Haben grüne kulinarische Konzepte eine Zukunft in Deutschland?
Mein lieber Schwan: Das kreative und feinsinnige Restaurant Seven Swans lässt absichtlich Federn und speckt vollkommen auf vegetarisch ab. Selbst Meister der fleischlosen Küche wie Andreas Krolik vom Lafleur und Jochim Busch vom Gustav in Frankfurt bieten immer noch genügend Gerichte mit Fleisch, Geflügel und Fisch an. Ebenso Nils Henkel auf Burg Schwarzenstein, der neben einem vegetarischen Menu auch eines aus der Fauna offeriert. Die Ansage des Seven Swans ist eindeutig, als Gast weiß man nun, was zu erwarten ist. Ob sich dieser kompromisslose Weg auch wirtschaftlich auszahlt? Dieser Weg wird kein leichter sein. Nicht übersehen kann man, dass trotz einer gewissen Trendigkeit zu Vegetarischem solche Konzepte problematisch sind, weil sie viele Genießer gar nicht oder nur selten einbeziehen können. Gemüse-Spitzenkoch Michael Hoffmann vom Margaux in Berlin scheiterte trotz ausgezeichneter Leistungen , da half auch der Michelin-Stern nichts. Die Veganer haben in der Gastronomie längst abgewirtschaftet. Ein reines vegetarisches Restaurant auf dem Niveau wie das Seven Swans existiert bislang nicht bei uns, wobei sich zeigen muss, ob auch das neue Konzept dem Michelin wieder einen Stern wert ist. In Europa gibt es nach unserer Erkenntnis lediglich zwei reine vegetarische Sterne-Restaurants: Das Tian von Paul Ivic in Wien und das Joia des Schweizers Pietro Leemann in Mailand.
Keine Frage, Küchenchef Jan Hoffmann und sein Team haben ein gutes Gespür für Florales und vermögen auch einer Karotte etwas abzugewinnen. Natürlich bedient sich die Küche dabei bevorzugt der eigenen Braumannswiesen bei Bad Homburg, wo auf fünf Hektar allerlei grünt und blüht. Aber reicht das aus, um auch das Restaurant wirtschaftlich zu ernähren? Die Weinauswahl und der Weinverkauf werden künftig ebenfalls nicht einfacher. Muss man mit Rhabarberschorle aufrüsten? Ganz im Gegenteil, die Weinauswahl im Seven Swans ist noch besser geworden. Es stehen einige Weine bereit, die sehr gut zur neuen grünen Küche des Restaurants passen. Etwa der wunderbare frische Jura-Chardonnay „Marcus Terentius Varro“ von der Domaine Buronfosse. Eine absolute Überraschung ist der feinperlende Cremant von Rietsch aus dem Elsass, wo dieser Extra Brut gemachte Schaumwein unter den alkoholischen Zuckerbomben der Region wie ein schlanker Exot erscheint. Dieser und andere gute Tropfen wurden bei der Relaunch-Feier des auch optisch neu gestalteten Seven Swans mit Elan eingesetzt.
Adieu Wollschwein, bye-bye Taunussaibling, ciao Wildente. Hallo Bärlauch, Portulak und Fenchel. Obwohl auf teure Fleisch- und Fischprodukte verzichtet wird, verändert sich die Preisstruktur nicht wesentlich, schiebt man nur einen Gang mehr ein. Zuvor gab es vier Gänge für 77 € und fünf Gänge für 89 €, jetzt kosten fünf Gänge 79 € und sechs Gänge 89 €. Die Kombinationen klingen keineswegs langweilig, beispielsweise Kohlrabi mit Rhabarber, Trester und Estragon. Die Menüs werden jeweils zum Quartal wechseln, wobei auf oft einkehrende Gäste immer wieder neue Gerichte warten. Die Preise wird man vielleicht eher verstehen, wenn man sieht, mit wie viel Aufwand und pinzettengesteuerter Akribie jedes Tellerchen angerichtet wird. Wie hervorragend eine Kartoffel schmecken kann, zeigte bereits die Sorte mit dem passenden Namen Ackersegen, die in der Erde befeuert und mit Asche und Butter behandelt wurde. Küche und Service vom Seven Swans brennen jedenfalls darauf den Gästen das neue Konzept vorzustellen.
Der Schritt zum komplett vegetarischen Restaurant mag nicht so ganz einleuchtend sein, denn auch zuvor wurden die Menüs bereits vegetarisch dominiert. Freunde frischen Grüns hätten leicht ein Gericht oder vielleicht auch zwei Gänge weglassen können und sich damit wohlfühlen dürfen. Jetzt ist die Aussage gewiss deutlicher und politisch korrekt, wobei Hausherr Steen Rothenberger seit 25 Jahren Vegetarier ist. Er ist zwar kein dogmatischer Vegetarier, möchte aber diese Lebensform auch als Genussform etabliert sehen. Küchenchef Jan Hoffmann selbst ist kein Vegetarier, will sich jedoch in den nächsten Wochen vegetarisch ernähren, um ein noch besseres Gespür für diese Küche zu bekommen.
Das schmalste Haus der Stadt scheint jetzt noch schlanker zu werden. Unter den hoch ausgezeichneten Restaurants in Deutschland ist es mit diesem Konzept eine seltene Pflanze. Nun, Jan Hoffmann hat Talent und darf auch mal etwas riskieren.
Ludwig Fienhold
Seven Swans, Frankfurt, Mainkai 4, Tel. (069) 21 99 6226. Geöffnet Dienstag – Samstag ab 18.30 Uhr.
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