1

Braufactum: Bier für Weintrinker

Spannende Aromen

Delikater Schaum

 

Überschäumende Freude: Mit den Spitzenbieren von Braufactum können sich sogar passionierte Weintrinker anfreunden, weil sie vielschichtig, spannend und ungewöhnlich gut ausfallen. Inzwischen gibt es 44 Biere in der Kollektion, selbst gebraute und handverlesene aus aller Welt. Geschmack und Preis signalisieren: Das hier ist nicht unbedingt etwas für Willy und sein Schöppchen. Die Idee, anspruchsvolle Biere und gutes Essen zusammenzuführen, wurde noch nie zuvor so durchdacht und mit Qualitätsanspruch umgesetzt, wie mit der Gründung der Manufaktur Braufactum. Es gibt immer mehr Restaurants, die mit den Spitzenbieren zusammen abgestimmte Menüs anbieten.

Braufactum-Chef Marc Rauschmann

Die Biere von Braufactum schmecken ganz unterschiedlich nach gebrannten Mandeln, Karamell, Vanille, Schokolade, Whisky, Tabak, Quitte, Banane, Mango, Zitronengras, Sattelleder, Ingwer oder Kardamom. Keineswegs gewaltig und meist nur hauchzart, wobei selbstredend Malz und Hopfen je nach Sorte immer zu spüren sind. Manche Biere reifen mehrere Jahre im Holzfass und werden mit besonderen wilden Hefen und speziellen Hefen erzeugt, die den Terroir-Gedanken aufgreifen. Beim obergärigen Bitterbier Colonia von Braufactum wird zur Hopfung ausschließlich die seltene Hallertauer Hopfensorte Saphir eingesetzt. Andere Biere, wie das Isaac aus Italien, entstehen in Flaschengärung nach der Machart von Champagner. Oude Geuze aus Belgien reift bis zu drei Jahren teilweise in Riesling-Fässern und moussiert in brillanter Feinperligkeit. Das Spektrum ist gewaltig, sensorisch sehr aufregend und gerade für Köche anregend

Supernase und Zirkusgastronom Hans-Peter Wodarz konnte sich für die neue Bier-Generation ebenso begeistern, wie Sterne-Koch André Großfeld vom gleichnamigen Restaurant im hessischen Friedberg. Die Orangerie im Hotel Nassauer Hof in Wiesbaden war eines der ersten Restaurants, das Braufactum entdeckt hatte. Zum feinen Rauchweizen-Bier Roog gab es trocken gereiften und über Torf gegrillten Ochsenrücken mit Speckbohnen, Orangenlinsen und Lauchrösti. Das Rauchweizen-Bier von Braufactum fällt deutlich eleganter als die herkömmlichen aus, ohne an Charakter zu verlieren, und ist ein kongenialer Begleiter zu einem solchen Gericht.  Auf der Vorstandsetage im Frankfurter Opernturm, in fast 170 Metern Höhe, servierte jetzt Braufactum ausgesuchte Biere zu exquisiten Happen, die perfekt harmonierten. Zur gebackenen Ciabatte-Garnele mit Serranoschinken gab es Progusta von Braufactum, dessen Zartbitterton hervorragend zur delikaten Räuchernote der Schinken-Garnele passte. Zum Tuna Sashimi mit Sezuanpfeffer und Pomelosalat kann man sich manche Weine vorstellen, doch das frisch und crispy ausfallende Brooklyn Sorachi Ace paart sich mit exotischen Aromen und milder Würze ebenso gut wie ein knackig-duftiger Riesling.

Garrett Oliver

Eines der besten Biere von Braufactum ist Marzus – man erlebt Karamellmalz und dunkle Schokolade in besonders delikater Form. Eine gratinierte Taubenbrust mit Schwarzbrot und roter Zwiebelmarmelade, wie im Opernturm serviert, macht daraus eine umwerfend gute Kombination. Verantwortlich für die Küche waren Daniel Schmitt und Egbert Engelhardts Consortium  – Engelhardt betreibt das Lunchrestaurant im Opernturm, die beiden lustvollen Rheingau-Lokale Im Baiken und Anleger 511 und hat die Spitzenprodukte (Bratwurst, Frikadelle etc.) der 11. Generation entwickelt.

Winzer gibt es viele bekannte in der Welt, aber Braumeister? Garrett Oliver ist einer der ganz wenigen, die mit diesem Beruf zu einem ungewöhnlich hohen Bekanntheitsgrad gelangt sind, ein amerikanischer Bier-Experte mit Talk-Show-Erfahrung, der seine Sache eloquent vertritt. Oliver tourte durch Deutschland und tischte seine Biere im Vau in Berlin und anderen guten Restaurants auf. Marc Rauschmann, der Initiator und Leiter von Braufactum in Frankfurt, reist als Bier- Scout um die Welt und entdeckt neue Produkte oder spezielle Hopfensorten. Basis seiner Arbeit waren alte deutsche Rezepturen, die er ausgrub und modifizierte.

Die Spitzenbiere werden nicht aus Humpen oder normalen Biergläsern getrunken, sondern aus einem eigens entworfenen Glas, das einem Weinglas ähnelt. Marc Rauschmann, der im Bereich Brauereitechnologie über „Ultrafiltration“ promovierte und zudem Wirtschaftsingenieur ist, richtet sich mit seinen Produkten an anspruchsvolle Genusstrinker, die zudem vielleicht eher zu Weinen tendieren, mit solchen Bieren aber wieder zurückgewonnen werden können. Vom süffigen amerikanischen Aperitif-Bier Sorachi Ace von der Brooklyn Brewery bis zum gehaltvollen italienischen Dessert-Bier Xyauyù von Baladin bietet das Braufactum-Sortiment eine tiefgreifende und vielseitige Palette, die Anlass zu einer eigenen Bierkarte geben könnte. Das Drei-Sterne-Restaurant Eleven Madison Park in New York hat nicht nur eine gigantische Weinkarte, sondern bietet zudem über 100 verschiedene Biere an. So etwas wünscht sich Marc Rauschmann von Braufactum auch für die übrige Welt.

Ludwig Fienhold

 

 

Die nächsten Events mit Braufactum

 

24. April, 19 Uhr: Scheck-in-Center, Frankfurt, Ferdinand-Happ-Str. 59, Tel. 069 94 94 76 30. Menü (Tapas, Schweinekrustenbraten, Dessert) inklusive Biere und Wasser 25 €. Kartenverkauf an der Infokasse des Marktes. www.scheck-in-center.de

17. Mai, 19 Uhr: Orangerie, Wiesbaden, Tel. 0611 1330, 4 Gänge-Menü mit begleitenden Bieren 59 €. www.nassauer-hof.de

Die Biere von Braufactum kosten zwischen 2,99 und 35 €.  www.braufactum.de

 

 

 Bilder: Andreas von Grabowiecki




Neues Lokal: Allgaiers statt Gargantua

Klassische Küche

großer Weinkeller

im feinen Westend

 

Zwei Jahre stand das ehemalige Restaurant Gargantua in der Liebigstraße im Frankfurter Westend leer, jetzt soll dort ab 1. Juli  wieder Leben einziehen. Allgaiers wird das neue Lokal heißen, nach dem Namen von Stefan Allgaier, der in Kronberg den Grünen Wald und die Grüne Gans betreibt. Außer dem Platzhirsch Erno´s Bistro existiert hier kein anspruchsvolles Lokal in dieser exponierten Lage.

