Wein aus Umbrien: Rote Kraftpakete & Frauenpower | BISS

Wein aus Umbrien: Rote Kraftpakete & Frauenpower

Umbrien Weine

Hinter den besten

Sagrantino Montefalco

stehen starke Frauen

 

Von Ludwig Fienhold

 

Gegen Kälte helfen Kaminweine. Der Sagrantino aus Umbrien zeigt vollen Körpereinsatz. Er hat Feuer, Würze und Kraft. Er ist vollmundig, aber nicht großmäulig. Hinter den muskulösen Weinen stehen oft starke Frauen. Giusy Moretti, Chiara Lungarotti und Liù Pambufetti gehören den Favoriten.

Montefalco

Montefalco

Umbrien ist das grüne Herz Italiens und führt durch eine beschwingte Landschaft aus Berg und Tal. Nur Meer gibt es keines, weshalb der Tourismus auch nicht besonders ausgeprägt ist. Doch wer so viel Wein hat, mag leicht auf Wasser zu verzichten. Vor allem die autochthone Rebsorte Sagrantino führt zu spannenden Ergebnissen. Natürlich gibt es auch unter diesem zur Abstinenz zwingende Weine, die schwer wie Blei in den Gliedern liegen oder klebrig nach Lippenstift schmecken und atemlos machen, als hätte man Helene Fischer in Flaschen abgefüllt. Die Besten, und nur von denen soll die Rede sein, fallen nicht plump oder gar süßlich breit aus, die Üppigkeit wird durch Tannine und Trockenheit appetitlich ausgebremst. Sagrantino will keineswegs jedermanns Liebling sein. Doch selbst die, die ihn vielleicht weniger mögen, werden ihn kaum vergessen, denn er hat Charakter. So wie die Winzer und Winzerinnen der gerade einmal 6000 Bewohner zählenden Gemeinde Montefalco. Romanelli platziert Vogelhäuschen in seinen Weinbergen, um die Insekten in Schach zu halten. Der Großvater von Grigi mischte Wein ins Trinkwasser für die Hühner, um die Wasserqualität zu verbessern – wahrscheinlich hat dies aber eher zur besseren Laune der Hühner beigetragen.

Liu Pambufetti

Liù Pambufetti

Jeder hat so seine Rezepte für guten Wein und gegen schlechte Laune. Doch der Wein von Scacciadiavoli vermag dem Namen nach noch mehr – den Teufel austreiben. Ein Exorzist lebte jedenfalls tatsächlich einst in der Nähe des Weinguts und setzte just diesen Wein bei seinen Ritualen ein. Der Sagrantino aus dem hervorragenden Jahrgang 2008 ist teuflisch gut. Ein fast schon schwarzer Wein von mystischer Tiefe, der geschmacklich durch Noten von roten Beeren, Blutorange, Leder und orientalischen Gewürzen besinnlich stimmt und trotz seiner kardinalen Fülle geschmeidig fließt. Liú Pambufetti, benannt nach der tragischen Heldin Liù in Puccinis Oper Turandot, ist so aufregend schön wie ihr Wein. Man würde mit ihr auch Wasser trinken und glauben, es wäre ein himmlischer Tropfen. Irgendein Zauber scheint diesem Weingut innezuwohnen. Es ist auch das einzige in der Region, das einen sehr guten Spumante aus Sagrantino erzeugt.

Weingut Scacciadiavoli

Weingut Scacciadiavoli

Lungarotti ist das wahrscheinlich bekannteste Weingut Umbriens und gemessen am Marketing auch das professionellste. Das klassische römische Profil von Chiara Lungarotti offenbart etwas von dieser stolzen Haltung. Ihr Sagrantino ist ebenso elegant wie athletisch und öffnet sich bei aller Typizität etwas mehr dem internationalen Markt. Ganz anders und mehr verwurzelt wirkt das Weingut Omero Moretti. Der stille Omero ist zwar der Urvater und Weinmacher, doch die Tochter Giusy schmeißt den Laden. Sie macht das mit großem Charme, vor allem aber mit einer solchen Leidenschaft, die animierend wirkt. Ab Mitte der 90er Jahre hat man ganz auf Bio umgeschwenkt, treibende Kraft dabei war Mutter Daniela, die als gelernte Krankenschwester „mehr Gesundheit“ in den Wein bringen wollte. Seitdem hat sich auch geschmacklich vieles entwickelt. „Wir mögen es nicht so süß“, meint Giusy Moretti. Selbst der sonst ultrasüße Posito ist bei Moretti durch kräftige Tannine gestützt eher trocken und sehr gut trinkbar (die hausgemachten Biscotti sind übrigens auch nicht süß und werden mit Posito-Rosinen gefüllt). Der Montefalco Rosso – hier eine Cuvée aus Sangiovese, Sagrantino und Merlot – gelingt oft besser als der schwer erziehbare Sagrantino. Bei Moretti gerät er jedenfalls ausgesprochen gut, wild, stoffig, würzig und süffig. Hauptakteur bleibt bei Omero Moretti jedoch der Sagrantino, der hier besonders ausdrucksvoll zur Geltung kommt. Der Jahrgang 2010 mit gehaltvollen 15% Alkohol ist von enormer Dichte und gebärt sich expressiv mit Aromen von nassem Waldboden, Wildbeeren, Veilchen und Gewürzschokolade. Mit diesen wunderbaren Weinen und der liebenswürdigen Familie Moretti kommt man der umbrischen Seele sehr nahe.

Giusy Moretti

Giusy Moretti

Gabriele Montioni macht einen ordentlichen Wein, vor allem aber besonders gutes Olivenöl. Die Weine von Custodia sind vernachlässigbar, doch ihre Biere in Bügelflaschen haben Klasse, wobei der Hopfen dazu aus Bamberg kommt. Man wird oft überrascht in dieser einzigartigen Region. Auch von einem gigantischen und unwirklich erscheinenden Science Fiction-Wesen, das wie ein Ufo mitten in den Weinbergen gelandet ist. Das Weingut Castelbuono hat sich diese ultramoderne architektonische Extravaganz geleistet, wobei auch der gespenstisch illuminierte Weinkeller sehenswert ist.

 

 

Tipps & Informationen

Montefalco

Montefalco

Das Potential von Umbrien als touristisches Reiseziel und Wein-Destination ist bislang nicht einmal anährend erkannt worden – auch die Region selbst brauchte lange dazu, um ihre Qualitäten herauszustellen. Der ummauerte historische Kern von Montefalco ist bezaubernd schön, gerade einmal 500 Menschen leben hier. Dort gibt es gleich zwei bemerkenswert schöne kleine Hotels, die sympathisch und individuell geführt werden: Das Degli Affreschi entstammt teilweise mitsamt seinen Fresken und Mauern einer alten Kirche und wirkt noch verwinkelter als die Gassen der Altstadt. Der Palazzo Bontadosi (Hotel & Spa) am Hauptplatz Montefalcos ist von magischer Schönheit, wobei die Architektur der Renaissance und moderne Elemente inspiriert kombiniert wurden. Im Haus befindet sich mit der Locanda del Teatro auch das beste Lokal der Altstadt, wo nicht nur Rebhuhn und Risooto schmecken, sondern auch die Gnocchi.

 

 

Bild ganz oben: Liú Pambufetti

Photocredit: Ludwig Fienhold

 

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