Restaurant-Kritik: Der Koch des Jahres Christoph Rüffer vom Haerlin in Hamburg | BISS

Kategorie | 2015, Aktuelles, Archiv

Restaurant-Kritik: Der Koch des Jahres Christoph Rüffer vom Haerlin in Hamburg

Christoph Rüffer - Titel

Pâtissier Christian Hümbs

sorgt für extravagante Desserts

 

Von Ludwig Fienhold

Der große Klassiker unter den Grandhotels in Deutschland hatte schon immer Charakter, nach seiner Renovierung gewinnt er noch mehr an Schönheit. Auch das Restaurant Haerlin wird von Mahl zu Mahl besser und scheint ein klares Ziel vor Augen zu haben: Den Aufstieg von der Zwei-Sterne-Liga in den Drei-Sterne-Olymp.

Restaurant Hearlin

Restaurant Hearlin

„Aromenbehandlung“ erfährt man normalerweise im Hotel-Spa, doch auch das Restaurant Haelin wirbt damit. Die Aromen werden dort indes weit subtiler eingesetzt und beleben als Gaumenmassage. Wolfsbarsch „bar de ligne“, mithin aus Wildfang von der französischen Atlantikküste, löst das Versprechen ein. Der Fisch wird in Limettenöl gebraten, dazu gibt es roh marinierten jungen Rettich und Karotten, in Verbene eingelegten gehobelten Fenchel nebst Radieschen, gerösteten Kaisergranat und weiße Zwiebelcreme, Kombu-Seetang-Vinaigrette aus schwarzem Reis-Essig, geräucherten Kartoffelschaum und grünes Shiso-Öl sowie Austernblatt und Bronzefenchel. Brillant kombiniert und bis ins Detail kalibriert. Akribisch ausformulierte Gerichte sind ein Markenzeichen der Haerlin-Küche. Größe auf kleinstem Raum zeigen bereits die Küchengrüße – Entenleber mit Taschenkrebs, Auster und grüne Mango und besonders Selleriejoghurt mit Nussbutter. Von animierender Raffinesse ist das Tatar vom Stör mit grünem Apfel und Zitronenöl sowie Schwarzwurzelespuma, Limonenvinaigrette und brauner Butter, geeistem Sesamblatt und Schwarzwurzelmüsli nebst roh marinierter Schwarzwurzel und Wiesenkräutern. Stofflich gesprochen, sind die Gerichte mehr Seide als Wolle.

Service unter der Käseglocke

Service unter der Käseglocke

Als hochfeiner Vertreter offenbart sich dabei der sanft gegarte und kurz geröstete Kabeljau mit Muskatkürbiscreme und Kapuzinerkresse, mit von Tamarinde abgeschmecktem Zitrusgel, durch Safran parfümierten Kokos-Kafirblattschaum plus Kürbisspaghetti und gerösteten Erdnüssen und sautierten Calamaretti. Es wird ein ungeheurer Aufwand betrieben, doch die Teller biegen sich nicht dabei und erscheinen akkurat aufgebaut. Mit kühlem Kopf durchstrukturiert und doch keineswegs emotionslos, scheint bei Christoph Rüffer als Grundsatz zu gelten. Dies erlebt man auch beim Milchferkelrücken mit knusprigem Fettrand, Ananas-Steckrübenrelish, confierten roten Zwiebeln mit Röstzwiebelschaum, Kartoffel-Steckrübenpüree, geröstetem Milchferkelbauch mit Zwiebeljus, Ananasgel und Kartoffelknusper, mariniertem Senfkohl und den schönen Kräutern Vogelmiere und Postelein.

Haerlin

Restaurant Hearlin

Christoph Rüffer kocht gentlemanlike, die Gerichte wirken höflich und trotz gewisser Prachtentfaltung nie prahlerisch. Das passt zu seiner Persönlichkeit. Der 1973 in Essen geborene Wahlhamburger kann auf eine respektable kulinarische Karriere blicken, er hat bei Großmeistern wie Harald Wohlfahrt, Claus-Peter Lumpp und Otto Koch gelernt, war Souschef in der Résidence in Essen, um dann als Küchenchef im Fährhaus Munkmarsch auf Sylt seinen ersten eigenen Michelin-Stern und 17 Punkte im Gault & Millau zu ernten. Seit 2002 ist Rüffer Küchenchef im Restaurant Hearlin im Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg, inzwischen krönen ihn und sein Team zwei Sterne und 19 Punkte, wobei ihn der Gourmet Guide Gault & Millau zum „Koch des Jahres 2015“ auserwählte. Wie es sich für Hamburg geziemt, neigt Christoph Rüffer eher zum Understatement. Man muss ja nicht gleich mit einer Hybris wie Paul Bocuse aufwarten, doch könnte seine Küche hie und da ruhig noch etwas forscher und frecher werden. Wenn man jedoch bedenkt, wie eingefahren diese im Hearlin einst vor seiner Zeit war, ist sie nun schon mutig zu nennen.

