Vive les Macarons! | BISS

Vive les Macarons!

macarons Aufmacher

Das erfolgreichste Kult-Gebäck der Welt


 

Von Ludwig Fienhold

Eine Schwarzwälder Kirschtorte ist plumper Sex gegen die hauchzarte Erotik von Macarons. Das feinste und schönste Gebäck der Welt hat von Frankreich aus einen unglaublichen Siegeszug angetreten und gehört nicht nur in Europa zu den begehrtesten Delikatessen. Mit ihrem Frühlingsanfang feiern die Franzosen am 20. März im ganzen Land den Jour du Macaron, an dem über 100 handwerklich arbeitende Pastissiers, Konditoreien und andere Süßwarenspezialisten international beteiligt sind. In Deutschland feiert Berlin die Macarons mit leckeren Events.

Französische Macarons haben nichts mit üppigen und eindimensionalen  deutschen Kokos-Makronen zu tun. Es sind farbenfrohe und adrett gestylte Patisserie-Miniatur-Sandwichs, mit zwei Hälften aus federleichten Mandelmakronen, in deren Mitte luftige Cremefüllungen mit den verschiedensten Aromen für geschmackliche Pointen sorgen: Vanille, Pistazie, Karamell, Himbeere, Veilchen, Mango, Grüner Apfel und viele mehr. Eine der berühmtesten Kreationen ist das Vanille/Olivenöl-Macaron von Star-Patissier Pierre Hérme. Genau dieser lernte einst bei der legendären Süßigkeiten-Manufaktur Ladurée und steht seit seiner Selbständigkeit im Jahr 1998  in unmittelbarer Konkurrenz zu seinem einstigen Arbeitgeber. Gäste und Fachwelt streiten sich gerne darüber, wer die besseren Macarons macht – wobei der Unterschied deutlich ist: Ladurée ist filigraner, Hermé kräftiger in den Aromen. Wer Feinheit und eine klare Textur schätzt, wird Ladurée vorziehen. Wer mehr Intensität sucht, dürfte Hermé den Vorrang geben. Wir lieben Ladurée, weil dessen kleine Lustmacher wie eine Wolke nur leicht die Zunge berühren, aber dennoch mehr Geschmack dabei hinterlassen als viele vordergründige Produkte der gleichen Spezies. Kein Macaron glänzt mit solch sinnlichen Aromen und einer derart harmonischen Balance der Texturen.

Ladurée Rue Royale 16 in Paris

Bei Großmeistern wie Ladurée, Lenôtre oder Hermés geraten Macarons in jedem Fall zu großem Naschwerk. Die Geschmacksvielfalt überschlägt sich inzwischen, grundsätzlich bestehen die Unterschiede jedoch aus cremigen, schokoladigen und marmeladigen Füllungen. Macarons gibt es in ganz Frankreich, aber auch bei Francois Payard in der Chocolate Bar im Plaza Hotel in New York und selbst im mexikanischen San Pedro bei Monterrey, wo sich Theurel & Thomas in einem schicken Etablissement ganz auf Macarons spezialisiert haben und sogar einen nicht so oft zu findenden mit Kokosgeschmack im Sortiment führen, der perfekt zum hellweißen Interieur passt. In Wien sind Macorons très en vogue und gerade bei jüngeren Gästen und Konsumenten extrem beliebt, die mit altmodischen Sacher-Torten wenig anfangen können.

