Drei-Sterne-Koch Massimo Bottura wechselt von Avantgarde zu Klassik
Gehen die Avantgarde-Experimente dem Ende entgegen? Nach der Schließung des El Bulli in Spanien verkündet jetzt auch der Italiener Massimo Bottura von der Osteria Francescana in Modena, dass er sein Repertoire umstellt.
Überraschende Meldung aus Italien: Wie Stefano Bonilli, der Ex-Chef des bekannten Gambero-Rosso Führers, in seinem Blog (http://blog.paperogiallo.net/2012/09/basta_cucina_di_avanguardia.html) berichtet, wendet sich Starkoch Massimo Bottura bewusst von der Avantgarde-Küche ab. Grund sei die Wirtschaftskrise, die in Italien schon zur Schließung von 9000 Restaurants führte und, so Bonilli, auch „psychologische Auswirkungen“ hat. „Avantgarde kochen ist momentan schwierig und geht mehr als zuvor gegen den Strom.“ Zu den „psychologischen Auswirkungen“ hätte man gern noch mehr erfahren: Halten die Gäste nur ihr Geld zusammen oder haben sie Nase, Schnauze und Mund voll von Gels, Schäumchen und Halbweichem? Langweilt das Spiel der Konsistenzen? Oder wagen die Gäste nach einem Jahrzehnt Avantgarde-Boom etwa, echten Gegenwert für ihr Geld einzufordern?
Küchengeschichtlich betrachtet eroberten extreme Avantgardisten wie Maincave oder Marinetti ja stets vor Wirtschaftskrisen und Weltkriegen die kulinarische Bühne. Entsprechend war die Zeit ihrer Exzesse dann bald abgelaufen. Die Gäste hatten wirklich andere Sorgen.
Tatsächlich hat Bottura sein Lokal renoviert, die Website zeigt freilich noch die alten Molekulargerichte: Nur die zwei Spritzen, die sich in eine Nahrungskugel senken, verschwanden in der Versenkung. Die Karte bietet jetzt auch Culatello, Mortadella und gut gereiften Schinken. Wer jetzt industrielle Zusatzstoffe wie E 406, E 418 und E 416 und weitere Beigaben vermiss, die „Avantgarde“ erst möglich machten, der sollte nicht verzweifeln. Bottura bietet seine Molekulargerichte weiterhin auf der Karte in einem speziellen Menü an. Das indes heißt jetzt nicht mehr „Avantgarde“, sondern „Klassiker“ Nichts ist halt so alt wie die Mode von gestern.
Jörg Zipprick
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