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Das beste Restaurant Frankreichs

Und andere Irrtümer

der Best 50 Rangliste

 

Ein Hintergrundbericht von Jörg Zipprick

Jetzt wissen wir’s: Rene Redzepi aus Dänemark ist der beste Koch der Welt. Wieder einmal, denn das war er schon im letzten Jahr. Die Welt braucht halt Ordnung. Zu der gehört, dass man Äpfel mit Birnen, Sushi mit Burgern und den Gargouillou von Gemüsen eines Michel Bras mit der Langustenvariation mit Langusten/Zitronengras-Süppchen eines Harald Wohlfahrt vergleichen muss. Das britische „Restaurant Magazine“ diktiert seit 2002 die Ordnung der Köche. Vielleicht weil früher im britischen Empire die Sonne nie unterging, klassifiziert das „Restaurant Magazine“ gleich die ganze Welt. Am Anfang war das Ganze noch ein Witz unter Freunden, da konnte die Pariser Brasserie La Coupole mit ihrem Vorgekochten unter den Besten landen – einfach weil jeder Juror mal dort war und eine Meinung zu dem Laden hatte. Spätestens seit die Klassifizierung nach ihrem Sponsor, einer Nestlé-Marke  „The S.Pellegrino World’s 50 Best Restaurants“ heißt, wird die Veranstaltung professionell vermarktet und landet in Tageszeitungen auf der ganzen Welt. Meist ist von einer Umfrage unter Köchen, Kennern, Kritikern die Rede, die irgendeinen Trend beweist. Getestet wird kein einziges Lokal, das könnte ja Geld kosten. Es wird gewählt. Stimmberechtigt sind besagte Köche, Kenner, Kritiker, die ihrerseits zunächst ausgewählt werden. Handverlesen, aber dazu kommen wir noch.

 
 
 
 

Küchenchef Rene Redzepi vom Restaurant Noma in Kopenhagen, Nr. 1 der Rangliste

 Anonymer geht es nicht

Wie jede gute, demokratische Wahl ist die Wahl der 50 weltbesten Restaurants anonym. Man könnte sogar sagen: Anonymer geht es nicht, den nicht einmal die „Mitglieder der Akademie“, also die Juroren, erfahren, wie viel Stimmen jedes Lokal erhielt. Unbekannt bleibt auch die die mathematische Formel, nach der gut 800 Mails mit je sieben beliebig ausgewählten Restaurants unter Berücksichtigung der Reihenfolge zu einer Liste von 100 Besten verdichtet werden. Kein Notar, kein unabhängiges Institut kontrolliert den Zählvorgang oder den Eingang der Ergebnisse.

Die Ergebnisse sind teilweise abstrus: Wohlfahrt und die Schwarzwaldstube landete mit Platz 73 unter „ferner liefen“. Kann man das Daniel in New York (Platz 11) wirklich durch 50 Ränge vom Lokalrivalen Jean Georges (Platz 62 trennen)?  Hat sich ein Könner wie Philippe Rochat vom Restaurant de l’Hôtel de Ville in Crissier, in der Schweiz innerhalb nur eines Jahres soweit verschlechtert, dass ein Absturz um 33 Plätze gerechtfertigt ist? Le Châteaubriand schafft es in die Top Ten, Spitzenlokale wie Le Louis XV in Monaco oder L’Ambroisie in Paris hingegen nicht mal auf die Liste. Und wie kann das spanische El Bulli, das jahrelang die Liste anführte, im Jahr 2011 nicht mehr unter die hundert Besten fallen? Hat das Lokal derart nachgelassen? Oder liegt es daran, dass El Bulli demnächst die Pforten schließt. Das wäre kurios, denn der Platz in der Liste wird für die Leistungen der letzten 18 Monate vergeben, nicht für Zukunftsaussichten. Die New York Times jedenfalls hält es für unwahrscheinlich, dass die Mehrzahl der 800 Juroren in der Vergangenheit keine Schwierigkeit bei der Reservierung der begehrten Tische gehabt hat. (http://www.nytimes.com/2011/04/13/dining/13Best.html?_r=2)

 
 
 
 

Grant Achatz, Restaurant Alinea, Chicago

Auf den Chairman kommt es an

Wer über die Listenplatzierungen staunt, muss die sogenannten Chairmen betrachten. Der Chairman jedes Landes wählt die Jury. Könnte nicht schon durch die Wahl der Juroren eine Wahl nach Belieben manipuliert werden? Viele der Juroren sind Köche – die Frage, ob sie unbedingt über ihre Berufskollegen abstimmen sollten, lassen wir mal außen vor. Darunter sind sind nicht gerade wenige  Avantgardeköche bzw. Freunde oder Geschäftspartner derselben: Grant Achatz, Sergi Arola, Juan Mari Arzak, Heston Blumenthal, Masimo Bottura, René Redzepi, Paco Roncero, Joan Roca und wie sie alle heißen. Dazu kommen Restaurantkritiker, die sich regelmäßig in ihren Kolumnen für diese Köche stark machen: Pau Arenos, José Carlos Capel, Sebastien Demorand, Luc Dubanchet zum Beispiel.

Wer diese Herdmeister und Autoren zu Jury-Mitgliedern ernennt, ahnt zumindest, wie sie stimmen könnten. Ist das unparteiisch? Hier und da darf man die Frage stellen, ob wirtschaftliche Eigeninteressen die Wahl der Juroren zumindest beeinflussen könnten:  Die spanische Jury etwa leitet ein Herr namens Rafael Anson (http://www.theworlds50best.com/the-academy/members-list/rafael-anson). Dieser Präsident der „Academia Española de Gastronomía“ leitet auch den „Ferran Adrià Lehrstuhl für kulinarische Kultur“ (was es so alles gibt), setzte zusammen mit Koch Adrià seine Unterschrift unter das Buch „Tapas im 21. Jahrhundert.“ Dessen Autor heißt Paco Roncero und war ebenfalls Jurymitglied. Anson ist ein Mann mit Erfahrung: Er wurde unter Franco zum Direktor des „Instituts der öffentlichen Meinung“ (Instituto de Opinión Pública). Heute betreiben seine Frau und seine Tochter Alejandra Marina laut spanischem Handelsregister u.a. PR-Agenturen. Der Handelsregisterauszug von Alejandra Marina erwähnt, dass diese Agentur ihr Aufgabenfeld in der Betreuung „spanischer Gastronomie und Köche, besonders junge Köche“ sieht.

Joan Roca vom El Celler De Can Roca

Die französische Jury leitet Andrea Petrini, ein italienischer Journalist mit Wohnsitz im französischen Lyon. In seiner publizistischen Arbeit berichtet er gern über die „50 Besten“ und das Pariser Lokal Le Châteaubriand. http://www.blast.fr/lifestyle/chevalier-inaki/ Oder hier, am 4. März auf Slate mit dicken Lob für das Restaurant http://www.slate.fr/story/34609/inaki-aizpitarte Petrini kennt die Spitzenköche der Welt und die Köche kennen ihn. Wer hier (http://nordicgourmetour.com/2008_petrini.html) die Bilder seines 50. Geburtstags betrachtet, erlebt ihn in Gegenwart von Meistern wie Rene Redzepi und Fluvio Pierangelini. Außerdem organisiert er das Kochfestival „Cook it raw“ (www.cookitraw.org  Der Event „in Zusammenarbeit mit Nespresso “ verzeichnet prestigeträchtige Gäste wie Rene Redzepi und Inaki Aizpitarte. Letzterer ist im Hauptberuf Küchenchef des Restaurants Chateaubriand in Paris. Ein Interessenkonflikt?