Stefan Allgaier

Die Küche soll nach den Worten von Stefan Allgaier deutsch-französisch ausgerichtet sein, verantwortlich ist Max Traue. Der 24 Jahre alte Frankfurter arbeitet derzeit noch im Grünen Wald in Kronberg und hat sich dort mit klassisch fundierter Küche profiliert (etwa gefülltem Ochsenschwanz in Spätburgunderjus). Auch für Frankfurt wird eine frische, unkomplizierte und herzhafte Küche im mittleren Preissegment angestrebt. Neben Speisen à la carte offeriert das neue Allgaiers zwei Weinmenüs. Eine täglich wechselnde Mittagskarte mit Gerichten zwischen 10 und 15 Euro soll die Lunchgemeinde in dieser Gegend einfangen. Abends werden sich die Preise zwischen 8 und 15 Euro (Vorspeisen) sowie 17 und 25 Euro (Hauptgerichte) bewegen. Statur will man mit einer Weinkarte von 300 Positionen sowie einem großen Angebot an offenen Flaschen zeigen. Stefan Allgaier offenbart schon über viele Jahre im Grünen Wald seinen ausgeprägten Hang zur Weinwelt, in Frankfurt wird er als Sommelier den Service im neuen Restaurant gemeinsam mit Achim Subtil führen. Stefan Allgaier war auf das leerstehende Lokal durch einen Artikel in der Biss-Zeitung vom Juli letzten Jahres aufmerksam geworden und konnte sich schnell für diese noble Adresse begeistern. Seinen Grünen Wald wird er verkaufen, die Grüne Gans in Kronberg weiter betreiben.

Das neue Lokal Allgaiers in der Liebigstraße Nr. 47 will nicht formell im Auftritt sein und ohne Tischwäsche auskommen. Dazu passen auch die Parkettböden aus getoasteter Eiche. Das Lokal soll eine Ausstattung bekommen, die moderne und antike Ausstattung verbindet. Dabei werden schöne alte Schränke eingesetzt, wie man sie im Grünen Wald in Kronberg sehen konnte. Auch silbernes Besteck aus den Zeiten des Sonnenhofs in Königstein (heute Villa Rothschild), den die Familie Allgaier ja viele Jahre betrieb. Das neue Restaurant Allgaiers in Frankfurt wird 45 Plätze haben, plus 25 auf der efeuumrankten Terrasse, die jedoch eventuell um weitere 20 Sitze erweitert werden kann.

Ludwig Fienhold

 

Die Geschichte des Hauses

 

Zuvor residierte in der Liebigstraße 47 der inzwischen verstorbene Klaus Trebes mit seinem Gargantua. Der schöne Stilaltbau wurde im Jahr 1880 in der Tradition des Spätklassizismus erbaut. Er bietet Wohnfläche auf 4 Etagen sowie einen Restaurantbereich im Erdgeschoss. Zum 130 qm großen Restaurant gehört eine Terrasse (38 qm) mit üppig überwachsener Pergola. Der Lagerkeller ist 49 qm groß. Derzeit wird das Haus noch saniert und durch einen Anbau erweitert.

Das Haus in der Liebigstraße hat gastronomisch immer wieder von sich reden gemacht. Mitte der 80er Jahre zunächst schlecht als Restaurant Le Medi, in dem ein japanischer Koch vergeblich sein Glück suchte. Das Lokal floppte, dann zog 1986 Wilfried Abels dort ein, damals ein stadtbekannter Kreativer. Bis dahin war er Werber, Maler, Fotograf und Buchautor, dann wurde er auch noch Gastronom. Wie es seiner Art entsprach, gestaltete Abels das Restaurant leicht exzentrisch – so gab es beispielsweise Spiegel auf Kopfhöhe in den hohen Stuhllehnen. Sonst machte das Lokal mit dem teuersten Frühstück der Stadt auf sich aufmerksam, über dessen 70 Deutsche Mark wir heute lächeln dürfen. Der kulinarische Start war holprig, bis Abels den japanischen Koch gegen ein junges Talent einwechselte: Samy Elzein. Der konnte kochen, zudem gab es ein fulminantes Käsesortiment von über 60 Sorten. 1994 zog dann schließlich Klaus Trebes in die Liebigstraße. Küchenchef Samy Elzein, inzwischen Mohamed Elzein, machte sich in Wiesbaden mit seinem Estragon selbständig und kocht heute noch teilweise in der Orangerie in Darmstadt. Wilfried Abels alias W.A. de Bolgherese lebt nach vielen Jahren in Spanien als Maler und Fotograf in der Toskana und in Groß-Umstadt im Odenwald in der Nähe von Frankfurt.

LF

 

 




Schöner Spuk
Warum das Grand Hotel
Heiligendamm gespenstisch
bleiben wird

Von Ludwig Fienhold

Vor dem kniehohen Zaun am Hotel-Ensemble stehen Gaffer, die wie Touristen aus einer Haderer-Karikatur gekleidet sind: „Da wohnen die Reichen“, meinen sie abschätzig und weit mehr abgrenzend als es der Gartenzwergzaun sein könnte. Das Grand Hotel Heiligendamm wird besichtigt, als würde dort Ex-Bundespräsident Wulff residieren. Es stehen zwar keine Protestler mit Tröten davor, doch der Argwohn vieler Beobachter ist offensichtlich. Ähnlich wie Schloss Bellevue hat auch das Hotel Heiligendamm gelitten, das nicht nur um Gäste, sondern auch um die Akzeptanz des Umfelds ringen muss. Die Schwierigkeiten der exklusiven Hotelanlage liegen am falschen Konzept und seiner speziellen Location – genau genommen ist das Grand Hotel Heiligendamm der weiße Elefant in einer grauen Welt.

Es konnte nicht gut gehen, dass ein solches Luxushotel in einer Gegend errichtet wurde, die eher bescheiden bis ärmlich erscheint und einfach nicht mitwachsen will. Die Gäste selbst können sich so nicht wohlfühlen und erleben ihre Situation wie in einem Ghetto. Das Nobelhotel wirkt wie ein Schloss in Berlin-Marzahn, aber wer will schon als Prinz zwischen Plattenbauten leben? Durch den jetzigen Konkurs wird Heiligendamm vielleicht endgültig zum Spukschloss.

Das Grand Hotel Heiligendamm an der Ostsee wird es auch weiterhin mehr als schwer haben und kann mit dem jetzigen Konzept und Umfeld nicht gewinnen. Die Ostsee hat als Destination kein gutes Image, schon gar nicht bei dem Publikum, das mit dem Grand Hotel Heiligendamm angesprochen wird.  Dieser Teil der Republik muss nach wie vor gegen einen schlechten Ruf ankämpfen, denn er steht eher für spröde und billig als für charmant und luxuriös. In einer solchen Region ist es doppelt schwer, Flair entstehen zu lassen und mit Weltklassehotellerie zu werben. Wer reist, will etwas zu erzählen haben. Man kann von der Karibik oder den Malediven schwärmen, selbst noch vom längst gesellschaftsfähigen Sylt. Doch man vermag nicht unbedingt beim Gedanken an die Ostsee ins Schwärmen zu geraten.

Das Grand Hotel Heiligendamm liegt isoliert und ist mühsam zu erreichen, da hilft auch der Shuttle-Service zwischen Rostock und Bad Doberan wenig. An der Uferpromenade stehen noch immer zu viele Ruinen, die das Bild trüben. Der ganze Auftritt ist problematisch. Das Haus gibt sich wie ein edles Stadthotel, müsste aber ein nonchalantes Urlaubsdomizil sein. Das Formelle kommt auch in den steifen Uniformen des Personals und deren Habitus zum Ausdruck – Feriengefühl erfordert aber eine saloppe Grundstimmung und Gangart. Personal und damit auch die Gäste wirken nicht entspannt. Der häufige Direktorenwechsel belegt die nervöse Stimmung. Kempinski stieg 2009 als Managementgesellschaft aus, weil sie mit dem Betreiber in Person von Anno August Jagdfeld keine gemeinsame Strategie entwickeln konnte. Manko waren bislang auch zu viele junge, unerfahrene und nicht optimal geschulte Mitarbeiter in allen Bereichen. Die von Anfang an instabile Lage motivierte die 300 Mitarbeiter keineswegs ausreichend, die ständig um ihre Jobs bangen mussten.

