Schattners Wein-Chat
Der Sommelier weiß Rat

 

Wie könnte man den Sommelier Kai Schattner beschreiben? Als frisch, ausbalanciert oder gar feinherb? Ja, auch das ist er irgendwie, doch vor allem präsentiert er sich als beschwingt, entspannt und punktgenau. Er ist kein Weinschwätzer, sondern ein Weinwisser, der sich nicht prahlerisch aufdrängt und lieber mit präzisen und fundierten Statements überzeugen will. Seinerzeit als Sommelier in der Ente im Grandhotel Nassauer Hof in Wiesbaden und jetzt als selbständiger Weinberater. Seine Erfahrungen und Fachkenntnisse sind gefragt. Der 43 Jahre alte Profi ist in Heidelberg geboren und lebt seit 20 Jahren in Wiesbaden beziehungsweise im Rheingau. Er  hat bei einigen Klassikern der Branche gearbeitet, etwa dem Château Eza bei Monaco, dem Schwarzen Adler in Oberbergen und eben in der legendären Ente in Wiesbaden. Kai Schattner liebt den Rheingau und die Rieslinge. Aber er ist ebenso mit großen französischen Rotweinen vertraut und kennt sich nach vielen Reisen sogar bestens in der Weinwelt Chinas aus, die gerade aufbricht, den Markt zu erobern. Schattner berät Unternehmen, hält Seminare und verkauft Weine im großen Stil. Warum wohl hat das Frischeparadies (Edelfisch) so viele tolle Weine? In der BISS-Zeitung wird Kai Schattner immer wieder zu vielgestellten Fragen von Weinfreunden Stellung nehmen und mit Rat zur Seite stehen. Hier die erste Folge.

 

In welchem Alter sollte man Riesling trinken ?

 

Es kommt besonders auf die Qualitätstufe, den Jahrgang und natürlich den Winzer an. Allgemein kann man sagen, dass gute Rieslinge ohne Probleme 5-10 Jahre altern können. Ob sie das müssen oder sollen, entscheidet auch die persönliche Trinkvorliebe. Ich mache persönlich die schönsten Erlebnisse mit leicht gereiften Rieslingen, besonders zum Essen. Oft schmecken sie aber auch schon in der Jugend verführerisch lecker. Große und Erste Gewächse sollte man auf jeden Fall 2-3 Jahre gönnen, damit sie sich geschmacklich etwas harmonischer präsentieren können. Nicht alle Jahrgänge eignen sich zum lagern für trockene Rieslinge. Der hitzige 2003er und der in vielen Regionen schwierige 2006er ist eher für rest- und edelsüße Rieslinge interessant. Bei 2008 muss man besonders auf  das Kleinklima achten. Es kann innerhalb der Regionen deutliche Qualitätsunterschiede geben. 2009 wird zwar als Spitzenjahrgang gesehen, leider gibt es aber auch viele Weine mit deutlich zuviel Alkohol, bei denen jetzt schon eine brandige Note erkennbar ist. 2010 auf keinen Fall die einfachen Gutsweine und leichten Kabinette liegen lassen! Die hochwertigen Weine des Jahrgangs, die von dem tollen Herbst profitierten, sind richtige Langläufer.

www.schattnerweine.com    k.schattner@schattnerweine.com

 

 

Schattners Schätzchen Volume II

 

Mehr als ein Jahrzehnt hat der mehrfach ausgezeichnete Sommelier Kai Schattner Weine im Restaurant Ente empfohlen. Mittlerweile darf er nicht nur zwischen 70.000 und 80.000 Flaschen sein eigen nennen, sondern ist neben seinen regelmäßigen Gastauftritten bei der VOX-Kochsendung  Kochduell ein sehr gefragter deutsch- und englischsprachiger Moderator.  Schattner wird  zum zweiten Mal seine alten „Schätzchen“ im Enten-Bistro öffnen. Kulinarisch wird dieses Highlight von einem Menü begleitet, das sich ausnahmsweise nach den Weinen richtet. Datum: 18.  April, 19 Uhr,  Preis pro Person 150 Euro inklusive Aperitif, ausgesuchter Weine, Wasser und Menü.

 
Restaurant ENTE
Tel: 0611-133 666
E-Mail: ente@nassauer-hof.de

 

 




Köche gehören an den Herd

Sind aber leider nicht immer dort

 

Von Ludwig Fienhold

 

Köche brauchen auch mal ihre Ruhe. Aber nicht gerade, wenn Gäste kommen. Dann haben sie am Herd zu stehen. Vor allem prominente Köche sollten sich dieser Verpflichtung bewusst sein, denn man hat sie wegen ihres guten Namens gebucht. Es verhält sich schließlich so, wie bei anderen Events auch: Wer Karten für die Rolling Stones gekauft hat und statt derer Roberto Blanco aufgetischt bekommt, wird sein Geld mit Recht empört zurückverlangen. Wenn ich als Gast bei einem Drei-Sterne-Koch bin, erwarte ich seine Präsenz. Doch immer mehr erweisen sich die Chefs als wahre Herdflüchtlinge – gerade die vielbeschäftigten, unter deren Regie gleich mehrere Restaurants oder ähnliche Betriebe laufen.     

Der sich bestens vermarktende und viele Werbeverträge erfüllende Paul Bocuse war der erste prominente Koch, der sich erlaubte, den Herd so oft wie er wollte zu meiden. Er war seinerzeit so bekannt, dass allein sein ganz Lyon beherrschender Spirit genügte, um die Gäste zufriedenzustellen. Man war bei Paul Bocuse, obwohl er gar nicht da war. Genius loco statt Genius loci. Wer murrte, dem erschien Bocuse als Geist und machte sich grimmig mit übereinander geschränkten Armen breit. Nur die ganz Mutigen getrauten sich dann noch für sozialen Ausgleich zu sorgen und ließen ein Löffelchen mit dem Initialen PB mitgehen. Ein wahrer Großmeister seines Fachs, Alain Ducasse, stand zwar später auch kaum noch selbst aktiv am Herd im Louis XV im Hotel de Paris in Monte Carlo, doch er hatte seine Brigade im Griff wie kein anderer. Vor allem war er in der Küche, schritt die Stationen ab und überwachte die Arbeitsabläufe zusätzlich über verschiedene Monitore. Wenn es erforderlich war, griff er ein und legte selbst Hand an. Es war und ist immer noch erstaunlich, wie präzise die Gerichte über die Jahre schmecken und nur hin und wieder eine neue Variante, Verfeinerung oder Modifizierung erfahren. Aber das ist die Ausnahme, ein solches Zusammenspiel gelingt nur den ganz Großen und einem harmonischen Team.

