Restaurantkritik Biancalani: Neue kreative italienische Küche | BISS

Restaurantkritik Biancalani: Neue kreative italienische Küche

Christoph Kubenz vom Biancalani in Frankfurt

Wo sich Unschuld

und Lust vereinen

 

Von Ludwig Fienhold

 

Welch ein fulminanter Start. Schon kurz nach der Eröffnung zählt das Biancalani zu den spannendsten italienischen Restaurants in Deutschland. Wohlige Wohnküchen-Atmosphäre, individuelle kreative Küche und handverlesene Weine schaffen eine außergewöhnlich gute Spitzenposition.

Die Toskana ist keine bloße Landschaft, sie ist der Sehnsuchtsort unserer Seele. Im Biancalani zergeht die Sehnsucht auf der Zunge. Schwebende Teller fügen sich zu einem Corso al Gusto, bei dem man zwischen 10 Gerichten wählen und beliebig kombinieren kann (à 15 €, ab dem 5. Teller nur 10 €). Zwei würden im Grunde genügen, doch man verlangt unweigerlich nach mehr, weil alles animierend, beschwingt und schwerelos ausfällt. Christoph Kubenz und sein Co Tomas Schön stehen nicht für eine italienische Casalinga, die gibt es ja auch schon in sehr guter Art gleich nebenan in der Casa di Tomilaia. Im Biancalani wird man von einer kreativen Küche und feinsinnigen Kombinationen überrascht, unterhalten und sogar glücklich gemacht. Es gibt auch sonst einige Adressen, die bekannt für ihre herausragenden Saucen sind, doch niemand in Frankfurt kümmert sich in einer solch hingebungsvollen Vielfalt dem Thema. Im Biancalani sind es eher selten muskulöse Reduktionen, sondern mehr luftige und doch ausdrucksvolle Fonds, die jeweils im Mini-Milchkännchen à part serviert werden.

BiancalaniMan wird sie schlecken, man wird sie löffeln und man möchte sie sich am liebsten in eigene Flaschen abfüllen lassen. Diese Essenzen der Küche sind das ganz besondere Charakteristikum des Biancalani. Die erstklassigen Roten Riesengarnelen baden in einem herrlich süffigen und mit Thymian und Knoblauch abgeschmeckten Garnelenfond und werden von geräuchertem Fenchel, Fenchelcreme und frittiertem Dill aromatisch eskortiert. Beim saftigen marinierten Tunfischtatar mit Gel von grünen Tomaten, Basilikum-Kartoffelchips und nach süßen Anis schmeckender Atsina-Kresse setzt eine duftige Basilikumcreme die Pointe. Mit wenigen Komponenten gelingen der Küche von Harmonie und Stilsicherheit getragene klarlinige Arrangements. Die Peperonata ist normalerweise ein einfaches Schmorgericht, wird aber im Biancalani anders und deutlich raffinierter aufgebaut: Paprikaterrine, grüne Paprikamarmelade, Kapern-Essig-Gurken-Tapenade, gebackene Kapern, süßer Paprikakartoffelchip, Kartoffelwürfel und Kartoffelfond. Überhaupt kann man sich hier auch den gut vertretenen vegetarischen Gerichten anvertrauen, weil sie sehr überlegt und sinnlich angelegt sind und mit dem oft zu bekommenden faden Grün nichts gemein haben. Die Küche setzt gerne Gegensätzliches ein, wenn es Sinn macht: crunchy & cremig, süß & sauer, fest & flüssig, warm & kühl. Auf dem Teller ergibt das eine schöne Dramaturgie, die der Zunge Spielraum und Spannung gibt.

