden die Stadtverordneten von Frankfurt. Möge der Bessere gewinnen, möchte man eigentlich gerne sagen. Was einem angesichts dieses „Fachgremiums“ aber nicht leichtfällt.

Ludwig Fienhold

 

Weine der Stadt Frankfurt, Vinothek & Verkauf, Limpurgergasse 2, Tel. 069 2123 3680. Mo-Fr 9 – 12.30 Uhr.

 

Photocredit: Weine der Stadt Frankfurt, Fienhold/BISS Magazin

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