Bertl Seebacher startet mit neuem Restaurant
Warum sind Österreichs
Köche solche Wunderwuzis?
Von Ludwig Fienhold
Was haben Köche aus Österreich, was andere nicht haben? Starkoch Wolfgang Puck in Los Angeles, Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann und der Wiener Erfolgsgastronom Ewald Plachutta haben Küchengeschichte geschrieben. Hans Haas beweist seit über 21 Jahren im Münchner Tantris Größe, Mario Lohninger hat in New York und Frankfurt ebenfalls längst gezeigt, dass er zur Spitze gehört. Martin Steiner, der Küchenchef beim gewitzten Johann Lafer in Stromberg war, leistet im Jumeirah Frankfurt sehr gute Arbeit. Der erste Österreicher, der in Frankfurt für Furore sorgte, war Alfred Friedrich, der im Brückenkeller begann und sich mit dem ebenfalls seligen Humperdinck selbständig machte. Jetzt zeigt auch zunehmend Bertl Seebacher, was alles in ihm steckt. Sicher wusste das Hans Haas, bei dem er arbeitete, schon weit früher. Mit seinem Restaurant Kraftwerk in Oberursel bei Frankfurt startet Seebacher nun neu durch und kann gleich zwei Lokalkonzepte unter einem Dach fahren.
Bertl Seebachers Stärke liegt in seiner enormen Vielseitigkeit. Er vermag ein Wiener Schnitzel ebenso perfekt zuzubereiten, wie ein komplexes Gericht aus Gänselebermousse, Wachtelconfit, Selleriepüree und Trüffeln. Bertl Seebacher und Restaurantleiterin Daniela Finkes haben das denkmalgeschützte Kraftwerk 2008 übernommen und überzeugen seitdem mit kontinuierlicher Qualität. Ausgerechnet in Oberursel-Bommersheim, wo kein Hund begraben sein will, geschweige denn ein ambitionierter Koch ein Restaurant führen möchte. Strom wird im ehemaligen Straßenbahn-Kraftwerk schon lange nicht mehr erzeugt, doch die Küche ist von einer ganz anderen Energie.
Ein Schnauferl, das über den Tischen schwebt und ein Ford Mustang mitten im Restaurant sind schon ein extravaganter Blickfang. In der einstigen Garage des Kraftwerks wurde jetzt der Showroom eröffnet, ein lässiges Lokal mit Lounge-Charakter und originellem Dekor. Hier gibt es die Klassiker des Hauses: Luftig souffliertes butterzartes Wiener Schnitzel, saftig-herzhaftes Kalbsfleischpflanzerl und krachiges Backhendl mit Kartoffel-Rahmgurkensalat und steirischem Kernöl. Alles umwerfend gut, herzhaft und sinnenfroh. So können das, Pardon Deutschland, nur die Österreicher. Die Preise sind nett, ein Wiener Schnitzel in Perfektion kostet 20 €. Wer mehr will, wird genau gerechnet mit weniger zur Kasse gebeten. Ein Ösi-Menü mit drei Gängen kostet 30 €, wenn zwei Gäste das Menü „Volle Ösi-Dröhnung“ bestellen, bekommen sie drei Gänge inklusive einer Flasche Grüner Veltliner, Vöslauer Mineralwasser und Kaffee oder Zirbenschnapserl für 40 € pro Person.
Neu ist auch die Vinothek, die vom Schweizer Rico Etzensperger betreut wird, der sich auf Weine aus Österreich spezialisiert hat. Dort sind einige Schmankerln und Hausgemachtes von Bertl Seebacher zu finden, aber auch Marillen-Marmelade aus der Wachau oder Vulcano-Schinken und Kürbiskernöl aus der Steiermark. Bei Weinproben sitzt man an einem riesigen Tisch, gleichsam ein Stammtisch, der wie ein Baumstamm wirkt und vom Künstler Hendoc stammt. „Mehr Licht“ steht darauf. „Mehr Wein“ wäre passender gewesen. Daneben steht ein flotter Alfa Spider Baujahr 1988, der die gastliche Stätte als Drive-in erscheinen lässt.
