Mehr als ein Satire-Lokal
Harry Rowohlt hat recht. Immer, grundsätzlich und unbeschränkt. Auch wenn er sagt, dass in der wunderbaren Wirtschaft Klabunt, hessische Parodien auf die Nouvelle Cuisine wie Garnelencurrywurst mit hausgemachtem Apfelketchup serviert werden und er sein Lob mit dem Aufruf steigert: „Alles stehen und liegen lassen, hin!“ Die Klabunts selbst untertiteln ihr Lokal mit „Junge Frankfurter Küche, Satire & Schnaps“. Und auch das stimmt. Und wo wir schon bei so vielen Wahrheiten und Weisheiten sind, meinen wir, dass diese Adresse in der ganzen Stadt, ach was, im ganzen Land, nichts bemerkenswert Gleichwertiges hat. Allein deshalb muss ein Besuch zu den letzten „100 Places To See Before You Die“ gehören. Umso dringender, weil das Klabunt schon in einigen Wochen abgerissen wird.
Unser Großdorf Frankfurt zeigt sich wieder einmal monströs und kloppt ein schönes altes Stück Bornheim kaputt, um an dieser Stelle einen viel zu großen Klotz zu setzen, der auch das Bild der Bergerstraße zerstört. Die Bau-Lobby ist in Frankfurt mächtiger als jeder Politiker, die vielen und vor allem überflüssigen Baustellen belegen dies gerade auf extreme Weise. Frankfurt hat statt kluger Köpfe nur noch Abrissbirnen.
Das Lokal Klabunt ist ein Unikum. In diesem windschiefen Häuschen treffen sich die besten Satiriker des Landes und lesen aus ihren Werken. Im Grunde gehört so etwas subventioniert, aber die Stadt erkennt wieder einmal nicht ihr eigenes Potential, Kulturdezernent Felix Semmelroth logiert lieber am Museumsufer. Gute Nacht!
Dass in der Literaturkneipe Klabunt eine entspannte und heitere Stimmung herrscht, sind nur einige ihrer Vorzüge. Die Weine, Apfelweine, Biere und Brände sind sehr ordentlich und individuell, der Service sympathisch unkompliziert, das Publikum wirklich aufgeschlossen. Vor allem aber die Küche ist so gut, wie man sich das von allen heimischen Apfelweingaststätten wünschen würde – schlaue Deftigkeiten, handwerklich sauber und originell umgesetzt. Wonneproppen gibt es da, wie die in Ingwer und Bourbon-Vanille geschmorte Rindsroulade mit handgestampftem Kartoffelpüree oder der umwerfend schlonzige frische Frankfurter Fraas aus Lamm, Linsen-Rotkohl-Hackauflauf in Rosmarin-Apfelbalsam. Nicht zu vergessen auch Leberknödel-Knödel-Burger mit Rote-Beete-Zwiebelschlonz und Topinamburchips.
Überhaupt ist das Schlüsselwort zu dieser Küche der Begriff „schlonzig“, der auch immer wieder in der knappen Speisekarte auftaucht. Nicht etwa schlutzig oder schlotzig, sondern schlonzig, was noch mehr Lässigkeit, Cremigkeit und Saftigkeit ausdrückt. Regelrecht schlonzig ist auch das Blutwurst-Risotto, welches das gutgemachte Zanderfilet unter der Grünen-Soße-Kruste begleitet. Aus der Rubrik „Schrecklicher Name, königlicher Genuss“ ist das „Hessische Fußlabbergemies“ zu nennen, ein Spitzkohl-Wirsing-Schmortopf mit Hack, Speck und Mett, der einfach grundgut ist. Manches klingt exzentrisch hessisch, wobei man umso mehr überrascht ist, dass in einer solchen Szenekneipe eine wirklich solide Küchencrew am Herd arbeitet, die sich jede sprachliche Spinnerei leisten kann, weil sie ihr Handwerk beherrscht. Küchenchef Oscar Schubert (zuvor u.a. im Blumen) würde dem Lokal erhalten bleiben, wenn nur möglichst schnell eine neue Bleibe gefunden wird. Offiziell ist am 1. Juli Schluss, eventuell könnte es noch eine kleine Verlängerung geben. Das Klabunt-Team will nach Möglichkeit im angestammten Biotop Bornheim oder Nordend bleiben, hier leben auch die Hardcore-Fans, die zu jeder Lesung kommen. Es soll dann an anderer Stelle ein größeres Lokal werden, denn das jetzige platzt vor lauter Gästen aus allen Nähten, wobei auch die Küche unterdimensioniert ist.
In sieben Jahren hat sich eine Klabunt-Gemeinde aufgebaut, wie sie nur wenige Lokale haben. In solchen Szenelokalen kann man normalerweise kulinarisch nicht viel erwarten, hier ist es deutlich anders. Viele bekannte und gute Namen sind mit dem Literaturlokal verbunden, ihren Auftritt hatten dort der Kabarettist Gerd Dudenhöfer, der Schriftsteller Peter Zingler und beinahe die gesamte Mannschaft des satirischen Magazins Titanic – Nachfolgeblatt der legendären Satire-Zeitschrift Pardon, dessen wichtigste Vertreter, Robert Gernhardt und F.K. Waechter, die Feder aus der Hand gegeben haben.
Klabunt, das sind Andreas Kramer und Christa Brill, literarische Gastronomen, die ein sehr originelles Konzeptlokal entwickelt haben und nun an anderer Stelle fortführen wollen. Christa Brill, von Haus aus Informatikerin, ist Geschäftsführerin, ihr Programmmacher Andreas Kramer eigentlich Musiker und Komponist. Er hat auch das kulinarische Konzept und viele Rezepte entwickelt, denn das Kochen hat er bei Tantchen gelernt. Zudem soll jetzt noch der Verlag Klabunt Audio ins Leben gerufen werden, der satirische Hörbücher und Komikproduktionen entwickeln und herausbringen will. Klabunt ist im Grunde falsch geschrieben, denn der deutsche Schriftsteller Alfred Henschke schrieb sich als Pseudonym Klabund, als Zusammensetzung aus Klabautermann und Vagabund. Klabunt dagegen ist eher eine Verballhornung und will hessisch „kla“ und „bunt“ sein. Auch gut, zumal der literarische Name mit „d“ ja geschützt ist.
Dies ist kein Nachruf, sondern das Vorwort für eine neue Geschichte im Leben von Klabunt.
Ludwig Fienhold
Klabunt, Frankfurt, Bergerstr. 228, Tel. 069 94 59 81 40, täglich ab 18 Uhr geöffnet. www.klabunt-frankfurt.de
Das elegante Teufelchen oben im Bild war das legendäre Logo der großen deutschen Satire-Zeitschrift Pardon von Bärmeier & Nikel, für die der Autor dieses Artikels viele Jahre lang arbeitete.
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