Weltklasse Patisserie: Köllers gesammelte Naschwerke

 

Dolce Vita mit Macarons, Pralinen & Desserts

 

Von Ludwig Fienhold

 

Zwei zarte Mandelbaiserschalen mit delikater Crème dazwischen: Keine Süßigkeit ist so sexy und begehrt wie Macarons. Während bei manchen aber nur billiger Sex angeboten wird, beglücken andere mit feinster Erotik. Florian Köller ist der Casanova unter den Patissiers, weil seine Naschwerke von verführerischer Raffinesse sind.

Macarons

Macarons

Florian Köller musste lange rühren, bis er den richtigen Dreh bei der Herstellung der Macarons herausfand. Einmal zu viel oder zu wenig gerührt und man kann die Grundmasse wegwerfen. Man muss seinen Backofen beherrschen und sich selbst, denn es wird tausendmal schief gehen. Über ein Jahr hat sich der Patissier allein intensiv mit diesem Thema beschäftigt, bis er zur Meisterschaft gelangte. Das Geheimnis der Macarons liegt im Fingerspitzengefühl, der Spannung zwischen filigranen leicht knusprigen Mandelschalen und sahniger Crème, der Ganache (sprich: Kanasch). Florian Köller und seine Frau Sandra präsentieren  nach jahreszeitlicher Saison abgestimmt ein gutes Dutzend verschiedener Macarons. Auch die aktuelle Kollektion fällt wieder fabelhaft aus. Das Macaron Crème brûlée mit Karamellcreme, Madagaskarvanille, Fleur de Sel und Muscovadozucker ist ein vollendet abgeschmecktes und in sich geschlossenes Geschmackssystem –  mehr Delikatesse auf vier Zentimeter Durchmesser gibt es nicht. Tonkabohne mit Erdbeere birgt ebenfalls viel Größe in einer Miniatur. Die Tonkabohne und ihr Aroma aus Vanille, Bittermandel und einem Hauch Rum sowie herben Muskat- und Zimt-Noten wird hier sinnlich herausgefiltert und forsch mit der Frische der Erdbeere kombiniert. Viel flirrende Duftigkeit bringen sizilianische Zitrone und konfierter Ingwer, wobei Florian Köller mitunter einen winzigen fruchtigen Kern einarbeitet, der noch eine zusätzliche geschmackliche Pointe setzt – eine arbeitsaufwendige Eigenart, die andere Patissiers weglassen. Zu dieser Spezies gehören auch die feinfruchtigen Macarons mit Rosencrème und gelierten Himbeeren. Beim Griottino wiederum wird Pistazie aus Sizilien mit eingelegter Sauerkirsche kombiniert, die erstklassigen Grundprodukte sind stets spürbar. Gute Pistazien sind übrigens eher grau und nicht grün und kosten mindestens 70 € das Kilo. Aus diesem und allen anderen Gründen sehen wir uns auch in keiner Weise durch einen Preis von 1,70 € pro Macaron gebremst.

Dessert Li La

Dessert Li La

Wir lieben die großartigen Macarons von Laduree und eingeschränkt selbst die meist etwas zu süßen von Hermé in Paris. Diese haben weltweit Maßstäbe gesetzt. Längst sind sie jedoch so begehrt, dass sie in großen Mengen produziert und reproduziert werden müssen, was zu gewissen Qualitätsschwankungen führt. Kleine handwerkliche Betriebe wie die von Florian Köller können weit individueller und frischer arbeiten. Auch das muss keine Garantie für Spitzenleistungen sein, doch bei der Manufaktur L´Art Sucré von Florian Köller erlebt man ein solch enormes Talent, wie es sonst nur in den besten Restaurants zu erkennen ist. Allein die Macarons geben Anlass zur Begeisterung: Stilsichere Kombinationen, prononcierte Aromen von großer Natürlichkeit, bestens kalibrierte Creme, knusperzarte Mandelschalen.

Alle Macarons, Desserts und Schokoladen werden bei L´Art Sucré selbst täglich frisch entworfen. „Wir verwenden feinste Butter und Sahne aus den verschiedensten Regionen von Frankreich, unterschiedliche Mandelsorten aus Spanien und edle Kakaos aus aller Welt“, sagt Florian Köller. Fertigmischungen, künstliche und naturidentische Aromen sind tabu. „Himbeergeschmack kommt bei uns von echten und den besten auf dem Markt zu findenden Himbeeren.“  Alles ist haus- und handgemacht, unter völligem Verzicht auf Backmischungen oder Fertigprodukte. „Unsere Arbeit beginnt etwa beim Rösten der von uns ausgesuchten Haselnüsse, um aus ihnen ein intensives, vollmundiges und komplexes Praliné zu fertigen, beim Pressen sizilianischer Zitronen für eine fruchtige Zitronenmousse oder beim Öffnen von Vanillestangen von der Insel Réunion – sie geben der Vanillecrème eine unvergleichliche Finesse.“

Florian & Sandra Köller

Florian & Sandra Köller

Florian Köller und seine Frau Sandra betreiben ihre Manufaktur in Taunusstein und führen zwei Patisserie-Boutiquen in Wiesbaden und Bad Homburg. Bei der Produktion werden sie von 15 Mitarbeitern unterstützt. In beiden Läden herrscht kein Pariser Schick, aber eine nette Atmosphäre und animierende Präsentationen. Sandra Köller berät so sachkundig und verkaufsfördernd, dass man den Laden leerkaufen möchte. Auch der Cappuccino schmeckt ausgezeichnet, die Tees vom Pariser Traditionsteehaus Mariage Frères passen ebenso gut zu den Zuckerkunstwerken. Die Köllers eröffneten ihr erstes Geschäft vor fünf Jahren in Wiesbaden und sind nun auch seit über einem Jahr in Bad Homburg in bester Lage vertreten.

Die genialen Macarons mögen bei L´Art Sucré so etwas wie die Botschafter des Unternehmens sein, doch auch alles andere zeigt Format. Durchweg hervorragend fallen die Petit Fours aus. Unter den Pralinen sieht man bei denen mit Eisenkraut bereits, wo es langgeht: Klare Aroma-Ansage in geschmeidiger Hülle. Pralinen mit Sternanis, Nana-Minze, Darjeelingtee und Szechuanpfeffer mit Fleur de Sel setzen den Reigen geschmackssicher fort.  Eine Klasse für sich sind die Dragées, verschiedene Nüsse in unterschiedlichen Schokoladenbezügen. Wenn wir schon beim Schwärmen sind, wollen wir auch die hervorragenden Sablés Bretons nicht vergessen, die bei den Köllers einfach besser, leichter, feiner als meist ausfallen. Bereits die Standardversion, das Mürbegebäck mit frischer Butter aus der Bretagne und Fleur de Sel ist köstlich.

Desserts

Desserts

Die Crème de la Crème unter den Naschwerken von L´Art Sucré sind die Desserts. Diese kulinarischen Pretiosen würden jedes Restaurant adeln. Li La nennt sich ein subtiles Meisterwerk aus weißem Schokoladenmousse, Veilchenmousse, Cassiskompott, Cassis-Veilchencrème und Périgord-Walnusscrunch.  Das Spiel der Aromen und Strukturen gelingt perfekt. Die Sahnigkeit wird bei Florian Köller gerne durch Knuspriges haptisch geknackt und doch nie in ihrem Fluss gebremst.  Er packt auch nie zu viele Komponenten zusammen, sondern überlässt einigen wenigen Akteuren die Aussage. Beim Basilic sind es lediglich Basilikum und Limette, die sich auf einem Boden aus Sablé Breton vereinen und umwerfend gut schmecken. Ein auslaufender Sommerhit ist der Mainhattan Cheescake, der aus verschiedenen wölkchenleichten Schichten besteht: Frischkäsemousse, mit Rosmarin abgeschmeckter Walderdbeergelee und Maracujacrème auf karamellisiertem Mürbeteigboden. Griottino ist eine höchst delikate Komposition aus Ceylon-Zimtmousse, Crème von sizilianischer Pistazie, Griottekirschgelee und Mandelmürbeteig.  Bei Piemontais verschmelzen dunkle Schokoladenmousse, leichte Mousse und Crunch von der Piemonteser Haselnuss, Schokoladenbisquit und Haselnusskrokant. Jedes Stück der Kollektion zeigt Weltklasse. Florian Köllers Kreationen sind vielschichtig, präzise in der Aussage, kunstvoll inszeniert. Erstklassige Grundprodukte, meisterliche Handwerklichkeit, Geschmackstalent. Florian Köller bietet Dolce Vita für Fortgeschrittene.

