Der alte Oberförster ist Italiener und trinkt gute Weine
Wer in Kelsterbach kocht, muss sich entweder anpassen oder so gut sein, dass er auch von weither wahrgenommen wird. Riccardo Re und sein Küchenchef Pedro Fernandes versuchen mit Geschick beides. Mit der Trattoria wollen sie das lokale Publikum gewinnen, mit der anspruchsvollen Speisekarte im Restaurant den ganzen Markt. Das Lokal heißt Ambiente Italiano und befindet sich in der Alten Oberförsterei, die unter Großherzog Ernst Ludwig von Hessen um 1900 als Forstamt genutzt wurde. Genau deshalb geistern auch beide Begriffe namensgebend, was irritierend wirkt, aber hiermit erklärt ist.
Italienische Restaurants überraschen am wenigstens durch ihre Weine. Meist trifft man die üblichen Verdächtigen, und die auch noch nicht selten schlecht gelagert und temperiert. Und überteuert. Genau das Gegenteil erlebt man beim italienischen Oberförster in Kelsterbach, der zielsicher die guten Reben abschießt und ins Glas füllt. Bereits der Prosecco Rive di Collalto Millesimato von Borgoluce aus Valdobbiadene ist ein großer Spaßmacher, der selbst trübe Tage mit seinem Wiesenduft auffrischen kann. Ob Antipasti, Pasta, Fisch oder Meeresfrüchte, die Rebsorte Ribolla wird mehr als ein angenehmer Begleiter sein. Vor allem, wenn sie so frisch, würzig und heiter über die Zunge rollt, wie beim Adelchi von Venica & Venica aus dem Friaul. Padrone Ricardo Re ist ein Weinfuchs, der sich selbst und seinen Gästen Gutes gönnt. Man kann seinen Empfehlungen vertrauen, was sonst im Gastgewerbe ja leider nicht selbstverständlich ist. Die Brüder Enzo und Gianni Boglietti aus dem Piemont machen aufregende Rotweine – ungestüm, mit schöner Frucht und Extrakt. Ihr saftiger Nebbiolo schmeckt nach Brombeeren sowie einem Hauch Veilchen und wird durch pfeffrige Würze stimuliert. Dieser Wein verlangt nach einem Braten oder dem Jungbullenfilet auf der Karte. Auch Serafini & Vidotto aus Venezien machen famose Rotweine, die oft italienische Grandezza mit französischem Charme paaren. Ihr Rosso dell´Abazia 2007 aus den Rebsorten Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot ist ein eleganter Wein mit vielschichtigen Aromen aus Himbeere, Johannisbeere, Kaffee und Vanille.
Man könnte diese Weine auch ganz wunderbar solo genießen, doch noch besser ist dazu ein schönes Essen. Die Küche von Pedro Fernandes ist anspruchsvoll, aber weit von prätentiös entfernt. Er will dem vermeintlich Einfachen mehr Leben und Finesse einhauchen. Dies gelingt ihm besonders bei Fischgerichten. Das Trio vom Yellowfin-Tunfisch Zitronenschaum sieht man sehr oft in Restaurants, aber eher selten so delikat. Atlantik-Kabeljaufilet mit Venusmuscheln und Kartoffel-Ravioli, gefüllt mit Kapern, Oliven und Zwiebeln, bringen eine luftige Meeresbrise an den adrett eingedeckten Tisch. Blutwurst wird gerne und gekonnt eingesetzt. Beim Oktopus mit cremiger Blutwurst-Cannelloni sowie gebratenen Jakobsmuscheln mit grünen Äpfeln entsteht haptische und geschmackliche Spannung. Eher auf gleicher Ebene und daher mit etwas weniger Reiz bewegen sich Taubenkotelett im Speckmantel mit Boudin noir, Paprika-Lasagne und geröstetem Olivenbrot mit Entenschinken.
Plin sehen aus wie kleine Ravioli und fallen besonders saftig aus. Hier werden sie hausgemacht, mit einer Farce aus Fleisch und Fonduta-Käse gefüllt und von Guanciale-Nackenspeck-Sauce sowie schwarzen Trüffeln begleitet. Bei mancher Pasta darf ruhig noch mit etwas mehr Raffinesse nachgebessert werden. Eine ausgezeichnete Ergänzung schafft der im Ofen erhitzte Himalaya-Salzstein, mit dem sich die Gäste ihr Essen selbst „zubereiten“ können. Steinbutt, Garnele oder Jakobsmuscheln lassen sich so optimal und ohne störende Beiläufigkeiten ganz natürlich garen. Es werden unterschiedliche und preiswerte Menüs angeboten, darunter auch stets ein interessantes Vegetarisches. Küchenchef Pedro Fernandes kommt aus Portugal und hatte zuvor bei Mimmo in der ehemaligen Villa in Rüsselsheim gearbeitet, wo auch Riccardo Re als Restaurantleiter tätig war.
Das Wintergarten-Restaurant mit Blick auf Kirche, Garten und Fluss wird von einer dezenten ruhigen Atmosphäre getragen, in der angrenzenden Trattoria geht es auch farblich etwas quirliger zu. Es gibt zwei unterschiedliche Speisekarten. In der Trattoria wird all das serviert, was man vom Italiener erwartet: Pasta, Pizza, Salat, aber auch Gerichte wie gegrillter Tintenfisch oder gebratene Leber mit Zwiebeln und Kartoffelpüree. Der Service agiert zurückhaltend, aber sehr beratungsfreundlich, wenn man dies wünscht. Es gibt zwar einen eigenen großen Parkplatz vor der Tür, doch wegen der guten Weinkarte sollte man öffentliche Verkehrsmittel wählen – mit der S-Bahn ist man von Frankfurt aus in 15 Minuten in Kelsterbach, der Fußweg benötigt keine weiteren fünf Minuten. Selbst ein Taxi ist bezahlbar, besonders im Vergleich zu einem verlorenen Führerschein.
Ludwig Fienhold
Ristorante Ambiente Italiano, Kelsterbach, Staufenstraße 16, Tel. 06107 9896840. Montag-Freitag12 – 15 Uhr / 18 – 24 Uhr, Samstag 18 – 24 Uhr, Sonntag 12 – 15 Uhr. www.ambienteitaliano.de
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