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Tanz auf dem Vulkan: Große Weine aus Lanzarote

Die Avantgarde-Winzer: Titerok Akaet und Puro Rofe

 

Lanzarote wird immer mehr zur Wein-Destination

 

Von Ludwig Fienhold

Der Wein auf Lanzarote ist ein einzigartiges Naturereignis. Er wächst in Vulkantrichtern unter extremen Bedingungen und muss ungestümen Winden und großer Trockenheit trotzen. Wir kennen Lanzarote und seine spannende Weinwelt seit sehr vielen Jahren. Der geniale „Inselkönig“ César Manrique konnte uns in seinem Haus seinerzeit nur mit einem Süßwein begrüßen, trockenen Malvasia gab es nicht. Heute sind die Inselweine so vielfältig und faszinierend wie nie zuvor. Das haben auch zwei der wichtigsten deutschen Weinhändler erkannt (Lobenberg und Wein am Limit) und sich gleich Flaschen der besten Erzeuger an Land gezogen: Puro Rofe und Titerok Akaet, die Avantgarde-Weingüter von Lanzarote.

Das Naturschutzgebiet La Geria auf Lanzarote ist die größte Weinbauregion der Kanaren, das Museum of Modern Art in New York erklärte es in den 60er Jahren zum Gesamtkunstwerk. Kaum sonst auf der Welt wird der Wein auf solch ungewöhnliche Art erzeugt. Die Reben wachsen in Trichtern aus Vulkanasche. Tagsüber sind sie ein Wärmespeicher, nachts nehmen sie Feuchtigkeit auf. Das Wasser bringt Leben in die Reben und die dauerhafte Trockenheit der Insel. Die meisten Winzer sind recht alt und der Nachwuchs will meist mit anderer Arbeit Geld verdienen. Die junge Avantgarde aber will das einzigartige Trinkkulturerbe nicht aufgeben und stürzt sich geradezu tollkühn in die harte Arbeit.

Puro Rofe

Der Rotwein von Puro Rofe nennt sich treffend: Reine Asche. Beim Tinto Soco aus der kanarischen autochthonen Rebsorte Listán Negro glaubt man, der Winzer habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Vulkan-Asche, Schwefel, Kaminfeuer, flüssiges Magma brodeln den Geschmack hoch. Mehr Teer als jeder Barolo. Ungewöhnlich wild, herb und doch aromatisch. Mehr Lanzarote ist in keiner Flasche.

Soco – so heißen die windschützenden Mauern aus Lavabrocken um die Vulkantrichter – nennt sich die preiswertere und doch sehr anspruchsvolle Wein-Linie von Puro Rofe, ein famoses Trio aus Blanco, Rosado und Tinto. Alle top.

Der Rosado ist von saftiger Süffigkeit und hinterlässt jene schöne und animierende Salzspur, die typisch für die meisten guten Weine der Insel ist, aber besonders charaktergebend für die Spitzen von Puro Rofe. Der Blanco steigert mit seiner straighten kühlen Frische den Trinkfluss und gehört mit seiner kreidigen Mineralität zu den richtig trockenen Inselweinen. Ein vulkanischer Chablis, aber einer von den besten.

Die anderen großen Weine von Puro Rofe sind noch ein wenig spezieller und tragen oft die Namen der jeweiligen Rebflächen wie Masdache, Chupadero oder Juan Bello, um das Terroir zu betonen. Die Weißweine werden geprägt durch eine salzige Meeresbrise, Vulkangestein, präzise Säure und packende Mineralität. Man sollte sie grundsätzlich 20 Minuten vor dem Trinken öffnen (oder dekantieren), der Juan Bello Blanco braucht zumindest eine halbe Stunde Sauerstoffzufuhr, um ihn zum Leben zu erwecken. Aber dann zeigt er sich in seiner ganzen Größe, Dichte und spannenden Aromatik. So aufregend und vielschichtig sind nur die wenigsten Weine der Insel. Mit 600 Flaschen äußerst limitiert, wie alle Weine von Puro Rofe.

Das außergewöhnliche Weinprojekt Puro Rofe wurde vom Weinberater und Weinhändler Rayco Fernandez und dem Weinmacher Carmelo Peña ins Leben gerufen, die mit den lokalen Bio-Winzern Rafael Mota, Vicente Torres und Ascensión Robaina ihre Vision von einem echten Lanzarote-Wein 2017 starteten und 2018 ihren ersten Jahrgang präsentierten. Sie traten an, um ganz eigene individuelle Weine zu erzeugen, die den Charakter von Lanzarote spiegeln und dessen Seele einfangen. Sie wollten keine Souvenirweine für Touristen machen, wie es sie schon genug gibt, sondern authentische Terroir-Tropfen.

