Probleme beim Elite-Österreicher Obauer | BISS

Probleme beim Elite-Österreicher Obauer

Obauer

Routine statt Herzlichkeit

Die Service-Kolumne

 

Von Sabine Hübner und Carsten K. Rath

 

Unsere Erwartungen waren groß, denn Obauer wurde bereits als „bestes Restaurant der Alpenrepublik“ ausgezeichnet. Das Restaurant hat 19 Punkte im Gault&Millau Österreich, außerdem dürfen sich die Gebrüder Obauer „Koch des Jahrzehnts“ nennen. Der Michelin bewertete Obauer einst mit zwei und dann mit einem Stern, beurteilt jetzt aber nur noch Wien und Salzburg. Und nicht zuletzt hat Co-Autorin Sabine hier ihren 21. Geburtstag gefeiert und damals einen besonders schönen Abend verlebt, wie sie noch gut in Erinnerung hat.

Vor dem Obauer angekommen, suchten wir erst mal lange nach einem Parkplatz und fanden schließlich einen in einiger Entfernung. Insofern mussten wir zunächst noch einen kleinen Fußmarsch auf uns nehmen. Vor Ort stellten wir fest, dass das Restaurant anscheinend seit den 80er-Jahren in sehr unterschiedlichen Phasen und nach dem Designgeschmack des Ortstischlers renoviert worden war. Den Charme, den ich von meinem 21. Geburtstag in Erinnerung hatte, suchte ich vergeblich. Aber wir waren ja nicht wegen der Architektur oder der Ausstattung hier, sondern wegen der sensationellen Küche und der Servicequalität eines 19-Punkte-Restaurants. Also versuchten wir, die Designverbrechen zu ignorieren, und betraten mit großer Vorfreude das Restaurant.

Wie heißt noch gleich der Gast?

Doch sogleich erlebten wir die erste Irritation. Dazu müssen wir vorab erwähnen, dass wir im Vorfeld dreimal im Restaurant angerufen hatten: erstens, um den Tisch zu bestellen, zweitens, um den Termin zu verschieben und drittens, weil wir uns auf dem Weg verfahren hatten. Bei jedem Telefonat erlebten wir einen exzellenten Service. Wir wurden mit Namen angesprochen und erlebten herzliche und kompetente Mitarbeiter. Als wir dann im Restaurant ankamen, begrüßten uns vier Personen, die Chefin – so unsere Interpretation –, die Restaurant-Leiterin und zwei Kellner, mit den Worten: „Guten Abend Herr Roth!“ „Rath“, sagte ich, „wir haben doch gerade miteinander telefoniert.“ „Ach ja, richtig! Rath waren Sie. Wir haben noch einen schönen Tisch.“ Es war der letzte Tisch, weil das Restaurant vollständig ausgebucht war – eigentlich ein gutes Zeichen. Also bedankten wir uns und nahmen Platz.

Lichtblick: der Sommelier

Der österreichische Sommelier war sehr charmant und kompetent, verfügte über eine gute Portion Wiener Schmäh und versprühte echte Leidenschaft für seine Weine. Carstens Auswahl bestätigte er mit vielen Komplimenten. Leider sollte die Weinbegleitung aber das beste Erlebnis dieses Restaurantbesuchs bleiben. Obwohl wir auch hier schon eine Einschränkung machen müssen: Die Commis Sommelière bildete eine negative Ausnahme: Mit abgespreiztem kleinen Finger und einer krähenhaften, hackenden Bewegung Richtung Weinglas fragte sie in unverständlichem österreichischen Dialekt immer wieder: „Wuallenseoaanachtel?“ Carsten musste dreimal nachfragen, bis wir begriffen, dass sie ihm noch ein Achterl des Weines anbot. Ihre Körpersprache wirkte aber so, als würde sie gleich mit dem kleinen Finger auf das Glas klopfen.

ObauerWir wollen nicht auf jeden einzelnen Gang eingehen, sondern wir möchten eher das Gefühl beschreiben, das uns in diesem 19-Punkte-Restaurant von Anfang an beschlich. Überrascht wurden wir mit sechs verschiedenen Amuse Gueules, die gut erklärt wurden und auch wirklich sehr gut waren. Von einem kleinen Wiener Schnitzel über einen Fisch-Guglhupf bekamen wir unterschiedlichste lokale Speisen. Einschränkend ist zu sagen, dass es nicht besonders elegant erscheint, das Essen mit den Fingern zu erklären. Viel besser ist es doch, die Uhrzeiten zu verwenden – auf 9 Uhr finden sie das, auf 12 dieses und auf 15 jenes –, statt mit den Fingern fast auf die Speisen zu tippen. Das zweite Amuse Gueule war dann unterschiedlich: Carsten bekam ein Lachstatar und Sabine eine Suppe. Für deren Verzehr wäre eine Erklärung hilfreich gewesen, blieb aber aus. Denn zum Anfang wirkte die Suppe etwas fettig. Zum Schluss stellte Sabine fest, dass sich auf dem Boden des Gläschens Apfelmus befand, das dem Amuse Bouche eine Leichtigkeit gab. Hätte man das vorab erklärt, hätte sie die Suppe nicht in Schichten gegessen und sie deutlich mehr genießen können – sehr schade.

Unterkühlte Atmosphäre

Die Restaurant-Leiterin erweckte den Eindruck, als wäre sie früher im diplomatischen Dienst gewesen oder Schweizerin, denn sie schien der Neutralität verpflichtet. Irgendwie spürten wir sie gar nicht. Die Teller kamen zwar, aber eine persönliche Bindung, ein Smalltalk oder der so symphatische österreichische Schmäh fehlten gänzlich. Alles wirkte zwar professionell, aber steril: Die Speisen kam zügig, aber lieblos. Die Mitarbeiter waren cool, wenn nicht sogar unterkühlt. Kurz: Das Essen wurde „runterserviert“.

