Deutschland versinkt im bürokratischen Corona-Sumpf | BISS

Kategorie | 2021, Aktuelles, Archiv, März 2021

Deutschland versinkt im bürokratischen Corona-Sumpf

Jürgen Gangl, Hotellerie

Kritisches Statement

vom Chef der Hoteldirektoren

Jürgen Gangl

 

Ein Jahr Corona und die Hotellerie findet nicht statt. Sie wird in möglichen Öffnungs-Überlegungen und Lockerungsplänen nicht einmal mehr erwähnt. Eine gesamte Branche wird von der Politik schlichtweg ignoriert. Wir werden „nach hinten verschoben“, „vertagt“, „folgen irgendwann“. Da stellt sich doch die Frage, ist das Vorsatz? Es ist erschütternd dabei zuzusehen, wie die Politik versucht, ihre Maßnahmen bestmöglich zu vermarkten und zu rechtfertigen, anstatt sich darauf zu konzentrieren, den Lockdown schnellstens abzuschaffen. Im Super-Wahljahr duckt sich das politische Berlin weg, und das auf Kosten der Bürger und ganzer Branchen, die mittlerweile nicht mehr nur am Rande der Existenz stehen.

Von allem zu wenig und alles viel zu spät

Immer wieder werden Lockerungen in Aussicht gestellt und Stufenpläne präsentiert, die kaum nachvollziehbar sind. Es wird gestritten und Schuld zugewiesen. Dabei liegen alle derzeit bekannten Mittel, die zur Bekämpfung der Pandemie notwendig sind, mittlerweile auf dem Tisch: Es gilt zu impfen, zu testen und Kontakte digital zu verfolgen. Doch in einem hochentwickelten Land wie Deutschland gibt es von allem zu wenig und alles viel zu spät: Es wurde zu wenig Impfstoff bestellt und der vorhandene dann auch noch schlechtgemacht. Schnelltests gibt es bereits seit dem vergangenen Sommer. Die wurden aber monatelang konsequent ignoriert. Nun werden sie als Wundermittel angepriesen, was sie bei Weitem nicht sind, und außerdem sind trotz vollmundiger Ankündigung kaum welche vorhanden. Ein Schnelltest, der laut Experten maximal sechs bis acht Stunden Gültigkeit besitzt, ist beim besten Willen keine Alternative zu einer Impfung. Dient vielleicht das Schnelltest-Desaster als PR-Maßnahme zur Ablenkung vom Impf-Debakel? Nicht zu vergessen auch die Millionen Euro für die Entwicklung einer Corona-App, die zur Verfolgung der Kontakte und damit zur Pandemiebekämpfung nicht wirklich viel beiträgt. Funktionierende digitale Systeme aus der Privatwirtschaft werden einfach – ich mag es kaum sagen – ignoriert. Dann wären da noch die Gesundheitsämter, die nach wie vor per Fax kommunizieren.

Politisches Versagen

Insgesamt versinkt Deutschland in einem bürokratischen Corona-Sumpf. Aber Bürokratie und Pandemie gehen einfach nicht Hand in Hand. Wer das für zu viel Politiker-Schelte hält, der sollte nicht übersehen, dass das immer offensichtlichere politische Versagen enorme, nicht wieder zu reparierende Negativ-Auswirkungen insbesondere auch auf die Hotellerie hat. Der wurde jüngst vom RKI hoch offiziell bestätigt, kein Pandemietreiber zu sein und über exzellente Hygienemaßnahmen und Sicherheitspläne zu verfügen. Die stringente Ignoranz gegenüber unserer Branche ist schon lange nicht mehr mit Inzidenzen, Wellen und Mutanten zu rechtfertigen. Vor einem Jahr kam die Pandemie aus heiterem Himmel als „höhere Gewalt“ über uns. Seitdem hatten wir Zeit, viel darüber zu lernen.

Mit der Geduld am Ende

Es ist uns allen klar, dass wir mit dem Virus leben müssen. Wir wissen auch, wie das ganz pragmatisch funktionieren kann. In den USA beispielsweise läuft derzeit eine Impfkampagne sondergleichen. Nachdem dort die Impfungen zu Beginn noch schleppend anliefen, wird nun im Rekordtempo geimpft. Zuletzt sind im Schnitt 2 Millionen Impfdosen am Tag verabreicht worden. Deutschland kommt auf etwas mehr als 200.000. Wenn die USA voraussichtlich im Mai durchgeimpft sind, sind wir schlimmstenfalls noch im Lockdown. Spätestens angesichts solcher Zahlen kann sich kein Politiker in Deutschland mehr aus der Verantwortung ziehen und die Situation weiter verschleppen. Wir haben ein Jahr lang alles mitgetragen, unsere Geduld kann nun wahrlich nicht mehr weiter strapaziert werden. Wir haben gelernt, mit Verantwortung umzugehen, unsere Politik bleibt uns da einiges schuldig.

 

Kolumnist Jan Fleischhauer in Focus Online

 Ich schalte den Fernseher aus, wenn Angela Merkel auftaucht. Ich ertrage es einfach nicht mehr: die tantenhafte Selbstzufriedenheit, mit der jede Nachfrage weggebügelt wird, die Nachlässigkeit in der Wortwahl, die ein fundamentales Desinteresse an den Folgen der eigenen Politik verrät. Wenn Angela Merkel in einem Nebensatz fallen lässt, dass man Schulen, Theater und Sportvereine öffnen werde „und eines Tages die Hotels“, ist das für Menschen, deren Existenz an so einem Hotel hängt, ein Satz, der sie um den Schlaf bringt. Eines Tages? Auf Focus Online kam eine Hotelbesitzerin zu Wort, die berichtete, dass sie von diesem Satz jetzt nachts träume.“

Photocredit: HDV Deutschland

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