Ojo de Agua: Don´t call it Steakhouse | BISS

Kategorie | Aktuelles, März 2014

Ojo de Agua: Don´t call it Steakhouse

Ojo de Agua-Titel

Ein Musiker & zwei Grafen machen Lust auf Fleisch

 

Von Ludwig Fienhold

 

Gegrillt wird hier niemand. Weder preislich, noch persönlich. Aber auch das Fleisch nicht. Das Wine & Beef Kontor Ojo de Agua in Frankfurt ist kein Steakhaus, wie man es sonst kennt. Wer Grillduft sucht, wird sich verkohlt vorkommen. Doch die Niedrigtemperaturmethode, wie sie hier bevorzugt wird, sorgt für ein sagenhaft zartes und saftiges Fleisch, das sein volles Aroma entfaltet. Der Schweizer „Yello“-Musiker, Unternehmer, Weingutsbesitzer und Rinderzüchter Dieter Meier, der bereits ein ähnliches Lokal in Zürich betreibt, hat in Frankfurt zwei adlige Mitstreiter gefunden, die dem Restaurant eine sehr persönliche Note geben: Maximilian Graf von Saurma und Moritz Graf zu Stolberg, von Freunden kurz Max und Moritz genannt.

Wine & Beef Kontor Ojo de Agua

Wine & Beef Kontor Ojo de Agua

Die kleine Speisekarte ist schnell gelesen, mühsames Aussuchen entfällt. Es gibt Steak in zwei Varianten, Filet und Roastbeef. Medium, Rare, Well Done? Gibt´s nicht. Der Niedrigtemperatur-Ofen kennt bei 80 Grad nur ein Ergebnis. Dafür behält das mindestens zwei Stunden lang gegarte Fleisch seine Saftigkeit und Raffinesse. Das dünn geschnittene  Roastbeef bringt noch etwas mehr Fleischgeschmack ein und hat nichts mit jedem kalten und oft zähen Aufschnitt zu tun, den wir zuhauf auf Buffets finden. Das butterzarte Filet ist von gleicher Spitzenqualität, gibt dem Mund nur mehr Fülle und eine kräftigere Haptik. Die Portionen (180 – 230 Gramm) sind optimal. Im Ojo de Agua wird nicht im eigentlichen Sinne gekocht, sondern nur zubereitet. Die Gäste, die sich auch gerne nur auf ein Glas Wein an die Theke setzen, können Max und Moritz bei der Arbeit zusehen und werden erleben, mit welcher Freude sie mit ihren Produkten umgehen. Zum Fleisch werden frisch aufgeschnittenes Brot und drei verschiedene Dips serviert: Die argentinische Chimichurri-Sauce, Café de Paris und Tomaten-Trüffel-Chutney. Hierbei wird zwar Trüffelöl benutzt, das in einem Restaurant Hausverbot haben sollte, doch der Dip schmeckt trotzdem einfach gut. Dass mit Verve angemachte Tatar muss man auch probiert haben. Beim ersten Mal am besten als Teil der Vorspeisenplatte, die zudem ausgezeichneten Pata Negra Schinken, guten Parmesan und leckere Palmherzen enthält. Auch der bunte Salat fällt etwas anders als üblich aus und wird gerne mit ein wenig Obst oder Beeren kombiniert. Maximilian von Saurma ist zwar erst seit einigen Wochen Gastronom, kommt aber aus der Lebensmittelbranche und hat früher unter anderem auch Saucen vertrieben und manche auch selbst erzeugt.

