Die Avantgarde von Sra Bua
Die asiatische Küche verlockt wie nie zuvor, wobei vor allem die thailändische mit ihrem Aromenzauber Lust und Laune macht. Auch Topköche aus Europa versuchen seit vielen Jahren fernöstliche Düfte einzufangen, mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen und manchem Fusionspfusch. Die Köche der verschiedenen Sra Bua Restaurants in den Kempinski-Hotels in Bangkok, Kitzbühel, Berlin und Gravenbruch bei Frankfurt verfeinern und modifizieren unterschiedliche asiatische Landesküchen auf ihre Weise und haben damit Erfolg. Tim Raue und Juan Amador waren dabei in Deutschland kochlöffelführend, doch bereits 2006 zeigte Henrik Yde Anderson in seinem Restaurant Kiin Kiin in Kopenhagen wie fabelhaft moderne Thai-Küche sein kann und erhielt dafür auch als einziger seiner Spezies weltweit einen Michelin-Stern. Die Avantgarde der Sra Bua Restaurants kam jetzt zum ersten Mal zusammen und offenbarte bei dieser Premiere im Kempinski Gravenbruch eine selten zu erlebende Klasse.
So gut aufgelegt und beschwingt wie der Däne Henrik Yde Anderson ist auch seine Küche, die das Beste Thailands in eine kulinarische Weltsprache übersetzt, ohne den ursprünglichen geschmacklichen Charakter ans Messer zu liefern. Seine Königskrabbe mit hauchfeinem Gurkensalat, getrockneten Krabben, dezentem Knoblauchmousse, Minze und einer mitreißenden Yam-Sauce aus Limettensaft, Chili, Koriander, Schalotten, Ingwer und Fischbrühe ist an raffinierter und harmonischer Geschmackvielfalt nicht zu toppen – mehr Thailand auf einem Teller geht nicht. Die berühmte thailändische Tom Kha Kokos-Suppe kommt bei Anderson nicht heißt auf den Tisch, sondern ganz im Gegenteil gefroren und wird von Wald-Pilzen und Miso-Pudding begleitet. So kann nur jemand kochen, der den Spirit Thailands in sich trägt.
Henrik Yde Anderson ist verantwortlich für das Sra Bua im Kempinski in Bangkok und betreibt sechs Lokale in Kopenhagen. Darunter das Dim Sum, wo es ebendiese gleichnamigen chinesischen und besonders delikat gefüllten Teigtaschen gibt, die dort vorzugsweise zu einer großen Auswahl von Champagner gegessen werden. Unter den Lokalen auch das Kiin Kiin, wo Chiang Mai Würstchen im Würzrauch und Tom Kha Suppe heiß & kalt zu haben sind. Dort gibt es kein Porzellan, die Gerichte werden in Schalen aus Bambus oder Holz und Bananenblättern aufgetischt. Der Name Kiin Kiin ist einfach schön – so rufen die Thais ihre Kinder zum Essen. Henrik Yde Anderson hat übrigens ein höchst individuelles Buch veröffentlich, das ein schönes und wunderbar merkwürdiges Kunstwerk ist: Es trägt den sinnstiftenden Titel „Dead & Fermented – A Criminal Investigation“ und erzählt eine kuriose Geschichte, die von guten Rezepten begleitet wird. Dieses Cookbook noir, fotografiert von Steven Achiam aus Hongkong, ist jeden Cent der gut 100 Euro wert.
Juan Amador ist der geistige Vater des Sra Bua im Kempinski Gravenbruch, hat mit Dennis Meier aber einen hervorragenden Küchenchef gefunden und eingesetzt. Wenn Meier und sein Team bei der Präsentation des neuen Michelin 2015 am 6. November in Berlin (bei Tim Raue) keinen Stern bekommen, fressen wir einen knüppeldicken Besen. Juan Amador packte zwar mit dem Gericht aus Mieral-Taube, Mango, Kokos und Purple Curry eines seiner Bravourstücke aus, doch auch die Gerichte von Meier können glänzen: Terrine von Gänsestopfleber, belegt mit hauchdünnen zarten Tintenfischscheiben, nebst grünem Pfirsich in süßlich-feiner Reisschnaps-Mirin-Sauce. Und sanft geschmortes, saftig-zartes Short-Rib mit Pilz-Mousse, Ingwerstroh und Sellerie.
Bei solchen Meistern hatte es selbst ein Tim Raue sehr schwer, sein im Grunde sehr guter Kaisergranat mit wuchtiger Wasabi-Mayonnaise präsentierte sich etwas zu grob gestrickt und unausgewogen in der Aromatik. Vor allem intensiv fielen seine mit Perlhuhnbrust gefüllten „MJ Frühlingsrollen“ in sehr sehr würziger Tamarindensauce aus, wobei die Initialen für Michael Jackson stehen, der davon so begeistert gewesen sein soll, dass er gleich einige Dutzend für seine Tournee-Crew bestellte. Der Ideengeber der Sra Bua Küche im Hotel Das Tirol in Kitzbühel, Frank Heppner, steuerte einen saftigen Kabeljau mit knackigem Kopfsalat in Citrus-Tunke bei. Am Schluss ein letztes Highlight von Juan Amador: Ein großer Legostein – Custard aus weißer Schokolade mit Passionsfrucht und Koriander-Eis. Ingeniös. Danach noch einige interessante Nachhappen, darunter „Gepoppte Schweineschwarte“. Komisch? Nein, ziemlich gut. Und ein intelligentes Manöver von süß zu salzig, damit noch ein Wein schmecken kann.
Dieser Abend war kein gewöhnlicher Gourmet-Gipfel. Er zeigte vielmehr die Möglichkeiten und mitunter auch die Grenzen einer euro-asiatischen Verbrüderung. Was man größtenteils erleben konnte, war jedoch kein bloßer Trend, sondern die Zukunft einer modernen Aroma-Küche.
Ludwig Fienhold
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