Der G8-Gipfel im Jahre 2007 machte das Hotel weltberühmt und brachte kurzfristig Aufmerksamkeit. Dann verschwand Heiligendamm wieder für viele aus dem Blick. Die Jahresauslastung erreichte nie die 60 Prozent, sondern lediglich 44 bis 50 Prozent, im Winter kamen stets nur wenige Gäste. Jetzt fehlen rund 30 Millionen Euro, man hofft auf neue Investoren, der Betrieb läuft weiter. Der noch amtierende Geschäftsführer Anno August Jagdfeld macht der Kommune schwere Vorwürfe, weil sie die Hotelanlage mit der Eröffnung im Jahre 2003 zum öffentlichen Gelände erklärt habe und damit Scharen von Spaziergängern und Radfahrern den Weg ebnete. Die geringfügige Umzäunung hat dies kaum eindämmen können, hält aber ein wenig auf Distanz. Dennoch stoßen hier zwei Welten aufeinander, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben möchten.

Dabei hat das blütenweiße Ensemble am Meer einiges zu bieten. Die erhabene Gelassenheit der Architektur und das aufbrausende Meer gehen eine ungewöhnlich schöne Verbindung ein. Attraktive Zimmer, gutes und vor allem langes Frühstück, ein Spitzenrestaurant und eine angenehm kultivierte Zigarren-Bar in der Burg Hohenzollern sind erhebliche Pluspunkte. In den windgeschützten Strandkörben perlt der Champagner, auf der großen Freiterrasse kommt man leicht in Feierstimmung.

Küchenchef Ronny Siewert

Im Gourmet-Restaurant Friedrich Franz herrscht zwar mitunter Flüsteratmosphäre, doch die Küche von Ronny Siewert macht gute Laune: Haute Cuisine mit regionalen Kicks. Die gebratene Gänsestopfleber ist ein Musterbeispiel an Produktqualität und Handwerklichkeit. Die perfekt zubereitete Leber zeigt extrem sauberem Anschnitt und ist prall und fest. Die ausdrucksvolle orientalische Gewürzjus begleitet nicht nur so nebenbei, sondern hebt sie. Petersilienwurzelmousse und leicht marmeladiger Granatapfel setzen zusätzlich Akzente. Die lauwarmen Krebse mit fruchtigen Gurken und essbaren Landschaften sind von einer heiteren Duftfülle, wobei jedes Detail prononciert ineinandergreift. Die als „Essbare Landschaften“ bekannten Wildkräuter und Blüten sind auch der Firmenname von Koch Ralf Hiener aus dem Schwarzwald und dem Gärtner Olaf Schnelle aus Thüringen, die sich als Lieferanten für kreative Restaurants einen Namen gemacht haben. Als hoch verfeinertes Regionalgericht haben wir den geräucherten Ostsee-Aal in guter Erinnerung, mit luftigem Lachskaviar-Rührei, Meerrettichschaum und einem Boden aus glasierten, dünnen Apfelfilets vom Granny Smith. Die imponierende Bresse-Taubenbrust mit einer Reduktion und wunderbar konzentriertem Trüffelgeschmack – sowie Rotkohlmousseline und Schaum von gebräunter Molke – offenbart große Klassik. Der Michelin quittierts mit einem Stern, der Gault Millau vergibt 17 Punkte.

Die vielen gute Leistungen im Bereich Food & Beverage und die spannende Optik werden das Grand Hotel kaum überleben lassen, die Chancen bleiben gering. Vielleicht droht das gleiche Schicksal wie den legendären Schweizer Stuben in Wertheim, vielleicht wird eine Senioren-Residenz daraus. Trotz seiner geradezu unwirklichen Schönheit wirkt „Die weiße Stadt am Meer“ gespenstisch – als hätte es hier nie Leben gegeben.

 

Grand Hotel Heiligendamm, Prof.-Dr.-Vogel-Straße 6, Bad Doberan – Heiligendamm, Tel. 038203 740-0. Zimmer ab 190 €, Menü mit 4 Gängen 105 €, mit 6 Gängen 145 €.  www.grandhotel-heiligendamm.de




Restaurant Rochaden

Daniel Michael Cornelius tritt im April die Nachfolge von Jan Cornelius Maier im Biancalani in Frankfurt an, das zu den besten italienischen Restaurants in Frankfurt zählt. Der 36 Jahre alte Koch hat eine ziemlich interessante Laufbahn genommen: Medizin- und Pharmaziestudium, Ausbildung zum Koch, Erfahrung in der Sternewelt, Chef de Cuisine und Geschäftsführer in guten Häusern. Stationen: Falconera, Bodensee (17 Punkte Gault Millau, 1 Stern Michelin); Alte Schule Fürstenhagen (15 Punkte Gault Millau, 1 Michelin-Stern); Privatkoch für Weltwirtschaftsforumsteilnehmer in Davos; Monkeys, Düsseldorf (16 Punkte Gault Millau, Anwärter auf einen Stern im Michelin). Jan Cornelius Maier, der fünf Jahre lang sehr gute Arbeit im Biancalani und danach in dem neuen Schwesterrestaurant A Casa di Tomilaia leistete, zieht es in die USA. An der generellen italienisch geprägten Ausrichtung der beiden Lokale wird sich nach den Worten von Spiritus rector Tom Bock nichts ändern.

Farrokh Okhovat-Esfehani ist am 1. April als Küchenchef von der Osteria Enoteca in Frankfurt Rödelheim in die Villa Philippe nach Kronberg in den Taunus gewechselt, wo er bereits zuvor schon am Herd stand. Er will dort eine mediterrane Küche mit orientalischen Anklängen etablieren, wie er sie von seiner persischen Mutter erlebt hat. Die neue Speisekarte wird ab 10. April präsentiert, daneben existiert noch eine weitere mit Klassikern à la Forellenfilet und Wiener Schnitzel. Die Osteria Enoteca von Roland Brzezinksi, in der Farrokh nach dem Abgang von Carmelo Greco Küchenchef war, schließt nach 18 Jahren.

Elena Weber wird neue Restaurantleiterin im Frankfurter Restaurant Micro von Spitzenkoch Mario Lohninger. Dort arbeitete sie bereits, zuletzt aber im Design-Hotel Roomers in Frankfurt. Die bisherige Chefin Barbara Berger geht als Restaurantleiterin ins Fährhaus Munkmarsch nach Sylt.

Björn Zimmer heißt ab Juni der neue Sommelier vom Restaurant Zarges auf der Frankfurter Freßgass. Dort wird ja nicht nur gegessen, sondern auch gut getrunken. Zumindest bei Zarges, wo es eine der besten Weinkarten der Stadt gibt. Der 31 Jahre alte Weinspezialist Björn Zimmer arbeitete unter anderem bislang im Lido und im Dado in Düsseldorf.

 

 




Der neue 3-Sterne-Star aus Frankreich

Alpen-Koch Emmanuel Renaut aus Megève

 

Von Jörg Zipprick

Der neue Michelin krönt den Alpenkoch Emmanuel Renaut vom Restaurant Flocons de Sel in Megève mit dem dritten Stern. Das geht in Ordnung. Sonst darf man beim Guide Rouge auch wegen der neuen Preispolitik wirklich Rot sehen.  