Carmelo Peña hat unterdessen nach vier Jahren Puro Rofe ein neues Projekt gestartet (siehe BISS-Artikel „Neues Weingut auf Lanzarote). Er und sein ehemaliger Partner Rayco Fernandez haben sich überraschend und unversöhnlich getrennt.

Titerok Akaet

Marta & Juan von Titerok Akaet

Ein ähnliches Qualitätsstreben mit der Betonung auf das ungewöhnliche Biotop strebt auch das kleine Weingut Titerok Akaet seit dem ersten Jahrgang 2017 an, wobei es zu anderen Ergebnissen und einer anderen Stilistik führt. Es sind zu 100% Terroir-Weine, bei denen jede Parzelle und ihre unterschiedliche Beschaffenheit ausgelotet werden. Titerok Akaet setzt voll und ganz auf heimische Reben.

Marta Labanda und ihr Partner Juan Daniel Ramirez sind sensibel, feinsinnig und doch von kraftvoller Energie. Genau das macht auch ihre Weine aus. Ihnen mutet etwas Burgundisches an, Ruhe und Ausgeglichenheit, zarte Cremigkeit und Finesse. Die Weine sind puristisch, unverfälscht und alles andere als geschminkt. Eine anregende Salzigkeit und diskrete Kräuterdüfte durchzieht das gesamte Repertoire. Die Weine basieren meist auf den Rebsorten Malvasia Volcanica, Listan Blanco und Diego. Es gibt keine Weinberge wie bei uns. Die Anbauflächen sind klein und verteilen sich. Es sind kaum mehr als Parzellen mit Weinen, die aus den Vulkanaschelöchern kriechen. Teilweise wurzelechte Reben von 100 und sogar 200 Jahren. Bei einem solch phänomenalen Naturereignis wie man es auf Lanzarote vorfindet, sehen sich Marta und Juan der biologischen Bewirtschaftung verpflichtet. Der Ausbau erfolgt in Holzfässern, großen Glasballons und Amphoren.

Marta & Juan mit Susanne (Mitte) von der wunderbaren Weinbar Sede in Playa Honda

Der Malvasia Finca Guatisea 2022 von Titerok Akaet, schmeckt trotz seiner Salzigkeit wie keiner sonst auf der Insel. Es ist ein leiser Wein mit leichter Würze und taktvollen Aromen von Grapefruit, Quitte, Melone und Apfel. Es ist aber die ruhige gentile Haltung, die ihm Würde und Statur verleiht. Saftiger angenehmer Trinkfluss, ohne die Spur eines Folklore-Zechers. Braucht eine halbe Stunde bis er sich offenbart. Es gibt nur 374 Flaschen, lediglich 177 schafften es nach Deutschland.

Der Akaet Paraje 2021, eine Cuvée aus Malvasia, Diego, Listan Blanco und Listan Negro, ist ebenfalls sehr geschmeidig. Getrocknete Kräuter, praller Apfel, ein Hauch Holz- und Waldduft. Dicht und ergreifend, satt und schlank dabei. Ein Stück Burgund auf Lanzarote. Aber immer mit dieser betörenden salzigen Meeresbrise.

Noch schlanker ist der Volcan de la Corona aus 100% Listan Blanco. Er wird in korbumflochtenen 54-Liter-Glasballons vergoren. Frische Brise im Glas, Grapefruit und Zitrus. Knackig-saftig wie ein guter Riesling, aber nicht so nervös. Sehr limitierte Produktion von wenigen hundert Flaschen.

Die frische und leicht prickelnde Art vom Barranco del Obispo macht ihn vielleicht noch freundlicher als die anderen Weine von Titerok Akaet. Die ultrafeine Kohlensäure ist der Maceration semi-carbonique in gebrauchten Kastanienholzfässern zu verdanken, die auch die Frucht betont, ohne dabei laut zu werden.

Egal zu welche Flasche man bei Titerok Akaet greift, man hat es immer mit einem sehr persönlichen Wein zu tun, der die Liebe ausstrahlt, die ihm bei der Entstehung zuteil wurde. Welch ein schöner Name: Titerok-Akaet nannten die Ureinwohner die feuerroten brennenden Berge des Timafaya-Vulkans. Heute ist daraus eine brennende Leidenschaft geworden.