Die meisten Küchenchefs glauben ja merkwürdiger Weise nicht, dass ihre Abwesenheit bemerkt wird. Obwohl sie sich auch gleichzeitig im Grunde für kaum ersetzbar halten. Es hat aber nicht nur handwerkliche Gründe, sondern auch psychosoziale und mentale, weshalb die Gegenwart eines Chefs ausschlaggebend sein kann. Aufmerksame Gäste, die genau hinschmecken können und den Vergleich kennen, merken sehr genau, ob der Küchenchef mit am Herd steht oder nicht. Es mag sich nur um Nuancen handeln, die aber gravierend sein können, insbesondere bei den Restaurantbewertungen geht es um die feinen Unterschiede. Die Differenzen können aber auch gewaltig sein. Wir werden nie ein Essen bei Tim Raue in Berlin vor seiner Selbständigkeit vergessen, bei dem seine einmal vielleicht gut gedachten Kreationen geradezu ins Lächerliche gezogen wurden. Er und seine Frau waren auf Urlaub, das Küchenteam verdrechselte derart disharmonisch die einzelnen Komponenten und hinterließ ein geschmackliches Desaster. 

Heinz Winkler steht schon lange nicht mehr selbst am Herd, weiß aber einfach, wie es geht. Nicht immer kann er sich jedoch auf seine Küchenchefs verlassen, wie manches Beispiel aus der Vergangenheit zeigte. Gerade bei diesem Thema kommt man auch nicht an Johann Lafer und Alfons Schuhbeck vorbei. Wer wert auf deren Gegenwart legt, kann dies ja bei der telefonischen Reservierung sicher stellen. Im Waldhotel Sonnora braucht man nicht zu fragen, Helmut Thieltges ist mit dem Herd geradezu verkettet. Es gibt viele Küchenchefs, die kaum selbst mehr en detail Hand anlegen und lediglich als Supervisor die Abläufe und alles, was über den Pass geht, kontrollieren. Oft ist das ausreichend, denn sie sind präsent und können die Übersicht wahren und letzte Entscheidungen treffen. Als Dirigent sorgen sie für Stimmigkeit. 

Helmut Thieltges

Es sollte einem Küchenchef im Grunde schmeicheln, wenn man merkt, dass er nicht am Herd steht. Sonst wäre er überflüssig, sonst könnte man gute Köche nur durch das Weiterreichen von Rezepten rekrutieren. Es ist jedenfalls spürbar, ob Juan Amador am Herd steht oder nicht. Nicht nur etwas, sondern drastisch erlebt man das Fehlen von Christian Lohse im Restaurant Fischers Fritze im Hotel Regent in Berlin. Dann schmeckt vor allem das Brot des Ausnahmebäckers Jochen Gaues. Auch das bedeutet nicht, dass die Küche schlecht wäre, aber sie bleibt unter den Erwartungen. Es muss ja nicht jeder ein Held wie Wohlfahrt sein, der selbst mit Gipsfuß noch am Herd steht. Die Gäste erwarten aber Ehrlichkeit. Wenn ein Küchenchef, aus welchen Gründen auch immer, nicht anwesend sein kann, dann sollte er entweder schließen (wie bei Betriebsferien ja auch) oder bei der Reservierung darauf hinweisen. Jedenfalls muss der Gast informiert sein, ob der gebuchte Koch am Herd steht oder nicht. Er zahlt ja auch nicht mit Falschgeld.

 

 

 

 




Stammgäste notwendig & übel

Vier Meinungen, ein Thema

 

Stammgäste kommen selten allein, Stammgäste bringen gerne Hunde, Kinder und andere Raufbolde mit, mit denen sie sich sonst nicht sehen lassen können. Stammgäste haben immer Sonderwünsche: Froschenkel bitte mit roten Stilettos und das Hühnerfrikassee besser ohne Huhn. Stammgäste sitzen meist an dem Tisch, von dem aus sie am besten den Service dirigieren können. Und möglichst nah an der Küche, damit sie bei Fragen und Korrekturen gleich an den Herd springen können. Stammgäste gehen nicht nur der Küche und dem Service auf die Nerven, sondern auch den anderen Gästen. Es müsste ein Lokal nur für Stammgäste geben.

Ludwig Fienhold 

Gruß von den Köchen an alle Stammgäste in Restaurants: Wir brauchen Euch aber im Grunde genommen können wir Euch nicht leiden, denn Ihr seid die, die uns das Leben schwer machen. Ihr kommt mit Freunden und wollt gut dastehen, ein Sonderwunsch nach dem anderen, ne Beschwerde (ich hab es hier aber 10 Ma(h)l anders gegessen) und auf dem Weg zur Toilette noch mal in die Küche abgebogen und sich unterhalten wollen – bei uns hängen aber 10 Bons a sowieso an der Wand. Wenn Ihr dem Restaurant schon so nah seid, stellt Euch doch mal zum Spaß zwei Tage als Praktikant in die Küche, um alles besser zu verstehen. Als Stammgast wird Euch das fasst jeder Küchenchef genehmigen.

Ihr erwartet alle Qualität, diese können wir liefern wenn wir im Voraus planen können. Mit Walk-Ins, Improvisation und Free Style kann das vorgegebene Level kaum eingehalten werden, sondern bleibt ein Zufallsprodukt, selbst wenn die besten Köche am Herd stehen. Dies schreibe ich als „Edelpraktikant“ der früher auch immer seinen „Auftritt“ genossen hat. Und an alle Vegetarier, Allergiker und Intoleranten – das wisst Ihr doch sicherlich schon bei der Reservierung und nicht erst nach dem 3. Gang?

Frank Schlindwein

Stammgäste brauchen viel Aufmerksamkeit

Frequenter sind eine üble Notwendigkeit. Pilsstuben hatten nur Stammgäste, doch die gibt es so gut wie nicht mehr. Ab wann ist man eigentlich ein Stammgast? Nach dem dritten Mal oder bei monatlichem Besuch? Auch Messegäste, die nur einmal im Jahr kommen, das aber kontinuierlich, sind Stammgäste, auf die man als Gastronom angewiesen ist. Man kann sich als Koch und Kellner auf seine Stammgäste einstimmen, denn man kennt ja die Macken. Wem diese zu viel werden, kann doch auch den Stammgast in seine Schranken weisen. Wo ist eigentlich das Problem?  In jedem Fall sollten Gastronomen und der Service Stammgäste nicht bevorzugt behandeln und stundenlang mit ihnen Schwätzchen halten. Ein solcher Umgang und die Einteilung in die 1. und 2. Klasse verärgern die anderen Gäste. Das ist das Problem!

Peter Lunas

Auch Mäuse können Stammgäste sein

Ein Stammgast ist meist ein unangenehmer Mensch, weil er alles will und wenig gibt.

Charles Schumann




Die neue Kultur & Küchenmeile

Highlights auf der Braubachstraße

 

Die Stadt Frankfurt wollte aus der Braubachstraße vor vielen Jahren einmal gezielt eine Kulturmeile aus Kunst und Kulinarik machen und scheiterte. Inzwischen hat sich so etwas von ganz alleine entwickelt. Neben vielen Galerien beleben verstärkt Lokale die Hauptstraße der Altstadt. Mit der Neueröffnung des multifunktionalen Restaurants Margarete und der Café-Chocolaterie Bitter & Zart beginnt im alten Kern Frankfurts eine neue Ära.