Frankreich hat ein neues Drei-Sterne Haus: Flocons de Sel heißt es, also Salzflocken, und liegt in Megeve, sein Küchenchef ist Emmanuel Renaut. Megève, der Skiort, wo einst Marc Veyrat für Furore sorgte, wirkt wie eine winterliche Version von Saint-Tropez. Wer da unten eine Yacht hat, sollte hier oben ein Chalet besitzen. Mindestens. Megève, das ist eine Postkartenlandschaft im Schnee, mehr oder minder im Schatten des Montblanc.

Restaurant Flocons de Sel

Als der dritte Stern kam, sagt Renaut, da hätte er zunächst mal weinen müssen. Und dann wäre er zu einem langen Spaziergang aufgebrochen. Ein wahrer Tränenstrom sollte es nicht gewesen sein, schließlich galt er seit dem vergangenen Jahr als Favorit, eine bedeutende Wochenzeitung hatte seine neue Michelin-Wertung schon vor 14 Tagen vorher gesagt und überhaupt waren einige Resultate, wie die zwei Sterne für das Shangri La, das Mandarin Oriental und das Mirazur des jungen Kochs Mauro Colagreco schon vor Tagen durchgesickert.

Der heute 44 Jahre alte Emmanuel Renaut lernte bei Marc Veyrat. Es ist sein Verdienst, dessen molekularen Nonsens wieder in den Apothekenschrank verbannt zu haben, um sich den Zutaten der Region zuzuwenden. Seine Küche lernte ich vor gut zehn Jahren erstmals kennen, damals war Flocons de Sel  noch ein bescheidenes Haus im Zentrum mit einem Namenszug in Kinderschrift über der Tür. Damals servierte er Topinambur mit Artischockenbouillon, Gewürznelken und Trüffeln oder die Flusskrebse in Maisjus mit Koriander. Das getrocknete Rindfleisch stammte vom Bauern Joseph Socquet, einem Nachbarn. „Und weil ich immer weniger Meeresfische auf die Karte setze, kommen Forellen und Felchen und Hechte von einem Flussfischer aus Lugnin. Eric Jaquier mit seinem winzigen Boot beliefert mich regelmäßig mit Gutem aus unseren Gewässern.“ Renaut war der Senkrechtstarter von Megève, in Sachen Küche schon ganz weit oben. Ein paar Jahre später wurde auch sein Lokal größer, schöner, prächtiger. „Hier in Megève muss man den Leuten etwas bieten“ meinte er damals schüchtern lächelnd.

Auch heute noch ist Renaut immer dann am Besten, wenn er die Schönheit in der Schlichtheit sucht, etwa bei den gebratenen Jakobsmuscheln mit Butternut-Kürbis, Piemont-Haselnüssen und Lauch oder beim Kalbsbries mit grauen Schalotten, Waldpilzen und „Gratin Savoyard“. Der Fisch aus dem Genfer See von Jacquier ziert nach wie vor die Karte.

Kurz: Ich mag Renauts Küche. Gerade dieser Koch hätte sich in den nächsten Jahren noch bedeutend steigern können. Darauf werden die Genießer jetzt wohl verzichten müssen: In Frankreich bildet der dritte Stern des Michelin traditionell das Totenglöckchen für jede Art von Kreativität; der Herr am Herd widmet sich fortan der Besitzstandswahrung und neuen Werbeverträgen.  Nun denn, es sei ihm gegönnt.

Abseits der Spitzenklasse ergoss sich ein wahrer Sternenregen über Frankreich. Zehn neue „Zwei Sterner“, 58 neue Sternelokale! Wer da als Koch keinen abbekommen hat, der muss eigentlich selbst schuld sein: Das Cordeillan Bages bei Bordeaux, verlassen von seinem Küchenchef Thierry Marx? Es behält seine zwei Sterne. Das neue Lokal von Thierry Marx in Paris? Bekommt auch zwei Sterne. (Die alte Frage, ob die Sterne nun dem Koch oder dem Restaurant gehören durfte damit zur Freude beider gelöst sein.)

Flocons de Sel, ein Restaurant mit Betten

Gerade Thierry Marx war in Paris bei allen seriösen Chronisten von „Le Monde“ bis „L’Express“ durchgefallen. Gespottet wurde zunächst  über den Namen des Restaurants: „Sur mesure“ heißt „nach Maß“, doch Maßarbeit sucht man vergebens, ein Menü für alle heißt die Devise. „Bei diesen Preisen erwartet man, dass er den Mond vom Himmel holt“ schrieb Francois-Regis Gaudry vom L’Express „doch wir mussten uns mit einem gemächlichen Tiefflug begnügen.“ Auch Gerichte wie die falschen Erbsen, ein paar echte Gemüse, gemixt mit Zusatzstoff-Bällchen mit Erbsenaroma, sorgten in der Hauptstadt eher für Lacher.

Mit einer aufwendigen Image-Kampagne und vielen, vielen Einladungen rettete die Mandarin Oriental-Gruppe den Ruf von  Marx zumindest in der ausländischen Presse. Pariser hingegen wissen, dass für diese Preise anderswo Besseres geboten wird, etwa im „Shangri La“, wo der bewährte Philippe Labbé für seine Gäste gelegentlich sogar echten Wildlachs auftreibt. Die Wahl zwischen Wildlachs und „Tzatziki-Sphären“ fällt mir persönlich nicht schwer.

Les Crayères

Die anderen, neuen zwei Sterne Restaurants wie Les Crayères in Reims, Tartarin in Le Havre, Mirazur in Menton oder das Strato in Courchevel sind seit jeher vollkommen zu Recht Lieblinge der französischen Gastronomiepresse, der Michelin hinkt hier der herrschenden Meinung hinterher. In der „Ein-Sterne-Klasse“ dominiert eine Welle von Comebacks: Das Bacon in Cap d’Antibes, das Rendez-Vous de Chasse in Colmar, die Ferme Saint-Siméon in Honfleur und viele andere, sie alle fanden ihre Sterne wieder. Gerade in der Hauptstadt Paris wollte der rundlich behäbige Bibendum (das Reifenmännchen) sich nicht mehr von anderen Guides die Butter vom Brot nehmen lassen. Sterne gab es für gerade erst eröffnete  Lokale wie Kei, das umstrittene Akrame und das Cobéa. Während bei Kei souverän aufgekocht wird, hätte es ein Viertelsternchen für die anderen beiden auch getan.

Abschließend schlug die Stunde des Eigenlobes: „In 10 Jahren“ so hieß es „habe die Zahl der Sterne um 16% zugenommen“. „Qualität und Freude am Geschmack seien im Aufwind“. Frankreich-Reisende werden das, besonders in den teuren Sternerestaurants, zuweilen anders empfinden. Rein subjektiv erscheint mir der vermeintliche Aufschwung in Sachen Qualität mehr wie ein laues Lüftchen.

Alain Chapel

Im Februar 2012 etwa meldete das einst legendäre Restaurants Alain Chapel in Mionnay, bewertet mit zwei Sternen im Guide Michelin, Konkurs an. Zuletzt arbeiteten hier Philippe Jousse, ein langjähriger Mitarbeiter des Meisters, sowie Chapels Söhne. Die Küche war über die Jahre erstklassig geblieben. Der Konkurs dieser Institution zeigt nicht nur, dass Qualität sich nicht  immer auszahlt, sondern auch, dass Genießer eben nicht mehr kilometerweit den Sternen nachreisen. Im Falle des „Alain Chapel“ motivierten die zwei Sterne des großen roten Guides nicht einmal die zahlungskräftigen Genießer aus dem 23 Kilometer entfernten Lyon.

Kurz: Nicht die Qualität hat sich gesteigert, der Michelin hat seine Kriterien revidiert. In einer Zeit, wo Köche mit „Koch-Philosophien“ hausieren gehen wird die Qualität der Zutaten zweitrangig. Da muss niemand mehr so genau hinschmecken. Hauptsache, die Tellerchen sehen schön aus.

