Eine messerscharfe Restaurantkritik: Villa Rothschild in Königstein | BISS

Kategorie | 2018, Aktuelles, Archiv, März 2018

Eine messerscharfe Restaurantkritik: Villa Rothschild in Königstein

Villa Rothschild

Neu, anders und mehr

als solide Klassik

 

Küchenchef Sebastian Prüßmann legt gut vor

 

Von Ludwig Fienhold

 

Na gut, warum nicht auch noch ein Messer-Butler. Jasmin Raab präsentiert schnittig eine Box mit verschiedenen Messern und Griffen aus Olivenholz, Mooreiche und Kirschlorbeer. Entrecôte, Lammrücken und Kalbskotelett wollen sanft geschnitten sein, aber auch der pralle oder auf der Haut gebratene Fisch verlangt danach. Der Lava-Grill gehört zu den wichtigsten Grundpfeilern des  Restaurants der Villa Rothschild in Königstein, das mit einem anderen Küchenkonzept startete und zudem noch völlig neu gestaltet wurde. Während die einstigen Küchenchefs Christian Eckhardt und Christoph Rainer für fantasievolle Finessen sorgten, will Sebastian Prüßmann weniger durch luftige Akrobatik und mehr durch Herzhaftes mit Bodenhaftung überzeugen.

Messer-Butler

Jasmin Raab

Das Restaurant glänzte die Jahre zuvor durch Küche, Keller und Service, wobei das Ambiente ziemlich fad war und erst jetzt nach dem gelungenen Facelift ein richtiges Gesicht bekommen hat, das Charakter zeigt. Mit dem kommoden Mobiliar, den warmen Farben und einem fackelnden Kaminzauber breitet sich eine stilvolle Gemütlichkeit aus, die zum längeren Bleiben anregt, was durchaus im Sinn des Hauses ist. Sebastian Prüßmann stellt die Küche breiter auf und ist damit für eine größere Gästegruppe kompatibel. Das sagt noch nichts über die Qualität, aber die Positionierung aus, die trotz Blick aufs Populäre nicht ins Beliebige abdriftet. Rinderfilet und Kalbskotelett, basierend auf der Erzeugnissen der Metzgerei Glasstetter aus dem Schwarzwald, werden genauso mit Bedacht ausgesucht und zubereitet, wie der Lammrücken aus der Pfalz und das Perlhuhn von Jean Claude Miéral aus der Bresse. Der Grill sorgt für perfekt gegartes Fleisch, dem allerdings ein wenig die „Lagerfeuer“-Aromatik fehlt.

Villa RothschildWas die Küche so salopp als „Beiwerk“ auf die Speisekarte setzt, zeigt ebenfalls Anspruch. Tessiner Polenta, Albdinkel-Knöpfle und der sehr leckere knusprige Döppekuchen aus Kartoffeln und Speck sind von schlichter Schönheit. Der Gast kann unter sieben Saucen wählen, was die Freude deutlich steigert: Sauce Béarnaise mit Estragon, aufgeschlagene Wiesenkräuterbutter oder Trüffeljus – all das sind ganz wunderbare Eskortierungen, die eben keine bloße Begleiterscheinungen sind, sondern wegen ihrer handwerklichen Qualität substanziell wirken (alle Extras werden zusätzlich berechnet). Es gibt in der neuen Villa Rothschild vieles, was man kennt, das aber richtig gut gemacht. Auf eine solche Konstellation ist man eigentlich das ganze Jahr auf der Suche. Oft vergeblich.

Küchenchef Prüßmann

Küchenchef Prüßmann

Das Restaurant Villa Rothschild gibt sich den Untertitel „Grill & Health“. Das wird mit Gewissheit niemand je so aussprechen, wenn er über diese Adresse redet, weshalb man diesen wenig geglückten Begriff auch gleich wieder vergessen darf. Mit einem solchen Titel macht man es sich aber auch einfach, denn darunter hat ganz viel Platz, von der im Salzteig gebackenen Roten Bete (Health) bis zum Fleisch vom Kraichgau-Schwein (Grill). Keinen Platz mehr hat die Gänsestopfleber, einst das Markenzeichen von Küchenchef Sebastian Prüßmann, weil diese wohl nicht mehr unter „Health“ aufrecht erhalten werden kann – davon abgesehen jedoch auch schon zuvor intern umstritten war, weil der Schlossherr und seine Frau damit Probleme haben. Sebastian Prüßmann und seine Crew stehen aber keineswegs nur für Fleischgerichte, gerade die Fischspeisen zeigen Klasse. Der zartkrustige, saftige Zander mit feinsten Haselnuss-Gnocchi und famoser Trüffeljus ist ein Paradebeispiel dafür. Die Desserts mögen vielleicht nicht groß überraschen, sind aber sehr solide und stimmig, wie etwa der schöne lauwarme Topfenknödel mit Gewürz-Zwetschgen, Tahiti Vanille-Eis und Zimtcreme.

