Neues vom Ferran Adrià-Prozess | BISS

Kategorie | Aktuelles, Januar 2013

Neues vom Ferran Adrià-Prozess

Horta vs. Adrià
Klage in erster Instanz abgewiesen

 

Die Klage der Familie Horta gegen den spanischen Koch Ferran Adrià wurde in erster Instanz abgewiesen. Beide Kläger, Sergi und Jofre Horta, sind die Erben des „El Bulli“ -Mitbesitzers Miquel Horta. Letzterer war seit 1997 Anteileigner des „El Bulli“. Er hielt 20 Prozent der Anteile. Horta zahlte nach Angaben der Familie auch 85% des Gesellschaftskapitals ein. Dabei investierte er 120.000.000 Pesetas, nach damaligem Kurs etwa 1,4 Millionen DM. Gutachter hatten bestätigt, dass Horta seit Jahren nicht geschäftsfähig ist. Laut der Familie Horta haben Adrià und sein Partner Juli Soler diese Schwäche missbraucht. Die Anteile ihres einstigen Partners kauften sie 2005 für eine Millionen Euro zurück – laut den Klägern liegt dieser Preis weit unter dem eigentlichen Wert.

Familie Horta kündigte an, Rechtsmittel einzulegen.

JZ

 

Unser erster Bericht vom Prozessbeginn im letzten Jahr

Starkoch Ferran Adrià vor Gericht

 

Halb Spanien spricht über den Prozess gegen Ferran Adrià. Während er dort in den Medien sehr präsent ist und heftig diskutiert wird, hat man hierzulande noch keine Kenntnis davon genommen.  Laut einer Meldung des spanischen Radiosenders „Cadena Ser“ müssen Ferràn Adrià und sein Sozius Juli Soler am 7. und 8. November vor Gericht erscheinen. Der Vorwurf: Sie sollen einen psychisch gestörten Geschäftspartner übervorteilt haben.

Die Kläger Sergi und Jofre Horta, ein Architekt und ein Musiker, sind die Erben des „El Bulli“ -Mitbesitzers Miquel Horta. Letzterer war seit 1994 Anteileigner des „El Bulli“. Er hielt 20 Prozent der Anteile.  „Cadena Ser“ erklärt: „Horta war die Schlüsselperson, durch die  El Bulli sein internationales Prestige erworben hat, er finanzierte die Erweiterung der Restaurant-Küche….“ Gutachter haben bestätigt, dass Horta seit Jahren nicht geschäftsfähig ist. Laut der Familie Horta haben Adrià und sein Partner Juli Soler  diese Schwäche missbraucht. Die Anteile ihres einstigen Partners kauften sie 2005 für eine Millionen Euro zurück – laut den Klägern liegt dieser Preis weit unter dem eigentlichen Wert. Die Kläger vermuten auch, dass Adrià und Soler Einnahmen aus zusätzlichen Aktivitäten versteckten, um keine Gewinne an ihren Vater ausbezahlen zu müssen. Ein Prozess könnte durch einen Vergleich der Parteien noch verhindert werden.

Fakt ist: Jeder kann in einen Rechtsstreit verwickelt werden, auch schuldlos.  Wer den Fall Horta versus Adrià auch nur ansatzweise bewerten möchte, sollte jedoch wissen, dass die spanische Justiz anders arbeitet als die deutsche Justiz. Sie muss, um einen spanischen Juristen zu zitieren, „wenig aber effizient“ arbeiten. Deshalb gibt es für solche Fälle eine Reihe von zeitraubenden Vorprüfungen und Vorverfahren.  So hat die Familie Horta bereits 2008 erstritten, dass sie die Buchhaltung des „El Bulli“ einsehen darf. Zum Prozesstermin kam es jetzt auch deshalb, weil gerichtliche und außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos verliefen.