 

Der Michelin bittet zur Kasse

 

Vielleicht hat der Sternenregen jedoch auch mit dem neuen Geschäftsmodell des Führers aller Führer zu tun: In Kürze werden Köche an den Michelin France mit 69 Euro pro Monat, also 828 Euro pro Jahr, zahlen dürfen. Offiziell sollen sie damit ihre „Sichtbarkeit auf dem Internet verbessern.“ Diese Neuerung wurde von der Direktion des Guide den Köchen und Restaurantbesitzern Dominique Loiseau, Anne-Sophie Pic, Alain Ducasse, Joel Robuchon, Marc Haeberlin und Christian Têtedoie im Januar 12 bei einem Meeting im Pariser Hotel Plaza-Athénée vorgestellt.

Bei 4.457 Hotels und 4.289 Restaurants im Guide France kommt so ein hübsches Sümmchen zusammen. Ein Geldsegen, der bitter nötig erscheint: Schließlich ist die verkaufte Auflage laut Livre Hebdo, dem französischen Fachmagazin für den Buchhandel, auf 107.000 Exemplare gefallen. Vor zehn Jahren, als es 15% weniger Sterne gab, die aber in vielen Fällen noch für Qualität standen, sollen es 500.000 Exemplare gewesen sein.

Damit nicht genug: Auch vom Michelin nicht ausgewählte Restaurants dürfen künftig ihre Sichtbarkeit verbessern und die Jahresgebühr an Bibendum überweisen. Nutzer der Website können, wie schon heute, ihre Kommentare und Wertungen hinterlassen.

Kein Wunder, dass die befragten Spitzenköche ein Amalgam zwischen der Michelin-Auswahl und erkaufter Werbung befürchten. Die Fachzeitung „L’hôtellerie“ druckte den Kommentar von Joel Robuchon. „Wenn das schief geht, ist es für Euch vorbei und für uns vorbei.“

Anlass zur Freude war das neue Geschäftsmodell jedoch bei spezialisierten Agenturen, deren Mitarbeiter hauptberuflich derzeit Bewertungsportale  wie Tripadvisor manipulieren. Diese Werber bieten in Paris bereits „positiven Buzz durch Follow-up gegenüber einflussreichen Bloggern“, demnächst dürfen auch die freundlichen Kommentare auf dem Michelin-Portal angeboten werden.

Die betroffenen Köche können also ruhig schlafen und künftig ihren Monatsbeitrag an Michelin überweisen. Sie wissen: Wer zahlt, der hat das Sagen. Und das gilt immer öfter auch für die Medienbranche.

 

 

 

 

 

 




Margarete hat eröffnet

Das neue Lokal in der Frankfurter Altstadt

 

Endlich ist Margarate da. Das neue Lokal in der Braubachstraße will die gastronomisch träge Altstadt beleben. Margarete ist glamourfrei und gefällt durch große Natürlichkeit. Viel Holz und blanke Tische geben einen lässigen Ton an, Zwanglosigkeit soll ein Grundmotiv sein. Raumhöhe, freie Deckenrohre und große Fensterfronten vermitteln Loft-Charakter. Nur mit der blitzenden Kupferfront beim Thekenbereich und Küchenpass hat man sich ein wenig Schick geleistet. Das Lokal ist eher spartanisch und dezent rustikal, wegen der direkten räumlichen Verbindung zum literarischen Salon daneben und dem Sitz des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels im Haus könnte man auch von einer Kulturkantine sprechen. Die als Vorlage für den Namen dienende Innenarchitektin Margarete Schütte-Lihotzky ist die Erfinderin der sogenannten Frankfurter Küche, die in den Zwanziger Jahren als Mutter der Einbauküche entwickelt wurde und Handlungsabläufe optimieren sollte.

Was bieten Küche & Keller? Die Karte ist mittags und abends sehr schlank gehalten, was gerade in der Aufbauphase richtig ist und der Küche Luft verschafft. Ein Stil wird sich noch entwickeln, derzeit passt alles unter das Dach der neuen deutschen Küche, mit traditionellen Deftigkeiten und verfeinerter Bodenständigkeit. Es gibt eine Handvoll Gerichte, derzeit zwischen 7.50 und 18 Euro (mittags) sowie 18 bis 36 Euro (abends). Suppen und Eintöpfe passen gut zum Ambiente und können flink serviert werden. Im Angebot stehen einfache und ordentliche Tellergerichte, etwa samtige Sauerkrautsuppe, dicke Gulaschsuppe mit Crème fraîche und der heiter beschwipste Hühnchenklassiker Coq au Vin mit Risotto und Zitrone. Das zarte Lamm mit Topinambur, Grapefruit und Liebstöckel zeigt schon mehr die Qualität der Küche, die ganz bedächtig beginnen möchte und noch Kapriolen meidet. Besonders gut haben uns die Desserts gefallen, Apfel-Crumble mit Zimtblüte und die geräucherten Hutzelfrüchte mit Milchschaum, Pekanuss, Parmaschinken und Käse. Die Küche wird von Ronny Bolz und Luka Spaniol Simunelic geleitet, die zuvor beide in Spitzenrestaurants gearbeitet haben. Ronny Bolz wurde vom Gourmet Guide Gault Millau wegen seiner erstklassigen Desserts zum Patissier des Jahres 2010 gekrönt, als er in der Villa Rothschild in Königstein arbeitete. Danach avancierte der 26 Jahre alte Süßspeisen-Spezialist zum Souschef im Spitzenrestaurant Bean & Beluga in seiner Heimatstadt Dresden. Kompagnon Luka Spaniol Simunelic arbeitete zuvor in den Frankfurter Toprestaurants Cyrano, Tigerpalast und Villa Merton.

Simon Horn

Auf der Getränkekarte zeigt man ebenfalls eine persönliche Note. Das beginnt schon bei den Softdrinks und dem leckeren Biokräuteraufguss Lemoncrazy, der von einem taufrischen jungen Frankfurter Unternehmen aus Nanaminze, Zitronengras, Limettenblättern, Zitronenthymian und Zitronenmelisse hergestellt wird. Beim Apfelwein setzt man auf die Kelterei Uhl aus Rodenbach und deren knackfrischen Schoppen, Biertrinker stoßen auf den bewährten Schlappeseppel aus Großostheim. Das Weinsortiment darf ruhig noch wachsen, bietet aber einige gute Tropfen. Der Rheingauer Riesling Eins Zwei Dry von Leitz ist ein saftig-frischer Frühlingsbote. Sympathisch, dass fast alle Weine glasweise zu haben sind (0,1 l und 0,2 l mit Preisangabe). Die Rum- und Whisky-Auswahl ist gut, doch vor allem die herausragenden Destillate der Edelobstbrennerei Stählemühle in Eigeltingen in der Nähe vom Bodensee sind ein Erlebnis. 33 Erzeugnisse stehen parat, darunter Schnapsbirne im Kastanienfass, Maiwipfelgeist von frischen Fichtensprossen und Konstantinopler Apfelquitte. Christoph Keller, der in Frankfurt einst einen Kunstbuchverlag betrieb und seit fünf Jahren alle wichtigen Preise der Branche abräumt, ist auch bekannt für seinen Monkey 47 – für uns der beste Gin der Welt.  