Margarete hat sich lange bitten lassen, jetzt am 29. Februar soll es endlich soweit sein. Simon Horn, der die beiden sehr individuellen Wohnzimmerlokale Seven Swans und Blumen betreibt, eröffnet sein lang erwartetes Lokal mit einem jungen Team. Während er im Hintergrund Regie führt, werden zwei gleichberechtigte Küchenchefs am Herd stehen: Ronny Bolz und Luka Spaniol Simunelic, die zuvor beide in Spitzenrestaurants gearbeitet haben. Ronny Bolz wurde vom Gourmet Guide Gault Millau zum Patissier des Jahres 2010 gekrönt, als er in der Villa Rothschild in Königstein die wahrscheinlich geistvollsten Desserts im Rhein-Main-Gebiet auf den Teller brachte. Danach avancierte der 26 Jahre alte Süßspeisen-Spezialist zum Souschef im Top-Restaurant Bean & Beluga in seiner Heimatstadt Dresden. Kompagnon Luka Spaniol Simunelic arbeitete zuvor in den Frankfurter Restaurants Cyrano, Tigerpalast und Villa Merton.

Simon Horn (vorne links) und Team

Im neuen Restaurant Margarete forciert man eine hochwertige Küche ohne Chichi, es soll moderne Gerichte mit regionalem Bezug geben. Holzdielenboden, Frankfurter Stühle und ein eher puristisches Ambiente sollen für eine entspannte Atmosphäre sorgen. Das Restaurant wird eine Innenhof-Terrasse und eine Boulevard-Terrasse direkt an der Braubachstraße bekommen. Das 300 Quadratmeter große Lokal verfügt über 80 Plätze und ebenso viele Terrassensitze, insgesamt werden 20 Mitarbeiter an den Start gehen, die Hälfte davon in der Küche. Margarete wird bereits morgens geöffnet sein, mittags sitzen die Gäste an blanken Tischen, abends wird eingedeckt. Interessant, gerade für Singles, sind die Plätze an der fast offenen Küche. Das Gesamtkonzept sieht Restaurant, Café und Bar vor, zudem einen Bankettbereich, der auch den im gleichen Gebäude residierenden Börsenverein des Deutschen Buchhandels bedienen soll (siehe Artikel Wie gut wird Margarete?).

Gleich ein Haus weiter neben Margarete wird bereits am 23. Februar Bitter & Zart einziehen, der in jeder Hinsicht süßeste Laden der Stadt am Fuße des Doms – am Samstag, 18. Februar, ist hier der letzte offene Tag. Handverlesene Delikatessen wird es auch wieder am neuen Platz geben (siehe auch heutigen Biss-Artikel Der süßeste Laden der Stadt). Bislang standen die Leute in der kleinen Chocolaterie gerade freitags und samstags für Macarons und Pralinen Schlange, jetzt wird ein richtig großes Lokal daraus. Café und Salon will man sein, die Basis ist das gleiche hervorragende Sortiment wie all die Jahre zuvor in der benachbarten Domstraße. Jetzt aber hat man mit 200 Quadratmetern viel mehr Platz und kann ein großes Konzept bieten, zu dem neben Kaffee, Törtchen und Pralinen auch Champagner und leckere Häppchen gehören sollen. Ausstattung und Mobiliar werden sich im Grundsatz nicht wesentlich ändern und verführen mit dem bekannten Charme. Die Melange aus Antiquitäten, Trödel und wunderbar selbstgezimmerten Dekorationen genießt ja längst Kultstatus. Stärke von Bitter & Zart ist neben Kompetenz und Qualitätsstreben das freundliche Engagement beim Service.

Chefin Azko Imori

Das neue große Bitter & Zart steht in unmittelbarer Konkurrenz von dem nicht einmal 50 Kalorien entfernten Café Imori. Dieses japanische Café erscheint, als wäre es vom selben Designer wie Bitter & Zart entworfen. Jedenfalls gehört Imori zu den lieblichsten und angenehmsten Plätzen in der Stadt. Optisch wirkt es wie ein lang vermisstes Café aus alter Zeit und bietet neben japanischem Naschwerk internationale Leckereien. Der New York Cheese Cake ist so fulminant, wie er sich letztlich gehört, und macht richtig Freude. Aber auch das Feigenbrot schmeckt, vor allem zu Käse. Bei den Macarons wird der Wettbewerb mit Bitter & Zart interessant, denn sie fallen völlig unterschiedlich aus. Im ersten Stock werden Sushi und Sashimi sowie andere japanische Tapas serviert.

Ein besonders spannendes Stück an der Braubachstraße, Ecke Fahrgasse, steht seit einiger Zeit leer. Auf den beiden ersten Etagen des Hauses wurde zuvor ein Sauna-Club betrieben. Dabei bieten sie sich als großer gastronomischer Betrieb mit Restaurant, Bar und mehr an. Das Objekt erscheint wie eine Mischung aus dem Mercedes-Haus am Kaiserplatz und dem Lokal Heimat an der nahen Berliner Straße. Wenn die Vermieter von ihren Preisvorstellungen abrücken, könnte an dieser Stelle die Braubachstraße ein weiteres Highlight erleben.

Imori

Die Stadt Frankfurt hat es bislang leider versäumt, aus dem wunderbaren Ratskeller ein anspruchsvolles Lokal für alle zu machen und setzt seit Jahren auf beliebige Caterer, die das schöne Gewölbe wenig reizvoll als Kantine nutzen. Das rustikale Steinerne Haus, Heimat der Steak- und Schnitzelgemeinde, erfüllt seit über 100 Jahren seine Pflicht als Gaststätte bürgerlicher Prägung. Hier schießt noch das Jägerschnitzel aus der Pfanne, gibt es hausgemachte Sülze mit Röstkartoffeln und Remoulade. Jürgen Balser, der bald sein 30jähriges Jubiläum als Wirt feiern kann, serviert täglich durchgehend Küche von 11 bis 23 Uhr.

Tischgesellschaft von Katharina Fritzsch im Museum für Moderne Kunst

Das Museum für Moderne Kunst ist der trutzige Meilenstein in der Braubachstraße. Wo einst die letzte Tankstelle in der City zu finden war, zog 1991 das MMK ein, wegen seiner Form auch Tortenstück genannt. Der Gastronomie hat der ignorante Architekt leider wenig Platz gelassen und nur einen Schlauch eingeplant. Das italienische Lokal Triangolo, Braubachstraße Ecke Domstraße, lässt sich aber dadurch nicht unterkriegen. Garganelli mit Oktopus und Linsen oder Tagliolini mit Salsiccia beispielsweise sind empfehlenswert. Gleich gegenüber führt Marcela Munteanu ihre Galerie Braubachfive und verbindet dort gerne Kunst mit Kulinarik. Mitunter tischt sie zwischen Bildern und Skulpturen Essen auf. Die magisch melancholischen Altstadtfotografien und Apfelweinbilder von Ilse Bing haben sich ins Gedächtnis gebrannt.

LF

 

 

Bild ganz oben rechts Bitter & Zart




Der süßeste Laden der Stadt

Bitter & Zart

Die Schokoladenseiten des Lebens

 

Im Four Seasons Hotel George V in Paris können die Gäste für 300 Euro eine Schönheitsbehandlung mit Schokolade bekommen. Das Hotel Adlon serviert ein köstliches Kännchen aus südamerikanischen Kakaobohnen für 12 Euro. In Frankfurt entdeckt man die Schokoladenseite des Lebens im wunderbar gestalteten Süßigkeitenparadies Bitter & Zart. So viel fein verpacktes Naschwerk findet man selten auf der Welt. Hier fühlt man sich wie Pu der Bär im Hundertsechzig-Morgen-Wald bei einem Griff in den Honigtopf.

