Drei Sterne suchen einen Koch: Der neue Michelin Frankreich | BISS

Kategorie | Aktuelles, März 2013

Drei Sterne suchen einen Koch: Der neue Michelin Frankreich

restaurantLeMeurice-Titel

Der Guide Rouge gibt sich etwas wunderlich

 

Es gab auch schon mal Sterne für ein Bordell

 

Gehören die Sterne einem Koch oder einem Restaurant? Der Streit ist fast so alt wie der Guide Michelin selbst. Und meistens gehören sie ja keinem von beiden: Wechselt ein ausgezeichneter Koch, müssen sowohl er als auch sein Nachfolger die Sterne oft neu erkochen. Es sei denn, es handelt sich um das Luxushotel Le Meurice: Dessen Koch Yannick Alléno hatte bereits am 22. Dezember letzten Jahres öffentlich im Figaro verkündet, dass er das Haus verlässt. Solche Entscheidungen fallen in der Regel wohl überlegt, die großen Guides werden noch vor der Presse unterrichtet. Inzwischen arbeitet Alléno für den Milliardär und Nobelmarkenbesitzer Bernard Arnault (siehe auch BISS-Artikel 3-Sterne-Koch Alléno verlässt das Meurice).

Yannick Alléno

Yannick Alléno

Allgemein wird erwartet, dass Alléno in ein paar Jahren, zur Eröffnung des Hotels Cheval Blanc in den Räumlichkeiten des ehemaligen Kaufhaus La Samaritaine, nach Paris zurückkehrt. Wer im Meurice derzeit kocht, weiß niemand so recht. Es heißt, das Haus würde in Gesprächen mit namhaften Küchenchefs stehen. Die müssen wirklich exzellent sein, schließlich gibt es drei Sterne als Vorschusslorbeeren. Ein Urteil, dass von Le Monde als „kurios“ empfunden wurde. „Gute Nachricht, man lässt ihnen drei Sterne“ kommentierte der einflussreiche Kritiker François Simon in Le Figaro. „Jetzt müssen sie nur noch den raren Vogel (wörtlich „le bel oiseau“) finden, der die Auszeichnung hält.“

Das Nachsehen hat, wie so oft beim Michelin, der Gast und Leser. Der zahlt jetzt nämlich den Drei-Sterne-Preis von 90-210 Euro für ein Hauptgericht in einem Restaurant ohne Küchenchef. „Ein einmaliger Vorgang“, kommentiert Restaurantkritiker Jean-Claude Ribaut „Wenn auch nicht so einmalig wie die drei Sterne, die 1934 für das Paquay vergeben worden. Dabei soll es sich nämlich um ein Bordell gehandelt haben.“

Zum neuen Drei-Sterne Koch avancierte Arnaud Donckele von der Résidence de la Pinède in Saint-Tropez. Der Schüler von Michel Guérard, Alain Ducasse und Jean-Louis Nomicos kocht mediterran und verlässt sich nicht nur auf Luxusprodukte. Relativ häufig werden in seiner Küche auch günstigere Fische veredelt, was im snobistischen Saint-Tropez gut ankommt. Mit der höchsten Auszeichnung für Donckele ist dem Michelin France eine schmackhafte Überraschung gelungen.

Drei-Sterne-Koch Arnaud Donckele

Drei-Sterne-Koch Arnaud Donckele

Zwei Sterne glänzen jetzt bei Yoann Conte, dem Nachfolger von Marc Veyrat in Annecy, Nicolas Sale vom Table du Kilimandjaro in Courchevel, William Frachot im Chapeau Rouge in Dijon, Sylvain Guillemot von der Auberge du Pont d’Acigné nahe Rennes und Alexandre Couillon im La Marine auf der Insel Noirmoutier. Für Geenießer, die in den betreffenden Regionen leben, kam das Urteil nicht überraschend, jeder der Ausgezeichneten war in seiner Region bereits ein Star. Besonders Guillemot und Couillon glänzen derzeit noch mit einem besonders guten Preis-Leistungs-Verhältnis.

Merkwürdig nur, dass die Tester des Michelin kaum Häuser fanden, die nicht mehr den Höchstnoten von drei und zwei Sternen entsprechen. Wer oft in Frankreich speist, kann diese Wertschätzung nicht immer nachvollziehen. Aus der Spitzengruppe verlor das Alain Chapel nordöstlich von Lyon  seine zwei Sterne, schließlich hatte es im letzten Frühjahr Konkurs angemeldet. Zwei Sternen heißen, dass die Adresse „einen Umweg wert ist“, aber kaum ein Feinschmecker wollte den Himmelskörpern satte 23 Kilometer von Lyon ins Örtchen Mionnay folgen. Das ist schade für das Team des Alain Chapel, aber nicht wirklich überraschend: Bei einer Internet-Umfrage des Figaro erklärten 52,8% der Teilnehmer, dass sie den Wertungen des Guide nicht vertrauen. Angesichts der Tatsache, dass der Guide Michelin Köche nicht nur für ein „Sichtbarkeitspaket“ auf seiner Website zur Kasse bittet, sondern künftig auch kostenpflichtig Reservierungen vermittelt, kann man den Franzosen dieses Urteil nicht übel nehmen.

Jörg Zipprick

 

Bild oben rechts: Drei-Sterne-Restaurant Hotel Meurice Paris

 

 

 

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