Essen gehen ist gut, zu Hause essen oft noch besser | BISS

Kategorie | 2023, Aktuelles, Mai 2023

Essen gehen ist gut, zu Hause essen oft noch besser

Carbonara

Schlechte Gastronomie

bringt uns zum Kochen

 

Wir kochen wieder mehr zu Hause. Die Leistungen haben in erschreckend vielen Restaurants dramatisch abgenommen. Aufschwung spürt man vor allem bei den Preisen, während Küche und Service immer schwächer werden. Natürlich nicht überall, aber in einem unübersehbaren und erschreckenden Maß. Der Ärger bringt uns zum Kochen.

Das Rebgut im badischen Lauda-Königshofen ist eine „Weinherberge“ mit schönen Zimmern und einem adretten Restaurant. Wir hatten dort vor einigen Jahren hervorragend gegessen. Obwohl alles wie immer aussah, wurde der letzte Besuch zum Desaster, wir hatten es mit einem komplett neuen Team zu tun, was nicht gleich zu erkennen war. Aber  schon nach dem ersten und wenig appetitlichen Gang fragten wir den Service, ob der Küchenchef heute nicht am Herd stünde. Richtig: Angeblich war er krank, vielleicht kam er aber auch nicht, weil keine Reservierungen vorlagen und wir als Walk-ins die einzigen und auch noch überraschenden Gäste waren. Wenn eine Küchenmannschaft ohne Chef nicht gut genug ist, sollte man an einem solchen Tag erst gar nicht aufmachen. Wenn der Küchenchef glaubt, dass sein Team auch ohne ihn funktioniert, hat er sich verschätzt und zeigt sich als ahnungslos. Beide Versionen sind fahrlässig. Jedenfalls war ein Gang schlechter und dilettantischer als der andere. Wir hatten spontan auch noch ein Zimmer reserviert, was die Rechnung unnötig erhöhte, weil wir im guten Glauben waren, dass das Rebgut  noch immer eine gute Adresse wäre. Solche herben Enttäuschen sind längst keine Ausnahme und häufen sich inzwischen auf ein nicht mehr zu akzeptierendes Maß.

Wir hören oft, man sollte einem Lokal doch noch eine zweite Chance geben. Mit wie vielen Besuchen sollen wir unsere Zeit verschwenden und  und wie viel Geld sollen wir denn noch zum Fenster hinauswerfen, bis jemand endlich gut ist und eine zufriedenstellende Leistung liefert? Meist ist klar erkennbar, dass ein zweiter Besuch völlig überflüssig ist, da keine Qualität oder gar so etwas wie ein Talent vorhanden ist. Oft fragt man sich, was der Koch eigentlich von Beruf ist.

Die Negativerlebnisse häufen sich in einem nie zuvor erlebbaren Maß. Und das in allen Bereichen, vom einfachen Gasthaus bis zum Sternerestaurant. Die Gründe dafür sind bekannt, aber nicht zu akzeptieren. Fehlende Fachkräfte bei Küche und Service sind kein Anlass, die Gäste schlecht zu behandeln und auch noch Geld dafür zu verlangen. Oft sind die Probleme hausgemacht – die Größe der Speisekarte übersteigt die Kapazität in der Küche, um nur ein Beispiel zu nennenKurzum: Die positiven Besuche wiegen die gesamte Misere nicht mehr auf. Natürlich haben wir oft hervorragend gegessen: im 360 Grad in Limburg, dem Le Cerf im Schlosshotel Friedrichsruhe oder bei Lohninger in Frankfurt sowie vielen anderen mehr. Es gibt nach wie vor viele Lokale, die gut in der Küche und beim Service aufgestellt sind. Warum wohl gelingt es diesen und anderen nicht? Das alles ändert aber nichts am Eindruck, dass wir mit einem ungeheuren Qualitätsverlust in der Gastronomie zu tun haben – und das bei steigenden Preisen.

Während wir früher fünfmal in der Woche essen gingen, bleiben wir jetzt auch gerne zu Hause, um uns Enttäuschungen zu ersparen. Ich kann kochen, meine Frau noch viel besser. Vor allem italienisch, asiatisch oder amüsant deutsch. Sie bereitet Risotto à la minute zu, so wie man das hierzulande bei kaum einem Italiener bekommt. Vor allem nicht in solch  verschiedenen und kreativen Varianten. Und sie macht Pasta, wie wir sie  höchst selten außer Haus genießen können. Pasta mit würziger Nduja und karamellisierten Rotweinzwiebeln, authentische Carbonara mit Guanciale und zerstoßenem schwarzen Pfeffer oder feines Limonen/Carnaroli-Risotto. Beim Zuhause-Essen haben wir also gut zu essen, müssen uns nicht über schlechtem Service, mäßige und falsch temperierte Weine in schlechten Gläsern ärgern.

Wir wollen weder Zeit noch Geld verschwenden, wissen aber auch dass die Restaurants die letzten großen Bühnen der Erlebniskultur sein können und auch noch immer sind. Die Gastronomen sollten aber nicht nur ihre Probleme sehen, auch die Gäste haben mit den gestiegenen Preisen und anderen Missständen zu kämpfen, die uns eine unfähige Politiker eingebrockt hat. Die Gastronomen sollten wissen, dass wir manches schlucken, aber keinesfalls überzogene Preise für schwache Leistungen. Wir wollen nichts geschenkt bekommen, manchmal bedarf es ja nur ganz wenig. Freundlichkeit und ein Lächeln kosten nichts.

Ludwig Fienhold

 

 

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