Wein News Flüssiges & Überflüssiges | BISS

Kategorie | 2013, Aktuelles, September 2013

Wein News Flüssiges & Überflüssiges

Palmengarten Weinverkostung - 1

Die guten ins Kehlchen,

die schlechten ins Kröpfchen

 

Von Ludwig Fienhold

 

Deutsche Wein-Elite

geht auf Tournee

 

Der festliche Gesellschaftssaal des Palmengartens war der richtige Rahmen für die flüssigen Glanzlichter, die unter den massiven Kronleuchtern zur Verkostung standen. 144 Weingüter präsentierten auf zwei Etagen über 400 Spitzenweine. Viele Winzer waren persönlich dabei, was die Begegnung zwischen ihnen und den 500 Besuchern noch interessanter machte. Dass der aktuelle Jahrgang 2012 sehr gut ausfällt, war deutlich zu erleben. Aber auch, dass es Qualitätsunterschiede gibt, selbst bei den sogenannte Großen Gewächsen, die auf den Weinkarten der Restaurants als GG gekennzeichnet immer noch bei vielen Gästen auf Unverständnis stoßen.

Palmengarten Weinverkostung Renommierte Weingüter wie Clemens Busch (Mosel-Saar-Ruwer) zeigten mit ihren Rieslingen, wie hoch das Niveau liegen kann. Der Marienberg ist so harmonisch, delikat und frisch, dass er bei jedem Schluck Lust auf den nächsten macht. Das ist gerade für Gastronomen wichtig, die ihre Gäste ja mit animierenden Tropfen bewirten wollen, von denen man gern ein Glas mehr trinkt. Dazu gehören die Weine von van Volxem (Mosel-Saar-Ruwer) nicht, denn sie ermüden rasch den Gaumen und machen wegen ihrer überdeutlichen Präsenz schnell satt. Als Essensbegleiter machen sie eine bessere Figur. Dr. Losen (Mosel-Saar-Ruwer) gehört dagegen zu den Vertretern der schlanken, filigranen und doch ausdrucksvollen Rieslinge, das Treppchen schmeckt fabelhaft facettenreich und gut durchblutet. Aus gleichem Grund können wir uns für die Rieslinge von Fred Prinz (Rheingau) begeistern, seine Jungfer ist ein raffiniertes Stück voll geschliffener Eleganz und knackiger Frische. Das gilt ebenso für die Rieslinge und das Frühlingsplätzchen von Emrich-Schönleber (Nahe).

Die Pfälzer neigen zu einer gewissen Fülle und Behäbigkeit – auch beim Wein. Üppig, stark parfümiert und mit breiter Süße demonstrieren die Weine vom Gut Acham-Magin, dass man offenbar nur laut sein muss, um als Großes Gewächs zu gelten. Der Riesling von der kalkigen Lage Kalmit vom Weingut Kranz wiederum zeigte sich sauertöpfisch und keineswegs geschmeidig, wie viele andere aus der Region. Wie es besser geht, belegen die Pfälzer Weingüter Dr. Wehrheim und A. Christmann, deren Kollektion durchweg nobel ausfällt. Groß auch das Weingut Von Winning, vor allem die Lage Kirchenstück – komplex, mit dichter und doch nicht überladener Frucht sowie einer präzisen Tiefenschärfe. So etwas bleibt lange auf der Zunge und noch länger im Kopf.

Palmengarten Weinverkostung Die Franken überzeugen selten mit Riesling und punkten beim Silvaner. Bestes Beispiel sind Horst Sauer und seine Lumpen. Württemberg ist beim Rotwein stärker als beim Weißwein, aber nicht grundsätzlich so schwach wie der Riesling Burg Wildeck vom Staatsweingut Weinsberg. Der Rheingau zeigt sich auch in der Qualität nicht geschlossen, es schwankt. Spreitzer ist wunderbar eigenwillig und bietet viel Amüsement für Fortgeschrittene, bei Ress hat man es ebenfalls mit Charakterweinen zu tun, die Ecken und Kanten haben. August Kesseler macht das, worauf man immer Lust hat: Saftige Weine.

Großen Freude hat man stets mit den Weinen aus dem Anbaugebiet Rheinhessen: Battenfeld-Spanier, Kühling-Gillot, Wagner-Stempel oder Wittmann zählen zur Spitze. Die Lagen Rothenberg, Pettenthal und Ölberg von Kühling-Gillot bringen gut strukturierte, pralle, delikate Tropfen mit langem Nachhall. Wittman präsentiert angenehm unfrisierte Weine, die Gewächse von Wagner-Stempel haben am meisten Frucht und Power, ohne breit zu werden.