Törtchen, Pralinen und reines Karamell  können schon verführerisch sein, doch den Connaisseur entzückt vor allem Plantagen-Schokolade, die mit einem besonders hohen Kakaoanteil (75 %) für ein ganz ursprüngliches Genusserlebnis sorgt. Sie dürften am ehesten den Olmeken, Mayas und Azteken gefallen haben, welche die Schokolade in flüssiger Form mit Bittergeschmack schätzten. In diesen Kulturen war sie ein kostbarer Trunk der Götter und wichtiges Zahlungsmittel, der nur den Reichen vorbehalten war. Wenngleich sie sich heute jeder leisten kann, ist gute Schokolade noch lange kein Massenprodukt. Vor allem jene aus den kleinen und klassischen Manufakturen, bei denen man für die 100-Gramm-Tafel zwischen 2,90 und 4,50 Euro zahlen muss.

Einer der Spitzenerzeuger ist Bonnat in Voiron bei Grenoble, wo man seit 1884 das Konditoreihandwerk beherrscht. Anspruchsvolle Chocolatiers kaufen die Bohnen des Kakaobaums direkt von den Plantagen, um sie dann in meisterlicher Feinarbeit zu verarbeiten. Da sich die Produkte der verschiedenen Herkunftsländer und ihrer Plantagen unterscheiden, lag es für Bonnat nahe, die Lagen-Idee aus der Weinwelt zu übernehmen und seine selektionierten Schokoladen als Grands Crus anzubieten, die aus Venezuela, Madagaskar oder Java stammen. Die Puerto Cabello ist eine komplexe Schokolade mit tiefgründiger schwarzer Seele, während die Chuao mit ihren etwas leichteren Tanninen und ihrem ungewöhnlichen Weinaroma gut zu einem Rotwein passt – Kakaobohnen enthalten ja hohe Anteile von Phenolen, wie sie auch im Rotwein vorkommen (und Arterienverkalkung verhindern sollen). Wer es weniger intensiv und doch hochwertig schätzt, ist mit der Milchschokolade aus Surabaya besser aufgehoben, da sie einen Kakao-Anteil von „nur“ 65 Prozent aufweist, wobei auch die normale Milchschokolade von Bonnat von feiner Machart ist. Die fetteste und mächtigste Milchschokolade der Welt, Lattenero, stammt vom toskanischen Traditionshaus Slitti und enthält 70 Prozent Kakao. Ein Hochgenuss mit der Lizenz zum Limit, da eine Ecke vollends genügt.

Milchschokolade weist gemeinhin lediglich 15 Prozent Kakaomasse auf, Vollmilch 30, Halb- oder Zartbitter 50 und bei Bitterschokolade beginnt es mit 60 Prozent. Bitterschokoladen sind alleine deshalb schon gesünder, weil man von ihnen nur ein kleines Stück benötigt, um ein sättigendes Glücksgefühl zu bekommen, wobei sie nach dem Essen besonders gut schmecken. Nur für Fortgeschrittene eignen sich die Hardcore-Versionen von Schokolade, wie sie von Domori aus Genua hergestellt werden. Die Kollektion tiefdunkler Edelschokoladen zwischen 75 bis 100 Prozent Kakaoanteil birgt viele aufregende Geschmacksvarianten von Grüntee bis Carupano aus Nussaroma, schwarzem Pfeffer und Vanille. Die ungewöhnliche Barrique-Schokolade besticht durch einen Hauch von Zimt, rosa Pfeffer und Ingwer. Puristen zu empfehlen ist die Puro aus 100 Prozent Kakao.

Im besonders originell und liebevoll dekorierten Geschäft  Bitter & Zart von Gaby Fürstenberger und Sabine Seidel (siehe auch Artikel Die neue Kultur & Küchenmeile) warten viele Überraschungen. Etwa eine klassische Ostschokolade namens Rotstern oder eine Schokolade mit Absinth-Geschmack vom Qualitätsproduzenten Venchi. Die handgeschöpfte Vollmilchschokolade mit Chili von Johannes Bachhalm aus dem österreichischen Kirchdorf an der Krems offenbart Schmelz mit Zungenprickeln und greift auf das Gewürz zurück, das bereits die Maya für ihre Schokolade benutzten. Nicht Columbus, sondern erst Cortés entdeckte die Schokolade, wobei das seinerzeit (rohr)zuckerversessene Europa dessen Versüßung vorantrieb, die bis heute vorherrschend ist. Wie man auch aus Kakaomasse, Kakaobutter, Zucker und vielen anderen Ingredienzien in berückend neuen Kombinationen zu erstklassigen Ergebnissen kommen kann, beweist die österreichische Schokoladen-Manufaktur Zotter. Da gibt es Apfel mit Berberitze, Hanf mit Mocca, Käferbohnen mit Zwiebelconfit sowie Sellerie, Trüffel und Portwein, wobei es beinahe verwundert, dass alle schmecken. Besonders gut ist die Variation aus Kakao, Haselnüssen, Zimt, Vanille und Schweinsgrammeln, was nichts anderes als Tiroler Speck ist.

Bei Bitter & Zart schmecken sogar die Macarons ausgezeichnet, die immer freitags und samstags von Florian Köller (L´Art Sucré) aus Wiesbaden geliefert werden. Sie fallen zwar anders und nicht so filigran wie beim Primus Ladurée in Paris aus, jedoch mit viel Schmelz und superb abgestimmten Füllungen. Vanille, Kokos mit Mango und Karamellmousse mit gesalzener Butter sind fabelhaft, aber auch Rosencreme mit gelierten Himbeeren und sizilianische Zitrone mit konfiertem Ingwer. Die aktuelle Kollektion präsentiert zehn verschiedene Sorten – wer nicht alle probiert hat, macht sich der Ignoranz schuldig.

LF

 

Umzug und Neueröffnung am 23. Februar

Bitter & Zart zieht von der Domstraße in die benachbarte Braubachstraße, am Samstag (18. Februar) ist letzter Verkaufstag am alten Platz., am 23. Februar wird das neue große Geschäft mit Café und Salon eröffnet.

Bitter & Zart, Frankfurt, Braubachstr. 14 (zuvor Domstraße 4), Tel. 069  94 94 28 46. Chocolaterie Mo – Fr 10 – 19 Uhr, Sa 10 – 16 Uhr, Salon Mo – So 11 – 20 Uhr.  www.bitterundzart.de

 

 

 

 

 




Alle wollen Macarons!