Apfel-Crumble mit Zimtblüte

Das Lokal Margarete ist von 7.30 Uhr bis in den späten Abend geöffnet, die Küche will sich bis 23 Uhr bereithalten, wobei auch danach noch Kleinigkeiten zu haben sein werden. Das lebhafte Restaurant bietet mittags keine zweite Trautsamkeit, die Gäste sitzen an langen Holztischen, ähnlich wie in den bekannten Frankfurter Apfelweinkneipen. Das trägt gründlich zur saloppen Stimmung bei, formelle Lokale gibt es ja schon genügend. Singles werden vielleicht einen der sechs Barhocker bevorzugen, unmittelbar an der Schiebeluke zur Küche. 80 Gäste haben im Lokal Platz, ebenso viel auf der Innenhofterrasse, an der noch gearbeitet wird. Im vorderen Teil des Lokals an der Braubachstraße kann man sich auf einen Kaffee (2,70 €) oder Cappuccino (3 €) freuen, der von der kleinen feinen Rösterei Phoenix aus Dresden kommt und angenehm kräftig ausfällt. Eine Lounge-Ecke lädt zum Lümmeln ein, die Stehtische sind für die Eiligen. An der Theke kann man sich auch interessant belegte Sandwichs holen, confierten Zitronen-Pulpo findet man sonst nicht auf Ciabattabrötchen.

Der Service unter der Betriebsleiterin und gelernten Köchin Nicole Blumenthal tritt munter und freundlich auf, man fühlt sich gut umsorgt. Das 300 Quadratmeter große Lokal Margarete wird von Simon Horn (Jahrgang 1983) und Raffaela Schöbel (Jahrgang 1984) geleitet. Horn hat sich durch seine Lokale Blumen und Seven Swans bekannt gemacht, Schöbel ist ebenfalls in Frankfurt geboren und studierte unter anderem Kulturanthropologie. Es ist vorteilhaft, dass die aparte Gastronomin die Rezeption führt – wer auf ein solch schönes Lächeln trifft, wird das Lokal milde gestimmt betreten und auch wieder verlassen.

 Ludwig Fienhold

Margarete, Frankfurt, Braubachstraße 18 – 22, Tel. 069 13 06 65 00. Café & Bar, Montag – Freitag ab 7.30 Uhr, Samstag und Sonntag ab 10 Uhr. Restaurant Montag – Samstag 12 – 14.30 Uhr, abends ab 18 Uhr. Sonntag ab 10 Uhr geöffnet. www.margarete.eu

 

 

 

 

 




Schattners Wein-Chat
Der Sommelier weiß Rat

 

Wie könnte man den Sommelier Kai Schattner beschreiben? Als frisch, ausbalanciert oder gar feinherb? Ja, auch das ist er irgendwie, doch vor allem präsentiert er sich als beschwingt, entspannt und punktgenau. Er ist kein Weinschwätzer, sondern ein Weinwisser, der sich nicht prahlerisch aufdrängt und lieber mit präzisen und fundierten Statements überzeugen will. Seinerzeit als Sommelier in der Ente im Grandhotel Nassauer Hof in Wiesbaden und jetzt als selbständiger Weinberater. Seine Erfahrungen und Fachkenntnisse sind gefragt. Der 43 Jahre alte Profi ist in Heidelberg geboren und lebt seit 20 Jahren in Wiesbaden beziehungsweise im Rheingau. Er  hat bei einigen Klassikern der Branche gearbeitet, etwa dem Château Eza bei Monaco, dem Schwarzen Adler in Oberbergen und eben in der legendären Ente in Wiesbaden. Kai Schattner liebt den Rheingau und die Rieslinge. Aber er ist ebenso mit großen französischen Rotweinen vertraut und kennt sich nach vielen Reisen sogar bestens in der Weinwelt Chinas aus, die gerade aufbricht, den Markt zu erobern. Schattner berät Unternehmen, hält Seminare und verkauft Weine im großen Stil. Warum wohl hat das Frischeparadies (Edelfisch) so viele tolle Weine? In der BISS-Zeitung wird Kai Schattner immer wieder zu vielgestellten Fragen von Weinfreunden Stellung nehmen und mit Rat zur Seite stehen. Hier die erste Folge.

 

In welchem Alter sollte man Riesling trinken ?

 

Es kommt besonders auf die Qualitätstufe, den Jahrgang und natürlich den Winzer an. Allgemein kann man sagen, dass gute Rieslinge ohne Probleme 5-10 Jahre altern können. Ob sie das müssen oder sollen, entscheidet auch die persönliche Trinkvorliebe. Ich mache persönlich die schönsten Erlebnisse mit leicht gereiften Rieslingen, besonders zum Essen. Oft schmecken sie aber auch schon in der Jugend verführerisch lecker. Große und Erste Gewächse sollte man auf jeden Fall 2-3 Jahre gönnen, damit sie sich geschmacklich etwas harmonischer präsentieren können. Nicht alle Jahrgänge eignen sich zum lagern für trockene Rieslinge. Der hitzige 2003er und der in vielen Regionen schwierige 2006er ist eher für rest- und edelsüße Rieslinge interessant. Bei 2008 muss man besonders auf  das Kleinklima achten. Es kann innerhalb der Regionen deutliche Qualitätsunterschiede geben. 2009 wird zwar als Spitzenjahrgang gesehen, leider gibt es aber auch viele Weine mit deutlich zuviel Alkohol, bei denen jetzt schon eine brandige Note erkennbar ist. 2010 auf keinen Fall die einfachen Gutsweine und leichten Kabinette liegen lassen! Die hochwertigen Weine des Jahrgangs, die von dem tollen Herbst profitierten, sind richtige Langläufer.

www.schattnerweine.com    k.schattner@schattnerweine.com

 

 

Schattners Schätzchen Volume II

 

Mehr als ein Jahrzehnt hat der mehrfach ausgezeichnete Sommelier Kai Schattner Weine im Restaurant Ente empfohlen. Mittlerweile darf er nicht nur zwischen 70.000 und 80.000 Flaschen sein eigen nennen, sondern ist neben seinen regelmäßigen Gastauftritten bei der VOX-Kochsendung  Kochduell ein sehr gefragter deutsch- und englischsprachiger Moderator.  Schattner wird  zum zweiten Mal seine alten „Schätzchen“ im Enten-Bistro öffnen. Kulinarisch wird dieses Highlight von einem Menü begleitet, das sich ausnahmsweise nach den Weinen richtet. Datum: 18.  April, 19 Uhr,  Preis pro Person 150 Euro inklusive Aperitif, ausgesuchter Weine, Wasser und Menü.

 
Restaurant ENTE
Tel: 0611-133 666
E-Mail: ente@nassauer-hof.de

 

 




Alle wollen Macarons!

Die Welt feiert das feinste Zuckerwerk

 

Eine Schwarzwälder Kirschtorte ist plumper Sex gegen die hauchzarte Erotik von Macarons. Das feinste und schönste Gebäck der Welt hat von Frankreich aus einen unglaublichen Siegeszug angetreten und gehört nicht nur in Europa zu den begehrtesten Delikatessen. Mit ihrem Frühlingsanfang feierten die Franzosen am 20. März im ganzen Land den Jour du Macaron, an dem über 100 handwerklich arbeitende Patissiers, Konditoreien und andere Süßwarenspezialisten international beteiligt sind. In Deutschland zelebrierte man zumindest in Berlin die Macarons mit leckeren Events, jetzt schon zum dritten Mal. Die Galeries Lafayette wurde wieder gemeinsam mit dem renommierten französischen Pâtissier Frédéric Cassel und dem Hôtel Concorde Berlin das berühmte Zuckerwerk präsentieren. Die aktuellen Geschmacksrichtungen: Bitterschokolade, Vanille, Kaffee, Karamell, Zitrone, Himbeere, Pistazie, Rose und Nuss (Stück 1,40 €).

