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Sebastian Prüssmann: Von der Villa Rothschild in die Sansibar nach Sylt

Überraschender Wechsel

bei zwei deutschen Topadressen

 

Heimlich, still und leise: Sebastian Prüssmann hat die Villa Rothschild verlassen und wechselte Anfang Mai in das Restaurant Sansibar auf Sylt, einem der erfolgreichsten Gastronomieunternehmen Deutschlands. Prüssmann fing am 25. September 2017 als Küchenchef im Luxushotel Villa Rothschild in Königstein an und kochte dort hochsolide und auf moderne Art klassisch. Die Küche segelte unter der Flagge „Grill & Health“, wobei die Grillgerichte ein großes Publikum ansprachen. Prüssmanns Stärke waren jedoch harmonisch zubereitete Speisen von Klasse, etwa ein feinkrustiger Flusszander mit Haselnuss-Gnocchi und Trüffeljus (im Bild oben).

Küchenchef Prüßmann

Zuvor war der jetzt 40 Jahre alte Prüßmann als Küchendirektor im Althoff Hotel am Schlossgarten in Stuttgart tätig (1 Michelin-Stern, 16 Punkte Gault&Millau). Geprägt wurde er durch die Küchen von Dieter Müller und Nils Henkel im Schlosshotel Lerbach in Bergisch Gladbach, wo er von 2010 bis 2011 als Küchenchef fungierte. In der Villa Hammerschiede erhielt er von 2011 bis 2013 als Küchenchef seinen ersten eigenen Michelin-Stern.

Die extrem sattelfeste Sansibar bietet nach wie vor ihre Evergreens an und wird an diesem Konzept nicht viel ändern. Aber die Umsetzung dürfte jetzt noch lustvoller und präziser ausfallen als zuvor. In der Villa Rothschild im Taunus bei Frankfurt fungiert derzeit Marcus Zillmann als Küchenchef, der wie Prüssman bei Althoff arbeitete und seine Karriere im legendären Tantris in München begann.

Ludwig Fienhold

 

Photocredit: Barbara Fienhold




Zwei-Sterne-Koch Nils Henkel wird jetzt Küchenchef im neuen Bollands Papa Rhein Hotel in Bingen

Nach dem Aus auf Burg Schwarzenstein im Rheingau:

 

Keine Sterne-Ambitionen,

jetzt ist regionale Bistroküche

angesagt

 

Nach dem unschönen Ende von Zwei-Sterne-Koch Nils Henkel auf Burg Schwarzenstein (siehe BISS-Artikel Paukenschlag), gibt es eine zweite Überraschung: Nils Henkel wird Küchenchef im Papa Rhein Hotel in Bingen, das im August eröffnen soll. Eine Sterneküche soll es hier nicht geben, sondern „ein lässiges Gastronomiekonzept mit Bistroklassikern.“

Die Trennung von Nils Henkel und dem Hotel Burg Schwarzenstein wurde von der für die Pressearbeit zuständigen Frau des General Managers, Stephanie Teigelkamp, auf unseren Exklusik-Artikel hin „als nicht der Wahrheit entsprechend“ und „schlecht recherchiert“ dementiert. Diese unnötige, verwirrte und absurde Äußerung wurde nur einen Tag später mit einer offiziellen Mitteilung wieder zurückgenommen.

Nun wird Nils Henkel im Juli seine Stelle im Hotel Papa Rhein antreten und vor allem das Lokal Bootshaus verantworten. Geplant ist eine Symbiose aus regionaler Küche mit Produkten aus der Region und weltläufiger Küche mit Fokus auf Fisch und Gemüse. „Ganz bewusst setzt das Papa Rhein dabei auf ein lässiges Gastronomiekonzept ohne Sterneambitionen“, wie es offiziell heißt. Auf der Karte werden unter anderem auch Bistro-Klassiker zu finden sein, die Weine aus den umliegenden Regionen sollen im Vordergrund stehen.

