Bissfest: Neues Küchenkonzept für Villa Kennedy | BISS

Kategorie | Aktuelles, April 2014

Bissfest: Neues Küchenkonzept für Villa Kennedy

Villa Kennedy

Der Anti-Star-Koch

Fulvio Piereangelini

ist neuer kulinarischer Berater

 

Von Ludwig Fienhold

 

Der ehemalige Zwei-Sterne-Koch Fulvio Pierangelini ist seit einigen Jahren gastronomischer Berater bei der Hotelgruppe Rocco Forte, die 13 Häuser in ganz Europa führt. Seit kurzem arbeitet er auch gemeinsam mit Küchenchef Dario Cammarata und hat ein neues Konzept für das Restaurant Gusto in der Frankfurter Villa Kennedy entwickelt. Es soll wieder zurück zur italienischen Kernkompetenz führen: Puristische Kombinationen mit leidenschaftlicher Aussage.

Fulvio Pierangelini (l.) und Dario Cammarata

Fulvio Pierangelini (l.) und Dario Cammarata

Wenn man sieht, wie Fulvio Pierangelini den schlichten und meist missbrauchten Klassiker Spaghetti al Pomodoro mit akkurater Handwerklichkeit und Enthusiasmus zu neuem Leben verhilft, dann versteht man schon viel von seiner Küchenphilosophie und vielleicht noch mehr von echter italienischer Küche. Natürlich blanchiert und häutet er die Tomaten, selbstverständlich entfernt er den grünen Strunkrest und die Kerne. „Die Tomatenhaut“, sagt er mit Nachdruck, „baut nur eine Mauer auf und wehrt das Olivenöl ab, das ja aufgesogen werden soll“. Gemeinsam mit Thymian, Basilikum Knoblauch und Olivenöl wandert alles in eine Pfanne, aber so geschichtet, dass die Tomaten nebeneinander Platz finden. „Wenn Sie einen Koch sehen, der die Pfanne dauernd nervös hin und her bewegt, gehen Sie lieber“, bemerkt Fulvio bissig. „Die Pfanne hat einfach nur in aller Ruhe auf dem Herd zu stehen.“ Nach acht bis zehn Minuten haben sich die Tomaten mit den anderen Ingredienzen vermählt, werden aussortiert und durch etwas frisches Basilikum und Thymianblätter ergänzt. Die parallel gekochten Spaghetti kommen in die Tomaten-Pfanne – jetzt darf noch eine Minute geschwenkt werden, dann ist das Ganze servierfertig. Und schmeckt so großartig, wie man das in Frankfurt, Deutschland und der Welt leider nur ganz selten erlebt. Für Fulvio ist gerade dieses Gericht eines der wichtigsten seiner Kindheit. Ein Pastateller, wie man ihn nicht neu erfinden kann, aber wie er für alle in der Qualität vergleichbar bliebe. Aus diesem Grundverständnis heraus, ist auch zu erklären, warum in seinem damaligen Lokal die Pasta mit Tomaten ebenso teuer war wie die mit Hummer. Für Fulvio besitzen alle Produkte die gleiche Bedeutung. Mitte April kommen die ersten Tomaten aus Sizilien nach Deutschland. Sie sind viel aromatischer als die standardisierten Kirschtomaten, weshalb man eine Sauce mit ihnen auch nicht nachzuckern muss. Bei Pasta hat Fulvio Pierangelini zwei Favoriten: Die neopolitanische Manufaktur Pastificio dei Campi und Cavalieri aus Apulien.

Lydia Forte & Fulvio Pierangelini in der Küche

Lydia Forte & Fulvio Pierangelini in der Küche

Fulvio Pierangelini hat die große Gabe aus jeder Kartoffel ein mit Energie aufgeladenes Gericht zu machen. Die Parameter dazu bestimmt er selbst, aber stets gehören eine große Portion Selbstvertrauen und Sinnlichkeit dazu. Beides führt zu einem Italienbewusstsein, wie es immer mehr verloren geht. Fulvio betrieb mit dem Ristorante Gambero Rosso in San Vincenzo in der Toskana ein Zwei-Sterne-Restaurant, das zu den Top Five in Italien gehörte. Für viele war es gar das beste Lokal des Landes. Ganz sicher aber hätte man es das Italienischste nennen können.  Vielleicht ist es seiner Geradlinigkeit und der damit verbundenen unbeugsamen Haltung geschuldet ist, dass ihm der dritte Stern verwehrt blieb.  Fulvio Pierangelini war ein Solist, meist kochte er ganz allein in seiner kleinen Küche. Er putzte sogar selbst das Gemüse und schälte eigenhändig die Kartoffeln. Die Öffentlichkeit interessierte ihn nie, Interviews gab er nur ganz selten. Der 1953 in Rom geborene Autodidakt brachte aber völlig unbeeindruckt Gerichte à la Garnelen auf Kichererbsenpüree in die gastronomische Umlaufbahn, die oft kopiert und doch nie erreicht wurden. Irgendwann wollte er nicht mehr kämpfen und gab sein Lokal 2007 auf. Durch den Vertrag mit Rocco Forte mag er mehr in sicheren Verhältnissen zu leben, doch ist er der Gleiche geblieben. Kompromisslos, hoch emotional und so geschmackstalentiert wie nur wenige Köche in der Welt. Wie viele Köche gibt es zudem, die man umarmen möchte? Ganz gewiss Fulvio Pierangelini, wobei dies sein Umfang ein klein wenig schwerer macht.