Die Welt feiert das feinste Zuckerwerk

 

Eine Schwarzwälder Kirschtorte ist plumper Sex gegen die hauchzarte Erotik von Macarons. Das feinste und schönste Gebäck der Welt hat von Frankreich aus einen unglaublichen Siegeszug angetreten und gehört nicht nur in Europa zu den begehrtesten Delikatessen. Mit ihrem Frühlingsanfang feierten die Franzosen am 20. März im ganzen Land den Jour du Macaron, an dem über 100 handwerklich arbeitende Patissiers, Konditoreien und andere Süßwarenspezialisten international beteiligt sind. In Deutschland zelebrierte man zumindest in Berlin die Macarons mit leckeren Events, jetzt schon zum dritten Mal. Die Galeries Lafayette wurde wieder gemeinsam mit dem renommierten französischen Pâtissier Frédéric Cassel und dem Hôtel Concorde Berlin das berühmte Zuckerwerk präsentieren. Die aktuellen Geschmacksrichtungen: Bitterschokolade, Vanille, Kaffee, Karamell, Zitrone, Himbeere, Pistazie, Rose und Nuss (Stück 1,40 €).

Macarons können Kabinettstückchen großen Konditorenhandwerks sein, aber auch schlechte Imitate. In kaum einer Stadt in Deutschland werden so viele Macarons wie in Frankfurt angeboten. Fast immer mit mäßigem Ergebnis. Die besten Macarons im gesamten Rhein-Main-Gebiet werden von Florian Köller (L´Art Sucré) in Wiesbaden gefertigt. In Frankfurt gibt es sie täglich bei Bitter & Zart in der Braubachstraße. Sie werden von Köller jeden Dienstag und Freitag frisch geliefert, schmecken erstaunlicherweise aber auch noch drei Tage später makellos. Die Macarons fallen zwar anders und nicht so filigran wie beim Primus Ladurée in Paris aus, jedoch mit viel Schmelz und superb abgestimmten Füllungen. Vanille, Kokos mit Mango und Karamellmousse mit gesalzener Butter sind fabelhaft, aber auch Rosencreme mit gelierten Himbeeren und sizilianische Zitrone mit konfiertem Ingwer oder Maracuja oder Cassis oder Pistazie. Die jetzige und saisonal wechselnde Kollektion präsentiert zehn verschiedene Sorten, die man alle probiert haben muss, um seine Lieblingssorte herauszufinden – und um vielleicht zu entdecken, dass alle das Zeug zur Lieblingssorte haben.

Bitter & Zart, Frankfurt, Braubachstr. 14, Tel. 069  94 94 28 46. Chocolaterie Mo – Fr 10 – 19 Uhr, Sa 10 – 16 Uhr, Salon Mo – So 11 – 20 Uhr.  www.bitterundzart.de

Petersen Gutes Essen, Frankfurt,  Eppsteiner Straße 26, jeden Freitag und Samstag frische Macarons von Florian Köller. www.petersen-gutes-essen.de

Florian Köller, L´Art Sucré, Wiesbaden, 0611 135 72 33. www.lartsucre.com

Galeries Lafayette Berlin, Friedrichstraße 76-78, 030 20 94 80. www.galerieslafayette.de

 

Siehe auch BISS-Artikel zu dem Thema: Vive les Macarons! und Frankreich nascht besser

 

 

 

 




Gold Rausch
Was sollen wir trinken?

Das Beste von der größten

Apfelweinmesse der Welt

 

Die größte Apfelweinmesse der Welt ist wieder vorbeigerauscht. Was wird bleiben? Die Vielfalt wird immer größer, die Qualität partiell besser, wie beim Traubenwein muss man jedoch sehr auf die einzelnen Erzeuger achten. Ein Trend, der mit Skepsis zu beobachten ist: Manche Kelterer sehen sich als Winzer und rücken auch geschmacklich sehr nahe an deren Produkte. Bei einem Apfelwein sollte aber bei aller Vielschichtigkeit der Aromen stets die ihm zugrunde liegende Frucht erkennbar sein. Auch die enorme Höhe des Alkoholgehalts einiger Apfelweine/schaumweine können die dem Schoppen innewohnende Süffigkeit und Leichtigkeit konterkarieren. Vielen probierten Apfelweinen fehlte die knackige Säure, einige Flaschen hatten noch zu viel Hefe oder einen störenden Essigton und hätten besser nicht präsentiert werden sollen. Grundsätzlich gab es bei der vierten Apfelweinmesse im Frankfurter Rathaus für die 1000 Besucher indes wieder gute Ware zu probieren.

Unter den 200 verschiedenen Erzeugnissen zeigten die Apfelschaumweine von Jacques Perritaz und seiner Cidrerie du Vulcain aus der frankophonen Schweiz besonderen Biss. Ob trocken oder leicht fruchtig, die feinen nuancierten Fruchtaromen sättigten nicht und machten immer noch Lust auf den nächsten Schluck, zumal auch die dezente Perlage nicht unnötig füllte. Sensorisch glichen die Weine einem beschwingten Spaziergang über saftige und duftige Wiesen. Die Flaschen mit dem heiteren Etikett sind als Gute-Laune-Geschöpfe jedenfalls die besten Begleiter für Frühling und Sommer.

Überrascht hat Rory Souter von der britischen Cotswold Cider Company, die erstmals auf der Messe vertreten war. Der Coleshill House Cider wird nach der traditionellen Flaschenvergärung erzeugt und überzeugt mit elegantem Mousseux und trockenwürzigem Extrakt. Mit 9 % Alcohol by Volume schon im Moselbereich, wobei die verhältnismäßig starke Ausstattung dem Wein keinen dicken Kopf, sondern breite Schultern macht.

Eric Bordelet hatte wieder seine cremigen und dichtstoffigen Apfel- und Birnenschaumweine aus Frankreich mitgebracht. Mitinitiator der Messe, Andreas Schneider vom Obsthof am Steinberg, tendiert gerne zu einer Süße, die die Zunge schnell ermüdet und kaum auf mehr als ein Glas Lust macht. Beim Schaumwein Wildlinge auf Löss gelingt ihm jedoch eine schöne Balance zwischen reifer Frucht, eigenständigem Geschmack und trockener Würze. Dieter Walz, wie immer der am originellsten gekleidete Aussteller, präsentierte nicht allein seinen perlenden schwungvollen Apfel-Walzer. Wenn man diesen mit seinem Bitter-Likör aus Aronia-Beeren mischt, entsteht der Hessenspritz, der weit besser und intensiver als der obligate Aperol schmeckt und zudem aus reinen Früchten hergestellt wird und nicht bloßer Farbstoff ist. Die Aronia-Beere gilt übrigens als Heilmittel gegen Bluthochdruck und Gastritis – beides Leiden, die man mit manchen Erzeugnissen auf der Messe in Verbindung hätte bringen können.

