Schloss-Koch Martin Scharff: Keine Lust mehr auf den Michelin-Stern | BISS

Schloss-Koch Martin Scharff: Keine Lust mehr auf den Michelin-Stern

Heidelberger Schloss - 1

Die Heidelberger Schlossweinstube verändert drastisch das Konzept

 

Absage an Instagram & Pinzetten-Küche

 

Nach 28 Jahren Michelin-Stern erlaubt sich Martin Scharff eine drastische Neupositionierung seines Restaurants Schlossweinstube in Heidelberg. Mit der aktuellen Entwicklung der Sterneküche kann er sich nicht mehr identifizieren: zu inflationär und einheitlich. Stattdessen will er gute deutsche Küche bieten. Einfach, aber nicht anspruchslos, und vor allem preiswerter als bisher. Der Michelin hat in seiner neues Ausgabe 2020 nicht auf die Veränderungen reagiert und der Schlossweinstube erneut einen Stern verliehen.

Über 28 Jahre hat er – und einst als Jüngster seiner Zunft in Deutschland – den Stern behaupten können. Doch ab 1. April wird sein Restaurant Schlossweinstube im Schloss Heidelberg völlig anders aufgestellt: „Ich möchte zurück zu meinen eigentlichen Wurzeln, mir wieder mehr Freiheit schaffen, ohne die Grundlagen der Sterneküche berücksichtigen zu müssen“, sagt er. Seit über acht Jahren ist Scharff Herr über das komplette gastronomische Angebot im Schloss Heidelberg. Dazu gehört die Sattelkammer, die Vinothek, die Backstube genauso wie die Schlossweinstube. Ins Schloss strömen täglich mehrere tausend Touristen. Zudem ist sein Unternehmen Catering-Partner für Hochzeiten und Events ebenso wie für zahlreiche externe Veranstaltungen. „Aber wir kochen in erster Linie für die Heidelberger, die Region und den anspruchsvollen Tagestouristen. Das möchte ich wieder mehr in den Fokus rücken.“

Martin Scharff

Mit der aktuellen Entwicklung der Sterneküche kann sich der 56 Jahre alte Martin Scharff nicht mehr identifizieren: „Für mich ist das mittlerweile schon sehr optische Uniformität und hat oftmals nichts mehr mit klassischem Handwerk zu tun. Ich möchte weg von der verspielten Dekoriererei, der Pinzettenküche und Kressemanie und wieder zurück zum Basis-Geschmack.“ Er nennt es eine regionale Jahreszeitenküche im Dialog mit der Welt. „Ich schätze die moderne, deutsche Küche, die von besten regionalen und saisonalen Produkten lebt und auf Basis der klassischen französischen Küche auf höchsten Niveau zubereitet wird.“

Gleichzeitig schöpfe er viel Kreativität aus Produkten, Rezepten und Gewürzen der Länder, die er bereist habe. So finden sich in Zukunft auf der Speisekarte seine Lieblingsgerichte, wie Variationen vom Kalb oder klassische Schmorgerichte, aber eben auch weltoffene Interpretationen, wie Ceviche von der Odenwälder Lachsforelle.  „Ich habe keine Lust mehr, immer wieder zu hören, dass man sich Sternküche nicht oder nur selten leisten kann. Meine Kochkunst soll nicht mehr nur einer kleinen Zahl von Gästen zukommen, ich möchte wieder mehr Menschen erreichen.“ Daher will Scharff sein Restaurant auch preislich attraktiver machen: Ab sofort soll es ein regionales 3-Gänge-Menü für circa 50 Euro sowie das Degustationsmenü für unter 100 Euro geben. À la Carte-Hauptgerichte beginnen dann bereits ab 24 Euro. Weiterhin wird es über das Jahr hinweg ein kulinarisches Programm in der ganzen Schlossgastronomie geben, wie jetzt im April sein Gourmet & Wein Festival, für das er in diesem Jahr seinen alten Lehrmeister Harald Wohlfahrt gewinnen konnte.

Natürlich weiß Martin Scharff, dass man einen Stern nicht einfach wieder an den Michelin zurückgeben kann –  man bekommt ihn, man verliert ihn. Durch seine Konzeptveränderung erzwingt er jedoch geradezu, dass er aussortiert wird. Außerdem wird die Schlossweinstube ab 1. April nur noch freitags und samstags geöffnet haben und damit aus dem Raster des Michelin fallen, bei dem nur Lokale eine Chance auf eine Auszeichnung haben, die an mindestens drei Tagen in der Woche Gäste bewirten. Die Schlossweinstube muss jetzt aber noch ein Jahr mit dem Michelin-Stern leben.

FB

Photocredit: Schlossweinstube Heidelberg

image_pdfimage_print

 

Die Support Box


Spenden an BISS:
Frankfurter Sparkasse
IBAN DE45 5005 0201 0344 0439 75

Wir möchten auch weiterhin unseren Lesern einen ungehinderten kostenfreien Zugang zu unserem BISS Magazin und allen Artikeln ermöglichen. Dennoch kann kein Medium, ob Print oder Internet, ohne Anzeigen und anderweitige Unterstützung auskommen. Deshalb glauben wir mit einer Support Box eine legitime und freundliche Art der Förderung für unser einzigartiges Projekt gefunden zu haben, wobei jeder Betrag willkommen ist.
 
Unterstützen Sie BISS, das kulinarische Magazin – mit PayPal.