Verunsicherte Hotelgäste: Abreisen, Abschiede, Enttäuschungen | BISS

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Verunsicherte Hotelgäste: Abreisen, Abschiede, Enttäuschungen

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Stimmen aus der Hotellerie zum 2. Lockdown

 

Auf Anweisung der Bundesregierung müssen in Deutschland zum zweiten Mal Hotels und Gastronomie schließen, bis Ende November. Mindestens. Das trifft die Branche mit ihren über 2,4 Millionen Mitarbeitern zum zweiten Mal nicht nur mehr als hart, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme der Deutschen Vertreter von Relais & Chateaux. Viele Betriebe leiden noch immer unter der Schließung der 1. Phase und der in diesem Zusammenhang entstandenen Umsatzeinbußen. Viele sind in ihrer Existenz bedroht und stehen vor dem Aus. Dieses Mal ist der Lockdown für die Branche der Hotellerie und Gastronomie unverhältnismäßig und ungerechtfertigt, heißt es weiter. Dass es dabei massiv eine Branche treffe, die vorbildlich und frühzeitig alle geforderten Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt habe und aus der nachweislich kaum eine Infektion herrühre, wird als unverhältnismäßig empfunden. Außerdem hätten viele Betriebe erheblich in die erforderlichen Sicherheits- und Hygienemaßnahmen investiert. Treffen verlagern sich jetzt in den privaten Bereich: „Durch die gegebenen Sicherheitsmaßnahmen ließe sich ein Infektionsgeschehen, sollte es doch auftreten, nachvollziehen und nachverfolgen. Im Gegensatz zu Treffen und Feiern im privaten Rahmen. Vorgänge, die durch die Schließung der Gastronomie weiter stattfinden, wenn nicht sogar wieder zunehmen werden, da sie nicht kontrolliert werden können.“

Susanne Gräfin von Moltke, Eigentümerin vom Gut Steinbach Hotel & Chalets:

Die Entscheidung der Kanzlerin und ihrer Minister ist für unsere Branche nicht vollumfänglich nachzuvollziehen. Hatte die Regierung mit ihren Beratern schon seit den Sommermonaten Zeit, die prognostizierte Entwicklung der Fallzahlen für die Herbst- und Wintermonate auch für unsere Branche zu analysieren und mit gerechteren Vorschlägen aufzuwarten; beispielsweise mit strengeren Kontrollen und strengeren Bestrafungen der Betriebe, die sich nicht an die Regeln halten. Wir hatten auf unserem Gut Steinbach seit Wiedereröffnung weder bei Gästen noch bei Mitarbeitern einen einzigen Coronafall zu verzeichnen. Wir hoffen sehr und setzen uns dafür ein, dass die Klagen der Branche dazu führen, dass die Schließzeiten verkürzt werden. Unsere Branche ist nicht nur systemrelevant, sondern vor allem auch sozialrelevant. Gerade in einem Monat wie November.

 

Ralf Kutzner, Gastgeber Hotel Bülow Palace, Dresden:

Die aktuelle Situation trifft uns im Mark! Sind wir bereits beim ersten Lockdown finanziell durch das Raster gefallen, und mussten ohne jegliche Unterstützung von öffentlicher Seite auskommen, so trifft uns, und vor allen Dingen unsere Mitarbeiter, die jetzige Situation umso härter. Durch die abermalige Kurzarbeit geraten viele unserer Mitarbeiter in finanzielle Not. Obwohl unsere Branche im Kampf gegen das Virus die höchsten Hygienemaßnahmen für viel Geld umgesetzt hat, sind wir nun zum wiederholten Mal diejenigen, die am meisten darunter leiden müssen!

Annette Schwalbe, Hotel Villa Hammerschmiede, Pfinztal:

Auch wir sind tief betroffen vom erneuten Lockdown, da wir durch die gut gebuchten Sommermonate optimistisch auf November und Dezember geschaut hatten. Jetzt ist die Verunsicherung unserer Gäste so groß, dass fast alle Veranstaltungen bis zum Jahresende storniert wurden.

Meinrad Schmiederer, Hotel Schwarzwaldresort Dollenberg, Bad Peterstal-Griesbach (im Bild oben rechts):

Das Wochenende im Hotel war geprägt von Abreisen, Abschied und Enttäuschungen. Die Frage, wie es weitergehen soll, überlagerte alles. Dabei ist es doch wissenschaftlich erwiesen, dass die hohen Fallzahlen an Infizierten vor allem aus privaten Feiern herrühren und nicht aus der Gastronomie oder gar der Hotellerie. Unsere Branche hat sich – wie allgemein anerkannt – an die geltenden Hygiene- und Abstandsregeln gehalten wie kaum eine andere Branche in der Öffentlichkeit.

Dorint zieht vor Gericht

Die Hotelgruppe Dorint, zu der europaweit 63 Häuser gehören, geht einen deutlichen Schritt weiter. Der Aufsichtsratsvorsitzende Dirk Iserlohe will gegen die Übernachtungsverbote klagen. Anträge auf eine einstweilige Aussetzung der Übernachtungsverbote sollen bei allen zuständigen Oberverwaltungsgerichten gestellt werden. Es fehle an der Verhältnismäßigkeit der Anordnungen in Bezug auf die betroffene Branche, sagt Dirk Iserlohe. In den Dorint-Hotels & Resorts, wo alle Hygieneregeln strikt eingehalten werden, habe sich noch kein Gast infiziert, wie auch die Aussagen des Robert Koch Instituts belegten, wonach Hotels keine signifikanten Infefktionsquellen darstellten. Die neuen Restriktionen werden vom Dorint-Chef als ungerecht und unangemessen empfunden. Durch den erneuten Lockdown wurden schon Gäste, die den Preis für hygienisch einwandfreie Urlaubsziele bereits bezahlt hätten, aus den Destinationen regelrecht vertrieben, beklagt Dirk Iserlohe.

Der Lockdown wird wohl länger dauern

Die wirtschaftlichen Auswirkungen hat die Bundesregierung laut Iserlohe – trotz der Sommerpause, die in Berlin ungekürzt wahrgenommen wurde – nicht durchdacht. Obwohl rechtzeitig von Virologen auf das Infektionsgeschehen in Herbst und Winter hingewiesen worden ist, seien keine konkreten Unterstützungsprogramme für den geplanten Lockdown erarbeitet oder verkündet worden, um so die zu erwartenden wirtschaftlichen Schäden zu kompensieren, meint Iserlohe. Die Umsatzausfälle in der Hotel- und Gastronomiebranche seien jetzt schon enorm und das Wirtschaftsjahr faktisch jetzt schon zu Ende. Denn selbst wenn der Lockdown am 30. November auslaufe, rechneten die betroffenen Hoteliers nicht wieder mit sofortigen Buchungen. Viele in der Branche gingen davon aus, dass der Lockdown sogar noch verlängert werde.

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