Küchenchef Andoni Aduriz vom Restaurant Mugaritz im baskischen San Sebastian

Ja, die Szene ist klein. Man kennt sich. Und manchmal kennt man sich besonders gut. Nicht jeder Journalistenkollege findet das akzeptabel: Restaurantkritiker Francois-Régis Gaudry vom renommierten französischen L’Express stieg mit einem offenen Brief aus. Gaudry störte sich unter anderem an einem gemeinsamen Abendessen aller französischen Juroren. Abgehalten wurde es von Andrea Petrini im Châteaubriand in Paris. Der britische Juror Ali Kurshat Altinsoy wurde von Petrini in das italienische Lokal Combal.zero eingeladen. „Andrea sagt Ihnen nicht für wen sie stimmen sollen“ erklärte er der New York Times (http://www.nytimes.com/2011/04/13/dining/13Best.html?pagewanted=2&_r=2)  „Er macht es nur möglich, dass sie für ihn stimmen.“ Anderswo nennt man das Lobbying. In der Gastronomie heißt es „eine Abstimmung unter Kennern.“ Gestimmt wird innerhalb von Netzwerken, die Liste der „50 Besten“ scheint für manchen Chairman und einige Juroren ein willkommener Anlass, gute Beziehungen durch die halbe Welt zu knüpfen. Die New York Times berichtete jedenfalls über Juroren, die vom schwedischen Tourismusbüro auf Steuerzahlers Kosten von Restaurant zu Restaurant gekarrt wurden. Auch von „Stimmenbrokern“ die Lokale gegen Entgelt zu guten Plätzen helfen, wird inzwischen hinter vorgehaltener Hand erzählt. (http://www.nytimes.com/2011/04/13/dining/13Best.html?pagewanted=2&_r=2)

Enrique Olvera vom Pujol in Mexico City

Chairman Petrini versucht es angesichts der Zweifel an den « 50 Best » mit Verbalakrobatik. Mal sagt  er (http://fulgurances.com/blog/2010/05/50-best-restaurant-un-instantan-de-la-cuisine-mondiale/), „50 Best“ sei ein Marketingbegriff. Man sollte dies mehr als die Restaurants über die man am meisten spricht verstehen….“ Dann wieder (http://fulgurances.com/blog/2011/04/the-50-best-chaud/) wird die englische Sprache verdreht: „Der Titel „50 Best Restaurants“ scheint problematisch. Im Englischen sei „best“ ein familiäres Adjektiv, fast ein Slang-Wort, es bedeute nicht „besser“, sondern „bevorzugt“.“ Nun ja, in der Schule haben wir das anders gelernt. Und vor Ort haben wir das anders gehört. Nebensache, reden wir doch lieber Klartext: Die Fifty Best sind eben nicht die 50 Besten. Es sind,  glaubt man Petrini, also Restaurants, die von ein paar Leuten bevorzugt werden. Besser und treffender hätte das wohl niemand erklären können.

Fünf Minuten bei den 50 Best

Meine kurze Zeit bei der Wahl der besten Köche: Die 50 Besten werden unentgeltlich von Freiwilligen gewählt. Einer davon war ich, zumindest im Jahr 2008. Andere Journalisten waren ausgefallen, ich sollte jetzt Juror für die französische Delegation bei den 50 Besten werden. Für das Pariser Lokal Le Chateaubriand sollte ich stimmen, das wurde mir gleich im Vorgespräch nahe gelegt. Im Grunde ein unmoralisches Angebot. Le Chateaubriand ist ein Bistro mit durchaus annehmbarer Küche, ich habe nichts gegen den Laden. Außer vielleicht der Tatsache, dass dieses Lokal nicht immer wirklich sauber ist, die Servierer gern den Rasierer vergessen (wird andernorts auch für Bartpflege gebraucht!) und die Weinkarte ebenso kostspielig wie spärlich bestückt ist. Einmal war ich mit einer Vegetarierin dort, Fisch und Fleisch wurden für sie einfach vom Gemüsebett gekratzt. Ansonsten blieben die Gerichte – und die Rechnung – absolut identisch. Trotzdem: Le Chateaubriand ist ein nettes Lokal für einen zwanglosen Abend mit guten Freunden, ein Ort wo man in fleckigen Jeans und Holzfällerhemd ein Fläschchen leeren kann. Aber kann der bei den Weltbesten mitkochen? Von Küche, Keller, Service und Ambiente wäre das in etwa so, als würden  Autoren bei einer Wahl der besten Teams in einem Fußballmagazin den SV Wurmlingen auf eine Stufe mit Real Madrid stellen. (Note Bene: Liebe Spieler aus Wurmlingen- diese Bemerkung richtet sich wirklich nicht gegen Euch, sie ist ein Beispiel).

Restaurant Chateaubriand in Paris

Vorsichtshalber hörte ich dieser Stimmempfehlung dennoch aufmerksam zu. Meine Lebenserfahrung meldete sich lautstark im Hinterkopf zu Wort: Wenn ein Gespräch zur Teilnahme an einer Umfrage mit dem Wunschresultat beginnt, dann sollte man immer, stets und unter allen Umständen zusagen. Sonst könnte es rein theoretisch sein, dass man vor lauter Demokratie nicht mitstimmen darf.

Und so werden die fünfzig besten Restaurants der Welt gewählt: Eine E-Mail trudelt ein, die Juroren klicken auf eine Website und werden aufgefordert, fünf beliebige Namen abzugeben – dieses Jahr waren es erstmals sieben. Ob Willys Reibekuchen Bude oder L‘Ambroisie, wählbar sind sie alle. Mindestens zwei Stimmen dürfen nicht auf das eigene Land entfallen. Die Köche unter den Juroren dürfen nicht für ihr eigenes Lokal stimmen. Eigentlich versichert man mit der Stimmabgabe in den letzten 18 Monaten in den genannten fünf Läden gespeist zu haben, kontrolliert wird das freilich nicht. Wäre es so schwer, die Rechnung einzuscannen und mitzuschicken? Name des Restaurants, Datum des Besuchs, den Button mit „abschicken“ drücken – das war’s.  

Und, nein, ich habe nicht für das Chateaubriand gestimmt.

Siehe auch „Die ranzigste Restaurant-Hitliste der Welt“ in der BISS-Zeitung

 

Das Bild ganz oben rechts zeigt die Küche vom Restaurant Alinea in Chicago, Grant Achatz ist auf der Rangliste auf Platz 6.




Die ranzigste Restaurant-Rangliste der Welt

Wer´s glaubt, trinkt Wasser

 

Kommentar von Ludwig Fienhold

Kann es so etwas wie die „50 besten Restaurants der Welt“ überhaupt geben? Natürlich nicht. Ein solcher Wettbewerb muss in die Irre führen. Er ist eine groß angelegte Promotion für das Unternehmen San Pellegrino, das in der Gastronomie bestens vertreten und in 100 Ländern anzutreffen ist. Diese Stellung will man mit einer derart werbewirksamen Kompetenzoffensive festigen und ausbauen. Es ist durchaus legitim, wenn der größte Getränkelieferant Italiens auch ganz groß auf sich aufmerksam machen will. Muss es aber mit einer so aberwitzigen und zweifelhaften Hitparade sein, deren Resultat einen üblen Beigeschmack hat? Faktisch ist es nur ein Sturm im Wasserglas, bei dem aber auch deutsche Topköche baden gehen.

Joachim Wissler vom Restaurant Vendome im Schloss Bensberg Bergisch Gladbach

Joachim Wisslers Vendome ist immerhin auf Platz 21, Sven Elverfeld Aqua auf Platz 25. Es gibt zudem als kaum erwähnte Ergänzung auch noch eine Top 100, bei der dann auch Harald Wohlfahrt mit seiner Schwarzwaldstube (Rang 73), Hans Haas und das Tantris (80) sowie Klaus Erforts Gästehaus (88) gnädig vertreten sind. Die deutschen Spitzenköche Helmut Thieltges (Waldhotel Sonnora), Heinz Winkler (Residenz Aschau) oder Christian Jürgens (Seehotel Überfahrt Rottach-Egern) gehen leer aus. Selbst Juan Amador, obwohl dieser als experimenteller, iberophiler Transmutationskoch besonders gut ins Auswahlschema von S.Pellegrino passen würde. Dafür sind Köche aus Russland, Finnland, Mexiko, Brasilien und Peru vertreten. Wie viele von der Pellegrino-Jury wohl im Astrid & Gastón (Rang 42) im peruanischen Lima gewesen sein mögen?

Gastón Acurio von Astrid & Gaston in Lima Peru

Oder: Kennen Sie das Lokal Chateaubriand in Paris? Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht. Es ist aber auf Platz 9 dieser Restaurant-Hitliste und damit das beste Restaurant Frankreichs. Dagegen ist das wahrhaftige Weltklasse-Restaurant Louis XV von Alain Ducasse in Monaco nicht vertreten. Vor allem solche Fehlgriffe machen die Top 50 unglaubwürdig.  