Macarons können Kabinettstückchen großen Konditorenhandwerks sein, aber auch schlechte Imitate. In kaum einer Stadt in Deutschland werden so viele Macarons wie in Frankfurt angeboten. Fast immer mit mäßigem Ergebnis. Die besten Macarons im gesamten Rhein-Main-Gebiet werden von Florian Köller (L´Art Sucré) in Wiesbaden gefertigt. In Frankfurt gibt es sie täglich bei Bitter & Zart in der Braubachstraße. Sie werden von Köller jeden Dienstag und Freitag frisch geliefert, schmecken erstaunlicherweise aber auch noch drei Tage später makellos. Die Macarons fallen zwar anders und nicht so filigran wie beim Primus Ladurée in Paris aus, jedoch mit viel Schmelz und superb abgestimmten Füllungen. Vanille, Kokos mit Mango und Karamellmousse mit gesalzener Butter sind fabelhaft, aber auch Rosencreme mit gelierten Himbeeren und sizilianische Zitrone mit konfiertem Ingwer oder Maracuja oder Cassis oder Pistazie. Die jetzige und saisonal wechselnde Kollektion präsentiert zehn verschiedene Sorten, die man alle probiert haben muss, um seine Lieblingssorte herauszufinden – und um vielleicht zu entdecken, dass alle das Zeug zur Lieblingssorte haben.

Bitter & Zart, Frankfurt, Braubachstr. 14, Tel. 069  94 94 28 46. Chocolaterie Mo – Fr 10 – 19 Uhr, Sa 10 – 16 Uhr, Salon Mo – So 11 – 20 Uhr.  www.bitterundzart.de

Petersen Gutes Essen, Frankfurt,  Eppsteiner Straße 26, jeden Freitag und Samstag frische Macarons von Florian Köller. www.petersen-gutes-essen.de

Florian Köller, L´Art Sucré, Wiesbaden, 0611 135 72 33. www.lartsucre.com

Galeries Lafayette Berlin, Friedrichstraße 76-78, 030 20 94 80. www.galerieslafayette.de

 

Siehe auch BISS-Artikel zu dem Thema: Vive les Macarons! und Frankreich nascht besser

 

 

 

 




Gold Rausch
Was sollen wir trinken?

Das Beste von der größten

Apfelweinmesse der Welt

 

Die größte Apfelweinmesse der Welt ist wieder vorbeigerauscht. Was wird bleiben? Die Vielfalt wird immer größer, die Qualität partiell besser, wie beim Traubenwein muss man jedoch sehr auf die einzelnen Erzeuger achten. Ein Trend, der mit Skepsis zu beobachten ist: Manche Kelterer sehen sich als Winzer und rücken auch geschmacklich sehr nahe an deren Produkte. Bei einem Apfelwein sollte aber bei aller Vielschichtigkeit der Aromen stets die ihm zugrunde liegende Frucht erkennbar sein. Auch die enorme Höhe des Alkoholgehalts einiger Apfelweine/schaumweine können die dem Schoppen innewohnende Süffigkeit und Leichtigkeit konterkarieren. Vielen probierten Apfelweinen fehlte die knackige Säure, einige Flaschen hatten noch zu viel Hefe oder einen störenden Essigton und hätten besser nicht präsentiert werden sollen. Grundsätzlich gab es bei der vierten Apfelweinmesse im Frankfurter Rathaus für die 1000 Besucher indes wieder gute Ware zu probieren.

Unter den 200 verschiedenen Erzeugnissen zeigten die Apfelschaumweine von Jacques Perritaz und seiner Cidrerie du Vulcain aus der frankophonen Schweiz besonderen Biss. Ob trocken oder leicht fruchtig, die feinen nuancierten Fruchtaromen sättigten nicht und machten immer noch Lust auf den nächsten Schluck, zumal auch die dezente Perlage nicht unnötig füllte. Sensorisch glichen die Weine einem beschwingten Spaziergang über saftige und duftige Wiesen. Die Flaschen mit dem heiteren Etikett sind als Gute-Laune-Geschöpfe jedenfalls die besten Begleiter für Frühling und Sommer.

Überrascht hat Rory Souter von der britischen Cotswold Cider Company, die erstmals auf der Messe vertreten war. Der Coleshill House Cider wird nach der traditionellen Flaschenvergärung erzeugt und überzeugt mit elegantem Mousseux und trockenwürzigem Extrakt. Mit 9 % Alcohol by Volume schon im Moselbereich, wobei die verhältnismäßig starke Ausstattung dem Wein keinen dicken Kopf, sondern breite Schultern macht.

Eric Bordelet hatte wieder seine cremigen und dichtstoffigen Apfel- und Birnenschaumweine aus Frankreich mitgebracht. Mitinitiator der Messe, Andreas Schneider vom Obsthof am Steinberg, tendiert gerne zu einer Süße, die die Zunge schnell ermüdet und kaum auf mehr als ein Glas Lust macht. Beim Schaumwein Wildlinge auf Löss gelingt ihm jedoch eine schöne Balance zwischen reifer Frucht, eigenständigem Geschmack und trockener Würze. Dieter Walz, wie immer der am originellsten gekleidete Aussteller, präsentierte nicht allein seinen perlenden schwungvollen Apfel-Walzer. Wenn man diesen mit seinem Bitter-Likör aus Aronia-Beeren mischt, entsteht der Hessenspritz, der weit besser und intensiver als der obligate Aperol schmeckt und zudem aus reinen Früchten hergestellt wird und nicht bloßer Farbstoff ist. Die Aronia-Beere gilt übrigens als Heilmittel gegen Bluthochdruck und Gastritis – beides Leiden, die man mit manchen Erzeugnissen auf der Messe in Verbindung hätte bringen können.

Robert Theobald von der Buchscheer

Gut sind oft die weniger experimentellen Hausschoppen einiger Kelterer, mithin die Gutsweine und damit die Basis. So bei Robert Theobald von der Apfelweingaststätte Buchscheer in Frankfurt Sachsenhausen. Die Apfelweine von Herberth und Nöll sind solide Alltagsschoppen, wobei Nöll noch fünf sortenreine Apfelweine aus Bohnapfel, Jonagold und anderen anbietet. Einen guten Start hat das Apfelweinkontor mit seinem trockenen Streuobst- Apfelwein hinbekommen. Ein Stoff, der klar, gefällig und ohne Ecken und Kanten daherkommt und vielleicht gerade deshalb viele Freunde gewinnen wird. Die Apfelweine von Armin Treusch aus Reichelsheim (Restaurant Schwanen) sind dagegen eher etwas für Fortgeschrittene. Goldparmäne und Bohnapfel sind eigenwillige, gehaltvolle Sorten-Schoppen mit rauem Charme – keine einfachern Zechlinge und gut zum Essen einzusetzen. Die Graue Herbstrenette von Treusch ist einer unserer Favoriten. Er besitzt viel Charakter, Würze und eine vielschichtige Aromatik vom Apfel bis zur Aprikose. Seine stattlichen 8,3 % Umdrehungen (bei 65 Grad Oechsle und 0,1 Gramm Restzucker) merkt man ihm nicht an.

Wenn man Carola und Peter Merkel aus dem Odenwald erlebt, dann möchte man, ähnlich wie bei Harry & Sally, genau das bestellen, was sie gerade im Glas haben. Ihre Apfelweine sind von unbekümmertem Frohsinn, allen voran der saftige Bohnapfel. Die Goldrenette fällt dagegen weinig und animalisch aus. Die Merkels betreiben in Annelsbach mit ihrem Dornröschen ein sympathisches Gasthaus (mit Betten).

Sehr speziell und einfach wunderbar mutig: Der Rosenapfel mit weißem Pfeffer von Walz und der Sherry aus dem Whiskyfass von Krenzer. Auf der Apfelweinmesse zeigen auch Produzenten und Gastronomen etwas von ihrem Können. Die Frankfurter Grüne Soße von Jörg Ludwig (Gerbermühle, Roomers) war oberprima und ist in dieser Qualität mehr als selten zu bekommen. Ahle Wurst, Feldkieker oder Stracke, getrocknet wie vor hundert Jahren in alten Lehmkammern, gab es in erstklassiger Art von der Landfleischerei Koch aus dem nordhessischen Calden.