Fensterplatz

Fensterplatz

Das argentinische Bio-Fleisch im Frankfurter Beef Kontor stammt von Black Angus und Hereford Rindern, die sich in der Natur frei bewegen und vor allem Gras fressen. Dieter Meiers Rinderfarm in der Pampa Humeda heißt Ojo de Agua, „Wasserauge“. Im Weingebiet Agrelo Alto in Mendoza baut er zudem Wein an, der teilweise unter dem Label „Puro“ läuft, was für Reinkultur steht. Der Malbec sowie die Cuvées aus den Rebsorten Malbec, Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet Franc sind „Parker“-Brummer, also Weine, die dem rundlichen Kritiker körperbetont nahestehen. Sogar die Basisweine sind ziemlich fett, marmeladig und alkoholreich – Wasserauge sei wachsam. Nach einem Glas ist man entweder betrunken oder satt, vielleicht sogar beides. Und doch machen diese barocken Wonneproppen sogar irgendwie Spaß. Vielleicht finden die beiden Gastwirte ja noch ein paar schlankere Weine von befreundeten Winzern, auch im Weißweinbereich. Zu bekommen sind außerdem das frisch-spritzige argentinische Quillmes-Bier sowie das sehr reine und gute Naturelle-Wasser Caspar Heinrich aus Bad Driburg. Der Kaffee wird in einer eigenen „Kontor“-Röstung von der Frankfurter Bohnen-Manufaktur Wissmüller geliefert. Schön zu sehen, wie allenthalben Produktqualität und Individualität herrscht. Die „Puro“-Weine gibt es jetzt schon im Straßenverkauf, bald schon soll alles, was im Wine & Beef Kontor an die Tische kommt auch „to go“ sein – das Fleisch dann ebenso vakuumiert, wie es auch das Lokal selbst erreicht.

Schlicht & Schön

Schlicht & Schön

Die Atmosphäre in dem neuen Frankfurter Lokal wird stark von Max von Sauerma und Moritz zu Stolberg geprägt, die beide nur darauf gewartet hatten in die Gastronomie einzusteigen und sich sicher sind, jetzt das richtige Konzept gefunden zu haben. Max hat wahrlich den Schalk einer Figur von Wilhelm Busch und berät mit forschem Charme, Moritz ist von ruhiger Liebenswürdigkeit. Sein Witz mag etwas versteckter sein, doch bewies er diesen bereits, als er den „Auto-Außenspiegel-Bikini“ entdeckte, der zur Fußball-WM 2010 ein Hit wurde.

Das Ambiente im Beef & Wine Kontor Ojo de Agua passt in seiner noblen Rustikalität zum Angebot. Freigelegte löchrige historische Sandsteinmauern, dunkle Eichendielen aus dem Harz, Zementfließen aus Barcelona und blanke Holztische erzeugen einladende Behaglichkeit und Geselligkeit. Knapp 40 Gäste finden Platz. Das Haus in der Hochstraße hat Geschichte gemacht (siehe auch BISS-Artikel Yello-Musiker Dieter Meier eröffnet Steakhäuser in ganz Deutschland). Beinahe wäre das Biedermeier-Schmuckstück einem kahlen Bürogebäude zum Opfer gefallen, doch der Hausbesitzer ließ es aufwendig renovieren und unter Denkmalschutz stellen. Im Weinkeller findet sich noch die historische Staufenmauer, die sich im Spätmittelalter als Stadtwall bis zum nahen Eschenheimer Turm zog. Derzeit wird gerade die Terrasse angelegt. Sie war schon bei den Vorgängern im Restaurant Avocado eine Oase in der Innenstadt. Der originelle Außenplatzbereich auf einer Verkehrsinsel wird kaum mehr als 20 Plätze bringen. Aber ganz viel Freude machen.

Fensterplatz

Fensterplatz

Wine & Beef Kontor Ojo de Agua, Frankfurt, Hochstr. 27/Ecke Börsenstr. Geöffnet: Täglich durchgehend von 10 – 23 Uhr, Sonntag geschlossen. Telefon (069) 920 205 10.

Preise: Roastbeef 24 €, Filet 27 €. Weißwein in Flaschen 24 – 28 €, Rotwein 25 – 84 €. Glasweise (0,2l) 6,50 – 9 €.

Bild ganz oben rechts: Maximilian von Saurma (l.) und Moritz zu Stolberg

 

 

 

 Galerie Wine & Beef Kontor Ojo de Agua

 

 

 

 

 

 

Photocredit: Barbara Fienhold

 

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