Die Weinkarte mit gut sortierten 150 Offerten gilt selbstredend gleichermaßen für das Restaurant und das neue Lokal Showroom. Die Großen à la Hirtzberger, Knoll und F.X. und Rudi Pichler sind vertreten, aber auch Newcomer wie Graben-Gritsch aus der Wachau (Grüner Veltliner) oder Hannes Reeh vom Neusiedler See (Chardonnay unplugged). Neben den Flaschen wird ein Dutzend offener Weine angeboten. Im Kraftwerk ist auch jeder willkommen, der nur auf ein Glas Wein vorbeischauen möchte – was aber weniger ratsam ist, weil er dann eine fabelhafte Küche verpassen würde
Das Restaurant bietet den Gästen jetzt mehr Raum und Abstand zueinander. Hier haben 20 Personen Platz, im Showroom 30. Bertl Seebacher will im Restaurant einen Gang mehr einlegen und noch hochwertiger kochen. Die Trennung der Küchenkonzepte bringt weit weniger Unterschiede in der Grundqualität, sondern eher bei der aufwendigeren Zubereitung und Präsentation. Im Restaurant werden ausschließlich Menüs offeriert, drei verschiedene: Österreich-Klassiker, Around the World. Amuse Bouche Menü. Famose Kraftpakete von sensibler Stärke sind das geschmorte Ochsenbackerl und der Rostbraten Tegetthoff. Der Rostbraten ist ein unglaublich saftiges, zartes, rosa gebratenes und bestens gewürztes Sirloin-Steak mit feinster Kruste, begleitet von knackigen Garnelen, duftig-mediterranem Gemüse und Oliven. Allein für dieses großartige Stück Lebensfreude lohnt der Weg von weither. Ob Wildlachs ösiatisch oder orientalisch, der Fisch schmeckt im Kraftwerk stets besonders gut und ist so nanosekundengenau gegart, dass er voller Saft und Kraft steckt. Auch Kleinigkeiten sollte man im Kraftwerk Beachtung schenken, der „Flotte Dreier“ besteht aus allerschönsten Süppchen im Schnapsglas: Intensive Frittaten-Consommé, perfekt abgeschmeckte Garnele-Tomate, dezentes Curry. Gerichte mit Foie Gras oder Rahmschwammerl mit luftigem Serviettenknödel sollte man nie an sich vorübergehen lassen. Eine Komposition aus Schweinebauch, Garnelen, Erdnuss-Kartoffelpüree, Pilzen, Erbsensauce und Aprikosenjus zeigt, welche Pirouetten die Küche schlagen kann, ohne die Bodenhaftung zu verlieren.
Bertl Seebacher verfeinert gerne traditionelle k.u.k.-Gerichte, wobei diese nicht allein für kaiserlich & königlich, sondern für klug & kunstvoll stehen. Alles schmeckt nach Töpfen und Pfannen, nach Feuer und Flamme. Bertl Seebacher und seine Crew kochen auf antiken Gasherden. Bei einem Österreicher zu speisen, ohne Desserts zu probieren, wäre eine grobe Nachlässigkeit. Wir könnten uns dusselig reden und so ziemlich alles aufzählen, wollen aber stellvertretend diese Köstlichkeiten nennen: Crème brûlée von der Süßholzwurzel mit Cashewkern-Sauerrahmeis; Karamellschnitte mit Birnensorbet; geschlagenes Vanille-Eis mit marinierten Kirschen sowie die Schokotrüffel mit Kürbiskernöl, die zum Espresso als Gustostückerl gereicht werden.
Bertl Seebacher aus der Steiermark wird perfekt ergänzt durch Daniela Finkes aus Graz, die alle Gerichte so anregend zu erklären weiß, dass man sich kaum bremsen kann. Auch sonst glänzt der gesamte Service durch Freundlichkeit und Aufmerksamkeit, Nicola Santeramo , der im Gegensatz zu Berlusconi ein wirklicher Cavaliere ist, hat sichtbar Freude an seinem Beruf.
Was nun haben Köche aus Österreich, was viele andere Köche nicht haben? Geschmackstalent! Die Gabe auch aus vermeintlich einfachen Gerichten Großartiges zu machen. Ihre Gerichte schmecken mehr nach Leidenschaft als die vieler Kollegen, die ihren Sinn eher im reinen Kunsthandwerk sehen. Österreichs Köche sind Wunderwuzis – Wunderknaben, weil sie viel von ihrer Natürlichkeit und Kindheit retten konnten und ganz wunderbar den Lenz schlenzen.
Kraftwerk, Oberursel-Bommersheim bei Frankfurt, Zimmermühlenweg 2, Tel. 06171-92 99 82. Geöffnet:
Mo-Sa ab 18.00 Uhr. Mittags und sonntags geschlossen.
Parkplatz direkt vor der Tür. Der guten Weine wegen sollte man aber besser mit der U-Bahn-Linie 3 fahren, die von der Frankfurter Innenstadt bis zur Haltestelle Bommersheim knapp 25 Minuten benötigt und bis fast vors Kraftwerk fährt.
Photocredit: Barbara Fienhold, Kraftwerk
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