Adios: Die großartige Bodega Azul Perdido auf der Vulkan-Insel La Palma ist abgebrannt | BISS

Kategorie | 2025, Aktuelles, Mai 2025

Adios: Die großartige Bodega Azul Perdido auf der Vulkan-Insel La Palma ist abgebrannt

Azul Perdido

Trinkfreude mit Tiefgang

 

Es ist und bleibt unser „Weingut des Jahres“

 

Von Ludwig Fienhold

 

Azul Perdido auf der Vulkaninsel La Palma ist unser „Weingut des Jahres“, was wir gerade mit Begeisterung verkünden wollten. Jetzt zerstörte ein Feuer das Anwesen. Nicht etwa durch einen Vulkanausbruch, sondern durch Bauarbeiten an einem Nachbargrundstück. Rüdiger Ewerth sieht sein Lebenswerk zerstört und hat auch nicht mehr die Kraft neu anzufangen, ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Jetzt sind die allerletzten Flaschen im Umlauf, aber eins ist sicher: Diese wunderbaren Weine wird es nie wieder geben. Bei uns fließen Tränen in den Wein, wir hegen gegenüber diesem Weingut und den Menschen, die dahinterstehen, allergrößte Zuneigung.

Azul Perdido, das Weingut mit dem poetischen Namen „Verlorenes Blau“, wurde von dem Hamburger Rüdiger Ewerth und seiner Frau Diana über 25 Jahre lang betrieben. Schweißarbeiten am Nachbargrundstück hatten fatale Folgen und entfachten einen Brand, bei dem das Lager des Weinguts mit Maschinen, Fahrzeugen, Flaschen und anderem Material zerstört wurde. Hinzu kamen Streitigkeiten mit der Versicherung des Nachbarn, Fachkräftemangel und kräftezehrende Bürokratie. Das alles frisst die Energie auf und nagt an der Seele. Zuviel für einen auch noch so tapferen Winzer, der keine Mühe scheute in mühsamer Arbeit guten Wein aus Vulkanlöchern zu gewinnen. Für uns war Azul Perdido das beste Garagenweingut der Welt. Und kann auch mit vielen Großen sehr gut mithalten. Für alle Weine von Azul Perdido gilt: Trinkfreude mit Tiefgang.

Als Rüdiger Ewerth auf La Palama den ersten Wein erzeugte, gab es noch keine bekannten Weingüter auf den Kanaren. „Aber die erforderlichen Genehmigungen zur Abfüllung wurden mir damals verwehrt, erinnert sich Ewerth, „ich hatte einen zu guten Listan Blanco in deutschen Schlegelflaschen abgefüllt – ein Skandal!“ Nach einigen Experimenten und vielen Erfahrungen wurde Azul Perdido schließlich offiziell 2017 gegründet.

Der Name „Azul Perdido“ – das verlorene Blau, kommt von der Lage auf der Insel, es befindet sich auf der grünen Ostseite, wo sich oft die Wolken am Nachmittag aufschieben und den blauen Himmel verdecken. „Wir mögen das, auch mit den Passatwinden, die die kühle salzige Luft nachts durch die Bodega ziehen lassen und einen Einfluss auf unsere Weine haben, wie im Süden Spaniens im Sherry Gebiet. Besonders beim Listan Blanco, dem Ur-Palomino, und dem Maresia del Atlantico“, erzählte uns Rüdiger Ewerth bei unserem letzten Gespräch.

 

Diese Weine bleiben unvergessen

Der Rosé La Negra Tomaso (Bild ganz oben) erzählt die Geschichte der Indianos und des Carnevals und ist einer der besten und aufregendsten Weine dieser Spezies. Fleischig, saftig, würzig, mit zarter Karamellnote, einem Hauch Himbeere, einer Prise Walderdbeere und der mystischen Witterung von Vulkanrauch.  Grapefruit, Orangenzeste, Quitte, Kräuter sowie eine Minimaldosis Chinarinde bringen eine Aromatik von Botanical Drinks ein. Ein faszinierender Stoff, eigenständig, individuell und gloriously unstoppable.

Maresia del Atlantico

Dieser schlanke und feingliedrige Listán Blanco kommt aus der bekannten 300 Meter hohen Lage Las Machuqueras am Fuß des San Antonio Vulkans, begraben von einer meterdicken, schwarzen Ascheschicht. Er besitzt eine Finesse und innere Ruhe und Strahlkraft, wie sie nicht viele Weine auf dieser Welt haben. Es gibt keinen unruhigen Aromenzoff, alles an Natur der Insel scheint zusammenzufließen, fein und seidig. Düfte von Zitronenzeste beleben die Sinne, eine schöne Salzigkeit lässt die Meeresbrise spüren. Ein flirrender Stoff, der begeistert. Authentisch, La Palma at its best. Einer der besten und feinsinnigen Weißweine, die wir in den letzten Jahren weltweit getrunken haben.

 

Alma de Tacande

Unglaubliche und so kaum zu erlebende Cuvée aus Listan Negro, Negramoll, Tintilla, Baboso Negro, Viejariego Negro. Eine volle Supernase feinster Aromen, schwarzbeerig, elegant und fein wie ein Pinot Noir. Beschwingt und duftig, zart cremig, geschmeidig, ungemein saftig und vielschichtig.Vom ersten bis letzten Schluck einfach schön und charaktervoll. Wie ein sehr guter Burgunder, aber mit ganz eigenem La Palma Feeling. Toll gereift, der Jahrgang 2018 ist jetzt auf dem Punkt.

Flor de Tacande

Wieder so ein kleines Wunderwerk. Aus ungewöhnlichen und autochthonen Rebsorten, Listan Negro, Negramoll, Baboso Negro, Viejariego Negro. Wenn dieser Wein nicht so eigenwillig wäre, könnte man ihn vielleicht als französischen Pinot Noir verstehen. Er kommt auch sanftmütig und durchaus fein daher, doch dann brodelt der Vulkan in ihm und gibt Asche, Teer und Gewürzfeuer frei. Nein, das ist auch kein Barolo, wenn er auch Gemeinsamkeiten mit ihm hat, das ist ein ungestümer Wilder mit freundlicher Ausstrahlung. Saftige Kirsche, Schlehe, Wurzelwerk, Erde, Pilze, mit süßem Kern mit reifer Kirsche. Ein Wein wie er vielleicht nur auf La Palma entstehen kann, zumindest wenn Könner am Werk sind. Seinen ganzen Charakter entfaltet er nach 20 Minuten. So viel Zeit muss sein.

Es gab noch mehr Weine, dies ist nur eine Auswahl, stellvertretend für die große Qualität. Die Weine von Azul Perdido waren schon immer stark limitiert, meist gab es nur wenige hundert Flaschen. Wir möchten nicht aufhören unsere Begeisterung in die Welt zu rufen, aber wir haben nur noch ganz wenig im Glas. Tieftraurig und doch glücklich, dass es ein solches Weingut überhaupt gab, schließen wir.

Rüdiger und Diana Ewerth

Vielleicht gibt es noch ein paar Flaschen beim Alleinimporteur „Wein am Limit“ von Hendrik Thoma, mit etwas Glück findet man auch noch die eine oder andere Flasche auf den Kanaren. 

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