Aldi-Weine: Grauen oder Genuss? | BISS

Kategorie | 2015, Aktuelles, April 2015, Archiv

Aldi-Weine: Grauen oder Genuss?

Aldi-Weine

Ein Testversuch

mit glasklarem Ausgang

 

Von Ludwig Fienhold

 

Aldi ist ein standardisierter unpersönlicher Hardcore-Discounter mit Schnäppchen-Charakter. Die Kunden schreiten schnell und stumm die Gänge entlang, niemand kann mit Verkäufern sprechen, da es diese nicht gibt, die Kassierer rattern routiniert und schweigsam die Ware in die Kasse. Aldi bietet kein Einkaufserlebnis, Aldi will schnell und unkompliziert abfertigen. Aldi ist das Gegenteil von einem Markt. Doch Aldi gibt sich auch immer mehr als Spezialist für gute Weine. Mit Fritz Keller hat man sich einen findigen Winzer eingekauft, wobei das Wort eingekauft zu unterstreichen ist. Denn auch er vermag es nicht zu verhindern, das Aldi nach wie vor beim Wein erheblich schwächelt. Wir probieren Jahr für Jahr die von Aldi besonders gepriesenen Weine und sind regelmäßig enttäuscht. Hier der aktuelle Testbericht.

Aldi-Weine Inzwischen wirbt Aldi gerne mit Parker-Punkten und den Bewertungen im italienischen Wein-Guide Gambero Rosso. Alle drei von uns probierten Weine sind entsprechend von diesen beiden hervorgehoben worden. Der Albariño Burgáns der Bodegas Martin Códax Jahrgang 2013 wurde von Robert Parkers Wine Advocat mit 89 Punkten bedacht. Nicht schlecht für einen schlichten Weißwein – aber viel zu gut für einen schlechten Wein. Und nichts anderes hatten wir im Glas. Der Burgáns schrammt über die Zunge und kratzt im Hals. Das sind auch schon seine bemerkenswertesten Eigenschaften. Sonst ist er platt und weniger als gewöhnlich. Am auffälligsten ist sein grässlicher orangener Plastikkorken. Der Schwächling kostet 5,99 € – viel für einen Wein, den man nicht einmal für geschenkt haben will. Nun gut, Albariño ist grundsätzlich kein großer Wein, erreicht aber beispielsweise mit dem Pazo Señorans ein beachtliches Niveau.

Aldi-Weine Zweiter Kandidat: Il Pacchia von der Tenuta Moraia aus dem Jahr 2011. Laut Aldi ein „eleganter Wein“ aus der Toskana. Im Gambero Rosso mit einem Glas von drei möglichen ausgezeichnet, also als „gut“ bewertet. Doch dieser Tropfen ist ebenfalls ein armer Tropf, kaum Bouquet, kein Aroma, flacher als eine Pfütze. Ein Rotwein ohne Eigenschaften. Was sollen wir damit? Für die 5,99 € kaufen wir bei Aldi dann doch besser sechs Packungen Coconut Kisses.

Dritter Versuch: Ein Roter aus der Rebsorte Aglianico von der Cantina di Venosa aus der süditalienischen Region Basilikata, auch für 5,99 €. Der Gambero Rosso zeichnet ihn mit zwei von drei Gläsern aus, mithin einem „sehr gut“. Dem Wein fehlt es an Rückgrat durch ein Tanningerüst. Er wirkt mager und verschließt sich jeglichem Abgang. Der Geschmack nach Pflaume und Zimt sowie etwas Myrte verleiht dem Wein immerhin ein gewisses Maß an Würze und Ausdruck. Leicht gekühlt getrunken, gewinnt er. Insgesamt aber kein Wein, der einer besonderen Würdigung wert wäre.

Aldi-Weine Diese Aldi-Weine werfen einige Fragen auf: Waren sie schlecht gelagert oder kamen sie schon in einem zweifelhaften Zustand nach Deutschland? Alle drei Weine erschienen wie ausgezehrt, wahrscheinlich hätte man sie jung anbieten und trinken sollen. Der Rotwein von der Cantina di Venosa wird auch vom Gambero Rosso 2014 und nicht dem aktuellen 2015 mit zwei Gläsern bedacht. Allen drei Weinen ist zu eigen, dass sie offensichtlich schlecht reifen und schnell verfallen. Im Fachhandel oder in einem seriösen Restaurant wären sie wohl nicht mehr angeboten worden.

 

 

 

Photocredit: Barbara Fienhold 

 

 

 

 

 

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