Kochen ist sexy | BISS

Kochen ist sexy

Aber wo sind die Frauen?


Kochen ist sexy, Essen orale Erotik. Das müsste Männer und Frauen gleichermaßen gefallen. Aber es gibt wenige Profiköchinnen und kaum solche, die damit zu Ruhm gekommen sind. Im Gegensatz zur reinen Gastronomie ist die Hotellerie zwar deutlich weiblicher besetzt, nicht aber in den Spitzenpositionen. Braucht die Branche eine Frauenquote?

Anne-Sophie Pic

Die am höchsten dekorierte Köchin der Welt ist Anne-Sophie Pic. Ihr Restaurant Maison Pic im südfranzösischen Valenca wird mit drei Sternen im Michelin geadelt. Die 41 Jahre alte Anne-Sophie hat eine Schwäche für starke Männer. Sie ist Rugby-Fan und sieht ausgerechnet Küchenmacho Paul Bocuse als ihr Vorbild. Ins Schwärmen gerät sie jedoch bei Michel Bras und seinem Steinpilzkuchen. In ihrem gestylten und gar nicht ländlichen Relais & Châteaux-Restaurant (Menüs 90 – 330 €) setzt sie sehr sorgsam dekorierte und zarte Kreationen ein, die von der Charakteristik her Asiatisches implementieren und einen Hang zum Fruchtigen verraten. Die Froschschenkel werden vom Tee-Aroma eines Lapsang Souchong erdig-rauchig pointiert, der Steinbutt mit Rhabarber akzentuiert und das Hühnchen mit Limomen-Marmelade prononciert. Solche Gerichte müssen nanosekundengenau austariert werden, sonst wirken sie leicht überdosiert. Steht Anne-Sophie Pic aber neben einer herausragenden Stellung in der Gastronomie auch für eine feminine Küche? Die überdeutliche Tendenz zur wirkungsvollen Präsentation mag dies belegen, zumal Anne-Sophie ursprünglich Modedesignerin werden wollte. Auch die kulinarische Fruchtbarkeit, die Idee Fisch und Fleisch mit Süßem und Fruchtigen zu kombinieren, trägt eine weibliche Note. Es fällt aber auch auf, wie die Meisterköchin immer wieder ihren Vater und andere Großmeister der Zunft zitiert. Dies ehrt sie und die anderen. Aber es zeigt auch noch etwas Tieferes. Frauen suchen nach Halt und Sicherheit. Männer getrauen sich eher abzustürzen. Beides ist keine Aussage für oder gegen Qualität. Anne-Sophie Pic weiß noch, wie schwierig es war, in der Männerwelt der Köche akzeptiert zu werden. Sie wünscht sich, dass mehr Frauen ihrem Beispiel folgen.

Lisl Wagner-Bacher

In asiatischen Spitzenrestaurants spielen weibliche Köche keine Rolle, in Europa kann man die herausragenden an einer Hand abzählen. Die Österreicherin Lisl Wagner-Bacher vom Landhaus Bacher in Mautern in der Wachau fällt sofort ein. Ihr steht das ins Gesicht geschrieben, was sie auch auf den Teller bringt: Gewitzte, lustvolle, vitale und feine Küche. Dem Gault Millau, der in Österreich die wichtigste Rolle unter den Gourmet Guides einnimmt, ist sie 18 Punkte wert. Der Michelin, der sich leider feige wegen wirtschaftlicher Gründe aus diesem kulinarisch so einzigartigen Land zurückgezogen hat, ehrte sie mit zwei Sternen. Die leicht italienisch und stark regional geprägte Küche von Lisl Wagner-Bacher bietet Heimisches wie den Neusiedlersee-Wels im Röstzwiebelsud, aber auch superb Weltgewandtes wie das Kaviar-Ei mit Kartoffelpüree und Sauerrahm. Lisl Wagner-Bacher steht nicht für das Feminine, sondern für das Weibliche. Gibt es da einen Unterschied? Das Weibliche ist nicht nur fein und elegant, es ist auch prall. Das Weibliche ist sehr viel mehr als feminin, das Weibliche hat Kraft und ist keine Blümchenküche. Hat die weibliche Küche mehr Sexappeal als die Männliche? Im Vergleich ist uns der Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Küchenchefs weniger in der Qualität als im Ausdruck aufgefallen. Frauen kochen vorsichtiger, sind zurückhaltender. Auf diese Weise werden sie jedoch nie tonangebend sein, kaum einen Trend setzen können oder gar eine Generation beeinflussen. Bislang war dies jedenfalls so.