 

Köller-L'Art de Sucre L´Art Sucré

Florian & Sandra Köller

www.lartsucre.com

Boutique Wiesbaden

Am Römertor 7

Telefon: 0611 / 135 72 33

roemertor@lartsucre.com

 

 

Öffnungszeiten

Montag – Freitag 10 – 19

Samstag               10 – 16

Sonntag               11 – 17 Uhr

Köller-L'Art de Sucre

Boutique Bad Homburg

Louisenstraße 52

Telefon: 06172 / 850 13 27

louisenstrasse@lartsucre.com

Öffnungszeiten

Montag – Freitag 10 – 19

Samstag               10 – 16

Sonntag                11 – 17

Macarons 1,70 €, Desserts 5,50 – 5,90 €

 

Event Zungenspitzen

Florian Köller hat eigens zu den Weinen des Rheingauer Spitzenwinzers Gunter Künstler Desserts und Patisserie-Spezialitäten aller Disziplinen entworfen und wird diese gemeinsam mit aktuellen Tropfen und süßen Raritäten aus der Schatzkammer des Guts präsentieren: Am 28. September um 19 Uhr. Preis pro Person 110 € inklusive aller Weine und Süßspeisen.

Weingut Künstler, Hochheim, Geheimrat-Hummel-Platz 1a, Tel. 06146/83860.

 

 

Photocredit: Barbara Fienhold, Till Roos, Marcus Michaelis




Marc Schulz ist neuer Küchenchef im Hotel Jumeirah

Der Nachfolger von

Martin Steiner

sorgt für eine Überraschung

 

Der neue Küchenchef des Jumeirah in Frankfurt heißt Marc Schulz. Dies ist deshalb eine Überraschung, weil man eher mit einem bekannten Namen hätte rechnen können, der den einstigen Lafer-Küchenchef Martin Steiner ablösen würde. Steiner hatte nicht nur einen guten Ruf, sondern hinterließ auch deutliche kulinarische Spuren im Jumeirah, wobei er jetzt am 1. November mit der Almer Schlossmühle sein eigenes Restaurant bei Paderborn eröffnet. Von dem neuen Küchenchef konnte man bislang wenig hören, er hat sich auch keine Auszeichnung als Koch erworben. Dies ist jetzt vielleicht seine große Chance, der Küche des Jumeirah und insbesondere dem Restaurant Max on One zu weiterer Wertschätzung zu verhelfen – und damit auch sich einem größerem Publikum bekannt zu machen.

Jumeirah Küchenchef Marc Schulz

Marc Schulz, der neue Küchenchef im Jumeirah

Der aus Krefeld stammende Marc Schulz ist als Executive Chef seit 1. Oktober für den gesamten kulinarischen Bereich des Luxushotels verantwortlich. Er arbeitete in verschiedenen Gourmetrestaurants in Deutschland, etwa Tiefenbachers Herzog von Burgund in Neuss, dem Fährhaus auf  Sylt und dem Cheval Blanc in Düsseldorf. Dort aber nicht als Küchenchef, sondern in der zweiten Riege. Nach dem Abschluss zum Küchenmeister an der Steigenberger Hotel-Akademie in Bad Reichenhall im Jahr 2006 war Marc Schulz Küchenchef im Waldhotel Mangold in Bensberg. 2008 wechselte als Souschef zum Breidenbacher Hof nach Düsseldorf. Im selben Jahr leitete er auch als Task Force Chef die Eröffnung des damaligen Capella-Hotels Schloss Velden in Österreich. Danach verwaltete er die Restaurants und Küchen des Hotels an der Auburn University und dem Dixon Conference Center in Auburn in den USA. Im März 2013 leitete er außerdem die Eröffnung des Capella Hotels Washington DC.

Die aktuelle Herbst- und Winterkarte im Jumeirah mit deutsch-österreichischen Gerichten wird bis Ende des Jahres weitergeführt, bevor das Restaurant Max on One mit neuen kulinarischen Ideen starten will. Dem 32 Jahre alten Marc Schulz steht ein gut eingespieltes Team zur Seite.

 

Siehe auch BISS-Artikel Martin Steiner verlässt Jumeirah




Wein News Flüssiges & Überflüssiges

Die guten ins Kehlchen,

die schlechten ins Kröpfchen

 

Von Ludwig Fienhold

 

Deutsche Wein-Elite

geht auf Tournee

 

Der festliche Gesellschaftssaal des Palmengartens war der richtige Rahmen für die flüssigen Glanzlichter, die unter den massiven Kronleuchtern zur Verkostung standen. 144 Weingüter präsentierten auf zwei Etagen über 400 Spitzenweine. Viele Winzer waren persönlich dabei, was die Begegnung zwischen ihnen und den 500 Besuchern noch interessanter machte. Dass der aktuelle Jahrgang 2012 sehr gut ausfällt, war deutlich zu erleben. Aber auch, dass es Qualitätsunterschiede gibt, selbst bei den sogenannte Großen Gewächsen, die auf den Weinkarten der Restaurants als GG gekennzeichnet immer noch bei vielen Gästen auf Unverständnis stoßen.

Palmengarten Weinverkostung Renommierte Weingüter wie Clemens Busch (Mosel-Saar-Ruwer) zeigten mit ihren Rieslingen, wie hoch das Niveau liegen kann. Der Marienberg ist so harmonisch, delikat und frisch, dass er bei jedem Schluck Lust auf den nächsten macht. Das ist gerade für Gastronomen wichtig, die ihre Gäste ja mit animierenden Tropfen bewirten wollen, von denen man gern ein Glas mehr trinkt. Dazu gehören die Weine von van Volxem (Mosel-Saar-Ruwer) nicht, denn sie ermüden rasch den Gaumen und machen wegen ihrer überdeutlichen Präsenz schnell satt. Als Essensbegleiter machen sie eine bessere Figur. Dr. Losen (Mosel-Saar-Ruwer) gehört dagegen zu den Vertretern der schlanken, filigranen und doch ausdrucksvollen Rieslinge, das Treppchen schmeckt fabelhaft facettenreich und gut durchblutet. Aus gleichem Grund können wir uns für die Rieslinge von Fred Prinz (Rheingau) begeistern, seine Jungfer ist ein raffiniertes Stück voll geschliffener Eleganz und knackiger Frische. Das gilt ebenso für die Rieslinge und das Frühlingsplätzchen von Emrich-Schönleber (Nahe).

Die Pfälzer neigen zu einer gewissen Fülle und Behäbigkeit – auch beim Wein. Üppig, stark parfümiert und mit breiter Süße demonstrieren die Weine vom Gut Acham-Magin, dass man offenbar nur laut sein muss, um als Großes Gewächs zu gelten. Der Riesling von der kalkigen Lage Kalmit vom Weingut Kranz wiederum zeigte sich sauertöpfisch und keineswegs geschmeidig, wie viele andere aus der Region. Wie es besser geht, belegen die Pfälzer Weingüter Dr. Wehrheim und A. Christmann, deren Kollektion durchweg nobel ausfällt. Groß auch das Weingut Von Winning, vor allem die Lage Kirchenstück – komplex, mit dichter und doch nicht überladener Frucht sowie einer präzisen Tiefenschärfe. So etwas bleibt lange auf der Zunge und noch länger im Kopf.

Palmengarten Weinverkostung Die Franken überzeugen selten mit Riesling und punkten beim Silvaner. Bestes Beispiel sind Horst Sauer und seine Lumpen. Württemberg ist beim Rotwein stärker als beim Weißwein, aber nicht grundsätzlich so schwach wie der Riesling Burg Wildeck vom Staatsweingut Weinsberg. Der Rheingau zeigt sich auch in der Qualität nicht geschlossen, es schwankt. Spreitzer ist wunderbar eigenwillig und bietet viel Amüsement für Fortgeschrittene, bei Ress hat man es ebenfalls mit Charakterweinen zu tun, die Ecken und Kanten haben. August Kesseler macht das, worauf man immer Lust hat: Saftige Weine.