Nils Henkel

„Unsere gemeinsame Idee ist, ein trendiges Kleinod im Mittelrheintal zu schaffen“ erklärt Betreiber Jan Bolland. Das direkt am Rhein gelegene Haus biete mit seinem maritimen Stil dafür eine wundervolle Basis: „Der grandiose, weitläufige Blick ist seeähnlich und reicht über die Flussauen bis in die Rheingauer Weinberge, freut sich Bolland. „Der Trend geht weg von den Gourmetrestaurants hin zu Bistroküchen mit authentischer, gesunder Küche nach bestem Handwerk. Mit dem Team um Nils Henkel wollen wir die vielen tollen vorhandenen Gastronomien in Rheinhessen ergänzen und unser hippes Lifestylehotel noch attraktiver machen“, meint Bolland. Nils Henkel und Jan Bolland kennen sich bereits seit vielen Jahren durch die gemeinsame Zugehörigkeit zu den Jeunes Restaurateurs d’Europe, der Vereinigung junger deutscher Spitzenköche. Darüber hinaus sind beide sehr freundschaftlich verbunden und freuen sich auf die enge Zusammenarbeit.

2019 fand der Spatenstich für das Hotelprojekt statt, das Signalwirkung für eine ganze Region haben soll. Ausgezeichnet mit dem „Innovationspreis des Landes Rheinland-Pfalz“, soll das neue Hotel Papa Rhein in Bingen die Top-Adresse für all jene werden, die gern in ungezwungener Atmosphäre übernachten wollen, ohne auf Komfort, Spa und anspruchsvolles Ambiente zu verzichten. Die Eröffnung des Hotels mit 114 Zimmern und Suiten, Bootshaus-Restaurant, Dachterrasse mit Plunge-Pool, Spa sowie Tagungsmöglichkeiten ist ab 28. August geplant, das Pre-Opening soll bereits ab 2. Juli stattfinden. Das Hotel Papa Rhein gehört wie das Hotel und die Berg Chalets Marienhöh im Hunsrück und das Günderode in Oberwesel zum Kreis der familiengeführten Bollands-Hotels.

Nils Henkel gibt jetzt weniger den Restaurantkritikern Futter. Aber er muss, wie er sagt, vor allem seine Familie ernähren.

LF




Paukenschlag: Zwei-Sterne-Koch Nils Henkel hat Burg Schwarzenstein verlassen

Das Hotel verabschiedet sich von seinem Gourmetkurs

 

Die Corona-Krise hinterlässt in der Gastronomie viel zerbrochenes Geschirr. Wenn in diesen Tagen die Restaurants wieder eröffnen, kehrt einer garantiert nicht mehr an seinen Herd zurück: Nils Henkel hat die Burg Schwarzenstein in Geisenheim im Rheingau verlassen. Der Zwei-Sterne-Koch gehört zu den Besten des Landes und ist der einzige derart hochdekorierte Chef in Hessen, neben Jochim Busch vom Gustav und Andreas Krolik vom Lafleur in Frankfurt. Das Aus für Nils Henkel kam ziemlich überraschend, wobei er selbst gerne weitergemacht hätte, während der Direktor des Hotels, Michael Teigelkamp, aber offenbar keinen Sinn mehr im Gourmetkurs sah und das Vertragsverhältnis beendete. Eine einvernehmliche Trennung war es jedenfalls nicht.

Nils Henkel wurde von allen Restaurantführern gefeiert und hoch bewertet. Das aufwendig geführte Spitzenrestaurant war, wie alle Topadressen in Deutschland, knapp kalkuliert. Eine Verringerung der Platzkapazität, wie durch die Corona-Auflagen vorgesehen, bei gleichzeitig laufenden hohen Personal- und Food-Kosten wäre schmerzlich gewesen, aber vielleicht noch verkraftbar. Besonders Verlustreich ist seit vielen Wochen der Wegfall von Hochzeiten und anderen Events, die bei der Burg Schwarzenstein eine große wirtschaftliche Rolle spielen. In solchen Zeiten muss man sich ein Gourmetrestaurant leisten können und wollen. Zunächst dementierte Stephanie Teigelkamp unseren Bericht vom Abgang Nils Henkels und bewies damit nur, dass sie von Pressearbeit rein gar nichts nichts versteht und sich mit ihrer realitätsfernen Haltung nur der Lächerlichkeit preisgab.  Als auch andere Medien durch unseren Bericht auf den Fall aufmerksam wurden und das gleiche berichteten, sah sich Teigelkamp genötigt mit der Wahrheit herauszurücken und doch noch eine offizielle Pressemitteilung in die Welt zu schicken. Darin äußert sich Michael Teigelkamp, geschäftsführender Gesellschafter des Relais & Châteaux Hotels Burg Schwarzenstein: “ „Eine durchschnittliche Belegung von zehn Gästen im letzten Jahr in unserem Gourmetrestaurant haben uns zu dieser Entscheidung gezwungen. Durch die Corona-Krise und die dadurch entstandenen Umsatzverluste geht uns nun endgültig die Puste aus“. Auch nach dem Aus für das Gourmetrestaurant Schwarzenstein Nils Henkel betreibt das Hotel weiterhin noch das Burgrestaurant und die Grill & Wine Bar. Für das Gournetrestaurant wird an einem neuen Konzept gearbeitet, wonach es „demnächst leger, vielseitig und kosmopolitisch in dem stylischen Glaspavillon mit der atemberaubenden Aussicht über das Rheintal“ zugehen soll.