Ähnliches geschieht jedes Jahr mit den großspurigen Hotel-Hitlisten, die vorwiegend von amerikanischen Reisemagazinen und ihren Lesern erstellt werden. Deutschland spielt dabei kaum eine Rolle, meist hält gerade einmal das Adlon in Berlin Einzug. Das liegt aber auch am Reiseverhalten der Amerikaner, die bevorzugt nach Asien reisen oder durchs eigene Land. Gut beraten wäre S.Pellegrino die anmaßende Titelwahl „The Worlds Best 50th Restaurants“ zu ändern, etwa in die 50 interessantesten Lokale der Welt. Damit würden auch verrückt anmutende Entscheidungen entschuldbarer.

Warum gibt es eigentlich keine kritischen Stimmen von Genussmagazinen zu dem Thema Top 50? Fürchten sie um die Anzeigen vom Großunternehmen S.Pellegrino, das gerade dort überaus präsent ist? Zu den Top 50 von S.Pellegrino gibt jedenfalls viele Fragen. Werden zum Beispiel auch Köche ausgewählt, die nicht San Pellegrino in ihrem Restaurant führen? Unabhängige Tester sollten einmal die 50 besten Wasser der Welt küren. Ob wohl San Pellegrino darunter wäre?

 

Das Bild ganz oben rechts zeigt Rene Redzepi vom Noma in Kopenhagen, laut Best 50 die Nr. 1 in der Welt

Siehe auch Artikel „Frankreichs bestes Restaurant – und andere Irrtümer der Best 50“ in der BISS-Zeitung

 

Alinea in Chicago

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die 50 besten Restaurants der Welt

(laut S.Pellegrino)

1 – Noma / Denmark
2 – El Celler de Can Roca / Spain
3 – Mugaritz / Spain
4 – Osteria Francescana /Italy
5 – The Fat Duck / UK
6 – Alinea / USA
7 – D.O.M / Brazil
8 – Arzak / Spain
9 – Le Chateaubriand / France
10 – Per Se / USA
11 – Daniel / USA
12 – Les Creations de Narisawa / Japan
13 – L’Astrance / France
14 – L’Atelier de Joel Robuchon / France
15 – Hof van Cleve / Belgium
16 – Pierre Gagnaire / France
17 – Oud Sluis / Netherlands
18 – Le Bernardin / USA
19 – L’Arpege / France
20 – Nihonryori RyuGin / Japan
21 – Vendome / Germany
22 – Steirereck / Austria
23 – Schloss Schauenstein / Switzerland
24 – Eleven Madison Park / USA
25 – Aqua / Germany
26 – Quay / Australia
27 – Iggy’s / Singapore
28 – Combal Zero / Italy
29 – Martin Berasategui / Spain
30 – Bras / France
31 – Biko / Mexico
32 – Le Calandre / Italy
33 – Cracco / Italy
34 – The Ledbury/ UK
35 – Chez Dominique / Finland
36 – Le Quartier Francais / South Africa
37 – Amber / China
38 – Dal Pescatore / Italy
39 – Il Canto / Italy
40 – Momofuku Ssam Bar / USA
41 – St John / UK
42 – Astrid Y Gaston / Peru
43 – Hibiscus / UK
44 – Maison Troisgros / France
45 – Alain Ducasse au Plaza Athenee / France
46 – De Librije / Netherlands
47 – Restaurant de l’Hotel de Ville / Switzerland
48 – Varvary / Russia
49 – Pujol / Mexico
50 – Asador Etxebarri / Spain

 




Top & Flop in der Gastronomie

Nizza am Main

Können Banker mit Geld umgehen? Sind Banker Genießer? Verlassen Banker auch mal ihre Tresore, um sich draußen die Wirklichkeit anzusehen? Was denkt sich eigentlich die Metzler-Bank dabei, seit Bestehen des von ihr gebauten und verwalteten Lokals Nizza am Main in Frankfurt nur Gastronomen anzuheuern, die das Lokal schlecht führen? Es handelt es sich hier immerhin um eines der herausragenden Prestigeobjekte der Stadt, an einem Filetstück am Mainufer. Die jetzigen Pächter kommen aus der Systemgastronomie und hatten bislang kein richtiges Restaurant geführt. Die stoische Speisekarte wechselt eher selten, der Garten wird lustlos geführt, wobei gerade dieser ein Aushängeschild sein könnte. Das Beste, was auf der Karte steht, ist die Bratwurst der 11. Generation, die es aber bei verschiedenen Besuchen nie gab. Die Gartenterrasse wirkt verwaist. Man könnte hier zauberhaft frühstücken und lunchen, doch die Betreiber scheint das nicht zu interessieren. Es gäbe genug gute Gastronomen und Köche, die an einem solchen Objekt wie dem Nizza am Main interessiert wären – Juan Amador (Langen) oder Paride Mimmo Nicoli (Rüsselsheim) beispielsweise suchen etwas Passendes in Frankfurt. Hat die Metzler-Bank kein kulinarisches Gewissen? Kaum zu glauben, denn das Frankfurter Lieblingslokal von Bankier Friedrich von Metzler ist das lobenswerte Emma Metzler auf der anderen Flussseite. 

Nizza am Main, Frankfurt, Untermainkai 17, Tel. 069 26 95 29 22. www.nizzamain.de

Daumen runter

Bloody Hell!

 

 

 

 

 

 

Emma Metzler

Restaurant Emma Metzler

Das Restaurant Emma Metzler am Main hat eine ausgezeichnete Weinkarte und punktet mit Spitzen aus Deutschland und Frankreich – vor allem handverlesenen, individuellen Tropfen. Bei jedem Besuch kann man eine neue Entdeckung machen. Jetzt: J.B. Becker aus Walluf im Rheingau. Das klassischste aller Rheingau-Güter. Die Rieslinge: Knochentrocken, altersmürber Bariton, freche Herbheit. Sie werden mit Naturhefen vergoren und reifen ein Jahr im alten Holzfass. Die Weine reifen in Würde und gewinnen Jahr für Jahr an Charakter. Der Riesling-Sekt Brut Nature, der in der Emma Metzler ebenfalls ausgeschenkt wird, ist ein guter Vertreter der Becker-Stilistik – trockner geht’s nicht. Für die sommerliche Terrasse wie gemacht. Der Naturbursche schmeckt nicht nur, man verträgt ihn auch sehr gut und selbst in etwas größeren Mengen. Der aktuelle Jahrgang präsentiert sich wunderbar knackig, wir haben an anderer Stelle aber auch noch den Jahrgang 2004 probieren können, der völlig anders ist: Cremig, mit schöner Traubenfrucht und reifen Obstnoten sowie beinahe schon firnem Anklang von Rumtopf. Das Restaurant Emma Metzler würde übrigens nach der cleveren prominenten Frankfurter Salon-Dame benannt, zu deren Gästen auch Bismarck gehörte. Die klassizistische Villa Metzler neben dem Restaurant Emma Metzler wird vom Bankhaus nur für private Feiern genutzt und zählt zu den Schmuckstücken am Frankfurter Museumsufer.

Emma Metzler, Frankfurt, Schaumainkai 17, im Park des Museums für Angewandte Kunst, Tel. 069 6199 5906. www.emma-metzler.com

Daumen Hoch

Well Done




Bits & Bites

Café im Kunstverein hat eröffnet

Nach mehrmonatiger Umbauzeit wurde jetzt das Café im Frankfurter Kunstverein unter neuer Leitung eröffnet. Es ist luftiger und heller gestaltet, im Retro-Design. Vor allem hat man nun das attraktive Kreuzgewölbe freigestellt, das zuvor nicht genutzt und sinnlos vernachlässigt wurde. Es ist der schönste Teil des Lokals. Wichtigste Änderung ist indes die neue große Eingangstür an der Frontseite. Bislang mussten die Gäste über den ungünstig gelegenen Eingang des Kunstvereins herein finden, wobei viele Touristen und auch Frankfurter diesen kaum wahrnahmen. Das Steinerne Haus, in dem sich das Café und der Kunstverein befinden, liegt unmittelbar am Krönungsweg zum Kaiserdom, der einer der bestbesuchten Orte der Stadt ist. Nicht optimal sind die Stufen hinter dem Haupteingang. Das Erscheinungsbild hat sich aber allemal deutlich verbessert, was aber auch nicht schwer war. Die Renovierung ist noch nicht abgeschlossen und wird den ganzen Mai über dauern. Vor allem die Küche ist nicht ganz fertig. Es gibt aber tagsüber schon frisch gepresste Säfte, selbst gemachte Limonaden, hausgemachte Kuchen und Kekse sowie abends Weine, Spirituosen und Longdrinks sowie neuartige Aperitifs mit passenden Snacks. Das neue Betreiber-Trio führt auch das in der Nähe liegende Szene-Lokal Moloko. BF

Café im Frankfurter Kunstverein (Steinernes Haus am Römerberg), Markt 44.

