Die Gastro-Krise ist auch eine Krise der Gäste | BISS

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Die Gastro-Krise ist auch eine Krise der Gäste

Die Krise der Gastro

Erst nachdenken und

dann die Preise anpassen

 

Kommentar von Ludwig Fienhold

 

Wir sind auf der Seite der Gastronomie. So lange sie gut, solide und seriös arbeitet. Man sollte es aber auch nicht übertreiben. Lange hat man viele Nachlässigkeiten mit der Corona-Krise erklärt. Jetzt werden Preissteigerungen und nachlassende Leistungen bei Küche und Service mit dem Ukraine-Krieg und der Energiekrise entschuldigt.

Gastronomen sollte aber auch bedenken, dass Gäste die gleichen Probleme wie sie haben und auch mehr für Lebensmittel, Energie und auch Restaurantbesuche zahlen müssen.

Auch Gäste haben zu leiden, wenn fehlende Mitarbeiter in Küche und Service zu schlechteren Leistungen führen.

Nicht jedes Pfefferkorn ist teurer geworden, bei Schinken gibt es keine Probleme wegen Lieferengpässen in China und wenn Hirsch aus heimischer Jagd vor der Tür gleich ein Drittel mehr kosten soll, hört sich das wie Jägerlatein an.

Ich kann auch den Satz nicht mehr hören „Danke, dass Sie mithelfen das Klima und unseren Planeten zu schützen“, mit dem alle möglichen Sparmaßnahmen gerechtfertigt und sogar noch begrüßt werden sollen. Es stecken doch nur ganz persönliche wirtschaftliche Interessen dahinter.

Cafés haben nette Zugaben wie Cookies und andere Gebäckstücke zum Kaffee/Cappuccino so gut wie überall gestrichen, aber gleichzeitig die Preise dafür erhöht, 4 Euro für ein Tässchen sind keine Seltenheit. Croissants, die offenbar über Umwege von Venus und Merkur zu uns gelangen oder aus rarem usbekischem Mehl hergestellt werden müssen, erscheinen in ihrem Preis ebenso aberwitzig. 2,80 € für ein normales Hörnchen, das bei Aldi in oft sogar besserer Qualität für 55 Cent zu haben ist, wirkt wie Straßenraub.

Ausschließlich Menüangebote ohne à la carte mochten wir noch nie und empfinden sie als Zwang. In diesen Tagen muss man es als noch unangenehmer sehen. Nicht wenige Restaurants wollen damit für mehr Umsatz sorgen, was als Rechnung aber nicht unbedingt aufgeht. Es gibt Gäste, die gar nicht erst in ein Lokal mit Menüzwang kommen. Es gibt Gäste, die à la carte ebenso viel und vielleicht sogar noch mehr Umsatz machen würden. Die einfache Lösung wäre, bei einem Menü die einzelnen Positionen jeweils mit Preis zu kennzeichnen, damit man sie auch einzeln bestellen kann. Und das bei einem Menüpreis, der verlockender als à la carte ist und vielleicht den einen oder anderen dann doch in diese Richtung lenkt. Jede andere Reglung muss dem Gast wie eine gastronomische Diktatur vorkommen. Der selige Heinz Winkler von der Residenz Aschau war ein Freund von Gerichten à la carte, man kann dort bis heute ganz hochwertig auch nur den einen oder anderen Gang bestellen.

Der Gastronom darf sich nicht über den Gast stellen und nur seine Wünsche und Erfordernisse sehen, sonst könnte er schnell allein bleiben. Er lebt von den Gästen und sollte sich auch an deren Bedürfnisse orientieren. Wenn es keine zahlungswilligen und zahlungsfähigen Gäste mehr gibt, gibt es schon bald auch keine funktionierende Gastronomie mehr. So einfach, so wahr.

Der verlängerte Sommer ist vorbei, die Terrassensaison hat ein Ende. Die Ausgehfreude lässt nach. Mit jeder neuen Schreckensnachricht über Inflation und Preisschocks vergeht den Menschen Lust und Laune. Sie werden jetzt mehr denn je ihr Geld zusammenhalten und sparen – sparen für die Krise. Vielleicht noch für einen Urlaub. Gespart wird aber zuerst an Restaurantbesuchen. Wie schon seitjeher.

Photocredit: Barbara Fienhold

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