Primeur war vorgestern, jetzt gibt´s Extraordinaire
Pünktlich am dritten Donnerstag im November wird auch Deutschland wieder vom Beaujolais Primeur überflutet, der für viele nur ein dünnes Tröpfchen der Appellation Clochard ist und den schlechten Ruf einer ganzen Weinbauregion verantwortet. Dabei gibt es großartige Vertreter dieser Spezies, nie war Beaujolais besser als heute. Und das zu erstaunlich netten Preisen, die zuzsätzlich animierend wirken.
Viel Fröhlichkeit und feine Frucht machen sich im Glas breit. Ein Bouquet aus Himbeere, Walderdbeere, Kirsche und frischer Pflaume stimmt auf einen satten saftigen Trinkspaß ein. Schöner Duft, seidige Struktur, weiche Tannine, dezente Säure und ein relativ niedriger Alkoholgehalt sind die Parameter eines guten Beaujolais, den man ruhig leicht kühl trinken darf. Vor allem die zehn Crus aus dem Anbaugebiet nördlich von Lyon haben Aufmerksamkeit verdient. Primus ist das nach den letzten Windmühlen der Region benannte Weinanbaugebiet Moulin-à-Vent, welches elegante Weine hervorbringt, die mitunter einem Pinot Noir sehr nahe kommen und zu den dichtesten und langlebigsten ihrer Gattung gehören. Jean-Paul Brun von der Domaine Terres Dorées erzeugt mit seinem „Moulin“ einen klassifizierten Lagenwein von enormer Frucht und Würzigkeit. Schönstes Beerenaroma offenbart auch der feinsinnige „Le Buissy“ von der gleichen Domaine. Mit seriöser Arbeit geht Gerard Charvet gegen das ramponierte Image des Beaujolais vor. Seine wildbeerige Reserve Amelie aus Moulin-à-Vent hat Charakter und ist dabei von schwer zu wiederstehender Süffigkeit. Der Morgon von Georges Descombes ist ein flamboyanter, kräuterwürziger, erotischer Wein erster Klasse. Die Domaine Clos de la Roilette in Fleurie gewinnt aus ihrer Einzellage einen saftigen und eleganten Ausnahme-Beaujolais mit ausdrucksvollem Himbeer- und Wildkräuter-Duft. Der Brouilly von Pierre-Marie Chermette beeindruckt durch feinsinnige Aromen in expressiver Art: Saftige Kirsche, Walderdbeere, Himbeere, Rumtopf. Sexy, sinnlich, verwegen. Zieht einen ins Glas und lässt einen nicht mehr heraus.
Michel Briedé betreibt ein bemerkenswertes Weinlokal in Frankfurt (www.vinotheque-briede.de) und hat gleich mehrere Beaujolais auf Lager. Einer schöner als der andere. Darunter der feinsinnige Fleurie (2018) und der gereifte Morgon der Domaine Louis Leyre-Loup (2015). Michel Briedé hat über 100 Weine glasweise im Sortiment. Besonders interessant aber, dass er auch tischweise Flights mit verschiedenen Weintypen anbietet, etwa Beaujolais (besser vorher nachfragen). 5 Probierschlucke sowie ein Glas Wein vom eigenen Favoriten des Gastes werden mit 27 € berechnet. Eine tolle Gelegenheit, sich spätestens jetzt einmal dem Beaujolais auf diese einmalige und entspannte Art zu widmen.
In unseren Restaurants spielt Beaujolais kaum eine Rolle, selbst in weinkompetenten Lokalen nicht, weil er als schwer verkäuflich gilt. Die Erzeugnisse aus der Gamay-Traube sind in Deutschland nur eine Randnotiz wert. Am 18. November ist Tag des Beaujolais, ein Anstoß, sich dem einen oder anderen Fläschchen zu nähern. Am besten gemeinsam mit dem satirischen Clochemerle-Roman von Gabriel Chevallier, der sich vom burgundischen Weinstädtchen Vaux-en-Beaujolais und einigen Flaschen inspirieren ließ. Zum Trinkfluss trägt wahlweise auch die Verfilmung mit Peter Ustinov bei.
Ludwig Fienhold
Photocredit: Barbara Fienhold
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