Robert Theobald von der Buchscheer

Gut sind oft die weniger experimentellen Hausschoppen einiger Kelterer, mithin die Gutsweine und damit die Basis. So bei Robert Theobald von der Apfelweingaststätte Buchscheer in Frankfurt Sachsenhausen. Die Apfelweine von Herberth und Nöll sind solide Alltagsschoppen, wobei Nöll noch fünf sortenreine Apfelweine aus Bohnapfel, Jonagold und anderen anbietet. Einen guten Start hat das Apfelweinkontor mit seinem trockenen Streuobst- Apfelwein hinbekommen. Ein Stoff, der klar, gefällig und ohne Ecken und Kanten daherkommt und vielleicht gerade deshalb viele Freunde gewinnen wird. Die Apfelweine von Armin Treusch aus Reichelsheim (Restaurant Schwanen) sind dagegen eher etwas für Fortgeschrittene. Goldparmäne und Bohnapfel sind eigenwillige, gehaltvolle Sorten-Schoppen mit rauem Charme – keine einfachern Zechlinge und gut zum Essen einzusetzen. Die Graue Herbstrenette von Treusch ist einer unserer Favoriten. Er besitzt viel Charakter, Würze und eine vielschichtige Aromatik vom Apfel bis zur Aprikose. Seine stattlichen 8,3 % Umdrehungen (bei 65 Grad Oechsle und 0,1 Gramm Restzucker) merkt man ihm nicht an.

Wenn man Carola und Peter Merkel aus dem Odenwald erlebt, dann möchte man, ähnlich wie bei Harry & Sally, genau das bestellen, was sie gerade im Glas haben. Ihre Apfelweine sind von unbekümmertem Frohsinn, allen voran der saftige Bohnapfel. Die Goldrenette fällt dagegen weinig und animalisch aus. Die Merkels betreiben in Annelsbach mit ihrem Dornröschen ein sympathisches Gasthaus (mit Betten).

Sehr speziell und einfach wunderbar mutig: Der Rosenapfel mit weißem Pfeffer von Walz und der Sherry aus dem Whiskyfass von Krenzer. Auf der Apfelweinmesse zeigen auch Produzenten und Gastronomen etwas von ihrem Können. Die Frankfurter Grüne Soße von Jörg Ludwig (Gerbermühle, Roomers) war oberprima und ist in dieser Qualität mehr als selten zu bekommen. Ahle Wurst, Feldkieker oder Stracke, getrocknet wie vor hundert Jahren in alten Lehmkammern, gab es in erstklassiger Art von der Landfleischerei Koch aus dem nordhessischen Calden.

Die Apfelweinmesse ist eine sehr lockere und kommunikative Veranstaltung für die sechs (Fachbesucher) beziehungsweise vier Stunden (Gäste) kaum reichen. Es gibt so viel zu probieren und zu diskutieren, dass man sich zwei Tage wünschen würde. Die Apfelweinkelterer zeigten sich wieder mit viel Engagement als gutgelaunte Botschafter ihrer Produkte. Einige sehr gute Vertreter ihrer Zunft waren leider nicht vertreten. Pionier Jörg Stier fehle ebenso wie Fruchtspezialist Arno Dirker, auch die baskische Domaine Bordatto und ihre wunderbar rauchigen Apfelschaumweine vermissten wir. Doch: Nach der Apfelweinmesse ist vor der Apfelweinmesse. Und die pflanzt sich auch im nächsten Jahr wieder fort.

Ludwig Fienhold

 

 

Bild ganz oben rechts: Jacques Perritaz

 

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Die Sterne essen, den Mond trinken

Drei-Sterne-Koch Thomas Bühner und Château Palmer

beim Gourmet-Festival im Rheingau

 

Thomas Bühner wirkt eigentlich sehr entspannt und gelassen. Würde man ihm ein Produkt zuordnen, dann eher die Kartoffel als den Kaviar. Doch so wenig extravagant der bodenständige Westfale erscheint, so ungewöhnlich können seine Kreationen in der Küche ausfallen – manchmal sogar richtig exaltiert. Als er beim Rheingauer Gourmet- und Wein-Festival zusagte, hatten er und sein Restaurant La Vie in Osnabrück noch zwei Sterne, jetzt war er dort jedoch als Drei-Sterne-Koch zu Gast, da ihn der Gourmet Guide in der aktuellen Ausgabe 2012 an die Spitze hoch stufte.

Expressive Makrele

Die Gala-Diners im Kronenschlösschen in Hattenheim, wo fast alle Veranstaltungen des Festivals stattfinden, sind im Schnitt mit 150 Gästen mehr als gut besucht. Zum Lunch von Thomas Bühner kamen „nur“ 100 Gäste. Dabei hätte er gerade wegen seiner Aufwertung alle Beachtung haben müssen. Es lag sicher nicht am Preis (165 € fürs Vier-Gänge-Menü inklusive Sektempfang und sehr guter Weine von Dönnhoff und anderen) und gewiss auch nicht an dem Küchenchef selbst, dass nicht noch mehr Interesse gezeigt wurde. Manchmal ist alles nur ein Zufall, stimmt genau der Tag in der Woche nicht mit den eigenen Terminen überein, an dem so etwas veranstaltet wird.

Thomas Bühner legte gleich mit einem völlig unscheinbaren Gericht los, das von ergreifend schlichter Schönheit das Elementare einer Küche offenbarte: Die hart klingende Kartoffel heiß/kalt war eine ätherische Kartoffelmousseline mit Kürbis-Curry-Eis. Es lief der Zunge heiß und kalt über den Rücken. Kaum sonst haben so wenige Komponenten eine solche Geschmacksvitalität zeigen können. Es sollte der Höhepunkt des Essens sein, zumindest für Puristen und andere Freunde lupenreiner harmonischer Aussagen.

Alles Banane

Die sauer marinierte Makrele mit Passionsfrucht und schwarzem Sesam-Eis war bis ins Detail ausgelotet und geriet zum sensorischen Gesamtkunstwerk. Die japanisch anmutende Komposition war aber auch ein ziemlich buntes und leicht nervöses Gericht, das den Wein ins Abseits beförderte und mehr Restsüße gefordert hätte.

Thomas Bühner

Warum man eine Seezunge zweimal schichten muss, um damit eine fette Rolle zu strapazieren, hat sich nicht erschlossen, denn eine schlanke Seezunge schmeckt einfach feiner. Der begleitende Gemüsebrei zeigte sich sehr gestrig. Auch das Filet vom Rentierrücken wollte nicht entzücken. Zunächst einmal: Brauchen wir hier ein solches Nikolaus-Schlittenpferd und könnten es nicht auch Hirsch und Reh sein? Der Rentierrücken schmeckt deutlich mehr nach Tier, auch nach Metall und Blut wie rohe Leber. Wer´s mag, wird damit sehr glücklich. Das sehr exotische Dessert nannte sich Bananen-Milchshake mit Koriander, Limette und karamellisierter Schokolade. Spannend, aber auch sehr süß und üppig. Ingo Swoboda moderierte mit flinker Zunge, Gourmet-Festival-Veranstalter und Hotelier H.B. Ullrich quittierte es mit breitem Grinsen.

Einer der flüssigen Höhepunkte des Festivals war die Probe von Château Palmer. Directeur Bernard de Laage de Meux war überdeutlich begeistert von seinen Weinen. Moderator und Autor Jan Paulson bremste ihn nicht. Die Degustation war dennoch sehr anregend. Den ebenfalls zur Verkostung stehenden Zweitwein Alter Ego kann man rasch übergehen. Château Palmer selbst gehört zu den wichtigen Bordeaux-Weingütern, wenngleich als 3ieme Grand Cru nicht zur ersten Liga. Die Weine kosten zwischen 130 und 350 Euro (bei der Probe gab es schlückchenweise sechs Palmer-Weine für 185 €).