So lange die Politik die Gastronomie vernachlässigt und vor allem die Spitzenrestaurants nicht als kulturelle Eckpfeiler unserer Gesellschaft wahrnimmt und entsprechend subventioniert oder zumindest durch eine geringere Mehrwertsteuer dauerhaft entlastet, wird die Pleitewelle exponentiell steigen. Derzeit existieren in Deutschland 300 Sternerestaurants, von denen viele nicht mehr bleiben werden und ihr Konzept ändern müssen.

Nils Henkel

Nils Henkel startete im Februar 2017 auf der Burg Schwarzenstein in Geisenheim und freute sich, dass sein Restaurant in den Weinbergen den perfekten Rahmen für seine naturverbundene Küche bieten würde. Mit seiner Pure Nature Küche hatte er einen ganz eigenen Weg eingeschlagen. Aus der Natur schöpfte er Kraft. Wilden Kräutern und alten Gemüsesorten widmete er besondere Aufmerksamkeit und setzte sie oft als Hauptdarsteller in den Mittelpunkt seiner Menüs. Mit den Menüs „Fauna“ und „Flora“ knüpfte Henkel auch auf der Burg Schwarzenstein an die früheren Zeiten an. Das Menü „Flora“ war komplett vegetarisch, beim Menü „Fauna“ versuchte er mit den besten Produkten vom Land und aus dem Wasser zu arbeiten. Neu in seinem Repertoire waren auf die Menüs abgestimmte nicht alkoholische Getränkebegleitung aus Tee, Säften und Essenzen.

Der 51 Jahre alte Nils Henkel begann seine Ausbildung als Koch 1986 im Romantikhotel Voss-Haus in Eutin. Danach setzte er seine Laufbahn in den Hamburger Restaurants Le Jardin im Raphael Hotel sowie im Landhaus Scherrer bei Heinz Wehmann fort. Später ging der aus Kiel stammende Koch als Souschef ins Münsterland und arbeitete im Coesfelder Valkenhof bei Pascal Levallois und in Averbeck ́s Giebelhof in Senden.

Den finalen Schliff holte sich Nils Henkel zunächst als Souschef 1997 im Althoff Schlosshotel Lerbach im Restaurant Dieter Müller, wo er 2004 dann die Position des Küchenchefs sowie Dieter Müllers Stellvertretung übernahm. 2008 wurde er hier alleiniger Küchenchef. Nachdem die Althoffgruppe Schloss Lerbach Ende 2014 verlassen musste, arbeitete Henkel als Freiberufler. Er gab Kochseminare, entwickelte Rezepte und feine Produkte. Neben seiner Tätigkeit als Autor beriet er Gastronomiebetriebe und Unternehmen. Nils Henkel lebt nach wie vor mit seiner Familie in Bensberg. Als Vater von zwei Kindern muss er wirtschaftlich denken und kann sich keine Experimente leisten. Es wäre schade, wenn seine Karriere in der Sternegastronomie ein Ende fände,  aber diesen Tagen ist mehr Bodenhaftung gefragt. Wie es mit allem weitergeht, wird man an dieser Stelle bei BISS erfahren.

Ludwig Fienhold

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Leeres Völlegefühl: Restaurantkritik in Zeiten von Corona

Persönliche Einblicke & Einsichten eines Berufsessers

 

Als Restaurantkritiker habe ich seit dem 11. März eher wenig zu tun. Ich schleiche oft durch die Stadt und stehe vor den Fenstern meiner Lieblingsadressen. Wahrscheinlich erhoffe ich mir doch noch Witterung aufnehmen zu können, vom letzten Risotto alla Milanese oder der Kaninchenkeule in Knoblauchjus. Ich presse meine Nase dicht an die verschlossene Tür – und rieche nur Kunststoff. Die Stühle im Lokal stehen auf dem Kopf und sehen noch trauriger aus als ich. In meiner Erinnerung erkenne ich die frohe Runde von Gästen, die noch gutgelaunt dicht an dicht miteinander reden konnten und sich nach dem dritten Glas in den Armen lagen.