Das erfolgreichste Unternehmen mit der Präferenz Macarons ist Ladurée mit Hauptsitz in Paris, wo 1862 alles mit einer Boulangerie in der Rue Royale Nr. 16 begann. Dort befindet sich noch immer noch der Stammsitz mit dem zauberhaften Café nebst Straßenverkauf. Fünf Ladurée-Läden existieren allein in Paris und in Versailles. Die Menschen stehen vor allem in der Rue Royal oft lange in der Schlange dafür, Einheimische müssen sich in die Massen der Touristen einreihen. Ladurée verkauft täglich 15 000 Macarons, Stückpreis 1,50 € (beim Mitbewerbern bis 2,50 €, wobei es sie auch in größer gibt). In den beiden Ladurée-Filialen in London bei Harrods und in der Burlington Arcade kommt man schneller zum Ziel. Derzeit gibt es von Ladurée 26 Geschäfte weltweit – in Monaco, Zürich, Genf, Lausanne, London, Dublin, Mailand, Nagoya. Und jetzt auch Luxemburg, Dubai, Istanbul, Riad, Beirut. Das Schlimmste aber: Es gibt kein einziges Geschäft von Ladurée in Deutschland. Wollen uns die Franzosen bestrafen oder finden sie hier einfach keinen geeigneten Partner?

Zum weltweiten Erfolg der Ladurée-Macarons hat auch der Film „Marie Antoinette“ von Sofia Coppola beigetragen, wo sie in allen Farben des Regenbogens dekorativ eingesetzt werden. Zur Premiere 2006 wurde zudem eine neue Kreation präsentiert – Macaron à la Rose mit Rosenduft. Die ästhetischen Meisterwerke erscheinen recht simpel. Es handelt sich dabei im Grunde um eine Masse aus geschlagenem Eiweiß, Zucker und gemahlenen Mandeln, die zu Schälchen gebacken und mit einer Füllung aus einer Ganache aus Buttercreme oder Kuvertüre-Sahnecreme zusammengefügt wird. Und doch gelingt es nur ganz wenigen in der Branche Meisterwerke daraus zu machen. Die Kunst liegt in der Zusammenstellung vieler filigraner Details und dem ausgewogenen Mischverhältnis der Ingredienzien. Auch das Backen der hauchzarten Schalen will gekonnt sein, sie dürfen weder zu dünn noch zu durchgebacken ausfallen. Farbe und Form spielen eine Rolle, die von Ladurée etwa haben am meisten Glanz und wirken wie poliert. Die Schale darf nicht fest, bröselig und auch nicht matschig sein, sondern leicht und luftig. Entscheidend ist außerdem die Füllung, deren Aromen so natürlich wie möglich schmecken müssen und die in der Konsistenz von cremigem Schmelz sein sollte. Geschmacklich und sensorisch erreichte bei unseren vielfältigen Verkostungen in Frankreich und in anderen Ländern niemand ein so perfektes Ergebnis wie Ladurée. Gibt es bei den Macarons so etwas wie das Beste unter der Creme de la Creme? Bei Ladurée sind Vanille und Pistazien herausragend, aber auch Süßholz und Praline. Die Krone gebührt aber vielleicht dem Caramel à la Fleur de Sel.

Das Maison Ladurée ist längst ein Pattisserie-Imperium geworden. Kritiker werfen dem Haus vor, vor allem eine Lifestylemaschinerie zu sein, die viel zu sehr auf modische Verpackungen wert lege und darüber das Handwerk vernachlässige. Der Vorwurf mangelnder Handwerklichkeit trifft angesichts des geschmacklichen Ergebnisses in keiner Weise. Warum außerdem sollte man schöne Delikatessen nicht auch hübsch verpacken? Das weltweit operierende Unternehmen kann aber schon lange nicht mehr vom Stammhaus allein bewirtschaftet werden und produziert in Monaco, wo die schicken Teilchen schockgefroren verschickt werden, beispielsweise in die Schweiz. In Paris gibt es sie nach wie vor frisch. Man sollte sie gleich am selben Tag genießen, da sie mit jeder Stunde zwar nicht an Geschmack, jedoch ihre wölkchenhafte Art verlieren. Franck Deville geht noch weiter und will sich nicht nur auf Süßes beschränken. Dernier cri sind salzige Macarons, die mit grüner Oliven-Tapenade, Tomate-Basilikum, Entenleber oder Räucherlachs gefüllt sind.

(siehe auch Artikel „Wo bleibt die deutsche Crème de la Crème?“)

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