Famoser Raviolo

Famoser Raviolo

Man freut sich natürlich bei einem Italiener immer über Pasta. Wer ein Maulvoll davon haben möchte, ist in der Casa di Tomilaia vielleicht besser aufgehoben. Wer aber die kleinen Delikatessen des italienischen Lebens schätzt, wird sie im Biancalani mehr genießen. Der schlotzige Raviolo mit Kalbshaxenragout, Rosinen, Sardellencreme und Spinatfond ist unwiderstehlich gut – und: niemand wird daran gehindert, einen zweiten Teller davon zu bestellen. Gerade, weil der Küche solche Pasta-Gerichte besonders gut gelingen, sollten sie auch etwas häufiger eingesetzt werden. Flank Steaks findet man inzwischen nicht nur bei Grillfreunden und immer mehr in der Topgastronomie. Die rosa gebratenen Streifen im Biancalani sind ausgezeichnet, doch Star ist noch mehr als das Fleisch die dichte energiegeladene Tonkabohnenjus. Desserts gibt es stets reizvolle, das schmelzige Maisbutter-Eis mit weißem Schokoladenbisquit und Melone ist allerschönster Kindergeburtstag für Erwachsene. Es ist die neue kreative Seite der italienischen Küche, die man als Gast im Biancalani erleben kann. Das hat Seltenheitswert in der Stadt und in ganz Deutschland. In seiner ungewöhnlichen Mischung aus Unschuld und Lust, erinnert das Biancalani an die selige Taverna la Vigna in den unvergessenen Schweizer Stuben in Wertheim. Damals galt dort gebratenes Täubchen mit Marsala-Feigensauce und gebackener Polenta als herausragend – und war es auch. Doch das Biancalani ist die intelligente Weiterentwicklung der klassischen italienischen Küche, ohne in eine existentialistische Avantgarde-Attitüde abzudriften.

Küchenchef Kubenz

Küchenchef Kubenz

Auf die gleiche hohe Ebene wie die Küche stellt sich auch die außergewöhnliche Weinkarte. Sie ist nicht das Erzeugnis von Weinhändlern, sondern von eigenen Überzeugungen. Man findet eine Auswahl von allerbestem Lambrusco aus der Emilia, die hoffentlich zum Umdenken über diese bei uns sozial vernachlässigte Sorte Anlass gibt. Man darf sich überraschen lassen von sonst kaum zu entdeckendem und packendem Sagrantino aus Umbrien, der die kühlen Tage mollig warm werden lässt. Und man stößt selbstredend auf eine Selektion der eigenen Weingüter, die zum Biancalani gehören. Bei Deutschland zeigt man mit Riesling, wo der Bartl seinen Most holt. Und das nicht nur mit Spitzenweingütern, sondern gerade durch Newcomer und Insidertipps. Frankreich ist mit handverlesenen Flaschen dabei, man probiere nur einmal den Ekstase-Wein Fleurie von Julien Sunier. Ein Champagner von Weltklasse-Format ist der „Robert Fleury“ von Jean-Pierre Fleury, der bereits seit Anfang der 80er Jahre biodynamisch arbeitet, als dies noch kein Trend war und in der Champagne als revolutionär galt. Die gastfreundlichen Preise im Biancalani regen zum Umtrunk ein, zudem darf man sich vieler offener Weine bedienen – die es im angenehmen 0,15l Glas gibt. Für alle Weine gibt es mit dem großen „Gabriel“-Glas einen ausgezeichneten Allrounder, aus dem auch viele Champagner besser schmecken.

BiancalaniRestaurantleiter Max Schnell und Sommelier Dave Müller wollen mit ihrem saloppen Auftritt auch jüngere Gäste erreichen und sorgen für einen munteren und  aufmerksamen Service. Dave Müller kann glücklich sein, zu seinem Antritt einen solch guten Weinkeller angetroffen zu haben, ergänzt diesen aber auch mit eigenen Ideen. Ganz oben auf der Sympathieskala steht bei uns unter den Servicemitarbeitern der junge Semi, der enorm engagiert ist und auch bei hektischem Ablauf nie zu lächeln vergisst. Es wird etwas dauern, bis man so etwas wie seinen Lieblingsplatz ausfindig machen kann, da es dafür viele Kandidaten gibt. Der kleine exklusive Chefs Table mitten in der Küche ist etwas für besondere Abende, aber auch von vielen anderen Plätzen kann man mit den offen hantierenden Köchen auf Tuchfühlung gehen. Das Gefühl, in einer Wohnküche zu sitzen, vermittelt auf schöne Weise der Vierertisch am Pass. Dekor und Atmosphäre sind von einer amüsanten Schwerelosigkeit, die  entspanntes Genießen leicht macht.

 

Siehe auch BISS-Artikel „Italien Reloaded“ zur Eröffnung des Restaurants

 

Biancalani-Titel - 1Biancalani, Frankfurt, Walther-von-Cronberg-Platz 9

Öffnungszeiten: Di-Sa 18-24 Uhr (Küche bis 22.30 Uhr)

Reservierungen: Tel. 069 – 68977615

www.biancalani.de

 

Photocredit: Barbara Fienhold

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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