Großen Freude hat man stets mit den Weinen aus dem Anbaugebiet Rheinhessen: Battenfeld-Spanier, Kühling-Gillot, Wagner-Stempel oder Wittmann zählen zur Spitze. Die Lagen Rothenberg, Pettenthal und Ölberg von Kühling-Gillot bringen gut strukturierte, pralle, delikate Tropfen mit langem Nachhall. Wittman präsentiert angenehm unfrisierte Weine, die Gewächse von Wagner-Stempel haben am meisten Frucht und Power, ohne breit zu werden.

Palmengarten Weinverkostung - 3Auffällig bei den Großen Gewächsen ist, dass sich die Weingüter in der Spitze geschmacklich oft nur wenig unterscheiden, während deren Gutsrieslinge weit eher die Abweichungen deutlich machen. Wer ein Weingut kennenlernen möchte, ohne die ganze Palette probieren zu wollen, tut ohnehin gut daran, den einfachsten und den besten Wein zu probieren. Beide müssen auf ihre Art überzeugen.

Nach der Premiere in Berlin und Frankfurt gehen die Prädikatsweingüter und ihre Großen Gewächse auf Deutschlandtournee. Mehr Infos dazu unter: www.vdp.de

 

 

 

 

Winzerinnen-Dinner mit Erkenntniswert

Beim Winzerinnen-Dinner blieb keine Kehle trocken. Und auch kein Auge, denn es ging besonders lustig zu.

Weinnase Christine Fischer

Weinnase Christine Fischer

Frauen-Power in der Ente im Nassauer Hof in Wiesbaden. Gemeinsam mit Sommelier Sebastian Mac Lachlan Müller präsentierten vier bekannte Winzerinnen ihre Weine: Regina Stigler, Ihringen Kaiserstuhl, Baden; Andrea Wirsching, Iphofen, Franken; Dorli Muhr, Rohrau, Carnuntum, Österreich; Valeria Losi, Querciavalle, Castelnuovo Berardenga, Toskana, Italien. Flüssig moderiert wurde der Abend von Sommeliere Christina Fischer aus Köln. Für 119 € wurde unglaublich viel geboten. Winzerinnen-Sekt zum Aperitif, fünf Gänge plus Appetithappen, sowie zu jedem Gang gleich drei verschiedene Weine, zudem Wasser und Kaffee.

Die Winzerinnen redeten, wie ihnen der Schnabel gewachsen war – was ja gut zur Ente passte. Wenn Frauen über Wein sprechen, dozieren sie weniger als Männer. Das war die vielleicht wichtigste Erkenntnis aus dem Winzerinnen-Dinner. „Unkomplizierte Wissensvermittlung“ versprach Christine Fischer – und so geschah es dann auch.

Dorli Muhr

Dorli Muhr

Dorli Muhr konnte anschaulich über ihr Weinleben erzählen, Valeria Losi berichtete einfühlsam über die Toskana, wobei sie mit dem Chianti Classico Losi 2007 (Millennium Riserva) einen wunderbar charakteristischen und die Region bestens repräsentierenden Wein vorstellte. Andrea Wirsching aus dem fränkischen Iphofen beeindrukte mit erfrischend-lebhaften, sehr trockenen, filigranen und nuanciert würzigen Silvanern aus den Lagen Julius-Echter-Berg und Kronsberg. Zu ihrer exotischen Scheurebe, die gut mit asiatischen Aromen kann, hatte Küchenchef Michael Kammermeier sehr viel Würz-Temperament aufgebracht und ließ sie von Tatar von der Roten Wildgarnele mit Apfelsorbet, Passepiere-Algen, schwarzem Quinoa-Korn und reichlich Koriander begleiten.

Die nächste Veranstaltung in der Ente ist am 10. Oktober und hat die Weine Österreichs zum Thema. Gleich fünf Winzer, darunter F.X. Pichler, werden ihre Weine zu fünf Gängen von Küchenchef Michael Kammermeier präsentieren. Der wiederum sehr angenehme Preis von 109 € beinhaltet neben Essen und Weinen auch Wasser und Kaffee. Tel. 0611 133 666. www.nassauer-hof.de

 

Schinken & Wein

Spanische WeinprobeWeniger fehlerhafte als zu warme Tropfen konnte man bei einer Verkostung spanischer Weine im Instituto Cervantes (früher Amerikahaus) in Frankfurt erleben, die mit Serrano-Schinken und gekochten Schinken-Gerichten munter ergänzt wurde. Toll war der frisch aufgeschnittene Serrano-Schinken, der klar machte, mit welch schwachen Produkten wir hier oft allerorten abgespeist werden. Es gab nur Rotweine aus dem Anbaugebiet Ribera del Duero. Eine etwas sonderbare Auswahl indes. Da war kaum eine gute Entdeckung zu machen. Überzeugend präsentierte sich unter anderem immerhin das Weingut Abadía de Arcón. Der einfache Roble und die ebenfalls preiswerte Crianza besaßen trinkfreudigen Spaßfaktor, doch die Reserva (Tempranillo, Cabernet Sauvignon) offenbarte die ganze Qualität mit einem Duft aus schwarzen Beeren, Vanille, Schokolade und schönen nussigen Röstaromen. Mit von der Partie bei der Weinprobe war auch Hubert Huhn, der auf der Berger Straße in Frankfurt ein Geschäft namens Buch & Wein betreibt, das einen Besuch lohnt. Allein die Cava-Auswahl dort überzeugt. Es gibt es auch immer wieder Lesungen, mehr dazu unter: www.buchundwein-ffm.de

 

Exotisches Franken

Sandra Knoll bei Döpfners

Sandra Knoll bei Döpfners

Das Restaurant Döpfner´s im Maingau in Frankfurt-Sachsenhausen ist in Sachen Wein seit jeher besonders engagiert. Auf der Karte stehen 450 verschiedene Tropfen, die oft stattfindenden Wein-Dinner sind besonders beliebt. Bei der diesjährigen Hausmesse mit dem Weinhändler Heiko Wilhelm von MainWein konnte man sehr viele erstklassige Weine probieren: Spreitzer, Leitz, Jung, Künstler, Weil, Pfannebecker, Knewitz, Kuhn, Knipser, Laible, Bercher, von Winning und und und. Kurz darauf folgte innerhalb der Reihe „Culinarium“ ein Weinabend mit dem fränkischen Weingut am Stein in Würzburg. Die gewiefte Sandra Knoll stellte ihre Weine kurz und knackig vor. Bester Wein: Der trockene Silvaner Innere Leiste (Großes Gewächs) 2011. Der ungewöhnlichste Wein: Vinz Scheurebe 2008 (Alte Reben). Aus dieser Steillage kommt ein fulminant fruchtiger Wein mit exotischen Aromen und hohem Alkoholstand. Dazu passend gab´s Saiblingsfilet mit Zitronengras-Currysud auf Gurken-Chili-Relish. Der trockene Silvaner Vinz 2006 dagegen verlangte nur nach einer fränkischen Bratwurst mit Pfifferlingen und Schnittlauchpüree.   www.maingau.de

 

 

Schlaue Maschine soll für besseren Wein sorgen

Eine neu entwickelte Traubensortiermaschine will Winzern helfen Fehler zu vermeiden. Bittertöne und andere unerwünschte Qualitätsminderungen sollen damit vermieden werden.  Die Anlage wurde von Forschern vom Fraunhofer-Institut für Optronik gemeinsam mit anderen Fachkräften konstruiert.