Ein Tisch ist bereits gedeckt, wenn eine Flasche Wein darauf steht. Ich bin schon länger nicht mehr im Weinkeller gewesen, weshalb der Aufenthalt jetzt auch etwas dauert. Zeit für Entdeckungen. Manches hätte schon längst getrunken werden müssen, einiges muss bis zur nächsten Krise liegen bleiben. Den Château Ausone heben wir uns für noch schwierigere Zeiten auf, heute wird ein fröhlicher Bordeaux von Dominique-Leandre Chevalier die Laune heben. Ein solcher Lustmacher schwebt über allen Problemen und seine Aromen aus Trüffeln, Himbeeren und Kirschen ersetzen jedes Essen. Während ich im Keller sitze und in mich hineinschwärme, ereilt mich ein Anruf meiner Frau, die wissen will, was es heute zu Essen geben soll – ich sage ihr, dass ich es in flüssiger Form mitbringe.

Pasta, vollmundig

Anfangs halten wir es mit den geschlossenen Restaurants und machen Dinner-Cancelling. Es bleibt allerdings nicht bei dieser einen Flasche, es wird getrunken, was es nicht zu essen gibt. Die nächsten Tage werden kulinarisch nicht ganz so entspannt. Wir werden mehr gefordert als nur durchs Korkenziehen. Pasta macht glücklich. Selbst die schlichteste. Spaghetti mit Olivenöl, Knoblauch und Peperoncino sind von schlichter Schönheit und so einfach, dass es gerade die einfachsten Italiener meist nicht auf der Speisekarte haben. Diesen Teller hatten wir in den letzten Tagen besonders oft zu Hause. Pasta, Risotto, Kritharaki, den Speiseplan beherrscht jetzt so vieles, was gut schmeckt, einfach zuzubereiten ist und sich bestens kombinieren lässt. Enorm zugenommen hat bei uns der Einsatz von Salat. Den gibt es äußerst selten in Spitzenrestaurants und deshalb verstärkt zu Hause. Ich habe ein wenig Mühe, mich diesem Thema zu nähern, doch meine Frau verwendet so viele schöne Kräuter, dass eine Begeisterung aufkommt, die mich sonst eher bei Ochsenbäckchen lächeln lassen. Warum habe ich früher nicht bemerkt, wie gut sie „Küche“ kann? Habe ich etwa auch andere Qualitäten bei ihr übersehen? Die Krise führt zusammen und lässt Entdeckungen beim Partner zu.

Die Schließung der Restaurants führte mich noch mehr zu Metzgereien Bäckereien und Käseläden, aber weit verstärkter zu Imbiss-Lokalen, die ihre Würste, Leberkäse und Frikadellen geruchsanimierend über den Tresen reichen dürfen. All das schmeckt schon zum Frühstück. Und noch besser zum Wein, da dieser Deftigkeiten aller Art mag. Auch in Zeiten der Krise ist Wein kein Luxusprodukt, sondern ein Antidepressiva. Die beherzt gewürzten Frikadellen von der Kleinmarkthalle, dort Freakadellen genannt, sind allein schon wegen ihrer Größe ein Überlebenspaket. Auch der Hering in Dillsahne von dort hat sich bewährt, zumal es dazu nur ein paar Kartoffeln braucht.

ImBISS bei Metzgerei Dey in Frankfurt

Für einen Berufsesser bringt diese Zeit einige Entdeckungen, zu denen er sonst nicht kommen würde. Wenn man meist fünf Mal in der Woche in Restaurants verbringt, übergeht man bisweilen die kleinen einfachen kulinarischen Dinge des Lebens. Viele denken, ein Restaurantkritiker lebe nach dem Grundsatz „Friede den Gourmet-Palästen, Krieg den Imbiss-Hütten“. Ein Mensch, der gutes Essen liebt, schätz gutes Essen und nicht per se Luxusprodukte. Die fluffigen marokkanischen Maisbrötchen mit orientalisch gewürztem Hackfleisch vom Frankfurter „Denkmahl“ hat es bei uns dieser Tage mehr gegeben als etwa Hummer oder Gänseleber, die beide ohnehin weit weniger zu den Leibspeisen eines Berufsessers gehören als vielfach angenommen.

