Weine aus aller Welt müssen keine Allerweltsweine sein | BISS

Kategorie | 2023, Aktuelles, August 2023

Weine aus aller Welt müssen keine Allerweltsweine sein

Melone/Fetacreme/Minzgelee

Überraschende Verkostung mit vielen Unbekannten

 

Braucht man wirklich Weine aus aller Welt? Wenn sie keine Allerweltsweine sind, dann schon. Eine Herausforderung mit Unterhaltungswert ist es allemal, wenn man an einem Tisch Weine aus Japan, China, England, Niederlande, Slowenien, Ungarn, Bulgarien und Georgien zum verkosten hat. Es gab einige Überraschungen und einen Winzerstar.

Henners Vineyard im britischen Sussex erzeugt auf drei Hektar unter anderem drei verschiedene Schaumweine von bemerkenswerter Qualität. Der Brut NV aus Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier wird nach der klassischen Methode hergestellt, liegt drei Jahre auf der Hefe und moussiert dicht feinperlig. Die Meerbrise von der nahen Kreideküste schenkt ihm eine crispe Salzigkeit, die zu den leichten Zitrusnoten und dem britischem Unterstatement Flavour passt. Well done.

Die Niederlande überraschen auch immer wieder mit interessanten Weinen, die Cuvee XII, Jahrgang 2022, aus Pinot Gris, Müller-Thurgau und Auxerois vom Weingut Apostelhoeve gehört dazu. Unkompliziert frisch und fruchtig, die exotische Note wird durch eine pikante Säure in Balance gehalten. Japan ist den meisten in flüssiger Form durch Sake bekannt, doch wird dort seit 1874 Weinbau betrieben. Die Grace Winery wurde immerhin auch schon 1923 in Katsunuma in der Region Yamanashi gegründet. In der vierten Generation ist nun Ayana Misawa für die Weine verantwortlich. Es werden die allseits bekannten französischen Rebsorten kultiviert, aber auch die nur hier wachsende Koshu. Sie alle müssen viel Regen und viel Sonne aushalten. Die Grace Koshu Reserve 2019 ist leicht, reintönig und erinnert an einen freundlichen Chardonnay. Der Wein hat etwas Zartes. Nicht weil Ayana eine Frau ist, sondern weil sie Japanerin ist.

Das ungarische Tokaj-Weinanbaugebiet gehört zum Weltkulturerbe. Ein besonders wichtiger Bestandteil des Bodens ist der Schutt von vulkanischem Trachyt. Das Weingut Grand Tokaj gewinnt von der Einzellage Kövágó aus der Rebsorte Furmint einen wunderbaren trockenen Wein mit frischer Säure, der extravagant nach getrockneten Aprikosen und Orangen duftet. Trotz einer leichten Honignote ist er von kühler Stilistik, die Rebstöcke wurzeln in Vulkangestein, was auch zu einer feinen Salzspur führt. Tokaj ist ungemein spannend und verdient weit mehr Beachtung, auch in der Gastronomie.

Edi und Aleks Symĉiĉ sind die Stars unter den Winzern Sloweniens, deren Weingut ans italienische Weingebiet Collio im Friaul grenzt. Die ganze Palette ist  erstklassig, ob aus bekannten oder autochthonen Rebsorten, wobei die autochthonen noch aufregender sind. Neu und mit 600 Flaschen stark limitiert ist ein Sauvignonasse – früher Tokaj Friulano genannt, was von Ungarn aus Namensschutzgründen erfolgreich beendet wurde. Dieser extraktreiche, goldgelbe, cremig-satte Powerwein explodiert geradezu im Glas, mit Aromen von Wiesenblumen, Kräutern Heu, Mandelblüten, Apfel und delikat-süßlichen Amalfi-Zitronen. Ein Maul voll Reben. Der famose Stoff ist ein Familienerzeugnis von Edi und Aleks Simĉiĉ und dessen Söhnen Jure und Jakob. Allein dieses Ereignis hätte die Weinprobe lohnenswert gemacht.

Diese und andere Entdeckungen sind Michel Briedé zu verdanken, der in seiner Frankfurter Vinothèque regelmäßige solche kleinen feinen Events ins Leben ruft, zu der seine Frau Katya stets leckere Tellerchen wie beispielsweise asiatische Pfannkuchen und die bei uns vergessenen, deshalb aber nicht weniger tollen Croque Monsieur serviert. Für gastfreundliche 65 € (Wein & Essen) ein unwiderstehliches Angebot.

Bei solchen Verkostungen ist es gar nicht so entscheidend, ob man die Weine durchgängig gut findet. Viel wichtiger ist es, dass solche Entdeckungsreisen Freude machen und ganz en passant lehrreich sind. Michel Briedé sucht dabei immer kleine und eher unbekannte Winzer aus und will seinen Gästen gerne Neues präsentieren. Die nächste Reise führt ihn in die Toskana, von der er einige gute Flaschen mitbringen will, die dann am 24. September bei der nächsten Verkostung zum Einsatz kommen.

Ludwig Fienhold

 

Vinothèque Briedé, Frankfurt, Vogtstr. 43, Tel. 0171 410 5853.

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