Nachdem wir unsere viel zu großen Gänge – jeder einzelne hätte gereicht, aber wir hatten drei – verspeist hatten, kam der Patron, Herr Obauer, persönlich an unseren Tisch. Deutlich merkten wir ihm an, dass er dieselben Sätze schon seit Jahrzehten jeden Abend wiederholt. Ungelenk eröffnete er das Gespräch mit: „Wie war es?“ Offene Fragen wie „Was führt sie zu uns?“, „Wie hat Ihnen der Abend gefallen?“ oder „Wie haben Sie von uns erfahren?“ hörten wir nicht. Selbst als Carsten versuchte, eine Brücke zu bauen und erzählte, dass Sabine im Obauer ihren 21. Geburtstag gefeiert hatte, stieg er auf dieses Thema nicht ein. Es kam nur ein „Aha und einen schönen Abend noch.“ Damit zog er zum nächsten Tisch weiter und ließ uns betropetzt (österreichisch für konsterniert) zurück.

Zweimal mussten wir nach der Rechnung fragen. Schon bei der Auswahl des Menüs hatten wir uns über die günstigen Preise gewundert. In welchem Gourmet-Restaurant gibt es schon Wein ab 28 Euro pro Flasche oder Hauptgänge ab 16 Euro? Also bezahlten wir ohne Diskussion und freuten uns schon auf die Frage „Waren Sie zufrieden?“ oder „Wie hat es Ihnen bei uns gefallen?“. Wir hatten uns die Antwort zurechtgelegt und freute uns insgeheim darauf, sie lozuwerden: „Nett, aber nicht besonders. Freundlich, aber nicht herzlich. Professionell, aber ohne Leidenschaft.“ Doch wir wurden nicht gefragt…

Der günstige Preis entschädigt nicht für mangelnde Herzlichkeit

Und so wurde unsere Erwartung eines außergewöhnlichen oder sogar spektakulären Abends getrübt. Stattdessen hatten wir einfach ein normales Abendessen. Zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis gehört eben beides: Preis und Leistung. Zwar ist der Obauer das vermutlich günstigste Fine-Dining-Restaurant, in dem wir je gegessen haben. Wiederkommen würden wir aber trotzdem nicht. Produkt und Service lassen sich eben nicht trennen und Service hat sehr viel mit Herzlichkeit und Leidenschaft zu tun. Gute Produkte mögen der Grund sein, ein Restaurant einmalig auszuwählen. Aber Leidenschaft und Herzlichkeit machen aus einmaligen Gästen Stammgäste. Die 19 Punkte des Gault&Milau konnten wir hier nicht finden. Nicht im Interieur oder Design, nicht auf den Tellern und schon gar nicht beim Service. Von der berühmten österreichischen Herzlichkeit ganz zu schweigen.

 

Unsere Wertung: ++

+ = Willkommen in der Service-Wüste!

++ = Gute Ansätze – aber noch viel Luft nach oben

+++ = Der Service fällt weder positiv noch negativ auf

++++ = Nah dran am Service-Olymp

+++++ = Exzellenter Service – besser geht es nicht!

 

Weitere Informationen unter: www.obauer.com

Bilder: Obauer

 

 

Weitere Artikel aus der Serie Die Service-Kolumne: www.hotel-traveller.de/die-service-kolumne/

 

 

 

Über die Autoren:

sabine huebner+carsten rath
Sabine Hübner ist erfolgreiche Unternehmerin, Vordenkerin und Praktikerin durch und durch. Als „Service-Expertin Nr. 1 in Deutschland“ (Pro 7), hat sie seit Jahren die Kundenbrille auf und weiß genau, was Kunden überzeugt. Ihren reichen Erfahrungsschatz als Unternehmerin in einer hochtechnisierten Branche im B2B- Sektor verbindet sie heute gekonnt mit ihrer Fachexpertise in der Beratung. Nationale und internationale Unternehmen aller Branchen vertrauen auf ihre Lösungsstrategien. Sabine Hübner ist mehrfache Buchautorin, Hochschuldozentin und Keynote-Speakerin auf großen Bühnen und im kleinen exklusiven Rahmen. Klarheit trifft auf österreichischen Charme, Professionalität auf Empathie und Kreativität auf Konsequenz.

Der Unternehmer Carsten K. Rath ist Leadership- und Service-Excellence-Experte. Als Hotelier hat er auf vier Kontinenten in Führungspositionen erfolgreich Grand-Hotels auf den Markteintritt vorbereitet, zum Beispiel das Kempinski Taschenbergpalais, das Berliner Hotel Adlon, das Kempinski London oder die zur Ritz-Carlton Gruppe gehörenden Luxushotels auf Jamaika, Sharm-el-Sheikh und Naples. Er etablierte hoch anspruchsvolle Leadership- und Service-Excellence-Standards. Carsten K. Rath ist CEO der Kameha Hotels & Resorts und Hochschuldozent. Er hält Vorträge auf nationalen und internationalen Bühnen. Als Service-Excellence & Leadership-Experte ist er auf Vorstands- und Geschäftsführungsebene international geschätzt.

Sabine Hübner und Carsten K. Rath sind das Gründerduo der Management- & Unternehmensberatung RichtigRichtig.com.

Mehr darüber unter: www.richtig.com

 

 

 

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