Geöffnet: Di 11-19 Uhr; Mi: 11-21 Uhr; Do und Fr: 11-1 Uhr; Sa und So: 10 -19 Uhr, Montag geschlossen.

Siehe auch Berichte „Des Kaisers neues Lokal“ und „Der bösartigste Cocktail der Welt“ vom 21. Januar:

http://www.fienholdbiss.de/2011/01-2011/nr-07/des-kaisers-neues-lokal/

http://www.fienholdbiss.de/2011/01-2011/nr-07/der-bosartigste-cocktail-der-welt/

 

Italienischer Förster: Neues Lokal in Kelsterbach

Die gerade festlich eröffnete Alte Oberförsterei in Kelsterbach macht Appetit. Das schmucke Lokal befindet sich nah am Frankfurter Flughafen und liegt doch idyllisch am Main in Kelsterbach. Der Gastronom Riccardo Re und sein Geschäftspartner und portugiesischer Küchenchef Pedro Fernandez bieten gehobene italienische Küche und rustikale Trattoria-Gerichte unter gleichem Dach. Das einst tatsächlich portugiesische Lokal wurde renoviert und erweitert und kann mit einem Sommergarten beeindrucken – mit schönem Blick auf den Main. Das Gourmet-Restaurant verfügt über 30 Plätze, die Trattoria kann 40 Gäste aufnehmen, im Sommergarten haben insgesamt ebenfalls 70 Gäste Platz. Riccardo Re ist seit 17 Jahren Gastronom, viele Jahre hat er bei Mimmo in dessen Ristorante La Villa in Rüsselsheim gearbeitet (siehe Artikel „Ciao Mimmo!“) und mit dem Ambiente Italiano in Bauschheim sein erstes Lokal eröffnet. Die zwei Konzepte in der Alten Oberförsterei sollen möglichst viele Gäste ansprechen. Pizza und Pasta sind deutlich präsent, aber etwas pfiffiger als herkömmlich. Im Gourmet-Restaurant stehen Gerichte wie  Jungbullenfilet in Schwarzpfeffersauce mit Gewürz-Kartoffelgratin für gehobene Ansprüche. Der eigene Parkplatz unmittelbar vor der Tür verkürzt die Anfahrt erheblich. PL

Ricardo Re (l.) und Pedro Fernandez

 

 

 

Alte Oberförsterei, Kelsterbach, Staufenstr. 16. Tel. 06107 9896840. Geöffnet: Di bis Fr + So 12 – 15 Uhr, 18 – 24 Uhr. Sa 18 – 24 Uhr. Montag geschlossen.

 

 

 

 

Voll Bock

Tom Bock, der Italienischste aller Frankfurter, versucht seine zwei Heimatgefühle so stark wie es geht zusammenzuführen. Im Florentinischen Viertel in Sachsenhausen betreibt er südländischen Wohnbau sowie das Trio aus dem Ristorante Biancalani, dem Weinlokal Casa di Tomilaia & Friends und der Bar mittendrin. In der Toskana ist er zudem verantwortlich für das Weingut Tomilaia. Das Gut, eine Ansichtskartenschönheit in Cavriglia, hat 35 Hektar, wovon 14 Hektar mit Wein und Oliven bewirtschaftet werden. Jetzt will Tom Bock das mit einem Freund betriebene Weingut noch um ein Boutiquehotel mit 10 Suiten erweitern, die im Sommer nächsten Jahres bezugsfertig sein sollen. Wohnen in den Weinbergen in der Toskana –  wer träumt nicht davon? So viel gutes Lebensgefühl kommt auch bei den Honoratioren der Region an. Das Weingut Tomilia ist bereits zu einem Aushängeschild geworden und wird ausgiebig von der italienischen Presse begutachtet.

Tom Bock in der Casa di Tomilia

Kürzlich war eine Delegation von Politikern und Journalisten aus der Toskana zu Gast in Frankfurt, um die Aktivitäten des Unternehmers Tom Bock in Deutschland kennenzulernen. Das munter gesprochen und gegessen wurde, versteht sich von selbst. Interessant waren aber vor allem die Aussagen der italienischen Besucher über Frankfurt. Diese lobten Frankfurt als „schöne Stadt mit schönen Menschen“. Man spüre den Reichtum und die Kreativität Frankfurts, besonders ergreifend wären das Leben am Fluss und die Leichtigkeit, die man angetroffen hätte. Wie bitte? Leichtigkeit in Frankfurt! Welche Getränke hat Tom Bock seinen Gästen wohl angeboten? Seine eigenen Weine, darunter den Verführungsroten mit dem hinweisgebenden Namen Hash Ish. Der stimmt wirklich sehr zufrieden und lässt milde lächeln. Doch die Toskana-Fraktion war damit noch lange nicht am Ende. Nach drei Tagen, in der sie vorwiegend zu Fuß unterwegs war (vorbildlich), konstatierte man: Alles fließt, nicht nur der Main, sondern auch der Verkehr in Frankfurt. So viel Positives hört man selten. Und doch: Es muss offenbar jemand aus Italien kommen, damit die Frankfurter vielleicht etwas deutlicher merken, wie schön und funktional diese Stadt doch ist. PL

 
Cha Cha

Das Riesen-Restaurant mit angeblich asiatischer Küche namens Cha Cha im Frankfurter Grüneburgweg hat geschlossen. Wir registrieren dies nur kurz und ohne jedes Bedauern.  LF

 




Gourmet-Frikadelle in den Weinbergen

Und andere Überraschungen im Rheingau

Von Ludwig Fienhold

Ausflugswetter – ab in den Rheingau! Dort erlebt man mitten in den Weinbergen Urlaubsgefühle. Im Gutsauschank Baiken thront der Gast zwischen den Lagen Baiken, Gehrn und Wülfen der Hessischen Staatsweingüter. Die Atmosphäre, die nette Betreuung und die Rieslinge würden schon für ein paar schöne Stunden ausreichen, aber die Küche zeigt ebenfalls Klasse. Es gibt geschmorte Lammstelze, Taunusforelle im Ganzen gebraten mit Mandel-Zitronen-Butter oder Filet vom Jungschwein. Der Frikadelle gebührt indes der Lorbeerkranz. Regionales Fleisch und frische Kräuter werden handwerklich perfekt zu einem Spitzenprodukt, einer Gourmet-Bulette, wie es keine zweite gibt. Dieser saftige, fleischige und ökologisch korrekte Wonneproppen wird im Baiken mit gutem Brunnenkresse-Risotto serviert. Küchenchef Miguel Sattler kocht mit Verve und verwendet Erzeugnisse aus der heimischen Landwirtschaft. Das Fleisch für das saftige Rumpsteak wird wie früher am Knochen abgehangen und nicht wie heute aus Kostengründen üblich unter Vakuum gereift. Die traditionelle Methode macht es zarter und bringt mehr Geschmack.

Frikadelle 11. Generation

Gut sind auch die Kleinigkeiten im Gutsauschank, der marinierte Rhöner Tafelspitz mit Strauchtomaten, Frühlingszwiebeln, Kürbiskernen auf geröstetem Sauerteigbrot oder das Sortiment vom Eltviller Käseladen mit Traubenkompott. Probieren sollte man außerdem das Sauerampfer-Eis mit marinierten Erdbeeren und Vanilleschmand. Dass sich die Qualität für einen Gutsausschank auf einem solchen Niveau bewegt, liegt an Küchenchef Sattler und an dem Betreiber Egbert Engelhardt, dem kreativen Kopf der „11ten Generation“, die in Wiesbaden die Region mit feinem Catering, originellen Ideen und guten Erzeugnissen versorgt. Inzwischen gibt es sogar eine eigene Weinlinie, der im großen Eichenfass gelagerte Riesling Rauenthaler Baiken vom Kloster Eberbach gehört zur Edition 11te Generation und zeigt Statur.

