Frankfurter Freßgass: Café Paris hat eröffnet

Belebung für die

angeschlagene

Flaniermeile

 

Von Ludwig Fienhold

 

Im Hamburger Café Paris stehen die Gäste Schlange, so möchten es die Betreiber auch gerne in Frankfurt mit ihrem Ableger haben, der am 14. September nach einem rauschenden Fest eröffnet hat und dem gleichen erfolgreichen Konzept folgt, aber zudem eigene Ideen einbringt. Hans-Jürgen Laumeister und Daniela Schwarz, die das Schlosshotel Rettershof in Kelkheim vor den Toren Frankfurts führen, wollen mit ihrem neuen Lokal auf Frankfurts einziger Flaniermeile Flagge zeigen und dem so langsam völlig abgenagten Namen Freßgass wieder Sinn geben.

Das ehemalige Restaurant Zarges auf der Frankfurter Freßgass wurde völlig entrümpelt, kaum ein Detail erinnert mehr an den einstigen Plüschsalon und sein samtrotes Ambiente. Im Prinzip hätte man das Mobiliar behalten können, denn es wäre auch gut mit dem neuen französischen Bistro-Konzept einhergegangen. Doch Laumeister & Schwarz wollten es „moderner, luftiger, heller, freundlicher.“ Die beiden möchten an gleicher Stelle, um die es in den letzten Jahren ruhig wurde, wieder das Leben pulsieren lassen. „Eng, crowdy, kommunikativ“, beschreibt Hans-Jürgen Laumeister seine Vorstellung vom Café Paris. Im Gegensatz zu vorher wird dies also eher kein intimer Ort für Rendezvous-Pärchen.

Das Konzept

Unkompliziert soll alles sein, das Essen und die Atmosphäre. Klassische französische Bistro & Brasserie-Gerichte in gut sortierter Auswahl für jeden Geldbeutel. Offensive Präsenz. Das Café Paris wird täglich geöffnet haben und damit an Sonntagen eine der ganz wenigen aktiven und attraktiven Adressen in der Innenstadt sein: Von 9 – 24 Uhr, Küche bis 22.30 Uhr. Noch besser: Montag – Freitag Frühstück von 9 – 12 Uhr, Samstag + Sonntag von 9.30 – 16 Uhr. Das Café Paris (ohne „de“ in der Mitte, denn da wären wir in einer anderen Klasse in Monaco) wird als Franchise geführt, wobei das Frankfurter Lokal die Standards übernimmt, aber auch eigene Ideen einfließen lässt. 

Ambiente

Eine Ansage ans Volk: 150 Plätze innen, 150 Plätze auf der Terrasse. Das schafft Platz für viele. Vom Souterrain bis zur Galerie werden viele Ebenen bespielt. Die allseits bekannten Thonet-Stühle, Säulen mit Keramikkacheln und Stäbchenparkettboden sind das Grundgerüst. Im Detail geht es aber noch weiter. Mit lebenden Pflanzen begrünte Wände, ein begehbarer Weinklimaschrank und zwei Bar-Theken mit Hockern schaffen zusätzlich Atmosphäre. Clou ist aber ein indirekt beleuchtetes Milchglasdach, das eine Wintergarten-Atmosphäre erzeugt. Auf der Galerie befinden sich die Logenplätze, von denen aus man das Restaurant und den Eingang gut im Blick hat. Die Glasscheibe wurde entfernt, denn hier oben ist kein Raucherbereich mehr.

Food & Beverage

Tatar in verschiedenen Varianten ist der Klassiker im Hamburger Café Paris und soll es auch in Frankfurt werden. Vor allem der am Tisch zubereitete (200 Gramm/25,50 €) gilt als Highlight. So etwas Schlichtes wie Croque Monsieur kann sehr gut sein, was man als Gast aber selten erleben darf. Im Frankfurter Café Paris wird es diesen Gassenhauer und andere, wie bretonische Fischsuppe, Paté Maison oder Merguez Frites Salade geben. Auf einer Extrakarte werden noch interessantere Gerichte angeboten, wobei wir uns beim nächsten Besuch schon auf den panierten Schweinefuß mit Trüffelremoulade freuen. Es werden auch Macarons angeboten, allerdings findet man schräg gegenüber auf der Freßgass bei Köllers L´Art Sucré die besten Macarons in ganz Deutschland.

