Aus für Gustav und Weinsinn: Frankfurts Gastronomie verliert an Gewicht, man darf aber nicht nur die Sterne zählen | BISS

Kategorie | 2024, Aktuelles, August 2024

Aus für Gustav und Weinsinn: Frankfurts Gastronomie verliert an Gewicht, man darf aber nicht nur die Sterne zählen

Gustav

Wo geht die Reise von Spitzenkoch Jochim Busch hin?

 

Das Aus für die Restaurants Gustav und Weinsinn kam weniger überraschend als viele glauben. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Betreiber merken, dass man keine zwei Restaurants in der gleichen Stadt nebeneinander führen kann, die sich an die gleiche Zielgruppe richten. Dieser gastronomische Kannibalismus hat sich gegenseitig aufgefressen. Wer für einen Besuch 500 Euro zu Zweit investieren muss, überlegt sich, ob er ins Gustav oder ins Weinsinn geht. Oder ob er überhaupt so viel Geld ausgeben möchte. Das zweite große Handicap: Jochim Busch war nicht nur Küchenchef im Gustav, sondern auch Regisseur und Konzeptionist des Schwesterlokals Weinsinn. Eine Doppelbelastung, die auf Dauer an den Kräften zehrt.

Die beiden Restaurants sind Geschichte, Jochim Busch ist es nicht. Er und nur er und sein Team waren die Stütze und das Aushängeschild der Restaurants. Der meisterhafte Filigrankoch mit dem großen Aromengespür hat sich die letzten Wochen kaum blicken und hören lassen, weil er lästigen Fragen ausweichen wollte. Er wird sich besinnen und sehr genau überlegen, wie es weitergeht. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass er in Frankfurt oder Umgebung bleiben wird – hier hat er mit seiner Familie seinen Lebensmittelpunkt. Und es gibt gute Gründe, dass er sich selbständig machen will. Dann aber dürfte es weniger hoch bei den Preisen zugehen, aber deshalb nicht weniger anspruchsvoll. Sterne sind immer seltener das Ziel von guten Köchen, die sich auch ohne sogar weit eher ihrem Publikum zuwenden können.

Jochim Busch

Die Betreiber von Gustav und Weinsinn, die als Café-Pächter begannen und plötzlich durch den Topkoch André Rickert in der Gourmetgastronomie landeten, der jetzt im Bidlabu besser und entspannter denn je kocht, wollen im Bahnhofsviertel weitermachen und dort im ehemaligen Weinsinn im Herbst in der Weserstraße ein Lokal namens Sommerfeld eröffnen. Das Lokal liegt zwar nicht im extremen Bereich des Problemviertels, muss aber mit dem Stigma „Bahnhofsgastronomie“ leben. Viel negativer dürfte sich jedoch die fehlende Terrasse auswirken, ohne die kein Gastronom überleben kann.

Das Frankfurt nun auf einen Schlag drei Michelin-Sterne verloren hat (2* Gustav, 1* Weinsinn), ist bedauerlich, aber nicht bedenklich. Zum einen haben wir auch weiterhin gute Sternerestaurants wie Ernos Bistro oder Carmelo Greco, zum anderen gibt es großartige Restaurants ohne Michelin-Brandzeichen: Lohninger oder das neue sizilianische Naná seien stellvertretend genannt.

Ludwig Fienhold

 

Photocredit: Fienhold/BISS Magazin

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