Villa Kennedy KöcheDie Speisekarte in der Villa Kennedy hat sich deutlich geändert, sie ist klarer, komprimierter und kompromissloser geworden. Die genannten Spaghetti al Pomodoro gehören in der neuen Variante dazu und auch der Wolfsbarsch in der Salzkruste. Die mit „Grüner Soße“ gefüllten Ravioli mit Butter und Parmesan sind keine platte lokale Anbiederung und bringen durch ihre feinkräuterige Duftigkeit Italien und Deutschland auf sympathische Weise zusammen. Schön, dass es viele Gerichte in kleinen und großen Portionen gibt, was dem Italiener übrigens ziemlich „deutsch“ vorkommt. Ganz spannend wird es beim Steinbutt mit Artischocke und Kartoffel-Olivenöl-Püree, wobei der Fisch beinahe Statist ist. Es gibt zwei Püree-Lager: Solche, die das von Robuchon mit Sahne und Butter bevorzugen, und jene, die es leichter und doch mindestens so ausdrucksvoll mögen, wie von Fulvio Pierangelini, der sein Püree mit Wasser und Olivenöl zubereitet. Der eigenwillige Römer steuert davon abgesehen ein eigenes exquisites toskanisches Olivenöl bei, das inzwischen auf allen Tischen im Restaurant Gusto in der Villa Kennedy zu finden ist. Rocco Forte kennt Fulvia übrigens seit vielen Jahren und war gemeinsam mit seiner aparten Frau und der bildschönen Tochter Stammgast in dessen Restaurant Gambero Rosso in der Toskana.

Villa Kennedy - 2Fulvio Pierangelini ist nicht nur ein bemerkenswerter Koch, sondern auch ein Weinkenner. Seine Beziehungen will die Villa Kennedy nutzen, um die Weinkarte zu verbessern. Der Küchenchef der Villa Kennedy und  Verantwortliche für das Restaurant Gusto hat viele Jahre eher bescheiden im Hintergrund gearbeitet, erfährt nun aber einen vielleicht förderlichen Schub. Dario Cammarata mag viel hinter den Kulissen tätig sein, ist aber längst kein ganz Unbekannter mehr. Er arbeitete unter anderem im berühmten Badrutt´s Palace in St. Moritz,  dem honorigen Bremer Parkhotel und war Souschef im großartigen Ernos Bistro in Frankfurt. Der Direktor der Villa Kennedy, Georg Plesser, ist glücklich mit dem neuen kulinarischen Berater Fulvio Pierangelini und schätzt neben dessen Können seine unkonventionelle Art. Küchenchef Dario Cammarata freut sich über die neue Entwicklung und hat sich mit seinem Coach angefreundet. Fulvio Pierangelini schaut zwar öfter mal für einige Tage in Frankfurt vorbei und steht mit der Brigade der Villa Kennedy am Herd, reist aber jetzt wieder nach Rom zurück, zu seinem Hauptsitz, dem wunderschönen Rocco Forte Hotel de Russie. Nun müssen Dario Cammarata und seine Crew das neue Konzept optimal umsetzen, die Speisekarte ist ab sofort im Einsatz. Es besteht die große Chance, die Villa Kennedy gastronomisch aufzuwerten und das Gusto als ein besonders gutes italienisches Restaurant zu etablieren.

Villa Kennedy-aussen

Villa Kennedy, Frankfurt, Kennedyallee 70,  Tel. (069) 717120. Restaurant Gusto geöffnet 12 – 14.30 Uhr, 18.30 bis 22.30 Uhr. Vorspeisen 14 – 26 €, Pasta & Risotto 11 – 27 €, Hauptgerichte 28 – 36 €. Mittagsmenü 18 € (2 Gänge), 25 € (3 Gänge). www.roccofortehotels.com/de/hotels-and-resorts/villa-kennedy

 

 

 

 

 

 

Photocredit: Edward Park und Top Magazin Frankfurt

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