Zum Baiken

Der ehemalige Sternekoch Egbert Engelhardt führt neben dem Gutsausschank Baiken noch ein anderes Juwel: das Lokal Anleger 511 in Eltville. Unmittelbar am Fluss, Rheinkilometer 511, gelegen, wurde es in wenigen Monaten zum beliebten Ankerplatz, wobei man das Gefühl hat an der Reling eines Schiffes zu stehen. Die über 100 Jahre alte denkmalgeschützte ehemalige Rheinhalle wurde für fast eine Million Euro saniert. Das Kleinod aus Sandstein, Fachwerk und Schmuckornamenten an der schönen Eltviller Flusspromenade glänzt nun als großartige Location mit Panoramablick. Rheingauer Rieslinge und Sekte sind selbstverständlich, daneben stehen aber auch verschiedene „Longwines“ im großen Glas bereit, Drinks mit Minze und Ingwer oder Basilikum und Limone. Küchenchef Sebastian Bauer schafft mit seiner kleinen Speisekarte sehr geschmeidig die Biegung von bodenständig zu modern. Das knusprige Teriyaki-Hühnchen mit Glasnudelsalat schmeckt ausgezeichnet, doch will man auch hier die schönen Deftigkeiten der „11ten Generation“ haben: Frikadelle und Bratwurst demonstrieren, dass solche kulinarischen Gassenhauer genau so großartig sein können wie sogenannte Luxusprodukte. Die mit frisch gemahlenen Gewürzen und Gartenkräutern abgerundete Bratwurst ist ein saftig-würziger Naturbursche ohne künstliche Zusatzstoffe und Geschmacksverstärker.

Anleger 511

Inzwischen hat man im Anleger 511 wieder auf Self Service gewechselt. Die Gäste bestellen ihr Essen an der Theke, erhalten eine Nummer und bekommen es dann gebracht. Die bunte mobile Imbissbude vor der Tür gehört ebenfalls zum Lokal. Dort sollte man anbeißen – es gibt eine erstklassige Currywurst mit einer hausgemachten Sauce und wahlweise drei verschiedenen Currymischungen von Gewürz-Guru Ingo Holland.

Der Gastronom Egbert Engelhardt führte einst mit dem Grauen Haus in Oestrich-Winkel das beste und schönste Restaurant im Rheingau. Das älteste Steinhaus Deutschlands stand am Fuß der Weinberge und hatte eine einmalige Atmosphäre – außen wie innen. Nach Engelhardt gab dort der jetzige Fernsehkoch Ralf Zacherl noch ein Gastspiel, dann war Schluss. Das Graue Haus steht seit vielen Jahren leer und gammelt vor sich hin – am Eingang steht immer noch das Restaurantschild. Der jetzige Besitzer, ein Frankfurter Immobilien-Unternehmer, lässt jedenfalls eines der interessanten Objekte in Deutschland völlig unsinnig verwahrlosen. Egbert Engelhardt dagegen ist extrem unternehmungslustig. Zu den Lokalen Im Baiken und Anleger 511 ist jetzt noch ein Drittes hinzugekommen: Das Schwarze Häuschen in Eltville-Hattenheim. Es liegt nahe beim Kloster Eberbach in traumhaft schöner Lage mitten in der berühmten Steinberglage. Zum grandiosen Ausblick genießt man solide Vespergerichte und Tropfen aus der ummauerten Weinlage. Der Steinberg ist eine der wertvollsten Lagen der Welt, die 30 Hektar gehören ganz dem Riesling. Die Mauer wurde im 18. Jahrhundert zum Schutz vor Traubendieben gebaut und schirmt jetzt vor Kaltluft ab.

Schwarzes Häuschen

Gutsauschank Baiken, Eltville, Wiesweg 86, Tel. 06123 900345.Geöffnet Montag bis Freitag ab 17 Uhr, Samstag ab 15 Uhr, Sonntag ab 11.30 Uhr.

Anleger 511, Eltville, Platz von Montrichard 2, Tel. 06123 689168. Geöffnet Montag bis Sonntag 10 – 23 Uhr.

Schwarzes Häuschen, Eltville-Hattenheim, Domäne Steinberg. Geöffnet April – Oktober, Freitag ab 17 Uhr, Samstag, Sonntag und an Feiertagen ab 12 Uhr.

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Mit dem Geigerzähler ins Restaurant?

Reaktionen der Köche auf die japanische Atom-Katastrophe

Japanische Lebensmittel stehen unter Verdacht. Die Atom-Katastrophe von Fukushima hat auch die Hotellerie und Gastronomie erreicht. Nicht nur in Japan, auf der ganzen Welt. Der Pazifik wird verseucht, Tausende Tonnen radioaktives Wasser wurden ins Meer geleitet. Cäsium und Jod im Fisch sind die Folge. Die Strahlenbelastung kennt aber auch sonst keine Grenzen. Was ist mit Reis, Gemüse, Pilzen, Tee oder Soja? Die Situation ist unübersichtlich, zumal die Informationspolitik in Japan aus Halbwahrheiten und Lügen besteht. Das erzeugt überall größtes Misstrauen. Sollen wir jetzt ständig mit dem Geigerzähler einkaufen und essen gehen? Die EU hat bislang keine Hinweise, dass radioaktiv kontaminierte Lebensmittel aus Japan nach Europa gelangt sind. Eine Momentaufnahme durch Stichproben indes, die auf viele Jahrzehnte gesichert werden muss. Höchste Vorsicht ist angebracht, doch darf man nicht in Hysterie verfallen und jetzt alles Japanische meiden. Man bringt sich damit um ein Stück Lebenskultur. Gerade die japanische Küche, die weit mehr als Sushi zu bieten hat, gehört zu den besten und interessantesten auf der Welt.

Das Lokal Sushiko in Frankfurt-Sachsenhausen kann nicht über Gästeschwund klagen und gehört nach wie vor zu den In-Plätzen der Stadt. Dort ist man auch ganz richtig in die Offensive gegangen und nennt alle Produkte und ihre Lieferanten. Unter dem Titel „Die Angst vor verstrahlten Produkten aus Japan ist groß“ wird vernünftig aufgeklärt. „Es häufen sich die Fragen unserer Gäste nach unseren Bezugsquellen. Sie wollen wissen, ob man Fisch und Sushi noch essen kann“, erklärt Geschäftsführer Phil-Ro Yoon. Deshalb präsentiert er im Lokal und auf der Internetseite eine Liste mit den Rohstoffen und den Ländern aus denen sie kommen: Aal aus Tawain, Shrimps aus Thailand, Ingwer aus Südkorea, Lachs aus Norwegen, Reis aus den USA, Sojasauce aus Südkorea, Steinbutt aus Holland, Thunfisch aus Spanien. Die Jakobsmuscheln, die von der Insel Hokkaidō aus mit 40 000 Tonnen in großer Menge geliefert werden, können derzeit nicht als unbedenklich gelten. Das Lokal Sushiko bezieht sie deshalb lieber aus Kanada. Dennoch muss man wissen, dass jährlich insgesamt gerade einmal 60 Tonnen Fisch aus Japan nach Deutschland importiert werden.

Die Fischerei im Pazifik beschert uns in Deutschland vor allem Seelachs, Schwertfisch, Kabeljau, Scholle und Lachs. Der Seelachs gehört zu den meistverkauften Fischen und wird in Deutschland vor allem zu Fischstäbchen verarbeitet, die gerne von Kindern gegessen werden.  Hochgiftiges Plutonium und radioaktives Jod verteilen sich auch im Wasser über große Flächen und werden von den Fischen aufgenommen. Für die Vergiftung durch den atomaren Crash kann es derzeit keine Entwarnung geben. Meint auch der Greenpeace-Konsumexperte Jürgen Knirsch, der eine Beobachtung und Kontrolle auf sehr lange Sicht sieht. Japanische Lebensmittel, die zum großen Teil auf dem Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt eintreffen, werden zwar stichprobenweise untersucht, doch bietet dies keine ausreichend umfassende Sicherheit. Nach Ansicht von Greenpeace müssen auch Industrie und Handel Kontrollen ausüben. Gesunde Appelle, aber wer wird letztlich aktiv, bevor Schäden eintreten? Wie so oft, ist der Mensch auf sich selbst gestellt und kann nur seinen eigenen Informationen, Instinkten und den Gastronomen und Händlern seines Vertrauens Glauben schenken.