Die Spülmaschine scheint fast rund um die Uhr zu laufen, noch nie hatten wir in unserem Zwei-Personen-Haushalt einen Aufwand zu betreiben, als wäre eine Hochzeitsgesellschaft zu Gast gewesen. Es ist als lebten wir in einem Lokal. Bestecke, Gläser, Teller und Tassen sowie anderes Geschirr, von dem ich gar nicht wusste, das wir es haben, kommen plötzlich zum Vorschein. Vor allem aber der Einsatz von Weingläsern ist exponentiell gewachsen.

Auf eine Trüffelsuppe à la Paul Bocuse oder sautierte Gamberoni aus dem Golf von Genua mit Artischocken-Tomaten-Millefeuille und Anchovis-Vinaigrette mit im Mörser zerstoßenen Zitronen nach Art von Alain Ducasse müssen wir noch immer verzichten. Das gibt es in keinem Discounter zu kaufen, ist aber auch nicht in unseren Restaurants vor der Tür als Takeaway zu haben. Eine Gourmetküche muss man in diesen Tagen dennoch nicht ganz entbehren. Die meisten Sternerestaurants denken zwar überhaupt nicht daran, ihre Spitzenküche zum Mitnehmen anzubieten, weil ihre komplexen Gerichte auf die Weise nicht annähernd so gut wie sonst ausfallen können. Der eine oder andere anspruchsvolle Küchenchef wagt sich dennoch.

Kürzlich haben wir ein Social Distancing Dinner praktiziert. Eine virtuelle Dinner Party, bei der man ähnlich wie bei einer Video-Konferenz verbunden ist, in diesem Fall aber zusammen tafelt und plaudert. Alles nur auf dem Desktop, aber immerhin in Gesellschaft. Das Essen und die Weine wurden zuvor bestellt und pünktlich geliefert. Die Gäste reden miteinander und kommentieren die ausgewählten Speisen und Getränke. Die Teilnehmer sitzen dabei keineswegs im Pyjama vor ihrem Computer, sondern haben sich alle wie für einen Restaurantbesuch leicht festlich gekleidet. Sogar die Tische sind dabei hübsch eingedeckt. Großer Vorteil gegenüber einem Restaurantbesuch: Das Bett ist nicht weit, egal wie hoch der Promillepegel ist.

Ein Essen zu Hause ist hin und wieder sehr schön, eignet sich aber nicht als Dauereinrichtung und ersetzt vor allem keinen Restaurantbesuch. Es fehlt das Treffen mit Freunden. Es fehlt das neue Ambiente, die andere Atmosphäre, der vertraute Wirt und der noch unbekannte Gastgeber, der Service in all seinen guten und unvollkommenen Erscheinungsweisen und die Gespräche mit den gastronomischen Darstellern, im Positiven wie im Negativen. Ein Essen in den eigenen vier Wänden ist ein sensibles Ereignis. Es spielt sich stets mit den selben Protagonisten ab, der selben Frau und dem selben Mann. Es fehlt auch das Überraschungsmoment, weil man ja im Gegensatz zu einem Restaurantbesuch genau weiß, was eingekauft wurde und zubereitet wird. In der Krise kann auch ein gemeinsames Dinner zum Balanceakt werden. Es geschieht jetzt eben nicht auf freiwilliger Basis, sondern durch eine Zwangslage. Ein störungsfreies Essen ist so selbst bei Harmoniepartnern ein wenig schwieriger als sonst.

Zu Hause isst man mehr und üppiger als im Restaurant. Der Hang zum schnellen und fleischlastigen Imbiss nimmt bei mir in dem Maß zu, wie der Sport allein schon durch die Schließung meines Fitnessclubs abnimmt. Als Berufsesser besuche ich meist fünf Restaurants pro Woche, in der Regel mit ausgezeichneter Küche, die nicht nur fein ist, sondern ungemein ausgewogen und leicht – Spitzenköche arbeiten so gesund und finessenreich, dass man sich schlank essen kann.

Ich ernähre mich jetzt nicht schlecht, aber anders als in meiner aktiven Zeit als Gastronomiejournalist. Ich werde satt, habe aber vor allem die kulinarischen Einschränkungen satt. Ich war trotz der vielen Restaurantbesuche all die Jahre schlank und habe inzwischen an Gewicht zugenommen, der Volksmund nennt diese Auswüchse Corona-Bauch.  Es entsteht bei mir irgendwie ein leeres Völlegefühl. Meine Frau meint, ich müsse abspecken und verordnet mir eine Mayr-Kur. Klare Brühe, Basenpulver, Kräutertee und Wasser.