Fotos; Barbara & Ludwig Fienhold, Titerok Akaet

Wein am Limit, www.weinamlimit.de

Titerok Akaet

Lobenberg, www.gute-weine.de

Puro Rofe




Entdeckung auf der Weinsinel Lanzarote: Garagenweingut Tisalaya in Tinajo

Miguel Morales Moríns

Gespür für die Salzigkeit

der Erde

 

Ohne die genaue Adresse hat man keine Chance diese Bodega zu finden, nichts weist darauf hin, dass in einem solch kärglichen Gebäude Wein gemacht wird. Die Bodega Tisalaya von Miguel Morales Morín ist tatsächlich nur eine Garage. Die 65 Quadratmeter bieten gerade einmal Platz für sechs kleine Stahltanks, eine Traubenpresse und einen Klimaschrank. Hier werden noch Weinpressen verwendet, wie man sie nur noch aus dem Museum kennt. „Artesan“, meint Miguel, alles Handarbeit. Von der Lese bis zur Pressung. Die über 60 Jahre alten Reben werden in vier mal vier Meter großen Bodenlöchern gezogen und wurzeln in einer Erde aus Vulkangestein und von bröseliger Lavaasche überzogenen Lehm & Ton-Böden. Die knapp zwei Hektar große Rebfläche von Tisalaya, die wie meist auf der Insel keine Weinberge, sondern kleine zwei Meter tiefe Trichter sind, liegen im Nationalpark Timanfaya und im Naturpark Los Volcanes. Die Trichter werden von Vulkansteinmauern, sogenannten Zocos, als Windschutz umrahmt.

Lanzarote Weinlese

Die kleine Weinprobe bei Tisalaya mag in einem schlichten Raum stattfinden, um so spannender wirkt jedoch der Wein selbst, der nicht aus der dominanten Insel-Rebsorte Malvasia, sondern dem auf Lanzarote eher rar gesäten Diego stammt.  Ein verwegen mineralischer Wein mit dezentem und leicht kräuterwürzigem Aroma. Diese kühle Stilistik und salzige Frische ist durchaus typisch für Lanzarote, aber nicht unbedingt in dieser klaren und sehr trockenen Ausprägung. Der Tisalaya kann aber noch viel mehr: Er fängt diese unglaubliche Stille und majestätische Ruhe ein, die wie eine schützende Glocke über der Weinregion von Lanzarote schwebt. Welch ein authentischer Inselwein, so schmeckt Lanzarote. Der letzte Schluck scheint immer noch ein Geheimnis zu bergen, etwas das nicht abschlossen ist und unbedingt eine zweite Flasche erfordert. Das wird deshalb nicht ganz so einfach, weil der Ertrag verschwindend gering ist. Der Jahrgang 2021 fiel wegen Trockenheit und Hitze minimal aus, es wurden gerade einmal 500 Flaschen abgefüllt. Aber auch in stärkeren Jahren sind es kaum mehr als 3000 Flaschen. Nur einige Restaurants auf Lanzarote haben den Tisalaya auf der Karte, etwa La Tegala, Coentro, El Risco, Lilium oder Dunas. Die eine oder andere Flasche fand aber auch den Weg in die Sternegastronomie nach Madrid.

Miguel Morales Morín

Neben Weißwein erzeugt Miguel Morales Morín einen Listan Negro, der völlig ungeschminkt, geradlinig, kühl und wildwürzig ausfüllt und durch seine schlichte Schönheit besticht. Viele Insel-Winzer forcieren bei ihren Rotweinen meist eine internationale Stilistik, die sie austauschbar machen. Auch beim Moscatel-Dessertwein setzt das Garagenweingut Tisalaya nicht auf stromlinienförmige Gefälligkeit, der Moscatel ist sehr feinfruchtig und kein plumper Süßprotz mit überzogener Selbstdarstellung. Es sind solche Weine wie die von Miguel Morales Morín, die Lanzarote und seine dramatisch schöne Weinwelt zu einer Art Trinkkulturerbe machen.

Ludwig Fienhold

 




Neues Genuss-Trio für Lanzarote: Weingut, Luxus-Hotel, Restaurant

Das teuerste Hotel

der Insel hat eröffnet

 

Carmelo Peña, der zuvor bei Puro Rofe arbeitete, geht mit einem neuen Weingut an den Start, zu dem auch ein luxuriöses Boutique-Hotel und ein hochpreisiges Restaurant gehören. Die Bodega in Asomada ist Teil dieses neuen Luxus-Trios. Wir haben das kleine Weingut mit den großen Absichten besucht und einige bemerkenswerte Kostproben erlebt.