Rentierrücken

Palmer ist sehr oft ein charmantes Raubein, herb und herzlich. Mit den Jahren kann er endgültig zum Charmeur werden, präsentiert sich samtig und gefühlvoll. Diese Probe stellte fast alles auf den Kopf, die jüngeren Jahrgänge fielen mitunter betörend aus, während die die anderen trotz Alters unreif wirkten. Die Jahrgänge 1995 und 1996 sind nicht in Schönheit gealtert, zeigten sich unelegant und wenig delikat. Der 95er langweilte mit verhaltener Aromatik und dürftiger Pflaumigkeit. Beim 96er stellte sich mürbe Krautigkeit ein, sogar Säure und leichter Schwefel. Der Jahrgang 2000 gefiel durch sein chevalereskes Auftreten und feingliedrige Variabilität aus Zedernholz, Leder und Roten Beeren. Noch zugänglicher der Palmer 2008, mit Düften von Schokolade, Kaffee, Roten Beeren, Cassis, Tabak. Höhepunkt war der Jahrgang 2005, mit seinem differenzierten Geschmacksbild aus Port, Mokka, Karamell, Vanille und einem Hauch Minze. Ein sinnlicher Wonneproppen und das Gegenteil vom distinguierten 2000er, der kühl wie Mondschein wirkte. Welch eine Lehrstunde. Kaum etwas stimmte mit den Erwartungen überein, die eine gewisse Fachpresse und die Weinmacher selbst erzeugen. Wie trügerisch ist doch das Geschwätz über Entwicklungen von Weinen, von Lebewesen, die meist eine ganz andere Laufbahn nehmen, als sie von Experten vorausgesagt wird. Der Wissensdurst, der bei solchen Veranstaltungen gestillt wird, ist in jeder Hinsicht wertvoll. Man kann Sterne essen und den Mond trinken, das Leben auf der Erde bleibt trügerisch.

Ludwig Fienhold

 

Weinverkostung

Das Rheingau Gourmet- und Wein-Festival geht noch bis zum 7. März. Das Veranstaltungsprogramm mit den noch freien Tickets kann man über die Webseite einsehen: www.rheingau-gourmet-festival.de

 

 

 




Porno, Pizza, Pasta

So schmeckt´s in Dolly Busters neuem Lokal

 

Hormon-Missionarin Dolly Buster ist bei aller Sexlistigkeit in erster Linie Geschäftsfrau. Würde sie an der Konstablerwache in Frankfurt ein anspruchsvolles Restaurant aufmachen, müsste man daran zweifeln. Dass sie in dieser in jeder Hinsicht unwirtlichen Gegend ein mäßiges Lokal eröffnet ist naturgegeben, denn ein anderes hätte hier keine Chance. Um das matte Karree der Konstabler, das aussieht, als hätte man den Gefängnishof von San Quentin exportiert, gibt es keine gastliche Stätte. Warum auch? Hier trägt niemand schicke Kleidung und macht damit auf sich aufmerksam. Man sieht Gestalten, die vielleicht gerne so wären wie die ganz harten Jungs vom San Quentin State Prison, aber nur Kleinkriminelle bleiben oder glauben, in den nahen Spielhallen ihr Glück zu finden. Dazu mischen sich viele andere mit Besorgnishintergrund sowie Hausfrauen, Schüler und heimatlose Ausländer.

Dolly Buster

Als würde man gegen die umliegende Düsternis ankämpfen, blendet die Zeil 53 mit viel Licht. Das Lokal Buster Pasta will Heiterkeit ausstrahlen, doch bleibt einem diese im Halse stecken. Die gestalterischen Ideen als minimal zu bezeichnen, wäre bereits eine Auszeichnung. Wir haben es mit einem eilig zurechtgezimmerten Schnellimbiss zu tun, Pizza Hut heißt hier eben Buster Pasta. An den Wänden hängen – leere Heiterkeit sucht sich solche Plätze – die Bilder von Dolly Buster. Die Geschäftsfrau ist auch Künstlerin, ihre Bilder sind meist von gewisser erotischer Art und kosten zwischen 5000 und 8000. Wer dagegen pornografische Videos oder andere sexuelle Kabinettstückchen von Dolly Buster erwartet, wird enttäuscht, ist angenehm überrascht oder einfach nur beruhigt. Auch die Bedienungen sind keineswegs sexy gekleidet und agieren schlicht nett und motiviert. Wer Dolly Buster persönlich erwartet, hat keine Ahnung vom Gewerbe – welchem auch immer.

Scharfe Spaghetti

Die Speisekarte basiert auf Pizza und Pasta, am Eröffnungstag war auch ein sogenannter Küchenchef vorhanden, Renzo de March (der aber seine eigene Pizzeria im Westend betreibt). Wen interessiert´s. Oft stehen andere in der Küche, die nicht unbedingt als Italiener zu identifizieren sind. Der Gast bestellt, zahlt an der Theke, erhält eine Tischnummer und bekommt ziemlich schnell sein Essen an den Tisch gebracht. Unsere  Pizza Bolognese ist durchsuppt von Tomatensauce. Das alleine wäre schon ein Totschlagargument. Wenn Bolognese dann noch vor allem aus Tomaten-Instant besteht und kaum aus Hackfleisch, wird es noch ärgerlicher. Zudem wird so viel mastiger Käse verwendet, dass alles klumpt. Der Teig ist vertrottelt breit wie bei Pizza Hut und alles andere als italienisch crispy. Immerhin hat man die Gewürze nicht vergessen. Bei der Pasta, in diesem Fall, Spaghetti Arrabiata, verhält es sich ähnlich – alles durchsuppt von Tomatenbrühe. Aber: peppig gewürzt. Die vielen Kids ringsum mampfen ohne zu murren.

Lokal Buster Pasta

Man will bei Buster Pasta mit vermeintlich niedrigen Preisen locken, ab 4.90 € gibt es Pizza, ab 5.40 Pasta. Im renommierten Restaurant Biancalani gibt es sehr gute Spaghetti bereits für 4 Euro. Die Billig-Gastronomie entschuldigt sich ja ständig allein schon durch ihre Preise damit, dass sie nicht hochwertig sein kann. Doch meist möchten wir deren Essen nicht einmal geschenkt haben. Es gibt so viele schwache und schlechte Italiener in dieser Stadt, diesen wird Frankfurt auch noch verkraften können.

Ludwig Fienhold

Buster Pasta, Frankfurt, Zeil 53, Tel. 069 13384998. Täglich geöffnet von 11 – 1 Uhr, Freitag und Samstag 11 – 4 Uhr.

Das Bild ganz oben könnte Busenwunder heißen und ist von Dolly Buster

 




Big Apple
Große
Apfelwein
Messe
im Rathaus

200 Edelstoffe aus aller Welt zu verkosten

 

In Frankfurt fließt nicht alles, aber ganz bestimmt der Apfelwein. Jetzt strömt er wieder gemeinsam mit Keltermeistern und Besuchern in die Römerhallen, am 18. März werden 40 Erzeuger aus Deutschland und der Welt 200 verschiedene Apfelweine präsentieren und verkosten lassen. Neu dabei sind unter anderem England und Kanada. Auch bei der vierten flüssigen Messe wird wieder mit 1000 Besuchern gerechnet.