Mario Lohninger

Mario Lohninger

Der Gault Millau „Koch des Jahres“, Mario Lohninger aus Frankfurt (3 Lokale: Silk, Micro, Lohninger) liebt Japan und seine Küche. Er hat mit Kawano Hirofumi aus Sapporo seit sechs Jahren auch ein Talent in der Küche im Restaurant Silk, das sich hervorragend auf Sushi und Sashimi versteht, die zu den besten der Stadt gehören. Mario Lohninger bestätigt, dass es wegen der Japan-Krise eine Verunsicherung gäbe – bei Gästen und Gastronomen. Er hat aber auch schon vor dem Japan-Desaster den weitaus größten Teil der Produkte aus dem Mittelmeer, von Kanada oder Kalifornien bezogen. Lohninger meint, dass es zu den meisten japanischen Rohstoffen Alternativen gäbe, die er auch entsprechend einsetzen würde. Lohningers japanisches Sake-Dinner im Micro war so oder so die am schnellsten ausverkaufte Veranstaltung seit Bestehen der Restaurants.

Tim Raue

Tim Raue vom gleichnamigen Restaurant in Berlin arbeitet wie kaum ein anderer deutscher Spitzenkoch asiatisch. Er lässt sich vor allem von Japan und China inspirieren und setzt entsprechende Produkte ein – Ingwer, Algen, Miso, Galgant, Wasabi, japanischen Salat oder Sake. Er verlässt sich dabei nach wie vor auf seine Lieferanten in Tokio, denen er vertraut. Er versteht die Hysterie in Deutschland nicht und fühlt sich durch ständige Fragen von Gästen nach verstrahlten Lebensmitteln genervt. Tim Raue kocht auch gerne mit dem Diamond Label Beef der japanischen Rinderrasse Wagyū. Doch dieses oft falsch als Kobe bezeichnete Fleisch kommt zumeist aus Australien.

Das Restaurant Taku im Excelsior Hotel Ernst in Köln gilt als eines der besten asiatischen Lokale in Deutschland. Küchenchef ist indes ein Deutscher mit österreichischen Wurzeln – Nicolas von Auersperg. Er arbeitet im Grunde panasiatisch und lässt auch China, Thailand, Malaysia, Vietnam, Korea und Indien kulinarisch einfließen. Doch gerade die japanisch beeinflussten Speisen verstehen sich als Signature-Gerichte, etwa in Sake und Soja pochierte Steinbeißerbäckchen auf mariniertem Algensalat und Tempuragemüse oder Seeteufel mit Wasabikruste und Sobanudeln. Auch die Auswahl an hochwertigem Sake ist vorbildlich. Wie aber wirkt sich im Excelsior Hotel Ernst die Japan-Krise aus? Jedenfalls nicht mit Gästeschwund. Die Gäste bestellen auch nach wie vor japanische Gerichte, stellen aber verstärkt Fragen, wo genau die Rohstoffe dafür herkommen. Küchenchef von Auersperg hat dafür Verständnis. Er vertraut jedoch auch den Kontrollsystemen und kann sich nicht vorstellen, dass verstrahlte Waren nach Deutschland kommen können. Auch er arbeitet seit langem zum größten Teil mit Produkten aus anderen asiatischen Ländern, zumal es nahezu zu allem Japanischen Alternativen gibt – bei Fisch, Reis, Soja und vielem mehr. Von Auersperg überlegt, ob er dies jetzt nicht auch auf der Internetseite des Restaurants kommunizieren sollte.

Nicolas von Auersperg

Vielleicht noch tiefgreifender als die konkrete Angst vor verstrahlten Lebensmitteln wirkt im Bewusstsein die emotionale und mentale Begleitung, die mit einem Besuch in einem japanischen Lokal einhergeht. Es drückt derzeit aufs Gemüt, wenn man japanisch essen geht und gleichzeitig die deprimierenden Bilder aus diesem Land vor sich sieht. Spätestens aber, wenn die ersten verseuchten Lebensmittel irgendwo entdeckt würden, könnte der atomare Super-GAU auch katastrophale Folgen für die japanische Gastronomie  haben – überall auf der Welt. Noch kocht das Misstrauen von Gästen und Konsumenten auf kleiner Flamme. Weitere schlechte Nachrichten könnten aber leicht Öl ins Feuer gießen.

LF




Pillow Talk
News aus der Hotelwelt

Menü & Karten für Lena und den Song Contest

im Breidenbacher Hof in Düsseldorf

Düsseldorf macht sich bereit für den weltweit größten Musikwettbewerb: Vom 10. bis 14. Mai findet dort der Eurovision Song Contest in der Arena statt, eine der größten Hallen Europas, die momentan zu einer gigantischen Showbühne umgebaut wird. 120.000 Fans werden erwartet. Das Hotel Breidenbacher Hof hat sich ganz besondere Angebote ausgedacht. Der Song Contest ist ja längst restlos ausverkauft, doch das Hotel hat sich noch 40 Karten sichern können. Die Tickets gibt es in Kombination mit einem Fünf-Gänge-Menü. Wer das Package aus Menü und Karte für den Eurovision Song Contest erwirbt, kann das Dinner in der Brasserie 1806 an einem beliebigen Abend im Mai 2011 einnehmen, es muss nicht am Finalabend sein. Das Package inklusive Eintrittskarte der besten Kategorie zum Finale des Eurovision Song Contest am 14. Mai kostet 365 € pro Person und beinhaltet neben dem Ticket das Fünf Gang-Grand Prix Menü von Küchenchef Michael Reinhardt inklusive korrespondierender Getränke und dem eigens kreierten Cocktail 12 Points.

Lena

In der Capella Bar heißt es im Mai zudem ganz regelmäßig „12 Points“! Den erfrischenden Cocktail auf Wodka-Basis mit Johannisbeeren, Gurke und Minze kredenzt Barchef Ewald Stromer ab dem 1. Mai für seine Gäste. Das Finale des Musikwettbewerbs können Gäste am 14. Mai beim Live Viewing am Großbildfernseher in der Bar des Breidenbacher Hofs verfolgen.

Reservierungen: Tel. 0211 60 90 154 oder Email an genuss.bbh@capellahotels.com





Frechheit: Offenbach hat
jetzt ein gutes Lokal

Das sehenswerte Schaumahl mit neuer Küche

Von Ludwig Fienhold

Ein gutes Lokal in Offenbach? Kann das wirklich sein? Ja, darf es das überhaupt geben? Doch mit dem Schaumahl existiert dort jetzt tatsächlich eine richtig lobenswerte Adresse. Und auch die Frankfurter werden die Grenze überschreiten und die beschwerliche Reise in die verbotene Stadt antreten, wobei sich die ersten schon getraut haben. Zur Beruhigung nur dies vorneweg: Alle, die im Schaumahl arbeiten, kommen aus Frankfurt. Vor allem den Gastgeber Pit Punda kennt man aus den bekannten Frankfurter Lokalen Emma Metzler, Cyrano und Zarges. Der junge Küchenchef Christoph Kubenz hat bei Juan Amador gelernt und auch sonst in guten Häusern Station machen können.

Das Schaumahl zeigt schon optisch Charakter. Der Jugendstilbau aus dem 19. Jahrhundert steht unter Denkmalschutz und wurde von Hausbesitzer Stefan Lang mit Sinn für historische Details restauriert. Die extravagante Schmucksäule, der Dielenholzboden und der Eingang mit den bunten Glasfenstern schaffen bereits Atmosphäre, die durch gemütvolle Landhausrustikalität und blankgescheuerte Holztische unterstützt wird. 34 Gäste finden Platz, wer mag, kann auch nur auf ein Glas Wein an die Theke kommen. Freitags und samstags sollte man reservieren, sonst kann es auch spontan klappen. Pit Punda und seine rechte Hand Esra Egner sind bessere Gastgeber als viele herausgeputzte Möchtegerns in noblen Häusern. Es geht locker und munter zu, aber dennoch professionell im Handling und bei der Beratung.