Im Fall „Horta vs. Adrià“ geht es um Geld. Dennoch zeigt dieser Rechtsstreit auch, was gegenwärtig in der kulinarischen Szene und in der Berichterstattung über Köche falsch läuft: Die spanische Presse verurteilte zunächst pauschal Hortas Söhne sowie  „die Franzosen“. Tatsächlich hatte „Le Monde“ es gewagt, über den Ausgang eines Vorverfahrens zu berichten und sich damit offenbar der Majestätsbeleidigung schuldig gemacht. Der politische Journalist Arkadi Espada meinte dazu etwa: „Das Problem von Adrià sind natürlich nicht die Erben von Horta, wie „les enfants de la patrie“ so pathetisch glauben.“ (Anmerkung: Die frz. Nationalhymne beginnt mit den Worten „Allons, enfants de la patrie“, gehen wir, Kinder des Vaterlande). Xavier Agullò, Restaurantkritiker von El Mundo, kommentierte den Rechtsstreit und die spärliche Berichterstattung als „Kampf der Länder“. Es klang fast, als wären bösartige Geheimagenten aus dem Norden eingedrungen um auf der iberischen Halbinsel Rechtsmittel gegen bekannte Köche zu ergreifen. Wichtig schien den Autoren auch, dass Miquel Hortas Ehefrau Nitsa Antoniou, „griechisch-zypriotischer Herkunft“ ist.

Familie Horta musste sich als Neider und Trittbrettfahrer beschimpfen lassen. Nun ist Miquel Horta in Katalanien kein Unbekannter, sondern eine regionale Symbolfigur:  Er leitete das Spielzeug-Imperiums Nenuco, war ein persönlicher Freund des Schriftstellers Vázquez Montalbán, setzte sich für regionales Liedgut ein, agierte als Mäzen und verlegte Bücher. Oft waren es Werke von der unbequemen Sorte, die herkömmliche Verlage nicht angefasst hätten. An mehr als einem Jahrzehnt leidet Miquel Horta an einer schweren bipolaren Störung. An vielen Tagen ist er kaum ansprechbar. Er finanzierte nicht nur eine neue Küche, sondern zahlte nach Angaben der Familie auch  85% des Gesellschaftskapitals ein. Dabei investierte er 120.000.000 Pesetas, nach damaligem Kurs etwa 1,4 Millionen DM. Horta war jahrelang kein stiller Teilhaber, er mobilisierte sein Netzwerk aus Kunst, Kultur und Prominenten für das Restaurant. Branchenexperten schätzten die Marke „„El Bulli“ heute mal auf 45 Millionen, mal auf einen Wert zwischen 90 und 120 Millionen Euro. Einige sprechen sogar von 200 Millionen Euro.

Die Krankheit Miquel Hortas wurde von keinem der Kritiker abgestritten. Wegen ein paar simplen Millionen gerichtlich gegen einen bekannten Küchenmeister vorzugehen, das erschien vielen Autoren jedoch als kleinlich bis bösartig oder, siehe oben, als Komplott finsterer Mächte, die natürlich im Ausland anzusiedeln sind. Restaurantkritiker und Freunde des Kochs wurden in nationalen Medien plötzlich zu Rechtsexperten. Außerhalb von Spanien und Frankreich berichtete kaum jemand über den Fall. Selbst politische Journalisten kolportierten hinter vorgehaltener Hand, dass die spanische Justiz nie gegen einen so bekannten Koch wie Adrià ermitteln würde. Doch diese ist nicht so leicht zu beeinflussen, wie mancher Chronist es gerne hätte: Iñaki Urdangarin, der Schwiegersohn von König Juan Carlos, steht derzeit wegen seiner Verwicklung in einen Finanzskandal vor Gericht.

Den Fall „Horta vs Adrià“  wird das Gericht klären müssen. Die Darstellung des Falles in der Presse und ihre Kommentierung durch Restaurantkritiker jedoch ist besorgniserregend: Sie haben Spitzenköche in den letzten Jahren zu Idolen in allen Lebensbereichen stilisiert, haben ihnen Privilegien eingeräumt, von denen Künstler, Sportler oder Politiker nur träumen können. Doch vielleicht werden einige dieser Lichtgestalten bald von den eigenen Schatten eingeholt.

Jörg Zipprick

 

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