Christoph Rüffer (l.) und Christian Hümbs

Christoph Rüffer (l.) und Christian Hümbs

Große Küchenleistungen entstehen immer im Team, weshalb das Haerlin vor gut einem Jahr gleich den kreativsten Pâtissier des Landes, Christian Hümbs, engagierte. Seine phantasievollen, ungewöhnlichen und mutigen Desserts sprengen bekannte Denkmuster. Hümbs kombiniert Gemüse mit Schokolade und scheut sich nicht, Paprika oder Blattspinat bei den Süßspeisen einzusetzen. Sein Kopfsalat mit weißer Schokolade, Passionsfrucht und Gurke war im Hearlin der Renner. Jetzt schon ein Klassiker ist das Barrique-Dessert: Rotwein-Eis, Rotwein-Baiser und Rotweingel, alle auf der Basis eines Rioja. Um das Aroma zu verstärken, lässt Hümbs alle Bestandteile noch einmal 24 Stunden im Eichenholz ziehen. Dazu gibt es zwei Tage lang eingelegte Weintrauben, Porzellansteine aus weißer Schokolade und Kaolin/Porzellanerde, Wurzeln aus einem Teig von Weizenvollkornmehl, Traubenholzgelee, getrocknete reife rote Weintrauben neben Pulver von unreifen Weintrauben, weil sie eine interessante Säure abgeben. „Nervenkitzel für die Zunge“, nennt das Christian Hümbs.

Chef´s Table

Chef´s Table

Der Service ist gerade für ein so altehrwürdiges Grandhotel sehr jung, kein Mitarbeiter hat die 30 Jahre überschritten. Der lockere jugendliche Auftritt tut der gediegenen Atmosphäre aber gut, zumal er kultiviert und professionell ausfällt. Neben dem Käsewagen wird sogar ein Brotwagen mit Schubladen vorgefahren, in denen das hausgebackene Brot auf seinen Einsatz wartet, gemeinsam mit vorzüglicher Butter, Olivenöl und Petersilienmousse. Das Weinzimmer mit Klimaschrankwänden aus Glas und poliertem Messing wurde in Italien maßgefertigt und ist eines der optischen Highlights des renovierten Restaurants. Ebenso beeindruckend wirkt die Weinkarte mit über 1000 Positionen, darunter 50 Champagner und einem guten Dutzend Schaumweinen sowie 40 Weinen im offenen Ausschank. Sehr gastfreundlich für ein so nobles Haus sind die zahlreichen guten und durchaus als preiswert zu empfindenden Weine zwischen 30 und 50 Euro. Die 50 Restaurantplätze werden zu 60 Prozent von einheimischen Gästen belegt, die Jahresauslastung beträgt stattliche 80 Prozent. So stilvoll das Ambiente im Restaurant sein mag, so beruhigend schön der Ausblick auf die Binnenalster auch ist, der vielleicht spannendste Tisch ist der neue Chef´s Table für bis zu acht Personen. Man sitzt in einem schicken Glashaus mitten in der Küche, aber in einem abgetrennten und angenehm klimatisierten Raum. Vom hohen Holztisch aus überblicken die Gäste das Geschehen und können den Köchen bei jedem Handgriff zusehen. Geschmackvolle Lehrstunden mit fachlichem Entertainment in privater Atmosphäre in einem der besten Restaurants des Landes. Geht noch mehr?

 

Hotel Vier Jahreszeiten

Infos & Preise

Haerlin im Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten, Hamburg, Neuer Jungfernstieg 9-14, Tel. 040 34 94 33 10. Geöffnet Dienstag bis Samstag 18.30 – 21.30 Uhr (Küche). Menü mit 4 Gängen 128 €, 6 Gänge 168 €.  www.restaurant-haerlin.de

Siehe auch BISS-Artikel über das Hotel Vier Jahreszeiten „Hamburgs schönster Logierplatz am Alstersee“

 

 

Bild ganz oben rechts: Christoph Rüffer

Photocredit: Hotel Vier Jahreszeiten, Barbara Fienhold

 

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