Die Speisekarte fällt mit einem Dutzend Gerichten kompakt aus, was angesichts der Relation zwischen Küchebesetzung und Gästezahl auch richtig ist und sich positiv auf die Qualität auswirkt. Christoph Kubenz ist ein schlüssiger Vertreter der neudeutschen Küche, die europäische Wurzeln hat, aber sich auch ungeniert orientalischer und asiatischer Einflüsse bedient – doch stets so, dass es nie aufgesetzt, sondern wie selbstverständlich erscheint. Beim Lammrücken mit ganzen Kichererbsen und Kreuzkümmel etwa hat man es mit einer unmittelbar wirkenden und ausdrucksvollen Kombination zu tun. Die Kichererbsen werden hier nicht zu Brei gemacht und kommen effektiver und gut gewürzt im Ganzen zum Einsatz, dem feinen und bestens gegarten Sylter Lamm wird mit einigen groben Körnern Fleur de Sel mehr Geschmack herausgekitzelt. Beim sukkulenten Adlerfisch überzeugen nicht allein der Fisch und seine Konsistenz, auch die geschmeidig-saucige Begleitung aus Radieschen, Staudensellerie und Karotte ergänzt in delikater Zartheit. Die Desserts sind so, als hätten Opa und Enkel zusammen das Beste aus ihrer beider Zeit herausgeholt – Bravo!

Küchenchef Christoph Kubenz

Hier ist mit 26 Jahren ein junges Talent am Werk, dem man bereits in seiner ersten verantwortlichen Position handwerklich gekonnte Geschmackssicherheit attestieren kann. Christoph Kubenz war Commis und Chef de Partie bei Juan Amador in Langen und Souschef im Maintower in Frankfurt. Beim strengen und starken Christian Lohse in Fischers Fritz im Hotel Regent in Berlin hat er drei Monate gearbeitet. Und im opulenten Wichtigtuer-Club Mar-a-Lago von Donald Trump in Palm Beach in Florida konnte er es auch aushalten. Christoph Kubenz zählt jedenfalls durch seine sensible und doch deutliche Handschrift zu den Hoffnungsträgern der jungen deutschen Küche, wenngleich noch Spielraum ist. Unterstützt wird er im Offenbacher Lokal Schaumahl von Judith Möhrstädt und Ilja Braun, wobei es keine strikten Positionen gibt und jeder alles machen muss.

Kubenz, Möhrstedt, Ezra, Punda (v.li. nach re.)

Die Harmonie des Teams ist spürbar, auch zwischen Küche und Service gibt es keine der üblichen Störfeuer. Im Schaumahl hilft an hektischen Tagen sogar schon mal Hausherr Stefan Lang mit und spült die Gläser. Ein großer Pluspunkt ist die Weinkarte. Pit Punda ist ein Ausgepichter, der nicht nur auf gute und bekannte Namen zugreift, sondern viel lieber mit Entdeckungen überrascht. Zum Beispiel mit den Weinen des Guts Pfannebecker aus dem rheinhessischen Worms-Pfeddersheim, das eine sehr gelungene Kollektion vorlegt, wobei sogar der Chardonnay mit leichtzüngiger Frische und Saftigkeit überzeugt. Auf den Gast wartet ein ganzes Füllhorn an guten Weinen von St. Antony, Wittmann, Rings, Spreitzer, Leitz oder Kühling-Gillot aus Deutschland. Erstklassig auch die südfranzösische Domaine de Trevallon und der Châteauneuf du Pape Pegau, sonst eher selten zu bekommen der Ai Suma von Giacomo Bologna aus dem Piemont. Lobenswert auch, dass es die Apfelschaumweine von Andreas Schneider aus Nieder-Erlenbach gibt, regionale Qualitäten sollten immer eine wichtige Rolle spielen. Mit dem Schaumahl überrundet Offenbach jedenfalls viele Frankfurter Lokale – weil es ein stimmiges Konzept hat, mit guter Küche und ausreichend guten Weinen, gastfreundlichem Service und einem insgesamt lustvollen Auftritt.

schauMAHL, Offenbach, Bismarckstr. 177, Tel. 069 8299 3400. Geöffnet Mo – Sa 8 – 1 Uhr, So geschlossen. Gästeparkplätze gegenüber Ecke Bismarckstr./Ludwigstr.  www.schaumahl.de

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Ciao Mimmo!

Der Pasta-Pate verlässt
das Restaurant La Villa

 

Paride „Mimmo“ Nicoli verlässt das Opel-Villen-Restaurant in Rüsselsheim. Seine authentische italienische und von seiner Heimat Friaul geprägte Küche hat ihn im ganzen Rhein-Main-Gebiet bekannt gemacht. Bis zum 31. Mai ist noch Gelegenheit ins Restaurant La Villa zu gehen. Bislang hat Mimmo kein neues Restaurant, ihn zieht es aber nach Mainz oder Frankfurt. Rüsselsheim, ohnehin sehr arm an attraktiven Zugpunkten, verliert damit den bislang einzigen gastronomischen Magneten. Nach acht Jahren war es für Mimmo Zeit für eine Neuorientierung, zumal der Standort immer problematischer wurde. Neuer Mieter in der Villa wird Fernsehkoch Michael Beck, der zudem noch das Restaurant La Fayence und die Flörsheimer Warte im Rheingau betreibt.

Die Opel-Villen sind auch ein architektonischer Leckerbissen. Das Haus aus dem Jahre 1915, in der klarlinigen Form von Historismus und Jugendstil entworfen, birgt trotz altem Parkett und Deckenstuck keinen Prunk. Aura und Design sind von erhabener Gelassenheit, wenngleich hier mit italienischem Temperament neues Leben erweckt wurde. Nicoli Paride, besser bekannt als Mimmo, verzichtet bei der Ausstattung und auf dem Teller auf Zierrat und kommt geschmacklich gleich zur Sache. Im Restaurant wird das serviert, was morgens eingekauft wurde. Die gegrillte Goldbrasse, saftig und fest im Fleisch, bedarf nicht mehr als einiger Tropfen Olivenöls. Bei der geschmorten Entenkeule, die zart vom Knochen fällt, erweisen sich Röstkartoffeln als angenehme Begleitung. Süffige Schmorgerichte sind eine Spezialität der Küche, die zu jeder Jahreszeit schmecken. Die Lammschulter wird in Rotwein lange auf dem Feuer gehalten und mit Polenta serviert. Mimmo prahlt nicht wie andere damit, dass dazu Barolo verwendet wird – er nimmt so oder so nur gute Weine für seine satten Saucen. Die Küche steht für einen lebendig-herzhaften Trattoria-Stil auf hohem Niveau, vieles kommt aus dem Backofen oder der Pfanne. Authentisch und bissecht sind auch die vielen Pasta-Varianten, die allein den Weg lohnen. Solche Nudeln macht kaum jemand so gut wie Mimmo.

Die meisten Sorten sind hausgemacht, selbstverständlich bereitet sie der Pasta-Pate al dente zu. Unbedingt probiert haben muss man Pici mit Ragout von der Kalbshaxe, Bigoli mit Entenragout und die friaulinischen Blecs mit Kaninchen. Sehr gut außerdem Minzi, gegrillte Nudeln mit Ochsenschwanz und Meerrettich oder hausgemachte Bigoli aus Käse, Spinat und Mangoldblättern mit Käsecreme und Walnüssen. Typisch Friaul und anders als andere Nudelgerichte sind Cialsons – Tortellini gefüllt mit einer Masse aus Quittengelee, Feigen, Rosinen, Zimt, Kartoffeln und geräuchertem Ricotta. Zudem gibt es gute und günstige Mittagsmenüs (3 Gänge plus 1 Glas Wein 22,50 €, mit zusätzlichem Pastagang 29,50 €).

Aus Mimmos Heimat, dem Friaul, stammt auch das Gericht Cotechino, dort Musett genannt. Ein Arme-Leute-Essen, wie vieles aus diesem Bereich eine deftige Delikatesse. In der warmen und wunderbar würzigen Wurst hat so ziemlich alles vom Schwein Platz gefunden, vor allem aber Speck, Schwarte und Fleisch. Sie schmeckt einfach nur auf einem Stück Polenta, doch Mimmo setzt dazu als erfrischendes Element Linsensalat mit Speck und roten, leicht süßlichen Zwiebeln ein und kombiniert dies mit sehr guter hausgemachter Entenstopfleber mit Mostarda, kandierten Senffrüchten. Mimmos Küche ist nicht vordergründig, er pflegt das raffiniert Einfache. Zu den schönsten Fleischgerichten gehören die in Rotwein geschmorten Kalbsbäckchen mit Polenta und weißen Zwiebeln und die konfierte Kaninchenkeule mit Olivengnocchi und gebratenem Fenchel. Auf der Terrasse lässt es sich angenehm bis in den späten Abend sitzen, zumal keine Nachbarn gestört werden können.