WeingottDie in Bottichen angelieferten Trauben gelangen zunächst über eine Zuführeinrichtung in die Abbeermaschine, die die Früchte von den Stielen ablöst, entrappt und dann über einen neu entwickelten Fördermechanismus auf einem Band vereinzelt. Mit einer Geschwindigkeit von drei Metern pro Sekunde bewegen sich die Trauben dann auf dem Förderband und passieren auf ihrem Weg das neuartige Sortiermodul. Eine Hochgeschwindigkeits-Zeilenkamera, Herzstück des Moduls, schießt Bilder von den Früchten – 18 000 Mal pro Sekunde. Eine angeschlossene Auswertungssoftware analysiert die Aufnahme in Millisekunden. Sie steuert Druckluftdüsen an, die Fremdkörper wie Insekten, Rebholz, Steine und Ästchen herauspusten. Auch schlechte, unerwünschte Beeren werden von der Ausblaseinheit entfernt. Die guten Beeren fallen in einen Behälter. „Unser Sortiermodul soll die Fähigkeiten aktueller Maschinen übertreffen. Es mustert nicht nur Fremdkörper aus, sondern sortiert Beeren zudem nach unterschiedlichen Qualitäten. So kann man den Wein komponieren wie man ihn haben will“, sagt Wissenschaftler Dr. Vieth. Was die Kamera mit „schlecht“ bewerten soll, wird zuvor trainiert. Schimmel, Ohrwürmer, Blätter und falscher Reifegrad sind typische Auswurfkriterien. Sortiert wird anhand von Form- und Farbanalysen. Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.

Photocredit: Barbara Fienhold

 




Rarität: Macarons mit Gänseleber und Trüffel

Köllers Edition Limitée

ist an nur wenigen Tagen zu haben

 

 

Gans, Karpfen oder Frankfurter Würstchen sind kulinarische Feiertagsklassiger. Goethe mampfte Napfkuchen an Weihnachten und stopfte sich damit regelrecht voll. Es geht aber auch ganz anders. An nur wenigen Tagen im Jahr bringt der meisterliche Patissier Florian Köller seine Edition Limitée auf den Markt, die so himmlisch ist, dass sie bestens zum Fest passt. Die fünf  Macarons zeichnen sich durch feine Aromen und präzise Handwerkskunst aus: Périgord-Trüffel, Alba-Trüffel mit Piemonteser Haselnuss, Balsamico Tradizionale di Modena 25 Jahre, Foie Gras D’Oie mit Milchschokolade und toskanische Olive mit Madagaskarvanille. Sie alle sind von großer Klasse, doch uns gefallen die Trüffel-Macarons noch eine Prise besser. Die limitierte Edition ist seit gestern zu haben und nur noch bis 31. Dezember in Umlauf – in Frankfurt bei Bitter & Zart und Petersen Gutes Essen sowie in den Geschäften von Florian und Sandra Köller in Wiesbaden und Bad Homburg.

 

macaronsL´Art Sucré

Florian & Sandra Köller

www.lartsucre.com

 

Boutique Wiesbaden

Am Römertor 7,  Telefon: 0611  135 72 33.

 

Boutique Bad Homburg

Louisenstraße 52,  Telefon: 06172  850 13 27

 

Petersen Gutes Essen, Frankfurt

Eppsteiner Str. 26, Tel. 069 71713536

 

Bitter & Zart, Frankfurt

Braubachstr. 14. Tel. 069  94 94 28 46. www.bitterundzart.de

Macarons pro Stück 1,70 €

Siehe auch BISS-Artikel Weltklasse-Patissere: Florian Köllers gesammelte Naschwerke

 

 

 

 

 




Restaurantkritik Ambiente Italiano

Der alte Oberförster ist Italiener und trinkt gute Weine

 

Wer in Kelsterbach kocht, muss sich entweder anpassen oder so gut sein, dass er auch von weither wahrgenommen wird. Riccardo Re und sein Küchenchef Pedro Fernandes versuchen mit Geschick beides. Mit der Trattoria wollen sie das lokale Publikum gewinnen, mit der anspruchsvollen Speisekarte im Restaurant den ganzen Markt. Das Lokal heißt Ambiente Italiano und befindet sich in der Alten Oberförsterei, die unter Großherzog Ernst Ludwig von Hessen um 1900 als Forstamt genutzt wurde. Genau deshalb geistern auch beide Begriffe  namensgebend, was irritierend wirkt, aber hiermit erklärt ist.

Italienische Restaurants überraschen am wenigstens durch ihre Weine. Meist trifft man die üblichen Verdächtigen, und die auch noch nicht selten schlecht gelagert und temperiert. Und überteuert. Genau das Gegenteil erlebt man beim italienischen Oberförster in Kelsterbach, der zielsicher die guten Reben abschießt und ins Glas füllt. Bereits der Prosecco Rive di Collalto Millesimato von Borgoluce aus Valdobbiadene ist ein großer Spaßmacher, der selbst trübe Tage mit seinem Wiesenduft auffrischen kann. Ob Antipasti, Pasta, Fisch oder Meeresfrüchte, die Rebsorte Ribolla wird mehr als ein angenehmer Begleiter sein. Vor allem, wenn sie so frisch, würzig und heiter über die Zunge rollt, wie beim Adelchi von Venica & Venica aus dem Friaul. Padrone Ricardo Re ist ein Weinfuchs, der sich selbst und seinen Gästen Gutes gönnt. Man kann seinen Empfehlungen vertrauen, was sonst im Gastgewerbe ja leider nicht selbstverständlich ist. Die Brüder Enzo und Gianni Boglietti aus dem Piemont machen aufregende Rotweine – ungestüm, mit schöner Frucht und Extrakt. Ihr saftiger Nebbiolo schmeckt nach Brombeeren sowie einem Hauch Veilchen und wird durch pfeffrige Würze stimuliert. Dieser Wein verlangt nach einem Braten oder dem Jungbullenfilet auf der Karte. Auch Serafini & Vidotto aus Venezien machen famose Rotweine, die oft italienische Grandezza mit französischem Charme paaren. Ihr Rosso dell´Abazia 2007 aus den Rebsorten Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot ist ein eleganter Wein mit vielschichtigen Aromen aus Himbeere, Johannisbeere, Kaffee und Vanille.

Tauben-Kotelett

Tauben-Kotelett

Man könnte diese Weine auch ganz wunderbar solo genießen, doch noch besser ist dazu ein schönes Essen. Die Küche von Pedro Fernandes ist anspruchsvoll, aber weit von prätentiös entfernt. Er will dem vermeintlich Einfachen mehr Leben und Finesse einhauchen. Dies gelingt ihm besonders bei Fischgerichten. Das Trio vom Yellowfin-Tunfisch Zitronenschaum sieht man sehr oft in Restaurants, aber eher selten so delikat. Atlantik-Kabeljaufilet mit Venusmuscheln und Kartoffel-Ravioli, gefüllt mit Kapern, Oliven und Zwiebeln, bringen eine luftige Meeresbrise an den adrett eingedeckten Tisch. Blutwurst wird gerne und gekonnt eingesetzt. Beim Oktopus mit cremiger Blutwurst-Cannelloni sowie gebratenen Jakobsmuscheln mit grünen Äpfeln entsteht haptische und geschmackliche Spannung. Eher auf gleicher Ebene und daher mit etwas weniger Reiz bewegen sich Taubenkotelett im Speckmantel mit Boudin noir, Paprika-Lasagne und geröstetem Olivenbrot mit Entenschinken.

Tunfisch-Trio

Tunfisch-Trio

Plin sehen aus wie kleine Ravioli und fallen besonders saftig aus. Hier werden sie hausgemacht, mit einer Farce aus Fleisch und Fonduta-Käse gefüllt und von Guanciale-Nackenspeck-Sauce sowie schwarzen Trüffeln begleitet. Bei mancher Pasta darf ruhig noch mit etwas mehr Raffinesse nachgebessert werden. Eine ausgezeichnete Ergänzung schafft der im Ofen erhitzte Himalaya-Salzstein, mit dem sich die Gäste ihr Essen selbst „zubereiten“ können. Steinbutt, Garnele oder Jakobsmuscheln lassen sich so optimal und ohne störende Beiläufigkeiten ganz natürlich garen. Es werden unterschiedliche und preiswerte Menüs angeboten, darunter auch stets ein interessantes Vegetarisches. Küchenchef Pedro Fernandes kommt aus Portugal und hatte zuvor bei Mimmo in der ehemaligen Villa in Rüsselsheim gearbeitet, wo auch Riccardo Re als Restaurantleiter tätig war.