Carmelo Peña

Carmelo Peña möchte schlanke, elegante Weine mit Mineralität und Terroir-Typizität erzeugen. Sie sind mit 10-11 % niedrig im Alkohol. „Ich will alles aus dem Vulkanboden an Qualität herausholen, was möglich ist“, meint der selbstbewusste Önologe. Er geht dabei verkürzt gesagt wie im Burgund vor.Übersetzt auf Lanzarote heißt dies: Insel-Weine, Village-Weine und noch spezifischer Parzellen-Weine.

Die von uns im jungen Stadium verkosteten Weißweine sind mineralisch, zitrusfrisch und salzig. Der Lagenwein Chupadero ist zwar auch nicht wuchtig, aber deutlich exaltierter: Der Teufel scheint einen kleinen Schwefel-Schwanz zu hinterlassen, dazu einen Glimmer Magmafeuer – The Devil in Disguise. Spannend.

Die Weine werden in Tongefäßen, Betoneiern, Stahltanks und Holzfässern ausgebaut. Die Ernte beginnt früh im Juli und nicht wie bei den meisten Weingütern auf Lanzarote im August. Damit soll verhindert werden, dass zu viel Sonne und hohe Temperaturen in den Trauben zu viel Zucker entstehen lassen. Mehr Zucker sorgt für eine höhere Alkoholkonzentration, die nicht erwünscht ist. „Wir setzen weniger auf Alkohol und Frucht, sondern mehr auf Mineralität“, meint Carmelo.

Die „Weineberge“, die sich auf der ganzen Insel verteilen, bestehen je nach Lage aus kleinen Trichtern oder großen Kratern mit Vulkanasche. Die Beschaffenheit aber ist ähnlich. Wenn man die Vulkanasche mit den Händen ein wenig wegscharrt, spürt man die Feuchtigkeit darunter. Das sichert den Reben das Leben. Die meisten Rebpflanzen sind über 100 Jahre alt. Insgesamt verfügt Carmelo Peña über 20 Hektar Weinbau auf Lanzarote, die sich auf zwanzig verschiedene Winzer verteilen. Er führt dabei die Regie gemeinsam mit ihnen, während er im Weinkeller auf sich gestellt ist.

Carmelo erzählt, dass die meisten Winzer im Schnitt 75 Jahre alt sind, während die Jüngeren mehr Geld verdienen wollen, als dies mit eigenen Weinen möglich wäre. Deshalb kann er mit beiden Altersgruppen ins Geschäft kommen und sich vieler Insel-Weine bedienen. Sein Ziel ist es, authentische Weine zu machen, die ausschließlich aus Lanzarote stammen. Was die meisten nicht wissen: Ein Lanzarote-Wein muss nur zu 20 % aus Trauben dieser Insel bestehen und darf den Rest mit anderen auffüllen. Der 37 Jahre alte Carmelo Peña, der bei Winzergrößen wie Dirk Niepoort in Portugal und Raúl Péres im spanischen Bierzo lernte und arbeitete, hat Großes vor. Siehe auch BISS-Artikel „Tanz auf dem Vulkan“ über Lanzarote und die Winzer-Avantgarde.

Hotel César

Zu dem neuen Lanzarote-Trio gehört auch ein Luxus-Hotel mit Restaurant. Das César ist Urgestein, dort lebten die Eltern des Universalgenies César Manrique, der als Maler, Bildhauer, Architekt und Umweltschützer die Insel mehr prägte als jeder andere. So viel Luxus wie heute gab es damals nicht. 20 attraktive Zimmer mit Terrasse oder Balkon, dazu Swimmingpool, Restaurant und gleich daneben die Bodega. Mit Preisen zwischen 500 und 1000 € pro Nacht ist es das teuerste Hotel auf Lanzarote. Zu dem neuen Hotel der Numa Group gehört auch ein hochpreisiges Restaurant, das mehr durch seine Optik als eine ansprechende Speisekarte auf sich aufmerksam macht. Lanzarote deluxe. Ein Trend auf der Insel der Bescheidenheit. Es ist für vieles Platz, am Ende zählt nur die Qualität.

Ludwig Fienhold

Fotos: Barbara Fienhold