Selbst wenn es wieder zu einer teilweisen und mit Auflagen verbundenen Öffnung von Lokalen kommt, wird man als Kritiker nicht wieder gleich in gewohntem Maß aktiv werden können. Wenn die Köche nur auf halber Fahrt sein dürfen und die heitere Atmosphäre von einst noch nicht erreicht ist, wird sich für den Gast ein anderes Erlebnis einstellen. Und sollte dann auch die Qualität des Essens Anlass zu Kritik geben, werde ich diese wahrscheinlich kommentarlos schlucken, weil ich ganz einfach froh bin, endlich wieder in einem Restaurant sitzen zu können.

Ludwig Fienhold




Burda übernimmt Restaurant & Weinführer Gault & Millau

Christoph Wirtz

und Otto Geisel

mit an der Spitze

 

Der Gault & Millau, in seinen besten Jahren der spitzfindigste Restaurantführer Deutschlands, wird jetzt von Burda herausgegeben. In enger Zusammenarbeit mit dem Lizenzgeber der 1969 in Frankreich gegründeten Genuss- und Gastronomie-Marke will Burda (Bunte, Focus) das Geschäftsmodell weiter ausbauen. Auch der Gault & Millau Weinführer wird fortan von Burda verantwortet. Erst vor wenigen Tagen hatten die Chefredakteurinnen beider Objekte, Patricia Bröhm und Britta Wiegelmann, das Handtuch geworfen.

Hans Fink, Geschäftsführer von Burda Studios, übernimmt die Gesamtverantwortung von Gault & Millau Deutschland, Christoph Wirtz wird Chefredakteur (Bild oben rechts). Die Leitung des Experten-Beirats übernimmt Otto Geisel. Als Autor, Gründer des Instituts für Lebensmittelkultur und Initiator des Studienganges Foodmanagement an der Hochschule Baden-Württemberg ist er eine feste Größe der deutschen Kulinarik-Szene. Executive Publisher von Gault & Millau Deutschland wird Ursula Haslauer. Sie war zuletzt Herausgeberin des Wein- und Gourmetmagazins Falstaff Deutschland. Wann der nächste Gault & Millau erscheint und in welchem Umfang, wurde in der Pressemeldung nicht verkündet. Die halbe Testsaison ist bereits gelaufen, wobei die Corona-Krise seriöse Tests noch länger verhindern dürfte. Manfred Kohnke, langjähriger Chefredakteur und Herausgeber des Gault & Millau Deutschland, hatte die Burda-Nachtigall schon vor der offiziellen Verlautbarung trapsen gehört und entsprechend auf seiner Webseite notiert.

Der Gault & Millau war zuvor durch den Münchner ZS Verlag in starke Turbulenzen geraten, wobei sich dessen Geschäftsführer Jürgen Brandt als Brandstifter erwies, der den guten Ruf des Gourmet Guides innerhalb von nur drei Jahren fast abfackelte. Jürgen Brandt, der über keine kulinarische Kompetenz verfügt, suchte nach „neuen Geschäftsmodellen“ und näherte sich Gastronomen auf erstaunlich enge und geschäftige Weise. Außerdem versagte Brandt völlig beim Aufbau des so wichtigen Internetauftritts für den Gault & Millau. Der ZS Verlag kündigte Ende des letzten Jahres die Zusammenarbeit mit dem Gault & Millau und wandte sich dem weit weniger kritischen und pflegeleichten Restaurantführer Gusto zu. Es ist zu hoffen, dass Burda besser als der ZS Verlag die Grundlagen eines guten Restaurantführers begreift: Kompetenz und Glaubwürdigkeit.

LF   




Luna: Eiscreme von der Mondgöttin

Luna und ihr

schöner Carretino

 

Schmuckstück für Feste

 

Luna ist die beste Eisverkäuferin der Stadt, wir kennen jedenfalls niemand, der mit so viel Charme, Witz und Wissen verkaufen kann wie sie. Die muntere Luna steht mit ihrem schönen Eiswagen, der nur wie ein Oldtimer aussieht, derzeit vor dem Frankfurter Scheck-in-Center im Ostend. Sie kommt zwar aus einer italienischen Eismacherfamilie, doch Luna verkauft nur die Erzeugnisse von anderen guten Eisherstellern aus Frankfurt, Langen oder Hanau. Ihre Auswahl ist ungemein treffsicher. Das Eis mit Kräutern der Frankfurter Grünen Soße ist absolut klasse, aber auch Kokos, Blaubeer-Cheescake, Karamell-Erdnuss , Jughurt oder Sauerkirsche mit Pfeffer schmecken ausgezeichnet.