Alte Oberförsterei in KelterbachDas Wintergarten-Restaurant mit Blick auf Kirche, Garten und Fluss wird von einer dezenten ruhigen Atmosphäre getragen, in der angrenzenden Trattoria geht es auch farblich etwas quirliger zu. Es gibt zwei unterschiedliche Speisekarten. In der Trattoria wird all das serviert, was man vom Italiener erwartet: Pasta, Pizza, Salat, aber auch Gerichte wie gegrillter Tintenfisch oder gebratene Leber mit Zwiebeln und Kartoffelpüree. Der Service agiert zurückhaltend, aber sehr beratungsfreundlich, wenn man dies wünscht. Es gibt zwar einen eigenen großen Parkplatz vor der Tür, doch wegen der guten Weinkarte sollte man öffentliche Verkehrsmittel wählen – mit der S-Bahn ist man von Frankfurt aus in 15 Minuten in Kelsterbach, der Fußweg benötigt keine weiteren fünf Minuten. Selbst ein Taxi ist bezahlbar, besonders im Vergleich zu einem verlorenen Führerschein.

Ludwig Fienhold

 

Riccardo Re (l.) und Pedro Fernandes

Riccardo Re (l.) und Pedro Fernandes

Ristorante Ambiente Italiano, Kelsterbach, Staufenstraße 16, Tel. 06107 9896840.  Montag-Freitag12 – 15 Uhr / 18 – 24 Uhr, Samstag 18 – 24 Uhr, Sonntag 12 – 15 Uhr. www.ambienteitaliano.de

 




Hotel News

Restaurant Haerlin

im neuen Look

 

Fairmont Vier Jahreszeiten Hamburg glänzt noch mehr

 

Das Auge isst im neuen Haerlin gerne mit, denn die Optik zeigt sich sehr delikat. Zwei deckenhohe, in Italien maßgefertigte Weinschränke aus poliertem Messing für 600 Flaschen, handgearbeitete chinesische Seidentapeten, Kassetten aus Blattgold mit eingelassenen Facetten-Spiegeln sowie individuell gefertigte Baroncelli-Leuchter aus Italien und vieles mehr sorgen im frisch renovierten Restaurant für eine stilvolle Atmosphäre (2 Sterne im Michelin, 18 Punkte im Gault Millau). Selbst die Weinkarte wurde überarbeitet. Küchenchef Christoph Rüffer kann zusätzlich bis zu acht Gäste am gläsernen Chefs Table inmitten seiner Küche bewirten: SpeisekarteRestaurantHaerlin_2013

 

 

Schwäbisch kreativ

 

Neue Küche im Althoff Hotel

am Schlossgarten in Stuttgart

 

Sebastian Prüßmann

Sebastian Prüßmann

Küchenchef Sebastian Prüßmann hat am 17. September Premiere. Dann eröffnet er das Schlossgarten Restaurant im Althoff-Hotel am Schlossgarten in Stuttgart. Es soll eine innovative französische Küche mit regionalen Akzenten geben. Das kulinarisches Spektrum reicht von neu interpretierten Klassikern der schwäbischen Küche bis zum vegetarischen Menü.

Nach seiner Tätigkeit als Sous-Chef bei Dieter Müller und Nils Henkel im Gourmetrestaurant Lerbach in Bergisch Gladbach war Sebastian Prüßmann zuletzt als Küchenchef in der Villa Hammerschmiede in Pfinztal tätig. Inzwischen hat er die Küchenleitung im Schlossgarten Restaurant übernommen. Dabei setzt er insbesondere auf eine raffinierte vegetarische Küche und das Wechselspiel aus heimischer und französischer Kochkunst. „Gemüse Liebe“ heißt Prüßmanns völlig neu kreiertes vegetarisches Menü. Inspiriert von seinem Mentor Nils Henkel aus dem Althoff Schlosshotel Lerbach, serviert der 33-jährige Koch seinen Gästen künftig ein geschmacklich hoch konzentriertes Vier-Gänge-Menü mit überraschenden Kreationen aus erntefrischem Gemüse der Region. Das Wechselspiel aus lokaler Küche mit heimischen Produkten und zeitgenössischer französischer Kochkunst zieht sich durch das gesamte neue Konzept des Restaurants.

Auch das Mittagsangebot wurde neu entwickelt: Bei „Prüßmanns Mittagstisch“ genießt man von 12 bis 15 Uhr Klassiker der gutbürgerlichen, regionalen Küche in einer neuen Interpretation. Das Tagesgericht für 25 Euro lässt sich dabein bequem mit einem zweiten Gang verbinden. Der „Mittagstisch“ kostet in dieser Kombination 35 Euro, Espresso inklusive. Die Menüpreise liegen zwischen 69 und 129 Euro.

 

Das kleinste & elitärste Restaurant Hongkongs

The Krug Room im Mandarin Oriental

 

Krug Room

Krug Room

Inmitten der Küche des Mandarin Oriental Hong Kong befindet sich The Krug Room, eines der elitärsten Restaurants der Stadt. Das neue Design des Restaurants vermittelt den Eindruck eines privaten luxuriösen Zugwaggons mit ungewöhnlichen Einblicken in die Küche, in der der deutsche Chef Uwe Opocensky seine Kreationen entwirft. Bis Oktober können Gäste in dieser einmaligen Umgebung ein innovatives und experimentelles Degustationsmenü erleben, für das Chef Opocensky Gerichte der Speisekarte der 60iger Jahre neu interpretiert hat. Dazu zählen Gerichte wie „Fruit Loops 2013“, Boeuf Bourguignon nach einer Interpretation der US-TV-Köchin Julia Childs, „Baked Alaska“ und Heimatessen namens „Ich bin ein Berliner“.

 

 

 

 

 

 




Restaurant Kraftwerk zeigt Power

Bertl Seebacher startet mit neuem Restaurant

 

Warum sind Österreichs

Köche solche Wunderwuzis?

 

Von Ludwig Fienhold

Was haben Köche aus Österreich, was andere nicht haben? Starkoch Wolfgang Puck in Los Angeles, Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann und der Wiener Erfolgsgastronom Ewald Plachutta haben Küchengeschichte geschrieben. Hans Haas beweist seit über 21 Jahren im Münchner Tantris Größe, Mario Lohninger hat in New York und Frankfurt ebenfalls längst gezeigt, dass er zur Spitze gehört. Martin Steiner, der Küchenchef  beim gewitzten Johann Lafer in Stromberg war, leistet im Jumeirah Frankfurt sehr gute Arbeit. Der erste Österreicher, der in Frankfurt für Furore sorgte, war Alfred Friedrich, der im Brückenkeller begann und sich mit dem ebenfalls seligen Humperdinck selbständig machte. Jetzt zeigt auch zunehmend Bertl Seebacher, was alles in ihm steckt. Sicher wusste das Hans Haas, bei dem er arbeitete, schon weit früher.  Mit seinem Restaurant Kraftwerk in Oberursel bei Frankfurt startet Seebacher nun neu durch und kann gleich zwei Lokalkonzepte unter einem Dach fahren.

Bertl Seebacher & Daniela Finkes geben Gas

Bertl Seebacher & Daniela Finkes geben Gas

Bertl Seebachers Stärke liegt in seiner enormen Vielseitigkeit. Er vermag ein Wiener Schnitzel ebenso perfekt zuzubereiten, wie ein komplexes Gericht aus Gänselebermousse, Wachtelconfit, Selleriepüree und Trüffeln. Bertl Seebacher und Restaurantleiterin Daniela Finkes haben das denkmalgeschützte Kraftwerk 2008 übernommen und überzeugen seitdem mit kontinuierlicher Qualität. Ausgerechnet in Oberursel-Bommersheim, wo kein Hund begraben sein will, geschweige denn ein ambitionierter Koch ein Restaurant führen möchte. Strom wird im ehemaligen Straßenbahn-Kraftwerk schon lange nicht mehr erzeugt, doch die Küche ist von einer ganz anderen Energie.

Ein Schnauferl, das über den Tischen schwebt und ein Ford Mustang mitten im Restaurant sind schon ein extravaganter Blickfang. In der einstigen Garage des Kraftwerks wurde jetzt der Showroom eröffnet, ein lässiges Lokal mit Lounge-Charakter und originellem Dekor. Hier gibt es die Klassiker des Hauses: Luftig souffliertes butterzartes Wiener Schnitzel, saftig-herzhaftes Kalbsfleischpflanzerl und krachiges Backhendl mit Kartoffel-Rahmgurkensalat und steirischem Kernöl. Alles umwerfend gut, herzhaft und sinnenfroh. So können das, Pardon Deutschland, nur die Österreicher. Die Preise sind nett, ein Wiener Schnitzel in Perfektion kostet 20 €. Wer mehr will, wird genau gerechnet mit weniger zur Kasse gebeten. Ein Ösi-Menü mit drei Gängen kostet 30 €, wenn zwei Gäste das Menü „Volle Ösi-Dröhnung“ bestellen, bekommen sie drei Gänge inklusive einer Flasche Grüner Veltliner, Vöslauer Mineralwasser und Kaffee oder Zirbenschnapserl für 40 € pro Person.