Zander in Trüffeljus

Zander in Trüffeljus

Zuvor war der 37 Jahre alte Sebastian Prüßmann als Küchendirektor im Althoff Hotel am Schlossgarten in Stuttgart tätig (1 Michelin-Stern, 16 Punkte Gault & Millau). Geprägt wurde er durch die Küchen von Dieter Müller und Nils Henkel im Schlosshotel Lerbach in Bergisch Gladbach, wo er von 2010 bis 2011 als Küchenchef fungierte. In der Villa Hammerschiede erhielt er von 2011 bis 2013 als Küchenchef seinen ersten eigenen Michelin-Stern. Dort arbeitete Prüßmann bereits mit Benjamin Birk zusammen, dem heutigen gastronomischen Leiter und Sommelier der Villa Rothschild.

Sommelier Benjamin Birk

Sommelier Benjamin Birk

Ein Restaurantbesuch ist immer ein Gesamterlebnis, bei dem die Küche die Grundlage bildet. Ambiente, Service und Weinauswahl spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, denn erst alles zusammen sorgt für den entscheidenden Spaßfaktor sowie eine Wohlfühlatmosphäre. Hier liegt die Stärke der Villa Rothschild, da alles stimmig ineinander übergreift. Benjamin Birk berät mit animierender Einsatzfreude und hat immer noch neue Flaschen im Keller, die nicht auf der ohnehin schon guten Karte stehen. Zudem werden neuerdings Cocktails und kreative alkoholfreie Drinks aufs Essen abgestimmt serviert.

 

 

B I S S  W E R T U N G

BISS Bewertung Villa Rothschild

Der Gesamteindruck ist nicht das arithmetische Mittel, die Kriterien sind unterschiedlich gewichtet.

 

Villa RothschildVilla Rothschild, Königstein, Im Rothschildpark 1

Tel. 6174 2908 0. Mo-Sa 18-22 Uhr, So 12-14 und 18-22 Uhr.

Hauptgerichte 24-44 €.

Villa Rothschild mit einem Klick

 

 

Restaurantkritik: Ist Hummer besser als Tafelspitz?

 

Essen mit Streitwert

BISS Bewertungen neu und anders

Von Ludwig Fienhold

Bratwurst Emma Metzler

Bratwurst Emma Metzler

Kann ein Hummer mehr Lust bereiten als ein Tafelspitz? Sind Luxusprodukte per se besser, nur weil ihr Preis dies suggeriert? Sebastian Frank vom Horváth in Berlin setzt nicht auf Hummer, Gänseleber & Trüffel und bevorzugt Schulterscherzel, Schweineschmalz und Sellerie – und hat sich trotzdem damit zwei Sterne im Michelin verdient. Ein wichtiges Signal, denn es zeigt, dass auch vermeintlich arme Produkte auszeichnungswürdig sein können, sofern eine Küche damit ideenreich umzugehen versteht. Ist es denn nicht ohnehin viel kreativer aus schlicht erscheinenden Erzeugnissen etwas Gutes oder gar Großes zu machen als einen Hummer in heißes Wasser zu werfen?

Die fabelhafte selbstgemachte Fenchelbratwurst mit Birnensenf in der Emma Metzler oder die wunderbaren hausgemachten Fischkroketten im Chairs (beide Frankfurt) demonstrieren trefflich wie viel Gutes selbst im Rustikalen zu stecken vermag. Längst ist es auch nicht mehr so, dass nur Gourmettempel eine Chance auf Sterne und andere Würdigungen haben, wobei der Michelin in seinen guten Anfangsjahren auch bemerkenswerte Gasthäuser mit einem Stern auszeichnete. Dennoch könnten viel stärker junge Köche im Blickpunkt stehen, die kein Geld für teure Dekoration ausgeben wollen und das Geld lieber in gute Produkte investieren. Die Emma Metzler und noch mehr das Chairs sind gute Beispiele dafür. Friede den Hütten, Friede den Palästen.

BISS will jedenfalls noch mehr für die junge engagierte Küche einsetzen, wo das Essen noch nach Töpfen und Pfannen schmeckt und nicht moderne Technik das Handwerkliche ersetzt. Köche, die allein aus wirtschaftlichen Gründen weniger Aufwand betreiben können, sollen nicht benachteiligt werden. Kreativität entsteht gerade aus Verzicht. Aus Verzicht auf Unnötiges, allzu Barockes. Vielleicht haben das die jungen und die etablierten Köche gemeinsam: Die Etablierten, weil sie es sich leisten dürfen, die Jungen, weil sie es sich nicht leisten können.

Chairs-Kroketten

Chairs-Kroketten

Die Konzentration auf das Wesentliche und die Seele des Geschmacks sollten bei allen immer im Vordergrund stehen. Im Gegensatz zu den konventionellen Restaurantführern wollen wir bei der Bewertung das in den Vordergrund stellen, was neben der Qualität uns und den allermeisten Gästen bei einem Restaurantbesuch am wichtigsten ist: Die Wohlfühlatmosphäre und den Spaßfaktor. Essen muss Spaß machen. Wo dies eine steife Atmosphäre, ein zu formeller Service oder aberwitzige Weinpreise verhindern, kann keine entspannte Heiterkeit entstehen. Diese lässige Losgelöstheit erleben wir weit mehr in Italien oder Südfrankreich als in Deutschland. Deshalb sind gerade die Lokale herauszustellen, bei denen diese Lebenslust deutlich wird.

 

 

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