Cornelia Poletto

Dass in Deutschland mit Sarah Wiener ein österreicherisches Catering- Kasperl als die vielleicht bekannteste „Köchin“ angesehen wird, spricht Bände. Eine der wenigen ernstzunehmenden und vor allem talentierten Köchinnen in Deutschland ist Cornelia Poletto. Sie hat trotz hanseatischer Wurzeln über Jahre ihrem italiensichen Nachnahmen Ehre gemacht und gezeigt wie man beispielsweise ein wirklich erstklassiges Risotto zubereitet. Unter dem sehr strengen Küchenstier Heinz Winkler, bei dem sich nur wenige Frauen behaupten konnten, war sie eine der besten. Das bestätigt auch der Großmeister. Cornelia Poletto hat inzwischen ihr Restaurant in Hamburg Eppendorf aufgegeben und will im Mai an anderer Stelle wieder neu beginnen. Ihre vielfältigen Verpflichtungen beim Fernsehen, dem eigenen Catering-Unternehmen und vielem mehr stehen dem indes im Weg. Es wäre schade, wenn banale TV-Show-Küchen ein solches Talent verschlingen würden.

Doris Katharina Hessler aus Maintal bei Frankfurt war einst die erste Vorzeigeköchin der Republik, die konnte einen Stern und 17 Punkte im Gault Millau erarbeiten. Die früh Verstorbene war fotogen, was den Marktwert erhöhte. Jedenfalls hatte sie früh einen eigenen Stil und zudem ein Thema entdeckt. Sie kochte leicht, nach Trennkostwerten und biologisch korrekt lange bevor es en vogue war. Insbesondere die nach Auffälligkeiten suchende Presse war froh, eine deutsche Köchin präsentieren zu können, gerne als „Katharina die Große“.

Eine Frauenquote in der Gastronomie würde ebenso wenig Sinn machen wie überhaupt grundsätzlich eine solche. Der Markt und die Menschen regeln das auch so. Eine Frauenquote wird von nahezu allen in der Branche belächelt, auch von den Frauen selbst. Paul Bocuse, der gerade 85 Jahre alt wurde, meinte einmal, dass Frauen kein Talent zum Kochen hätten – wegen der hormonellen Schwankungen.

Beim Wein sind die Frauen weit besser vertreten, Winzerinnen und weibliche Sommeliers machen allerorten eine gute Figur. Auch in der Hotellerie sind Frauen sehr präsent – nicht nur im Service, an der Bar oder in der Patisserie. Regelrecht eine weibliche Domäne sind Sales und Marketing. Zur Direktorin haben es indes nur wenige geschafft. Dagmar Woodward ist oben angekommen, sie wird das neue Jumeirah Frankfurt leiten (siehe Orient de Luxe – Jumeirah Frankfurt eröffnet im Juli). Susanne Hartje hat sich ebenfalls an die Spitze gearbeitet, sie führte das Mandarin Oriental in München und ist nun General Manager bei der gleichen Gruppe in Boston. Sonst aber sieht es sehr dünn mit Frauen in Toppositionen in der Hotellerie aus.

Karl Nüser, Direktor und geschäftsführender Gesellschafter des Nassauer Hofs in Wiesbaden, sieht als Grund für die geringe Zahl von Frauen in Spitzenpositionen keineswegs eine fehlende Qualifikation, sondern die Biologie. In seinem Hotel sind die Abteilungsleiter zu fast gleichen Teilen weiblich und männlich. Die Biologie hat auch den Weg von Wiebke Wessinger-Goméz bestimmt. Sie war ein sehr hoffnungsvolles Talent mit Aussichten auf eine glänzende Karriere. Als Wiebke Wessinger lernte sie im Hotel Traube Tonbach im Schwarzwald und wurde 1995 vom Gourmet Guide Gault Millau zum „Azubi des Jahres“ gewählt. An der Begründung „Sie besitzt die besondere Begabung und erstaunlich großes Fachwissen, um durch alle gewinnende Freundlichkeit mit jeder Art von Gast gut auszukommen“, hat sich nichts geändert, doch ist sie der großen Hotelwelt durch eine eigene Familie abhanden gekommen. Nicht ganz allerdings, denn sie führt gemeinsam mit ihrem Bruder den elterlichen Betrieb in Neu-Isenburg bei Frankfurt weiter. Ein kleines schönes Hotel mit starker Patisserie.

Ludwig Fienhold

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