Auf der 150 Positionen umfassenden Weinkarte stehen als Standard die Tropfen vom Schlossgut Diel oder dem Weingut Wittmann, wobei die ausgewiesenen Größen der offen ausgeschenkten Weine bemerkenswert sind, die es in 0,1l, 0,25 l und 0,5l gibt, was vorbildlich ist. Es werden zwei Champagner glasweise ausgeschenkt, für 12,50 und 14,50 € (0,1l), aber keine, die jeder kennt. Crémant und Cidre sind bei einem solchen Bistro selbstverständlich. Auf der Weinkarte geben grundsätzlich Frankreich und Deutschland den Ton an. Dabei wird in Frankfurt die Nähe zu Rheingau und Rheinhessen umgesetzt. 

Das neue Team

Das Café Paris geht mit 30 Angestellten in Küche und Service an den Start, später sollen bis zu 50 Mitarbeiter an Bord sein. Betreiber sind das Paar Hans-Jürgen Laumeister und Daniela Schwarz, die den bekannten Rettershof in Kelkheim führen und dennoch persönlich noch nicht wirklich bekannt sind. Als Restaurantleiterin wurde Tatjana Popovic verpflichtet, die zuvor schon in gleicher Position bei Zarges arbeitete. Der für alles verantwortliche Executive Chef ist Philip Raubach, der jedoch in erster Linie im Schlosshotel Rettershof arbeitet und zuvor in der Villa Rothschild im Taunus tätig war. Küchenchef im Café Paris ist Jakub Mysicka, der einst bei Zarges Souschef war. Als Souschef im Café Paris fungiert Tino Specht, der aus der Villa Rothschild kommt. Als Sommelier wurde Helgo Karrer verpflichtet, den man nicht vorstellen muss. Betriebsleiterin ist Claudia Lüttig.

Finale

Es existiert derzeit kein Lokal unmittelbar auf der Freßgass, das kulinarisch wertvoll wäre. Ob das Café Paris bloß ein Konzeptlokal ist oder ein kulinarisches Highlight setzen kann und ein Hotspot wird oder sogar beides schafft, dürfen wir in den nächsten Monaten erleben. Der Futterneid auf der Freßgass hat indes schon längst eingesetzt. 

Café Paris, Frankfurt, Kalbächer Gasse 10 (Freßgass).  

Photocredit: Café Paris Frankfurt




Grandissima Weinmesse: Großereignis in Frankfurt am Sonntag

Fachbesucher können 700 Weine probieren

 

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Ein Großereignis für die Weinwelt: 60 Winzer und Weingüter aus Italien, Deutschland, Spanien, Südafrika, Argentinien und Chile präsentieren am 21. Oktober im festlichen Gesellschaftshaus des Palmengartens rund 700 Erzeugnisse, darunter Raritäten und kostbare Bouteillen. Die Weinmesse ist ausschließlich für Fachbesucher, also vorrangig Gastronomen und Händler.

Chiara Soldati von La Scolca ist auch dabei

Italien ist besonders stark präsent, allein was Antinori und seine verschiedenen Weingüter bieten, ist zum schwindelig werden. Mit dabei auch Tignanello, der erste Supertoskaner, mit dem Marchese Piero Antinori 1971 weltweit für Aufsehen sorgte. Der Tignanello Toskana IGT 2015 ist hochbewertet, 98 Punkte bei James Suckling, 97 Punkte im Wine Spectator, 96 Parker-Punkte. Prunotto aus dem Piemont und seine Barolo, Barbera, Barbaresco und Nebbiolo sind ebenfalls weltbekannt. Der hochdekorierte Barolo Bussia sowie der exzellente Barbaresco Bric Turot werden neben vielen anderen Roten und Weißen von Prunotto zu verkosten sein. An Tisch 1 wird niemand vorbeikommen, die Spumante von Ferrari sind sicher die Bekanntesten ihrer Spezies und bei der Wein-Messe gleich mit 14 Erzeugnissen vertreten, einige Flaschen auch in der Magnum und Doppelmagnum. Ferrari Perlé Nero Trentodoc 2010 und die Riserva Lunelli 2008 (97 Punkte im Decanter) sind nicht oft zu bekommen und können hier verkostet werden. Spannend auch der hochpreisige und hochbewertete Giulio Ferrari Riserva del Fontadore Trentodoc 2007.