Die Apfelweinmesse ist eine sehr lockere und kommunikative Veranstaltung für die sechs (Fachbesucher) beziehungsweise vier Stunden (Gäste) kaum reichen. Es gibt so viel zu probieren und zu diskutieren, dass man sich zwei Tage wünschen würde. Die Apfelweinkelterer zeigten sich wieder mit viel Engagement als gutgelaunte Botschafter ihrer Produkte. Einige sehr gute Vertreter ihrer Zunft waren leider nicht vertreten. Pionier Jörg Stier fehle ebenso wie Fruchtspezialist Arno Dirker, auch die baskische Domaine Bordatto und ihre wunderbar rauchigen Apfelschaumweine vermissten wir. Doch: Nach der Apfelweinmesse ist vor der Apfelweinmesse. Und die pflanzt sich auch im nächsten Jahr wieder fort.

Ludwig Fienhold

 

 

Bild ganz oben rechts: Jacques Perritaz

 

[slideshow]

 

 




Die Sterne essen, den Mond trinken

Drei-Sterne-Koch Thomas Bühner und Château Palmer

beim Gourmet-Festival im Rheingau

 

Thomas Bühner wirkt eigentlich sehr entspannt und gelassen. Würde man ihm ein Produkt zuordnen, dann eher die Kartoffel als den Kaviar. Doch so wenig extravagant der bodenständige Westfale erscheint, so ungewöhnlich können seine Kreationen in der Küche ausfallen – manchmal sogar richtig exaltiert. Als er beim Rheingauer Gourmet- und Wein-Festival zusagte, hatten er und sein Restaurant La Vie in Osnabrück noch zwei Sterne, jetzt war er dort jedoch als Drei-Sterne-Koch zu Gast, da ihn der Gourmet Guide in der aktuellen Ausgabe 2012 an die Spitze hoch stufte.

Expressive Makrele

Die Gala-Diners im Kronenschlösschen in Hattenheim, wo fast alle Veranstaltungen des Festivals stattfinden, sind im Schnitt mit 150 Gästen mehr als gut besucht. Zum Lunch von Thomas Bühner kamen „nur“ 100 Gäste. Dabei hätte er gerade wegen seiner Aufwertung alle Beachtung haben müssen. Es lag sicher nicht am Preis (165 € fürs Vier-Gänge-Menü inklusive Sektempfang und sehr guter Weine von Dönnhoff und anderen) und gewiss auch nicht an dem Küchenchef selbst, dass nicht noch mehr Interesse gezeigt wurde. Manchmal ist alles nur ein Zufall, stimmt genau der Tag in der Woche nicht mit den eigenen Terminen überein, an dem so etwas veranstaltet wird.

Thomas Bühner legte gleich mit einem völlig unscheinbaren Gericht los, das von ergreifend schlichter Schönheit das Elementare einer Küche offenbarte: Die hart klingende Kartoffel heiß/kalt war eine ätherische Kartoffelmousseline mit Kürbis-Curry-Eis. Es lief der Zunge heiß und kalt über den Rücken. Kaum sonst haben so wenige Komponenten eine solche Geschmacksvitalität zeigen können. Es sollte der Höhepunkt des Essens sein, zumindest für Puristen und andere Freunde lupenreiner harmonischer Aussagen.

Alles Banane

Die sauer marinierte Makrele mit Passionsfrucht und schwarzem Sesam-Eis war bis ins Detail ausgelotet und geriet zum sensorischen Gesamtkunstwerk. Die japanisch anmutende Komposition war aber auch ein ziemlich buntes und leicht nervöses Gericht, das den Wein ins Abseits beförderte und mehr Restsüße gefordert hätte.

Thomas Bühner

Warum man eine Seezunge zweimal schichten muss, um damit eine fette Rolle zu strapazieren, hat sich nicht erschlossen, denn eine schlanke Seezunge schmeckt einfach feiner. Der begleitende Gemüsebrei zeigte sich sehr gestrig. Auch das Filet vom Rentierrücken wollte nicht entzücken. Zunächst einmal: Brauchen wir hier ein solches Nikolaus-Schlittenpferd und könnten es nicht auch Hirsch und Reh sein? Der Rentierrücken schmeckt deutlich mehr nach Tier, auch nach Metall und Blut wie rohe Leber. Wer´s mag, wird damit sehr glücklich. Das sehr exotische Dessert nannte sich Bananen-Milchshake mit Koriander, Limette und karamellisierter Schokolade. Spannend, aber auch sehr süß und üppig. Ingo Swoboda moderierte mit flinker Zunge, Gourmet-Festival-Veranstalter und Hotelier H.B. Ullrich quittierte es mit breitem Grinsen.

Einer der flüssigen Höhepunkte des Festivals war die Probe von Château Palmer. Directeur Bernard de Laage de Meux war überdeutlich begeistert von seinen Weinen. Moderator und Autor Jan Paulson bremste ihn nicht. Die Degustation war dennoch sehr anregend. Den ebenfalls zur Verkostung stehenden Zweitwein Alter Ego kann man rasch übergehen. Château Palmer selbst gehört zu den wichtigen Bordeaux-Weingütern, wenngleich als 3ieme Grand Cru nicht zur ersten Liga. Die Weine kosten zwischen 130 und 350 Euro (bei der Probe gab es schlückchenweise sechs Palmer-Weine für 185 €).

Rentierrücken

Palmer ist sehr oft ein charmantes Raubein, herb und herzlich. Mit den Jahren kann er endgültig zum Charmeur werden, präsentiert sich samtig und gefühlvoll. Diese Probe stellte fast alles auf den Kopf, die jüngeren Jahrgänge fielen mitunter betörend aus, während die die anderen trotz Alters unreif wirkten. Die Jahrgänge 1995 und 1996 sind nicht in Schönheit gealtert, zeigten sich unelegant und wenig delikat. Der 95er langweilte mit verhaltener Aromatik und dürftiger Pflaumigkeit. Beim 96er stellte sich mürbe Krautigkeit ein, sogar Säure und leichter Schwefel. Der Jahrgang 2000 gefiel durch sein chevalereskes Auftreten und feingliedrige Variabilität aus Zedernholz, Leder und Roten Beeren. Noch zugänglicher der Palmer 2008, mit Düften von Schokolade, Kaffee, Roten Beeren, Cassis, Tabak. Höhepunkt war der Jahrgang 2005, mit seinem differenzierten Geschmacksbild aus Port, Mokka, Karamell, Vanille und einem Hauch Minze. Ein sinnlicher Wonneproppen und das Gegenteil vom distinguierten 2000er, der kühl wie Mondschein wirkte. Welch eine Lehrstunde. Kaum etwas stimmte mit den Erwartungen überein, die eine gewisse Fachpresse und die Weinmacher selbst erzeugen. Wie trügerisch ist doch das Geschwätz über Entwicklungen von Weinen, von Lebewesen, die meist eine ganz andere Laufbahn nehmen, als sie von Experten vorausgesagt wird. Der Wissensdurst, der bei solchen Veranstaltungen gestillt wird, ist in jeder Hinsicht wertvoll. Man kann Sterne essen und den Mond trinken, das Leben auf der Erde bleibt trügerisch.

Ludwig Fienhold

 

Weinverkostung

Das Rheingau Gourmet- und Wein-Festival geht noch bis zum 7. März. Das Veranstaltungsprogramm mit den noch freien Tickets kann man über die Webseite einsehen: www.rheingau-gourmet-festival.de