Restaurant-Kritik: Lafleur hat es schwer | BISS

Restaurant-Kritik: Lafleur hat es schwer

Lafleur-Titel 2

Im Frankfurter Palmengarten

blüht Alfred Friedrich

ganz langsam auf

 

Im Palmengarten wächst auch der Unmut. Wegen schwankender Leistungen in der Gastronomie. Das junge Blümchen Lafleur kann noch nicht ganz seinen Duft entfalten. Wir erlebten zu Anfang sehr welke Leistungen, doch so langsam blüht Alfred Friedrich auf.

Mit mehr Spannung wurde auf kaum eine Neueröffnung in Frankfurt gewartet: Das Restaurant Lafleur im Gesellschaftshaus im Palmengarten ließ über sechs Jahre auf sich warten. Während der restaurierte Festsaal dort in barocker Pracht erstrahlt, wurde das Restaurant eher im klarlinigen Bauhausstil gestaltet. Opulent setzen sich dagegen einige Bilder und die alles dominierende Farbe Aubergine ins Licht. Nur acht Tische reihen sich um die großen Fensterfronten mit Parkblick (der noch durch eine Baustelle untergraben wird). Der begehbare Weinschrank ist gut bestückt, Deutschland, Frankreich, Spanien (und künftig auch Österreich) spielen die Hauptrollen, von Château Lafleur stehen allein 28 verschiedene Bouteillen parat.

Restaurantleiter Miguel Martin

Der Service arbeitet sehr akkurat, Maître-Sommelier Miguel Martin hat sich in gleicher Position im Tigerpalast 17 Jahre bewährt. Mit ihm zog auch Alfred Friedrich vom Tigerpalast ins Lafleur, der nun seine Kellerkochstelle gegen eine große Küche tauschte. In dieser ist er indes noch nicht ganz angekommen, jedenfalls gab es beim ersten Besuch Unstimmigkeiten: Mangelnde Produktqualität (sehnige Kalbsleber), unsinnige Kombinationen (Lauch mit Passionsfrucht) und handwerkliche Nachlässigkeiten (beim St. Pierre waren trotz Ankündigung Kalbsbries und Ingwer nicht ausfindig zu machen). Das Filet vom (durchschnittlichen) Eifler Ur-Lamm mit Aubergine, Dattel, Tabouleh und Chorizo-Sauce würde gerade einmal für einen halbwegs begabten Szenekoch ausreichen, löst aber bei einem wie Alfred Friedrich alles andere als Begeisterung aus.

Genfersee Felchen

Dass Genfersee-Felchen war ein mattes Fischlein, auf dessen Tatar eine fette und geschmacksarme Mousse  thronte. Wo der annoncierte Vodka eingesetzt war, konnten wir nicht erkennen, wahrscheinlich aber beim Kaviar vom gleichen Fisch, den man auf der Speisekarte so auch hätte deklarieren sollen, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass es sich hier um hochwertigen Stör-Kaviar handelt.

Jedem Gericht fehlte es an Produktqualität, Kombinationsgefühl und Würze. Alles wirkte leblos und war zudem lieblos auf dem Teller angerichtet. Wir wollten Pavarotti und bekamen nur Dieter Bohlen. Wie soll da Lobgesang aufkommen?

Merkwürdig auch, dass Alfred Friedrich jetzt Wasabi und Tofu einsetzt, wovon er stets die Finger lies. Es war auch nichts von der enormen Produktqualität zu spüren, für die Friedrich über einen langen Zeitraum bekannt war –  zur Überraschung der eigenen Buchhaltung und zum Erschrecken anderer Patrons. Dass er jetzt seine Speisekarte als „Küche der Produkte“ übertitelt, wirkt wie Hohn. Man kann es dabei vielleicht auch als positiv bewerten, das die blasse Brötchenauswahl keineswegs animierend ausfällt, weil man dann nicht schon vor dem eigentlichen Essen satt ist. Angesichts der Leistungen sind die Preise nicht anders als völlig unangemessen zu empfinden. Hauptgänge kosten zwischen 48 und 57 €, ein Menü mit fünf Gängen schlägt mit 125 € zu Buche. Zum Vergleich: In den besten Restaurants in Deutschland (Vendôme, Schwarzwaldstube, Gästehaus Erfort, Waldhotel Sonnora etc.) kosten Menüs mit fünf Gängen zwischen 139 und 160 €, fallen aber um Klassen besser und hochwertiger aus.