Palmengarten Weinverkostung - 3Auffällig bei den Großen Gewächsen ist, dass sich die Weingüter in der Spitze geschmacklich oft nur wenig unterscheiden, während deren Gutsrieslinge weit eher die Abweichungen deutlich machen. Wer ein Weingut kennenlernen möchte, ohne die ganze Palette probieren zu wollen, tut ohnehin gut daran, den einfachsten und den besten Wein zu probieren. Beide müssen auf ihre Art überzeugen.

Nach der Premiere in Berlin und Frankfurt gehen die Prädikatsweingüter und ihre Großen Gewächse auf Deutschlandtournee. Mehr Infos dazu unter: www.vdp.de

 

 

 

 

Winzerinnen-Dinner mit Erkenntniswert

Beim Winzerinnen-Dinner blieb keine Kehle trocken. Und auch kein Auge, denn es ging besonders lustig zu.

Weinnase Christine Fischer

Weinnase Christine Fischer

Frauen-Power in der Ente im Nassauer Hof in Wiesbaden. Gemeinsam mit Sommelier Sebastian Mac Lachlan Müller präsentierten vier bekannte Winzerinnen ihre Weine: Regina Stigler, Ihringen Kaiserstuhl, Baden; Andrea Wirsching, Iphofen, Franken; Dorli Muhr, Rohrau, Carnuntum, Österreich; Valeria Losi, Querciavalle, Castelnuovo Berardenga, Toskana, Italien. Flüssig moderiert wurde der Abend von Sommeliere Christina Fischer aus Köln. Für 119 € wurde unglaublich viel geboten. Winzerinnen-Sekt zum Aperitif, fünf Gänge plus Appetithappen, sowie zu jedem Gang gleich drei verschiedene Weine, zudem Wasser und Kaffee.

Die Winzerinnen redeten, wie ihnen der Schnabel gewachsen war – was ja gut zur Ente passte. Wenn Frauen über Wein sprechen, dozieren sie weniger als Männer. Das war die vielleicht wichtigste Erkenntnis aus dem Winzerinnen-Dinner. „Unkomplizierte Wissensvermittlung“ versprach Christine Fischer – und so geschah es dann auch.

Dorli Muhr

Dorli Muhr

Dorli Muhr konnte anschaulich über ihr Weinleben erzählen, Valeria Losi berichtete einfühlsam über die Toskana, wobei sie mit dem Chianti Classico Losi 2007 (Millennium Riserva) einen wunderbar charakteristischen und die Region bestens repräsentierenden Wein vorstellte. Andrea Wirsching aus dem fränkischen Iphofen beeindrukte mit erfrischend-lebhaften, sehr trockenen, filigranen und nuanciert würzigen Silvanern aus den Lagen Julius-Echter-Berg und Kronsberg. Zu ihrer exotischen Scheurebe, die gut mit asiatischen Aromen kann, hatte Küchenchef Michael Kammermeier sehr viel Würz-Temperament aufgebracht und ließ sie von Tatar von der Roten Wildgarnele mit Apfelsorbet, Passepiere-Algen, schwarzem Quinoa-Korn und reichlich Koriander begleiten.

Die nächste Veranstaltung in der Ente ist am 10. Oktober und hat die Weine Österreichs zum Thema. Gleich fünf Winzer, darunter F.X. Pichler, werden ihre Weine zu fünf Gängen von Küchenchef Michael Kammermeier präsentieren. Der wiederum sehr angenehme Preis von 109 € beinhaltet neben Essen und Weinen auch Wasser und Kaffee. Tel. 0611 133 666. www.nassauer-hof.de

 