Showroom

Showroom

Neu ist auch die Vinothek, die vom Schweizer Rico Etzensperger betreut wird, der sich auf Weine aus Österreich spezialisiert hat. Dort sind einige Schmankerln und Hausgemachtes von Bertl Seebacher zu finden, aber auch Marillen-Marmelade aus der Wachau oder Vulcano-Schinken und Kürbiskernöl aus der Steiermark. Bei Weinproben sitzt man an einem riesigen Tisch, gleichsam ein Stammtisch, der wie ein Baumstamm wirkt und vom Künstler Hendoc stammt. „Mehr Licht“ steht darauf. „Mehr Wein“ wäre passender gewesen. Daneben steht ein flotter Alfa Spider Baujahr 1988, der die gastliche Stätte als Drive-in erscheinen lässt.

Bertl Seebacher in seiner antiken Küche

Bertl Seebacher in seiner antiken Küche

Die Weinkarte mit gut sortierten 150 Offerten gilt selbstredend gleichermaßen für das Restaurant und das neue Lokal Showroom. Die Großen à la Hirtzberger, Knoll und F.X. und Rudi Pichler sind vertreten, aber auch Newcomer wie Graben-Gritsch aus der Wachau (Grüner Veltliner) oder Hannes Reeh vom Neusiedler See (Chardonnay unplugged). Neben den Flaschen wird ein Dutzend offener Weine angeboten.  Im Kraftwerk ist auch jeder willkommen, der nur auf ein Glas Wein vorbeischauen möchte – was aber weniger ratsam ist, weil er dann eine fabelhafte Küche verpassen würde

Das Restaurant bietet den Gästen jetzt mehr Raum und Abstand zueinander. Hier haben 20 Personen Platz, im Showroom 30. Bertl Seebacher will im Restaurant einen Gang mehr einlegen und noch hochwertiger kochen. Die Trennung der Küchenkonzepte bringt weit weniger Unterschiede in der Grundqualität, sondern eher bei der aufwendigeren Zubereitung und Präsentation. Im Restaurant werden ausschließlich Menüs offeriert, drei verschiedene: Österreich-Klassiker, Around the World. Amuse Bouche Menü. Famose Kraftpakete von sensibler Stärke sind das geschmorte Ochsenbackerl und der Rostbraten Tegetthoff.  Der Rostbraten ist ein unglaublich saftiges, zartes, rosa gebratenes und bestens gewürztes Sirloin-Steak mit feinster Kruste, begleitet von knackigen Garnelen, duftig-mediterranem Gemüse und Oliven. Allein für dieses großartige Stück Lebensfreude lohnt der Weg von weither. Ob Wildlachs ösiatisch oder orientalisch, der Fisch schmeckt im Kraftwerk stets besonders gut und ist so nanosekundengenau gegart, dass er voller Saft und Kraft steckt. Auch Kleinigkeiten sollte man im Kraftwerk Beachtung schenken, der „Flotte Dreier“ besteht aus allerschönsten Süppchen im Schnapsglas: Intensive Frittaten-Consommé, perfekt abgeschmeckte Garnele-Tomate, dezentes Curry. Gerichte mit  Foie Gras oder Rahmschwammerl mit luftigem Serviettenknödel sollte man nie an sich vorübergehen lassen. Eine Komposition aus Schweinebauch, Garnelen, Erdnuss-Kartoffelpüree, Pilzen, Erbsensauce und Aprikosenjus zeigt, welche Pirouetten die Küche schlagen kann, ohne die Bodenhaftung zu verlieren.

Restaurant

Restaurant Kraftwerk

Bertl Seebacher verfeinert gerne traditionelle k.u.k.-Gerichte, wobei diese nicht allein für kaiserlich & königlich, sondern für klug & kunstvoll stehen. Alles schmeckt nach Töpfen und Pfannen, nach Feuer und Flamme. Bertl Seebacher und seine Crew kochen auf antiken Gasherden. Bei einem Österreicher zu speisen, ohne Desserts zu probieren, wäre eine grobe Nachlässigkeit. Wir könnten uns dusselig reden und so ziemlich alles aufzählen, wollen aber stellvertretend  diese Köstlichkeiten nennen: Crème brûlée von der Süßholzwurzel mit Cashewkern-Sauerrahmeis; Karamellschnitte mit Birnensorbet; geschlagenes Vanille-Eis mit marinierten Kirschen sowie die Schokotrüffel mit Kürbiskernöl, die zum Espresso als Gustostückerl gereicht werden.

Nicola Santeramo

Nicola Santeramo

Bertl Seebacher aus der Steiermark wird perfekt ergänzt durch Daniela Finkes aus Graz, die alle Gerichte so anregend zu erklären weiß, dass man sich kaum bremsen kann. Auch sonst glänzt der gesamte Service durch Freundlichkeit und Aufmerksamkeit, Nicola Santeramo , der im Gegensatz zu Berlusconi ein wirklicher Cavaliere ist, hat sichtbar Freude an seinem Beruf.

Was nun haben Köche aus Österreich, was viele andere Köche nicht haben? Geschmackstalent! Die Gabe auch aus vermeintlich einfachen Gerichten Großartiges zu machen. Ihre Gerichte schmecken mehr nach Leidenschaft als die vieler Kollegen, die ihren Sinn eher im reinen Kunsthandwerk sehen. Österreichs Köche sind Wunderwuzis – Wunderknaben, weil sie viel von ihrer Natürlichkeit und Kindheit retten konnten und ganz wunderbar den Lenz schlenzen.

KraftwerkKraftwerk, Oberursel-Bommersheim bei Frankfurt, Zimmermühlenweg 2, Tel. 06171-92 99 82. Geöffnet:
Mo-Sa ab 18.00 Uhr. Mittags und sonntags geschlossen.

Parkplatz direkt vor der Tür. Der guten Weine wegen sollte man aber besser mit der U-Bahn-Linie 3 fahren, die von der Frankfurter Innenstadt bis zur Haltestelle Bommersheim knapp 25 Minuten benötigt und bis fast vors Kraftwerk fährt.

Photocredit: Barbara Fienhold, Kraftwerk




Pizza: That´s Amore

Auch der Mond ist nur ein großer runder Teigfladen

 

Bemerkenswerte Pizza-Adressen rund um den Globus

 

Von Ludwig Fienhold

When the moon hits your eye
like a big pizza pie
that’s amore

Dean Martin

Für Dean Martin war der Mond eine Pizza mit „Amore“-Geschmack. Manch einer vermag sie auch wirklich mit Liebe zuzubereiten. Und mit Fantasie, wie der Österreicher Wolfgang Puck, der in seinem Hollywood-Restaurant Spago seit 30 Jahren die Stars mit ausgefallenen Teigfladen speist und dadurch ebenfalls berühmt wurde. Er belegt seine Pizzen nicht mit Käse und Tomaten, sondern mit zarter Entenbrust, feinstem Lamm und knackigen Schrimps. Puck gehört zu den erfolgreichsten Gastronomen der Welt und betreibt inzwischen 40 Lokale, darunter zwei recht attraktive Pizzerien. Auch dort gibt es nicht das Übliche, sondern Pizzen mit Lachs & Caviar oder Spicy Chicken.

The Mercer Kitchen in NYC

Die beste Pizza außerhalb Italiens haben wir in Dubai im Hotel Atlantis erlebt. Dort führt der großartige Giorgio Locatelli sein gleichnamiges Lokal (Bild oben rechts). Die Pizza Bufala wird zwar mit 18 € berechnet, schmeckt aber auch göttlich. Der knusprig-dünne und doch saftige Teig ist perfekt, es finden nur allerbeste Zutaten Verwendung: Büffel-Mozzarella, aromatische Tomaten, frisches Basilikum. In New Yorks Immer-noch-In-Lokal The Mercer Kitchen von Topkoch Jean Georges Vongerichten wird eine der leckeren Pizzen mit allerbestem rohen Tunfisch und einer nicht zu scharfen Wasabisauce serviert. Renner ist dort allerdings eine Pizza mit schwarzen Trüffeln.

