Die neue Gasthauskultur | BISS

Die neue Gasthauskultur

Dorfstuben-Titel

Die Dorfstube in Düsseldorf

und andere Top-Adressen


Zugegeben, wir haben Düsseldorf oft unterschätzt und Köln den Vorzug gegeben. Das ist längst anders, was zum einen daran liegt, dass Köln immer schmuddeliger und Düsseldorf nicht schicker, sondern kölscher wird. Vor allem aber die Gastronomie lädt zum fröhlichen Essen und Trinken ein. Auf Wirtshausniveau, wie im deftigen Füchschen in der Altstadt, auf Toplevel, wie im Hummer-Stübchen oder Victorian,  Düsseldorfs besten Restaurants. Mit dem Breidenbacher Hof hat die Stadt nicht nur eine erstklassige Logieradresse, die Bar dort gehört zur Spitze in Deutschland (siehe Artikel Genuss & Gesundheit im Breidenbacher Hof). Wer eines der kulinarisch wertvollsten Gasthäuser der Republik kennenlernen will, muss in die Dorfstube.

Eine Dorfstube in Düsseldorf? Wo eigentlich sonst. Es gibt nur einen, der das Original vom Schwarzwald ins Rheinland übertragen durfte: Christian Bareiss, Sohn von Hotelier-Legende Hermann Bareiss, der mit seinem Hotel in Baiersbronn eines der besten Hotels in Europa betreibt und dort seit 18 Jahren das wahrscheinlich beste Gasthaus überhaupt führt – die Dorfstube. Die Düsseldorfer Dorfstube ist keine bloße Kopie, sondern vielleicht eher das Pilotprojekt für eine neue deutsche Gasthauskultur, die auch in anderen deutschen Großstädten greifen könnte. Der 33 Jahre alte Christian Bareiss hat auf jeden Fall große Pläne, zieht aber zunächst einmal sein neues Projekt in Düsseldorf-Oberkassel hoch. Bei den fünf verschiedenen originalgetreuen Stuben aus 200 Jahre altem Tiroler Holz erlebt man behagliche Kaminzimmer und Ecken, bei denen man das Gefühl hat, in einer großmütterlichen Wohnküche zu tafeln. Dielenboden und Kassettendecke, wertvolle historische Unikate, antike Schmuckstücke, Brauchtumsgegenstände, Bauernsilber und alte Kachelöfen aus dem Schwarzwald lassen zu keiner Sekunde auch nur den Gedanken an Folklore und Kitsch entstehen und zeugen davon, dass man hier gestalten und nicht bloß dekorieren wollte. Wer sich in der Dorfstube nicht wohl fühlt, kann nur dort lieber zu Hause sein, wo der immergleiche Lounge-Stil mit dem immergleichen gelangweilten Blasiertheitschic wohnt (der selbst in Düsseldorf selten geworden ist).

Mit einem sehr klaren Gasthaus-Bewusstsein wurde auch der Auftritt der Küche entworfen. Es gibt Schwarzwald-Gerichte, Regionales aus Baden-Württemberg und Saisonales. Das einzige „internationale“ Angebot ist der Flammenkuchen, der hier aber auch wirklich besonders gut ausfällt. Sonst geht es wie im Schwarzwald zu. Der Murgtaler Wurstsalat ist von derber Schönheit, die Dorfstuben-Vesper (mit wirklich dünn geschnittenem Schinken) inklusive Kirschwasser wird zu einer ein Gute-Laune-Platte. Die saftstrotzende Roulade vom Schwarzwälder Weiderind in Spätburgundersauce haben wir bislang nirgendwo besser gegessen – allein dafür lohnt sich der Besuch. Der schwäbische Zwiebelrostbraten mit Rieslingkraut und handgeschabten Spätzle fällt fabelhaft aus, die Bauernente aus dem Rohr mit Apfelrotkohl und Sahnepüree ist famos. Eine solch meisterliche deutsche Wonneproppenküche erlebt man eher selten. Gute Grundprodukte, souveränes Küchenhandwerk und strukturierte Kombinationen sind die Grundlage dafür. Die Preise sind für die Qualität sehr fair (Vorspeisen 10 – 16 €, Hauptgerichte 19 – 26 €).

Schwerpunkt bei den Weinen ist Deutschland mit Baden und Württemberg, bei den offenen darf man sich noch nach oben strecken. Bis zum dritten Oktober findet in Düsseldorf und Umgebung auch wieder die Tour de Menu Gusto statt, wo es in vielen Lokalen besonders preiswerte Kennenlern-Menüs gibt und diesmal sogar erstmals das Hummer-Stübchen mit von der Partie ist. In der Dorfstube ein Drei- oder Vier-Gang-Menü (36 €, 42 €) mit beispielsweise geräuchertem und gepökelten Schweinebäckle, Steinpilzessenz mit Kalbsschwanzmaultäschle und Rehrücken mit handgeschabten Spätzle.