Eiswagen

Das Geschäft besteht nicht allein aus dem Sofortverkauf und der Auslieferung von Eis nach Hause (ab 15 € Gratislieferung in Frankfurt), sondern vor allem durch die Vermietung der adretten Eiswagen. „Eis 4 rent“ nennt sich Lunas flottes Unternehmen. Bei Gesellschaften und Events aller Art können Luna und ihr farbenfrohen Vehikel als wahre Schmuckstücke eingesetzt werden. Luna ist eigentlich keine Mondgöttin, sondern eher eine Eisprinzessin. Doch der Name verheißt „die Strahlende, die Leuchtende“, was auch Lunas Wesen gut trifft.

„Cool since 2015“ wirbt der Frankfurter Lieferservice für köstlich hausgemachte Eiscreme. Luna bietet zwei Eiswagen an, „Baby Carretino“ und „Maxi Carretino“, für vier beziehungsweise sechs Eissorten. Ihren Platz am Eingang des Scheck-in-Centers sieht Luna auch als Werbefläche. Dort wird sie von vielen Kunden entdeckt, die vielleicht größere Lieferungen für ihr Büro brauchen oder sie und ihren Wagen für ein Fest einsetzen wollen. Diese Pole Position hat sie durch ihre forsche, freundliche und einnehmende Art bekommen. Sie sprach eines Tages einfach den Marktleiter Peter Splettstößer an, der für gute Ideen bekanntlich offen ist. Er war jedenfalls von der jungen engagierten Eisverkäuferin und ihrer Ware überzeugt und platzierte sie am Eingang.

Eis4rent, Scheck-in-Center Frankfurt, Ferdinand-Happ-Str. 59, Tel. 0151 407 436 74. Mo – Fr. 12 – 18 Uhr. www.eis4rent.de

 

Siehe auch diese aktuellen Eis-Artikel in BISS:

Adriano hat im Frankfurter Ostend sein eignes Eis-Café eröffnet

 

Cool: Der neue Eissalon Antipodean macht Furore

 

Endlich wieder Eis!




USA: Drei-Sterne-Restaurant lässt die Puppen tanzen

Gute Ideen

in schlechten Zeiten

 

Wenn das einzige Drei-Sterne-Restaurant in der US-Hauptstadtregion jetzt wieder öffnet, dürfte einiges anders sein. Trotz Social Distancing wird der Restaurantbereich gut besucht und voll erscheinen. Damit sich die Gäste des The Inn at Little Washingtonim Bundestaat Virginia nicht an leere Tische zur Einhaltung von Sicherheitsabständen gewöhnen müssen, hat Küchenchef Patrick O’Conell eine außergewöhnliche Idee umgesetzt. An den leeren Tischen nehmen Schaufensterpuppen Platz, die im Vintage-Stil der 40er Jahre gekleidet sind. Für die entsprechenden Outfits arbeitet O’Conell mit dem Arlington Signature Theater und der Design Foundry zusammen. Damit alles noch echter wirkt, wird das Servicepersonal auch mit den stummen Gästen interagieren und ihnen beispielsweise Wein einschenken. Patrick O’Conell ist für seinen schrägen Humor bekannt, denn wer im Drei-Sterne-Restaurant schon einmal Gast war, kennt beispielsweise den Hinweis für die Kleiderordnung im Speisesaal „Keine nassen Bikinis“ (No wet bikinis) oder den Käse-Sommelier, der mit einem muhenden „Kuhwagen“ kommt.

The Inn at Little Washington, das zu Relais & Châteaux gehört und 2018 sein 40-jähriges Bestehen feierte, liegt am Fuße der Blue Ridge Mountains im Dorf Washington (Virginia). Dieses wird zur leichteren Unterscheidung von der US-Hauptstadt auch Little Washington genannt und ist nur 90 Autominuten von Washington entfernt. Das Restaurant bietet auch 23 stilvolle Gästezimmer und einen großen Picknick-Park an.