Hendrik Thoma: 50 Große Weine aus Portugal | BISS

Kategorie | 2014, Aktuelles, Juni 2014

Hendrik Thoma: 50 Große Weine aus Portugal

Portugal Weine-Titel

Sommelier Hendrik Thoma schenkt kräftig ein

 

Brutalis heißt der Wein und macht seinem Namen Ehre. Die Zunge wird mit Power geflutet. Man muss heftig schlucken, obwohl man nur einen Löffel voll genommen hat. Man ist der dick man oder: Ist er zu stark, bist Du zu schwach.

Werbeträchtig sind auch Flaschenform und Etikett, so etwas sieht man eher beim Whisky. „Der Name Brutalis provoziert, aber der Geschmack versöhnt“, meint ziemlich geschickt balanciert Sommelier und Weinconférencier Hendrik Thoma, der so viel in Sachen Wein auf Tour ist, dass man sich fragt, wie er das gesund übersteht. Der 46 Jahre alte Hamburger war 12 Jahre Chefsommelier im Hotel Louis C. Jakob und arbeitet nun freiberuflich auf allen Ebenen. Hendrik Thoma trägt den Titel Master Sommelier, den in Deutschland nur noch zwei weitere führen dürfen. Egal, was man von solchen Titeln halten mag, ob dahinter vor allem auswendig gelerntes Wissen ohne Leidenschaft steckt oder nicht: Dieser Hendrik Thoma war schon immer deutlich pfiffiger und emotionaler als die meisten seiner Zunft. Jetzt ist er mit „50 Great Portuguese Wines“ auf Tournee und machte mit aktuellen Jahrgängen Station in Frankfurt und Hamburg. Um gleich Missverständnisse zu vermeiden: Es handelt es sich dabei nicht um die besten Weine Portugals, sondern um solche, die Hendrik Thoma und sicher auch das Marketing von Vini Portugal in Lissabon für besonders erwähnenswert und repräsentativ empfinden. Es hat sich jedenfalls sehr gelohnt, mal vorbeizuschmecken, zumal man portugiesische Weine ja eher selten in Deutschland unter die Nase gehalten bekommt.

Hendrik Thoma

Hendrik Thoma

Brutalis (Jahrgang 2010, Vidigal Wines Lissabon), eine Cuvée aus den Rebsorten Alicante Bouschet und Cabernet Sauvignon),  ist ein Schädelspalter. Nicht wegen seiner Kraft, sondern weil er die Meinungen stark zu trennen vermag. Genau solche ungewöhnlichen Weine braucht es aber, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und im Gespräch zu bleiben. Viel zu lange wurde Portugal hierzulande verschwiegen. Dabei gibt es mit den angenehm sanften und sommerlich duftigen Vinho Verde genau das Gegenteil von Brutalis. Früher existierten fast nur banale, flache und mit zu viel Restsüße ausgebaute Tröpfchen dieser Gattung. Längst gibt es aber feine, bedächtig vinifizierte und sehr animierende Vinho Verde. Die Besten sind leicht, lebendig und von atlantischer Frische. Wenig Alkohol, niedrige Säure und eine heitere Spritzigkeit zeichnet sie aus. Eine blitzsaubere Frucht aus grünem Apfel, Limette und Blüten sind typisch, aber deshalb noch lange nicht allgegenwärtig. Beispielhaft zu erleben aber bei Vinhos Norte, dessen auf 5000 Flaschen limitierter Tapada Dos Monges ein filigraner und durch delikate Aromen bezaubernder Wein ist, wie er diese Spezies nicht besser zu präsentieren vermag. Diese Variante des Vinho Verde basiert nicht auf der Rebsorte Alvarinho, sondern besteht zu 100% aus Loureiro, die elegantere Weine hervorbringen kann. Von ähnlicher und eher graziler Art zeigt sich auch die Quinta de Gomariz, deren Wein auf jede Terrasse gehört. Einer unserer weiteren Favoriten ist der Branco Escolha von Casal de Ventozela, der aus den Rebsorten Loureiro, Arinto und Trajadura bestens komponiert wurde. Er moussiert leicht und lächelt einen durch Apfeldüfte an, die von Kräutern aufgefrischt werden. So vielschichtig und leise strukturiert können Weine sein, die sich nicht laut und wichtig machen, sondern durch die Hintertür in den Weinverstand Einlass finden. Man muss wissen, dass Vinho Verdo im Schnitt zwischen 6 und 10 Euro kosten, was das Geschmackserlebnis noch sympathischer macht und den Trinkfluss erhöht. Vinho Verde bezieht sich übrigens nicht auf seine oft leicht grünlich reflektierende leuchtende Farbe, sondern auf das Landschaftsbild des grünen Nordens von Portugal.

Sehr gut: Vinhos Norte

Sehr gut: Vinhos Norte

Nicht zu verstehen ist gerade bei den Vinho Verde der Einsatz von Barrique. Jegliches Holz verwandelt die von Natur aus vorhandene zarte Aromatik dieses Weins in plumpe Brocken mit bitterem Nachgeschmack. Der Guru von Wine & Soul aus gleich vier nervös verwirbelten Rebsorten taugt höchstens etwas für hippe Szenelokale, deren Gäste schrille Weine mögen, weil sie ohnehin von lauter Musik und stickiger Luft betäubt sind.

Nicht wenige Rotweine Portugals entwickeln sich in eine merkwürdig internationale Richtung. Die Erzeuger sollten sehr aufpassen, dass sie ihr Terroir und ihre ganze Persönlichkeit nicht aufgeben. Manches, was bei den  „50 Great Portuguese Wines“ zu erleben war, hätte auch sonst in der Neuen Weinwelt Platz gefunden und zeichnete sich nicht unbedingt durch ein eigenständiges Profil aus. Es gab aber auch ganz andere Formate: Die intelligente und feinbeerige Quinta do Carmo Reserva von Bacalhôa Vinhos de Portugal. Die vitale und dezent fruchtige Quinta de Arcosso Superior Bago a Bago. Der sehr spannende und leicht südfranzösisch anmutende Churchill Graham Touriga Nacional. Die ritterliche, stoffige und in der Stilistik angenehm kühle Passadouro Reserva. Der barocke CV von Lemos & Van Zeller. Der für einen Rotwein fast schon erfrischend klare und präzise strukturierte Alto von Pinto de Mesquita. Und auch der fast schon burgundische Romaneira. Ein sehr viele ansprechender und deshalb als Allzweckwaffe speziell für die Gastronomie gut einzusetzender Rotwein ist der saftige und mit viel Schmelz schmeichelnde Quinta Lamelas von Guedes, dessen dunkle trockene Himbeeraromatik extravagant aus dem Glas springt.

Bei aller Liebe: Manche Namen von Winzern und Weingütern sind unnötig langatmig, umständlich und schwer vermittelbar, etwas griffigere und international verständliche Etiketten wären vorteilhaft.

Ludwig Fienhold

 

 

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