Raki Rachenputzer oder Trend-Drink? | BISS

Raki Rachenputzer oder Trend-Drink?

Raki-Dinner Ali Güngörmüs

Der einzige türkische Sternekoch Ali Güngörmüs

und der Nationalschnaps seiner Heimat

 

Ali Güngörmüs vom Canard nouveau in Hamburg ist der einzige türkische Koch in Deutschland mit einem Michelin-Stern und 16 Punkten im Gault Millau. Gemeinsam mit seinem Landsmann Fatih Akerdem, dem Chefbarkeeper vom Westin Frankfurt, versuchte er jetzt bei einem Dinner den Anisschnaps Raki schmackhaft zu machen, der sich noch stärker in Deutschland verbreiten soll.

Vermag der türkische Nationalschnaps auch bei uns ein Trend-Drink zu werden? Die Spirituosen-Industrie ist für manche Überraschung gut, wer hätte gedacht, dass ausgerechnet der jahrzehntelang als Leberkleister verhöhnte Jägermeister bei jungen Menschen und Amerikanern beliebt werden würde? Raki will mehr sein als ein Rachenputzer, in der Türkei ist er nicht allein Kult, sondern Teil der Kultur. Es gibt unzählige Raki-Ritaule, so soll man etwa nie mehr im Glas haben als andere. Raki, Rake gesprochen, wird seit 300 Jahren in Anatolien aus Weintrauben beziehungsweise Rosinen gebrannt und mit Anissamen aromatisiert, die ihm einen starken Lakritzgeschmack verleihen. Kristallzucker und Quellwasser sind ebenfalls Bestandteile, doch bestimmen vor allem die Trauben und Anis die Qualität.

Fatih Akerdem

Man kann Raki pur trinken, was deutsche Zungen indes betäubt. Selbst mit viel Wasser verdünnt und stark gekühlt, behält er immer noch sein heftiges Aroma. In der Türkei wird der Anisschnaps als Aperitif und Digestif und auch durchgängig zum Essen getrunken, vor allem zu Vorspeisen, Mezzes genannt. Wohl deshalb wurde zum Menü von Ali Güngörmüs ausschließlich Raki serviert, was den Veranstaltern half, einzig ihr Getränk in den Mittelpunkt zu rücken. Doch dies wirkte sich letztlich kontraproduktiv aus, denn bereits nach einem Gläschen Raki wird der Schlund zu einer einzigen Lakritzhöhle, die nach allem dürstet, nur nicht nach Raki. Man hätte die Runde durchaus auch mit türkischen Weinen oder türkischem Bier bereichern können. Ali Güngörmüs servierte keine Sterne-Küche, sondern gute verfeinerte türkische Hausmannskost: Curry-Falafel, Ziegenkäse-Feigenbörek, Hummer-Raki-Suppe, Minze-Petersiliensalat mit Granatapfel-Vinaigrette, marinierter Octopus, türkische Hamsi-Sardellen, Kürbis-Orangenstampf.

Yeni Raki ist mit einem Marktanteil von 65% die führende Marke dieser Spezies in der Türkei. Über 31 Millionen Liter werden davon pro Jahr verkauft, womit Yeni Raki zu den Top 20 Spirituosenmarken weltweit zählt. Der Anisschnaps geht in 55 Länder in Europa, Asien und dem Mittleren Osten (4,2 Millionen Liter). Deutschland ist der wichtigste Markt (1,2 Millionen Liter), hier leben schließlich drei Millionen Türken. Die Deutschen selbst besuchen zwar gerne die Türkei und trinken dort auch mal Raki, vergessen zu Hause dann aber meist den Anisschnaps. Über die vielen türkischen Lokale hierzulande will man als Hersteller jetzt noch mehr Deutsche erreichen. Fatih Akerdem, der ein Raki-Buch geschrieben hat und in seiner Rhapsodie-Bar gerne Raki einsetzt, mixte Cocktails mit Raki, bei denen der Anisschnaps dominierte. In seiner Bar wagt er sich an Neuland, etwa mit dem Cocktail Aphrodisiac aus Raki, roter Paprika und Himbeeren.

Club Michel

Das Raki-Dinner fand an einem ungewöhnlichen Ort statt, dem Club Michel im Hinterhof des Holzgrabens, der einst als Fixergässchen berüchtigt war und sich von seinem Schmuddelkinder-Image immer noch nicht ganz befreien konnte. En passant: Von den in jeder Hinsicht geladenen Journalisten wurde bereits im Vorfeld schriftlich unbedingte Pünktlichkeit verlangt, während sich einige der Gastgeber erheblich verspäteten und so die Veranstaltung erst eine Stunde später als angekündigt stattfinden konnte.

LF

 

Club Michel, Frankfurt, Holzgraben 11 B/H, www.clubmichel.de

Rhapsodie-Bar im The Grand Westin,  Frankfurt, Konrad-Adenauer-Str. 7, www.westingrandfrankfurt.com

Le Canard nouveau, Hamburg, Elbchaussee 139, Tel. 040 881295 31/32. www.lecanard-hamburg.de

 

Bild oben rechts: Ali Güngörmüs

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