Schinken & Wein

Spanische WeinprobeWeniger fehlerhafte als zu warme Tropfen konnte man bei einer Verkostung spanischer Weine im Instituto Cervantes (früher Amerikahaus) in Frankfurt erleben, die mit Serrano-Schinken und gekochten Schinken-Gerichten munter ergänzt wurde. Toll war der frisch aufgeschnittene Serrano-Schinken, der klar machte, mit welch schwachen Produkten wir hier oft allerorten abgespeist werden. Es gab nur Rotweine aus dem Anbaugebiet Ribera del Duero. Eine etwas sonderbare Auswahl indes. Da war kaum eine gute Entdeckung zu machen. Überzeugend präsentierte sich unter anderem immerhin das Weingut Abadía de Arcón. Der einfache Roble und die ebenfalls preiswerte Crianza besaßen trinkfreudigen Spaßfaktor, doch die Reserva (Tempranillo, Cabernet Sauvignon) offenbarte die ganze Qualität mit einem Duft aus schwarzen Beeren, Vanille, Schokolade und schönen nussigen Röstaromen. Mit von der Partie bei der Weinprobe war auch Hubert Huhn, der auf der Berger Straße in Frankfurt ein Geschäft namens Buch & Wein betreibt, das einen Besuch lohnt. Allein die Cava-Auswahl dort überzeugt. Es gibt es auch immer wieder Lesungen, mehr dazu unter: www.buchundwein-ffm.de

 

Exotisches Franken

Sandra Knoll bei Döpfners

Sandra Knoll bei Döpfners

Das Restaurant Döpfner´s im Maingau in Frankfurt-Sachsenhausen ist in Sachen Wein seit jeher besonders engagiert. Auf der Karte stehen 450 verschiedene Tropfen, die oft stattfindenden Wein-Dinner sind besonders beliebt. Bei der diesjährigen Hausmesse mit dem Weinhändler Heiko Wilhelm von MainWein konnte man sehr viele erstklassige Weine probieren: Spreitzer, Leitz, Jung, Künstler, Weil, Pfannebecker, Knewitz, Kuhn, Knipser, Laible, Bercher, von Winning und und und. Kurz darauf folgte innerhalb der Reihe „Culinarium“ ein Weinabend mit dem fränkischen Weingut am Stein in Würzburg. Die gewiefte Sandra Knoll stellte ihre Weine kurz und knackig vor. Bester Wein: Der trockene Silvaner Innere Leiste (Großes Gewächs) 2011. Der ungewöhnlichste Wein: Vinz Scheurebe 2008 (Alte Reben). Aus dieser Steillage kommt ein fulminant fruchtiger Wein mit exotischen Aromen und hohem Alkoholstand. Dazu passend gab´s Saiblingsfilet mit Zitronengras-Currysud auf Gurken-Chili-Relish. Der trockene Silvaner Vinz 2006 dagegen verlangte nur nach einer fränkischen Bratwurst mit Pfifferlingen und Schnittlauchpüree.   www.maingau.de

 

 

Schlaue Maschine soll für besseren Wein sorgen

Eine neu entwickelte Traubensortiermaschine will Winzern helfen Fehler zu vermeiden. Bittertöne und andere unerwünschte Qualitätsminderungen sollen damit vermieden werden.  Die Anlage wurde von Forschern vom Fraunhofer-Institut für Optronik gemeinsam mit anderen Fachkräften konstruiert.

WeingottDie in Bottichen angelieferten Trauben gelangen zunächst über eine Zuführeinrichtung in die Abbeermaschine, die die Früchte von den Stielen ablöst, entrappt und dann über einen neu entwickelten Fördermechanismus auf einem Band vereinzelt. Mit einer Geschwindigkeit von drei Metern pro Sekunde bewegen sich die Trauben dann auf dem Förderband und passieren auf ihrem Weg das neuartige Sortiermodul. Eine Hochgeschwindigkeits-Zeilenkamera, Herzstück des Moduls, schießt Bilder von den Früchten – 18 000 Mal pro Sekunde. Eine angeschlossene Auswertungssoftware analysiert die Aufnahme in Millisekunden. Sie steuert Druckluftdüsen an, die Fremdkörper wie Insekten, Rebholz, Steine und Ästchen herauspusten. Auch schlechte, unerwünschte Beeren werden von der Ausblaseinheit entfernt. Die guten Beeren fallen in einen Behälter. „Unser Sortiermodul soll die Fähigkeiten aktueller Maschinen übertreffen. Es mustert nicht nur Fremdkörper aus, sondern sortiert Beeren zudem nach unterschiedlichen Qualitäten. So kann man den Wein komponieren wie man ihn haben will“, sagt Wissenschaftler Dr. Vieth. Was die Kamera mit „schlecht“ bewerten soll, wird zuvor trainiert. Schimmel, Ohrwürmer, Blätter und falscher Reifegrad sind typische Auswurfkriterien. Sortiert wird anhand von Form- und Farbanalysen. Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.

Photocredit: Barbara Fienhold

 

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