Apfel-Dessert

Auch diese enorme Diskrepanz gilt es auszubügeln. Wir haben es beim Lafleur immerhin nicht mit Anfängern, sondern Profis zu tun, von denen man gleich von der ersten Stunde an mehr erwarten kann. Trotzdem haben wir uns Zeit mit einer Bewertung gelassen, haben bei wiederholten Besuchen einen guten Teil der Speisekarte kennengelernt und einen weiteren Tester geschickt. Das letzte Essen (am 16. Oktober) ließ dann endlich wieder Freude aufkommen.

Die Amuse Bouches hatten jetzt eine Aussage, ausgezeichnetes Steinpilzsüppchen, hervorragende Kalbsvariationen. Auch bei den Gerichten gab es eine deutliche Steigerung, die die Küche aus den Niederungen herausholte. Das Filet von der Rotzunge mit (merkwürdig und unnötig) gestückelten Carabineros, Sardellen, harmlosen Kapern und Haselnüssen war gut, wenn auch noch nicht auf dem gewohnten Friedrich-Niveau.  Die gebratene Gänseleber mit fermentierten Rotkohlsaft, Birnenmousse und belanglosen Gewürzbrotkrümeln zeigte immerhin von der Gänseleber als Ausgangsprodukt Qualität. Der süßsaure Rotkohlsaft konnte die Fettigkeit der Leber auffangen,  schmeckte jedoch nach Eisen, was die Freude nur bedingt steigerte. Wenn man bedenkt, dass Gänse(stopf)lebergerichte einmal die Paradedisziplin von Alfred Friedrich waren, dann minimiert sich diese Leistung.

Gänseleber

Auch bei diesem Besuch waren die Produkte nicht optimal, der Einsatz von Saucen sehr verhalten und das Gefühl für Nuancen eher abwesend. An die besseren alten Zeiten erinnerten in erster Linie die Süßspeisen. Eine solch wunderbar spitzfindige Leichtigkeit wie beim Apfel-Panna-Cotta mit Rosmarin, Fromage Blanc und Apfelwein-Sud von hessischen Streuobstwiesen würden wir uns bei jedem Gericht wünschen. Die köstliche, am Tisch flambierte Schmandtarte, die wunderbar aromatische Erdbeertarte und der ausgezeichnete Streusel-Zwetschgenkuchen sind neben Pralinen mit Gewürzkuchen oder Karamell die Basis einer famosen Patisserie, die jeden Mittag inklusive zum Businessmenü (ab 42,50 €) als Kaffeebegleitung zum Einsatz kommt.

Wir verfolgen die Küche von Alfred Friedrich seit über zwanzig Jahren und erinnern uns noch gut an die Zeiten im seligen Brückenkeller mit ihm. Auch in seinem Humperdinck im Frankfurter Westend und im Restaurant Marcobrunn auf Schloss Reinhartshausen im Rheingau glänzte er meist. Bei Heinz Winkler in Aschau hatte er eine leichte Schwächephase, doch schon gleich mit dem feierlichen Eröffnungsdinner bei Zarges auf der Frankfurter Freßgass trumpfte Friedrich mit einem hervorragenden Menü auf. Fazit der Stunde: Alfred Friedrich hat sein Talent nicht verloren und könnte bei deutlicher Steigerung durchaus an seine Glanzzeiten anschließen.

Ludwig Fienhold

 

Lafleur, im Frankfurter Palmengarten, Palmengartenstr. 11, Tel. 069 900 29 100. www.palmengarten-gastronomie.de

Vorspeisen 32 – 36 €, Suppen 19 – 21 €, Hauptgerichte 48 – 57 €, Desserts 19 – 26 €, Menüs 115 – 135, Vegetarische Menüs 100 – 120 €.

 

 

 

 

 

 

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