Familienweingut San Leonardo

Einen Sagrantino bekommt man beim Italiener in Deutschland nicht allzu häufig, bei der Weinmesse wird er neben anderen Rebsorten von der Tenuta Castelbuono zu probieren sein. Auch dem Lambrusco gehört eine Bühne, die Villa di Corlo aus der Emilia Romagna präsentiert Qualitätsprodukte, die mit den industriellen Verwandten nichts zu tun haben. Das Weingut San Leonardo aus dem Trentino ist für aromatische und saftige Weine mit Tiefgang bekannt. Die spannende Cuvée San Leonardo Trentino IGT aus Carmenère, Cabernet Sauvignon und Merlot ist das Flaggschiff und mit den Jahrgängen 2011 und 2013 vertreten. Welches Potential in den Weinen Apuliens stecken kann, belegt das Weingut Tormaresca. Vom preiswerten Rosso Castel del Monte bis zum hochwertigen Bocca di Lupo gibt es die unterschiedlichsten Qualitäten. Die Cantina Terlan zeigt die ganze Bandbreite Südtirols. Es beginnt beim auch preislich interessanten Weißburgunder und findet einen Höhepunkt im Porphyr Lagrein. Eine Sonderstellung nimmt die limitierte und sehr komplexe Terlaner Primo Grande Cuvée aus Weißburgunder, Chardonnay und Sauvignon Blanc ein, die nur in wenigen Top-Restaurants zu finden ist.   

M. A. Cerda und sein Mallorca Wein

Deutschland ist vertreten mit den Spitzenweingütern Pfannebecker, Rebholz, Dreissigacker, Rosch, Spreitzer, Dr. Koehler und Pfaffmann. Vom gewitzten Markus Pfaffmann aus der Pfalz gibt es allein schon 15 verschiedene Weine zu probieren. Es existieren nicht viele Weingüter, die ein solch erstaunlich gutes Preis/Geschmacksverhältnis bieten.

Immer ein Erlebnis sind Miquel Angel Cerda aus Mallorca und sein Weingut Ànima Negra (Schwarze Seele). Aus einer ehemaligen Molkerei entstand ein Weingut der Spitzenklasse, das zeigt, welche wunderbaren Tropfen man aus der heimischen Rotweinrebe Callet erzeugen kann.

Die Weinmesse Grandissima verspricht ein dem Namen entsprechendes großes Ereignis zu werden. Es sind nur Fachbesucher unter Voranmeldung zugelassen, Eintritt frei. Den fast 100 Seiten starken Degustationskatalog und die Anmeldung für die Frankfurter Fachmesse über: info@beesdo-cap.de

Die Grandissima 2018 beginnt am 21. Oktober in Frankfurt und wird von 13 bis 19 Uhr im Gesellschaftshaus des Palmengartens zu erleben sein. Danach gastiert die große Roadshow vom Weinland Ariane Abayan in Hamburg (22. Oktober), Berlin (28. Oktober), Köln (29. Oktober). Eintritt frei. 