Christian Bareiss

In der Düsseldorfer Dorfstube ist schon sehr viel von der gleichnamigen in Baiersbronn enthalten. Christian Bareiss ist schließlich mit der Küche im Hotel Bareiss aufgewachsen und setzt mit Sebastian Mülders einen Küchenchef ein, der dort einige Jahre gearbeitet hat. Christoph Bareiss denkt daran, sein Konzept von der neuen deutschen Gasthauskultur auch in andere Städte zu tragen. Nicht gerade nach München, wo dieses Genre schon gut vertreten ist, sondern eher nach Hamburg oder Frankfurt, wo man damit noch eine Lücke schließen könnte.

 

 


Nagaya:  Moderne japanische Haute Cuisine

Küchenchef Nagaya

Schon seit den fünfziger Jahren sind japanische Unternehmen stark in Düsseldorf vertreten, heute sind es nahezu 300. Nirgendwo in der Republik leben so viele Japaner wie in Düsseldorf (über 10 000).  Die japanische Küche etablierte sich hier bereits als sie in Deutschland noch als sehr exotisch galt. Es existieren vier bemerkenswerte Lokale dieser Spezies, wobei das Nagaya der herausragende Klassenprimus ist. Die Einrichtung ist streng puristisch und lenkt auf die apart dekorierten Teller hin. Präzise gegarte Produkte, feindosierte Würzung, transparenter Aufbau der Speisen sowie stilsichere, harmonische und originelle Zusammensetzung der Komponenten sind die Grundpfeiler dieser ausgezeichneten japanischen  Küche. Alles erscheint poliert, rein, sauber, geklärt, Küchenchef Yoshizumi Nagaya kommt weitgehend ohne Fett aus, was das Essen auch leicht macht.

Eine Lustmachervorspeise ist das in grünem Apfel eingerollte Scampi-Sashimi mit gebackenem Oktopus am Spieß, gedämpftem Mittelmeer-Rotbarsch und Sashimi von der Jacobsmuschel mit Trüffeln. Raffiniert auch die gegrillte Gelbschwanz-Makrele in geschliffener Terriyaki-Sauce. Zu den Highlights auf der Karte gehört praller gebratener Black Cod (Kabeljau-ähnlich), der in Miso mariniert wurde und von einer delikaten und dezenten Honig-Miso-Sauce begleitet wird.

Ein für japanische Verhältnisse sehr modernes Gericht ist die Rolle aus der Gänsestopfleberterrine mit Krokant von Roter Bete, Haselnuss-Puder, roten Süßkartoffel-Chips und Gänsestopfleber-Dip. Yoshizumi Nagaya spielt mit Texturen und setzt schmelziger Konsistenz gerne eine kleine Knusprigkeit oder andere kontrastreiche Haptik entgegen. Dabei überzieht er nie, ist weit von Fusion und nervöser Geschmacksverzerrung entfernt. Ganz im Gegenteil zeigt gerade seine Küche, wie man japanische Klassik behutsam und akzentuiert modernisiert. Es werden auch Sushi und Sashimi sowie Mittagsmenüs (48 €) offeriert, doch die kreative Seite von Nagaya lernt man vor allem beim Hauptmenü kennen (118 €), dessen Positionen aber auch größtenteils einzeln zu haben sind.

Die ganzjährige Genussreihe der Samurai-Köche und Sake-Dinner (siehe Bericht Die 7 Samurai-Köche)fand auch im Restaurant Nagaya statt und wird jetzt am 6. Oktober im Victorian in Düsseldorf veranstaltet. Dieses Restaurant gehört zu den besten Adressen in Deutschland, Küchenchef ist Volker Drkosch, dessen Fangemeinde in Frankfurt noch immer an die guten Zeiten in seinem Restaurant Brick denkt. Er zaubert in Düsseldorf aus Rotbarbe, Basilikum, geräucherter Mandel und würziger Merguez nach wie vor aufregende Gerichte. Und erinnert sogar kulinarisch noch an Frankfurt – mit einer Melange aus Frankfurter Kräutern, Crème brûlé, Kalbskopf und Meerrettich.

Ludwig Fienhold

Dorfstube, Düsseldorf Oberkassel, Lanker Str. 2,  Tel. 0211 171 52 540. www.dorfstube.de Täglich von 12 bis 24 Uhr geöffnet, Montag geschlossen.

Nagaya, Düsseldorf, Klosterstr. 42, 0211 863 96 36. Geöffnet Dienstag bis Freitag 12 – 14 Uhr und  19 – 22 Uhr, Sonntag, Montagmittag und Samstagmittag geschlossen. www.nagaya.de

Victorian, Düsseldorf, Königstr. 3a, Tel. 0211 865 50 10. Geöffnet Montag bis Samstag, 12 – 15 Uhr und 19 – 22 Uhr, Sonntag geschlossen. www.restaurant-victorian.de

Tour de Menu Gusto www.rheinlust.de

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