Die so genannte weiße Pizza, die ohne Tomaten auskommt und nur mit frischen Steinpilzen belegt wird, ist in Deutschland meist nur auf besonderen Wunsch zu haben. Bei Mauro in Cavallino nahe Venedig kann man diese besonders schöne Variante genießen, während das Lokal Ae Oche in Venedig gleich über 90 verschiedene Pizza-Arten anbietet. Die beste Pizza in Deutschland gab es nicht bei einem Italiener, sondern beim Österreicher Mario Lohninger im ehemaligen Silk im Frankfurter Cocoon Club – die knusprigen und saftigen Fladen mit Südtiroler Speck sind unerreicht. Es war einmal.

Pizza mit Lachs & Caviar von Wolfgang Puck

Pizza Frankfurt

In Frankfurt beginnt die Geschichte der Pizza im Jahre 1966 mit der Eröffnung von Da Angelo in der Homburger Landstraße – kaum größer und schon gar nicht schöner als ein Schuhkarton. Die Pizzabäcker verrichteten reichlich brummig ihre Arbeit, kaum jemand von ihnen sprach ein Wort Deutsch. Dennoch pilgerten die Frankfurter aus allen Stadtteilen nach Preungesheim. Vor allem nachts kochte der Teufel mit, wenn sich beschickerte Zecher und bekiffte GI´s noch zu einem letzten Bissen aufrafften und mit extrascharfer Peperoni-Pizza den Kopf ein wenig klarer zu machen versuchten. Die amerikanischen Soldaten sind längst abmarschiert, doch bei Da Angelo wirbeln noch immer die Teigfladen durch die Luft. Der Laden wurde um das Dreifache vergrößert, ist aber noch immer klein. Trotz häufiger Besitzerwechsel schmeckt die Pizza fast wie früher und kommt aus dem Steinofen, speziell der Teig erscheint so ganz anders als die von anderen Mitbewerbern. Einigen gefällt sie gewiss auch deswegen, weil sie mit Erinnerungen gewürzt ist. Jedenfalls gehört diese Pizzeria zum Allerbesten, was Frankfurt auf diesem Gebiet zu bieten hat.

Scialpi

Das Lokal Scialpi in der Innenstadt ist beliebt und immer besucht. Zwischen Opernplatz und Freßgass in der Hochstraße gelegen, entwickelte sich diese vor über 20 Jahren noch schlichte Pizzeria zum ansehnlichen und doch immer noch rustikalen Treffpunkt. Scialpi könnte die beste Pizza der Stadt machen, wenn sie immer gleich ausfallen würde. Im Idealfall erlebt man sie so: Knusperzarter dünner Teig, der trotzdem so saftig-würzig ist, dass man sogar die Krusten-Enden gerne isst. Die Pizza Bunga mit Salsiccia Calabrese und Mozzarella hat Temperament und Finesse, die Pizza Diavolo mit Peperoniwurst ist noch würziger, aber nicht unbedingt besser. Neben einem enormen Qualitätsgefälle gibt es noch zwei Minuspunkte: Die Pizza wird nicht gut vorgeschnitten und muss mit Messer und Gabel nachgearbeitet und gegessen werden. Eine Pizza muss man aber aus der Hand essen können. Zudem wird der Belag meist etwas lieblos draufgeknallt. Das sieht nicht nur unschön aus, sondern lässt sich auch schwer handhaben, weil alles durcheinander rutscht. Die Pizza mit Tiroler Speck ist gut, man sollte nur auf Ruccola und alles andere verzichten. Puristen ziehen hier das Pizzabrot vor, es stört keinerlei Belag. Vielleicht lässt Eustacchio Scialpi endlich deutlich mehr Sorgfalt herrschen, Schnelligkeit ist nicht alles. Vor allem, wenn es zu Lasten der Qualität geht. Die letzte Diavolo-Pizza Ende Juli schmeckte wie eine schlechte Tiefkühlpizza – wir fühlten uns herzlich verarscht. Scialpi ist keine Billigpizzeria, zwei Personen werden mit zwei einfachen Pizzen und zwei Prosecchi nicht unter 40 Euro auskommen.

Pizza Spicy Chicken von Wolfgang Puck

Beliebt und billig ist Amalfi, die hektische Teigfabrik, in der man während der Wartezeit seinen Prosecco im Pappbecher schlürft. Tomaten-Käse-Pizza und Pizza Tito mit Tomaten, Speck, Spinat, Mozzarella sind hier preiswerter als überall, aber keineswegs schlecht. Das Zeremoniell an der Theke – links bestellen, rechts zahlen – ist eine wunderbare Studie der Wirrnisse, wie so vieles hier. Warum haben alle Pizzabäcker Kugelbäuche? Salvatore Rimonti kann sich enge T-Shirts leisten, denn sein Surfbrettbauch schlägt keine Wellen. Sollte bei ihm „Wegen Wind geschlossen“ an der Tür stehen, so weiß man, dass er wieder auf den Weltmeeren unterwegs ist, denn das Longboat-Surfen ist seit Jahrzehnten seine Leidenschaft, mit der er sich sogar schon für die Weltmeisterschaft qualifizierte. 1968 war „Salvatore“ noch eine Trinkhallen-Pizzeria, jetzt ist es eine möblierte Pizzeria; aus den 20 wurden über 80 Quadratmeter. Salvatore eröffnete etwa gleichzeitig mit dem damals nahe liegenden Musikclub Sinkkasten und bekam von dort auch einen guten Teil seiner Kundschaft. Zuvor hatte er als Barkeeper im Londoner Hilton und als Kellner im Schlosshotel Kronberg gearbeitet. Viele der alten Sinkkasten-Gäste kommen noch immer – damals Studenten, heute Professoren, Ärzte, Anwälte. Inzwischen finden noch mehr Junge, Schicke und Schöne zu Salvatore, da sein Lokal auf der Strecke zum Ausgehpflaster Hanauer Landstraße beziehungsweise dem Rückweg liegt. Die Pizza mit Mozzarella, Parmaschinken und Rucola ist ein schönes Stück von schlichter Lustbarkeit. Ein oft zu sehendes Gruppenerlebnis ist das zu später Stunde einsetzende Verputzen von Pizzabroten, deren Knoblauch offenbar mehr anregend als abschreckend wirkt. Der Begriff „Pizza“ leitet sich übrigens vom musikalischen „pizzicato“ ab, was so viel wie mit den Fingern gezupft, gerissen, gezwickt und gekniffen heißen kann.

In Frankfurt-Sachsenhausen ist die Pizza schon sehr lange zu Hause. Das über 35 Jahre alte Borsalino in der Kleinen Rittergasse zählt zu den Pionieren dieser Spezies. Die Pizzen werden mit Schmiss im Holzofen zubereitet, alle haben sie Saft und Kraft. Und sie besitzen auch etwas von dem stets freundlich lächelnden Pizzabäcker – eine heitere italienische Note. Die Pizza mit Südtiroler Speck ist ebenso gut, wie die mit Pancetta-Bauchspeck. Die Auswahl an bekannten und weniger bekannten Varianten ist enorm.