Wir haben schon das eine und andere vorverkostet. Der Glockenapfel mit Mispeln ist ein ungewöhnlicher Tropfen. Beim Traubenwein wäre er ein Sauvignon Blanc, Frucht und Stilistik sind erstaunlich nahe. Das originelle Stöffche kommt aus der Kollektion von Apfelwein-Sommelier Michael Stöckl, erzeugt wurde es von Dieter Walz aus dem Odenwald, der für seine Schaumweine und Edelbrände bekannt ist. Der Boskoop mit weißer Winterbratbirne von Andreas Schneider hat eine fulminante Frucht, auf der Messe wird er als reiner Boskoop zu erleben sein. Der kanadische Cider von Winzer Hanspeter Stutz wird aus Nova Scotia Äpfeln gewonnen. Er perlt munter und ist nett spritzig, aber nicht zu vergleichen mit den perlenden Apfelweinen von Andreas Schneider oder Jörg Stier. Merkel kommt auch, jedoch nicht in Form der Kanzlerin, sondern in Gestalt von Carola und Peter Merkel aus dem Odenwald, deren Produkte zur ersten Liga gehören. Auf dem Programm haben sollte man außerdem die Apfelweine/Erzeugnisse von Buchscheer-Theobald, Treusch, Krenzer, Schuch, Perritaz und Bordelet.

Die Messe bietet allen Keltereien und Apfelweinproduzenten zum vierten Mal die Gelegenheit, ihre Top-Produkte vorzustellen. Im Herzen der Stadt Frankfurt, seit 1200 Jahren Dreh- und Angelpunkt für Messen und Apfelwein, befinden sich die Römerhallen. In diesen altehrwürdigen Räumen werden die weltweit besten Apfelweine einem großen Publikum präsentiert.

Mit Apfelwein im Römer möchten die Initiatoren Andreas Schneider und Michael Stöckl auf die neue Apfelweinvielfalt weltweit aufmerksam machen und Frankfurt als Apfelwein-Welthauptstadt ins Bewusstsein rücken. „Keine andere Metropole ist mit dem Apfelwein so verbunden wie Frankfurt“, meint Stöckl. Dieses Alleinstellungsmerkmal habe Frankfurt zu oft übersehen oder nur halbherzig aufgenommen. „In Anbetracht der vielen neuen Strömungen ist es an der Zeit, dass sich die Stadt den Apfelwein auf die Fahne schreibt“, fordert Schneider. Derzeit liefen Bestrebungen, ein internationales Netzwerk der Apfelweinregionen aufzubauen. Diese Entwicklung dürfe an Frankfurt nicht vorbei gehen. Auf die Idee zu Apfelwein im Römer (AiR) kamen die Initiatoren Andreas Schneider (Obsthof am Steinberg) und Michael Stöckl (Landsteiner Mühle) 2007 beim Besuch eines Apfelweinsalons in Spanien, der erstmalig veranstaltet und vom Staat unterstützt wurde. Nachdem die finanzielle Hilfe der Regionalregierung nicht mehr erfolgte, verschwand die Plattform. Für ihr ehrgeiziges, aus Eigenmitteln finanziertes Projekt suchen Schneider und Stöckl noch Sponsorpartner. Ihr Konzept der Jahrgangspräsentation – der Kelterer präsentiert authentisch drei Produkte an seinem Tisch – ist weltweit einzigartig, die internationale Apfelweinmesse im Römer ebenso.

 

Die Veranstaltungen im Überblick

Dienstag, 13. März  · Nature of Apple Wine

Werkstattschau eines fast vollendeten Films, Naxos-Kino, Frankfurt-Bornheim, Einlass: 18.30 Uhr, · Filmbeginn 19.30 Uhr. Im Anschluss Filmgespräch mit Regisseurin Valeriya Chaldranyan und Protagonisten sowie Apfelweinverkostung: € 9 (ermäßigt € 7). Anmeldung erforderlich unter Tel: 069 70794910 oder w.lindner@naxos-kino.org

 

Freitag, 16. März  · Die Kunst im Apfel

Vernissage im Westhafen Tower Frankfurt, Einlass ab 18 Uhr, Beginn 19 Uhr, Anmeldung erforderlich unter Fax: 069 756095512 oder patrice.mengler@bblaw.com. Anschließend ist die Ausstellung noch am 22.03. und 29.03. zu sehen.

 

Samstag, 17. März · Apfelwein-Soirée

Verleihung des Pomme d’Or für die besten Apfelweine und Apfelsekte aus Hessen, aus anderen Bundesländern, aus Europa und der weiten Welt. Im Rahmen einer festlichen Abend-Soirée werden die Auszeichnungen an die Produzenten übergeben. Ort: Hotel Hessischer Hof, Friedrich-Ebert-Anlage 40, Frankfurt, Einlass und Apéro: 18:30 Uhr, Beginn des Essens und der Verleihungen: 19 Uhr, Kosten: 4-Gang-Menu mit Apéritif und aller begleiteten Apfelweine 59€ p. P. (Vorkasse). Anmeldung erforderlich unter info@gourmetconnect.de, Weitere Informationen: www.apfelcompagnie.de

 

Sonntag, 18. März  · Apfelwein im Römer

Die 4. Jahrgangspräsentation im Herzen Frankfurts, 6 Nationen, 40 Kelterer, 200 Apfelweine, 12 Uhr für Fachbesucher, 14 Uhr für Endverbraucher, Tickets unter www.apfelwein-im-roemer.de oder an fast allen bekannten Vorverkaufsstellen sowie unter Ticket-Hotline: 01805 700733.

 

Freitag, 11. Mai  · Apfelwein Gourmetmenü

Christoph Rainer, Andreas Schneider & Michael Stöckl präsentieren 10 internationale Apfelweine zu 5 erlesenen Gängen. Villa Rothschild · Königstein, 169 €. Anmeldung: event-rothschild@villa-rothschild.com

Wer sich die Karten für Fachbesucher (Verkostungen ab 12 Uhr) oder für die öffentliche Verkostung (14 Uhr) sichern will, sollte dies schnell tun. Die limitierten Tickets gibt es nur im Vorverkauf für 18,90€ für Fachbesucher und für 24,90 @ (inklusive Vorverkaufsgebühr). Rund um die Uhr steht an 7 Tagen eine telefonische Hotline für den Ticket-Verkauf: 01805-700733.

 

Apfeleventagentur:

Apfelwein Weltweit, Schneider & Stöckl, Am Steinberg 24, 60437 Frankfurt am Main Tel. 06101 402892. www.apfelwein-weltweit.de

 

Siehe auch BISS-Artikel zum gleichen Thema:  Ekstase-Stoff sowie Wenn das Gerippte rockt

Andreas Schneider in den Römerhallen

 

Aufmacherbild Römerbrunnen mit Stöffche-Justitia ganz oben: Michael Schlögel, Fotograf und findiger Entwickler von zahlreichen originellen Ideen zum Thema Apfelwein.