Es gibt auch gute Adressen
in Frankfurts umstrittenen
Ausgehrevier Alt-Sachsenhausen
Alt-Sachsenhausen, das trotz seiner rüden Charakteristik und des ewigen Gassenhauercharmes eines der schönsten und spannendsten Stadtteile sein könnte, wurde zwar ebenso wie das Bahnhofsviertel von der Stadtpolitik aufgegeben. Doch blüht auf dem rauen Asphahlt manch schönes Pflänzchen, das man gießen oder besser begießen sollte.
Ganz oben auf der Erfolgswelle schwimmt das Lorsbacher Thal. Man kann in über 300 verschiedenen Apfelweinsorten aus aller Welt baden, wobei die aus Hessen im Mittelpunkt stehen. Der Hausschoppen vom Fass von der Kelterei Walther in Bruchköbel ist wunderbar süffig. Es geht aber noch spezieller, etwa mit einem Apfelwein von Jens Becker, der in Sachsenhausen einen Apfelwein-Laden betreibt. Mit seinen ungewöhnlichen Geschmack fällt der Apfelwein Roter Adam, Selection Tönisvorst, von Harald Nolte aus dem Rahmen, dessen Sortiment überhaupt lohnenswert ist. Probieren sollte man außerdem den genialen Craft Cider Holzapfel von der schwäbischen Manufaktur Jörg Geiger. Aromen von Bratapfel, Karamell und Calvados finden zu einer schönen Fruchtsüße, die nicht kitschig ist und Lust auf die ganze Flasche macht. Wer es richtig trocken mag, wird die Goldparmäne von Weidmann & Groh aus Friedberg-Ockstadt lieben. Dieser satt-süffige Stoff gehört zum Besten, was die Apfelwein-Avantgarde hervorgebracht hat. Auf dem Speiseplan steht sehr gute deutsch-hessische Hausmannkost- tolle Buletten, Mini-Bratwürtschen vom Bauern Trapp, kleine saftige Haxe vom Spanferkel und einiges mehr. Der Service ist insbesondere für Sachsenhäuser Verhältnisse erfrischend freundlich und navigiert sich auch bei größtem Tumult durchs volle Lokal. Frank & Pia Winkler, die mit ihrem Lokal wie eine Bastion des guten Geschmacks wirken, betreiben ganz in der Nähe noch die Affentorschänke, die eine ähnliche Qualität bietet, wobei wir persönlich dem Lorsbacher Thal den Vorzug geben.
Ein Lokal mit ordentlichen Weinen aus Reben und nicht Äpfeln gab es bis vor einiger Zeit nicht im Viertel, doch das Urban & Anders (oben im Bild) sorgt dafür, dass diese Lücke gefüllt wurde. Der Gast kann gleich unter mehr als 100 Positionen wählen, darunter empfehlenswerte Flaschen vom Mosel-Spitzenwinzer Markus Moiltor, Simone Adams und Philipp Kuhn sowie der Alten Grafschaft aus Franken. Wer noch etwas Sommer einfangen möchte ist beim südfranzöische Rosé von Minuty an der richtigen Adresse. Und wer in Alt-Sachsenhausen partout Apfelwein trinken möchte, findet mit dem Schoppen von Jörg Stier auch einen guten Begleiter.
Steen Rothenberger, der mit den Lindenberg-Hotels die schönsten, ideenreichsten und originellsten Boutique-Herbergen der Stadt betreibt, wollte Alt-Sachsenhausen auch mit Kunst und Kultur bereichern, was inzwischen aber nicht weiter zu spüren ist. Das juvenile Libertine Lindenberg mit eigenem Tonstudio und kleinem Konzertraum ist jedenfalls das einzige Hotelchen weit und breit, in dem man wohnen möchte und sollte.
Man trifft im kleinen Ausgehrevier Alt-Sachsenhausen fast die ganze Welt. Kulinarisch merkt man das weit weniger. Mit dem Mezze & More ist aber ein bemerkenswertes türkisches Lokal eingezogen, dass mit modernen Ideen, guter Küche und nettem Service das Viertel ungemein auffrischt. Wer den Apfelwein einmal sein lassen will, der wird hier sogar Freude an türkischen Weinen haben können (hier gehts zum ganzen Artikel dazu).
Ludwig Fienhold
Fotos: Barbara Fienhold
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