Kaum größer als ein Karton, doch Kult: Pizza-Petro in der Paradiesgasse gehört zu den Dinos des Genres. Beliebt ist diese schrumplige Italominiatur bei vielen Spätheimkehrern und Gastronomen. Der Teig ist dünn, knusprig und saftig zugleich. Dünngeschnittene Peperoniwurst, Salami, Schinken und Pilze sind jeweils für sich oder auch gemischt immer gut, schön und selten ist auch die Pizza mit türkischer Sucuk-Wurst. Der Wunsch „extra scharf“ wird mit einem milden Lächeln quittiert. Die Schärfe fällt angenehm würzig aus und lässt die Zunge nur leicht prickeln. Gewürzt wird die Pizza aber außerdem mit dem lebhaften Szeneleben von Alt-Sachsenhausen, wo mehr Merkwürdiges und Kurioses geschieht als an vielen anderen Orten der Stadt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 




Gastronomie: Mit Volldampf in die Krise

Auch gute Köche

machen Fehler

 

Die schnittige BISS-Kolumne

 

Es gibt keine bestimmten Krisenzeiten. Das Leben ist eine Dauerkrise. Auch für Hoteliers, Gastronomen und Köche. Aber sie reagieren panisch auf Sommerlöcher und andere schwache Zeiten. Und sie reagieren meist falsch. Jeder weiß, dass es nichts Schlimmeres gibt, als bei ausbleibenden Gästen die Preise zu erhöhen, obwohl es keine erkennbaren Verbesserungen als Gegenwert gibt. Ergebnis dieses kontraproduktiven Aktionismusses: Die Gäste bleiben erst recht weg. Im Grunde weiß dass jeder, und doch erlebt man dieses Szenario als die ewige Wiederkehr des Gleichen. Umgekehrt wird auch nichts daraus: Preise senken schafft kein Vertrauen in die Leistung und gibt nur das falsche Signal, dass es plötzlich doch billiger geht und vorher einfach zu teuer war.

Überhaupt nicht hilfreich, vor allem für gute Restaurants, sind billige Schlemmer-Wochen, All You Can Eat Angebote, Ein-Preis-für-Zwei-Offerten und ähnlicher Dumpfsinn. Solchen Ideen merkt man nur die Verzweiflung des Absenders an. Suche nach Sinnvollem sieht jedenfalls anders aus. Man stelle sich vor, ein Sterne-Koch böte plötzlich ein Menü à la All You Can Eat an? Viel besser wirkt es aber auch nicht, wenn renommierte Köche, etwa in Zusammenarbeit mit Mainstream-Medien der ohnehin fragwürdigen Art, gezielte Aktionen lancieren. Selbst gute und hochdekorierte Köche lassen sich leider immer wieder auf derartige Kuhhändel ein.

Es läuft meist nach dem gleichen Schema ab: Ein bekannter Koch soll ein Menü zusammenstellen, dessen Preis spürbar unter seinen sonstigen Menüpreisen liegt. Er geht auf das Geschäft ein, obwohl er zu allem Überfluss auch noch Prozente an das Unternehmen oder das entsprechende Journal zahlen muss. Um überhaupt auf seine Kosten zu kommen, kann sich der Koch aber nur unter Preis verkaufen, wenn er nicht so hochwertige Produkte verwendet, die Zubereitung weniger aufwendig gestaltet und die Portionen etwas kleiner fährt. Er wird also eher Pasta und Salat als Steinbutt und Trüffel auf die Teller bringen. Das wiederum hat zur Folge, dass die Billig-Gäste enttäuscht sind und sich wundern, warum der betreffende Koch einen Stern oder ähnliche Auszeichnungen hat. Am Ende ist der Koch frustriert, sind die Gäste unzufrieden. In das betreffende Restaurant werden sie jedenfalls nie wieder gehen. Dass solche Gäste augenscheinlich nicht zu der üblichen Klientel passen und das Gesamtbild atmosphärisch stören, kommt erschwerend hinzu.

Die Gastronomen füllen mit solchen Aktionen kurzsichtig gesehen ein paar Tische – aber mit den völlig falschen Besuchern. Mit Gästen, die glauben, man könne einen Porsche zum VW-Preis bekommen. Und dann nur einen Motorschaden hinterlassen.

Ludwig Fienhold

 




Ein letzter Drink mit Whitney Houston

Das intimste Konzert

ihres Lebens

 

Die Sängerin wäre am 9. August 50 Jahre alt geworden

 

Sie war immer die erste, die vom Tisch aufstand. Oft bockig wie ein Kind, das seinen Brei nicht essen will. Wir, eine Handvoll Journalisten, saßen in unmittelbarer Nähe und hatten jeden Abend Blick auf Whitney Houston und ihre Gesellschaft. Obwohl neben ihr der frisch angetraute Ehemann Bobby Brown sowie ein Dutzend anderer Gäste aus ihrer Entourage mit am Tisch saßen, wurde meist wenig gesprochen. Whitney stocherte auffällig gelangweilt in ihrem Essen herum. Sie hielt Messer und Gabel eigenartig verrenkt, als ob sich alle Gelenke dagegen sträuben würden. Wir alle tafelten im Windward Dining Room der SS Norway, die auf ihrer Kreuzfahrt zu den Karbik-Inseln St. Thomas, St. Martin und Puerto Rico in ruhigen Gewässern unterwegs war. Auf dem Entertainment-Schiff selbst schlug ein massives Unterhaltungsprogramm mit 80 Veranstaltungen am Tag hohe Wellen. Whitney Houston trat hier jedoch nicht auf und reiste auch nur als Passagier. Ein recht unauffälliger, im Benehmen und bei der Garderobe. Schwarz, Beige und Braun schienen ihre Lieblingsfarben zu sein, hin und wieder überraschte sie mit einem beherzten Dekollete.

Es war das Jahr 1992 als Whitney Houston den Höhepunkt ihrer Karriere erreicht hatte. In diese Zeit fielen einige entscheidende Ereignisse: Die Heirat mit Bobby Brown, der Film The Bodyguard mit Kevin Costner und ihr größter Welthit I will always love you. Auf dem Kreuzfahrtschiff machte Whitney Houston weder einen glücklichen noch unglücklichen Eindruck, schien sich aber wenig zu amüsieren. Wer nicht wusste, dass Bobby Brown ihr Mann war, hätte ihn auch für ihren Leibwächter oder Manager halten können, so neutral gingen beide in der Öffentlichkeit miteinander um. Bis dahin war Whitney Houston nur eine interessante Beigabe zu einer Kreuzfahrt, aber das sollte sich an einem späten Abend nach Mitternacht ändern.

Am vierten Tag der Kreuzfahrt waren zwei Kollegen und ich der Dauerbeschallung, den Modeschauen und Musicals und der grellen Shorts der meist amerikanischen Gäste überdrüssig und wählten unter den acht Bars die einzige aus, die leer war. Die Türen vom International Club standen offen, auf der kleinen Bühne waren nur noch die Mikrophone und andere Überreste einer Band zu sehen, die dort zuvor spielte. Wir hatten ein paar Dosen Bier dabei und freuten uns über die Ruhe. Plötzlich tauchte Whitney Houston auf, ohne Bodyguard und Bobby Brown, nur begleitet von zwei jungen Mädchen. Sie lächelte uns im Vorbeigehen kurz an und meinte, wir könnten ruhig bleiben. Man hätte uns auch schon heraustragen müssen, denn niemand von uns wäre jetzt freiwillig gegangen. Dennoch saßen wir sehr entspannt beisammen und gaben Whitney ungewollt das Signal, dass wir nicht lästig fallen würden. Solche wortlosen Abmachungen kann man nicht aushandeln, sie ergeben sich. Whitney ging allein auf die Bühne, die Anlage schien für sie zu einer Probe vorbereitet. Aus dem Stand heraus sang sie völlig unbegleitet und ohne Playback. Von der ersten Sekunde füllte ihre Stimme den Raum, eindringlich und seelenvoll, aber dabei so leicht und unbekümmert, als sänge sie allein in einer leeren Kirche. Whitney lächelte und schien zum ersten Mal während der Kreuzfahrt glücklich. Wir alle segelten gemeinsam auf einer großen Welle. Wenn es passte, applaudierten wir bedächtig – und Whitney bedankte sich freundlich. Einige der Songs kannten wir, andere nicht. Doch vor allem ein Lied war von einer ergreifenden Magie, beim Refrain And I will always love you wollten wir nicht einmal durchs Atmen stören. Niemand von uns Zuhörern kannte damals den Titelsong aus dem Film The Bodyguard, der erst später in die Kinos kommen und veröffentlicht werden sollte.

Nach einer guten halben Stunde sprach sich die Nachricht von Whitney Houstons Auftritt herum. Doch bevor noch mehr als Hundert der 2000 Passagiere aufkreuzten, entschwand sie mit schnellen Schritten. Es sollte das intimste Konzert bleiben, das Whitney Houston wohl je gab. Die Einzigartigkeit wurde durch ihren Tod endgültig.

Ludwig Fienhold