Mimmo und Lucia

Der Weinkeller hält viel Gutes bereit, kaum sonst wo kann man zu solch fairen Preisen große Barolos und andere erstklassige Tropfen bekommen. Der Barrique-Sauvignon von Ronco del Gnemiz führt die Nase in einen duftigen Sommergarten, von Castellada gibt es den besten Pinot Grigio Italiens, Anselmi sorgt für erstklassige und gehaltvolle Terrassenweine. Wer herausragende Rotweine sucht, wird bei Elio Altare und anderen Großen aus dem Piemont oder der Toskana fündig. In der Villa gibt es zudem nicht irgendeinen Prosecco, sondern einen erstklassigen Rosé-Spumante von Nino Franco. Mimmo kommt oft persönlich aus der Küche, um Gerichte zu empfehlen und zu erklären. Doch kann er sich auch auf einen sachkundigen und aufmerksamen Service verlassen – allen voran Lucia, die auch eine gute Pasta-Köchin ist.

LF

La Villa, Rüsselsheim, Ludwig-Dörfler-Allee 9, Tel. 06142 2 10 09 55. Täglich geöffnet 12 – 14 Uhr, 18 – 2.30 Uhr (Küche), Montag und Samstagmittag geschlossen. Hauptgerichte 14 – 25 Euro.

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Die 7 Samurai-Köche

Deutschland wird japanischer

Von Ludwig Fienhold

Eine spannende Idee: Sieben deutsche und japanische Spitzenköche entwerfen ein Menü mit sieben Gängen zu sieben verschiedenen Sake von erstklassigen Produzenten. Die Auftaktveranstaltung bei Mario Lohninger im Restaurant Micro in Frankfurt zeigte, welches Potential in der Verbindung aus kreativer Küche und dem japanischen Kultgetränk liegt.

Sushi-Chef Kawano, Mario Lohninger, Yoshiko Ueno-Müller, Jörg Müller, Toshio Kobatake

Wie die alten Samurai, so sollen auch die Köche Tugenden und Ehre verteidigen, wenngleich nicht mit dem Schwert, sondern mit dem Küchenmesser. Keineswegs irgendwelche Köche wurden dafür ausgesucht, sondern besonders Tugendhafte: Sven Elverfeld (3 Michelin-Sterne, 19 Punkte im Gault Millau), Aqua im Ritz-Carlton, Wolfsburg; Volker Drkosch (1 Stern), Victorian, Düsseldorf; Kevin Fehling (2 Sterne), La Belle Epoque, Lübeck/Travemünde; Yoshizumi Nagaya (1 Stern), Nagaya, Düsseldorf; Tim Raue (1 Stern), Restaurant Tim Raue, Berlin; Toshio Kobatake (16 Punkte im Gault Millau), Restaurant Toshi, Düsseldorf; Mario Lohninger (Gault Millau Koch des Jahres, 1 Stern), Restaurants Silk & Cocoon, Frankfurt. Nach Lohninger werden nun alle Köche in ihren Restaurants spezielle Menüs zum Thema Sake anbieten, im monatlichen Wechsel bis November (das Programm mit Preisen und Terminen steht auf der Internetseite www.japan-gourmet.com).

Micro

Bei Mario Lohninger war das Dinner „7 Samurai-Köche & Sake“ die am schnellsten ausverkaufte Veranstaltung aller Zeiten. Die Sake-Expertin Yoshiko Ueno-Müller, in Tokio geboren und seit 20 Jahren in Deutschland zu Hause, hat die Initiative zu dieser außergewöhnlichen kulinarischen Reihe ergriffen und unter ihr Lieblingsthema gestellt (siehe auch Sake – Poesie in Flaschen). Die zugleich zarte und robuste Art von Sake ist charakteristisch für Japan und die Menschen dort.

Sashimi von Kawano

Ein perfektes Zusammenspiel  von Speise und Getränk zeigte der Gold Label der Ninki Brauerei aus Fukushima (der Katastrophen-Region, die wohl leider auf ewig mit diesem Stigma behaftet sein wird). Der aromatische, feinfruchtige Sake war solo schon ein Hinschmecker, lief aber erst mit den Sushi-Happen zur Hochform auf und offenbarte Harmonie in Vollendung. Wenn der richtige Sake auf rohen Fisch und japanische Gewürzpflanzen stößt, erfährt beides eine Geschmacksbereicherung. Es war dies der vielleicht letzte Sake aus der Ninki-Brauerei. Für die Sushi und Sashimi war wie stets in Silk und Micro Kawano Hirofumi aus Sapporo verantwortlich (siehe Titelfoto oben), der präzise Miniaturen zubereitet. Eines der besten und stark japanisch inspirierten Gerichte von Mario Lohninger ist der Black Cod mit Miso und japanischer Consomé, der auch beim Sake-Dinner zum Einsatz kam. Der ungemein saftige, fleischige und nanosekundengenau gegarte kabeljau-ähnliche Fisch badet dabei in einem leicht geräucherten und an Lapsang Souchong Tee erinnernden Sud (der diesmal mit einer dezenten Chili-Variante wechselte). Der fast schon süffige, reintönige, an feingeschliffenen Reis anmutende Sake Urakasumi Zen passte wie maßgeschneidert dazu, wobei die Uhu-Klebstoffnase anfangs irritierte. Der Zen-Sake der Brauerei Urakasumi – mit dem dicken Mönch auf dem Etikett – stammt aus der Präfektur (Region) Miyagi, die für Thunfisch bekannt ist und ebenfalls zum betroffenen Erdbebengebiet gehört.

Wenn die Klarheit und Sanftheit von Sake von einer geschmeidigen Viskosität begleitet wird, erreicht man noch höhere Geschmacksregionen. Manche von ihnen können dabei trocken ausfallen, manche erscheinen eher wie Wein-Spätlesen. Wie Dassai 50 von der Brauerei Asahi Shuzi aus Yamaguchi. Weinig, cremig, dichte Textur. Trotz trockner Art betonte Aromen, Frucht, ein Hauch Muskat. Passte hervorragend zu Mario Lohningers lauwarmem Hamachi (Gelbschwanzmakrele) in einer famosen Aromatiksauce mit Melone und Ingwer. Lohningers Desserts wirken schon von Natur aus, wie für Sake geschaffen. Wenn Zitrusfrüchte, Wasabi und Fromage Blanc Sorbet auf einen feinblumigen eleganten Amabuki Marigold treffen, dann wird es kulinarisch leicht lyrisch. Beschwingtes Finale: Yuzu-Schaumomelette mit Sorbet von Grünem Tee mit Yuzu-Sake der Kobe Shu-Shin-Kan-Brauerei. Eigentlich ein Sake-Likör mit Yuzu-Zitrus, leicht gekühlt ein toller Sommerdrink (ähnlich italienischem Limoncello).

Die dramatischen Ereignisse in Japan lassen auch verstärkt Köche und Lieferanten über japanische Erzeugnisse nachdenken. Sake, Sojasauce, Pilze, Thunfisch – was kann unbedenklich genossen werden? Die meisten jetzt im Handel befindlichen Erzeugnisse wurden schon vor der Katastrophe geerntet und abgefüllt. Bei Premium-Sake wird zudem immer ein Datum auf der Flasche genannt. Mario Lohninger ist wie viele andere auch verunsichert, bezieht seine Fische inklusive Thuna und anderes mehr aber schon länger aus dem Mittelmeer, Kalifornien oder Kanada. Erzeugnisse aus Japan, die größtenteils am Frankfurter Flughafen ankommen, werden dort sehr genau untersucht – indes stichprobenweise und nicht jedes einzelne Stück. Vertrauen und Misstrauen halten sich letztendlich die Waage. Am Ergebnis der 7 Samurai-Köche ändert dies nichts: Diese kulinarische Reihe ist ein Ereignis von Weltrang.

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