 

 

 




Gerbermühle: Spanferkel mit Skyline-Blick

Der Grill-Himmel

über Frankfurt

 

Darum ist es am Main

so schön

 

Saugut, dieses Spanferkel. Saftiges, mildaromatisches Fleisch, krosse zarte Kruste. Solch ein Ferkel ist in Frankfurt so selten wie ein Pinguin in der Wüste. Wenn ein Küchenchef wie Jörg Ludwig am Grill steht, dann darf man mit schönsten Derbheiten rechnen. Das Spanferkel findet man aber nicht auf der Karte, denn es muss immer frisch zubereitet und entsprechend vorbestellt werden. 200 € kostet ein Milchferkel, das man sich mit acht Personen gut teilen kann, was für jeden nur 25 € ausmacht. Natürlich kann man das Superschweinchen auch zu viert oder zu sechst bestellen, sollte dann aber den Gürtel nicht zu eng schnallen.

Jörg Ludwig

Auf der Karte der Gerbermühle stehen viele Klassiker und Gassenhauer, Schnitzel in verschiedenen Varianten, Tafelspitz oder Zwiebelrostbraten. Das Tatar Classic vom Jungbullen wird mit Eigelb, Sardellen, Kapern und Zwiebeln angemacht und fällt etwas würziger aus als vergleichbare Offerten in der Stadt. Gut auch, das man es als kleine und große Portion bekommen kann. Jörg Ludwig und sein Team sind beim Würzen von Deutlichkeit, übertreiben es jedoch nicht. Auch einer unserer Favoriten, die Spareribs, sind intensiv im Geschmack und bieten viel Fleisch am Knochen (gibt es nur im Biergarten und nicht im Restaurant). Die Handkäs-Crostinis mit kleingehackten Radieschen und Schalotten als Musikbegleitung sind als Schlusspunkt ebenso gut wie zum Start. Dazu noch einige dicke Pimientos de Padron und man sagt sich: mehr bedarf es nicht. Heftig deftig mit hohem Spaßfaktor, dafür steht die Gerbermühle. Die Küche kann aber auch leise, mit Garnelen auf Mango und Avocado sowie Granatapfel beispielsweise. Und mit der hervorragenden und harmonisch mit allen Kräutern balancierenden Frankfurter Grünen Soße. Dazu noch die krossen Bratkartoffeln und man ist glücklich.  

Spareribs

Man darf nicht vergessen, das die Gerbermühle über 600 Plätze hat und oft keine Zeit für Nuancen bleibt. Gäste sollten also eher mit Soßen als mit Saucen rechnen. Restaurantleiter David Bullett, zuvor unter anderem im Restaurant Goldman und im Buffalo Steakhaus in Frankfurt, hat gemeinsam mit Chef Jörg Ludwig wieder mehr Stabilität in die Gerbermühle bringen können. Der Service, forsch im Auftritt und flott auf den Beinen, legt täglich eine gute Joggingstrecke im großen Garten zurück. Mit dem Hausschoppen der Kelterei Stier hat man einen guten Apfelwein gefunden, der Kennern, Anfängern und Touristen gleichermaßen gefallen dürfte. Es gibt zudem viele gute Traubenweine, der Silvaner von Corvers-Kauter zeigt, dass diese Rebsorte auch im Rheingau prächtig ausfallen kann. Von Leitz aus dem Rheingau steht viel auf der Karte, auch Große Gewächse und schön gereifte Weine. Mit dem Grauburgunder von Pfaffmann sowie den Weinen von Friedrich Becker (beide Pfalz) trifft man grundsätzlich eine gute Wahl.

Wunderbar zur Gerbermühle ans Mainufer passen würde auch der Rosé „Diving into Hampton Water“, eine Gemeinschaftsproduktion von Bon Jovi und Gerard Bertrand. Dieser wurde kürzlich in der neuen Wein & Champagner Lounge der Gerbermühle von den emsigen Weinhändlern Beesdo & Cap präsentiert und ist (noch) nicht auf der Weinkarte der Gerbermühle gelandet. Die Lounge wird neben der Hausbar von Martin Mack geleitet, einst Barchef in Jimmy´s im Hessischen Hof und seit August letzten Jahres in gleicher Position in der Gerbermühle. Die offene Lounge mit Main- und Skyline-Blick eignet sich besonders für ein stimmungsvolles erstes oder letztes Glas. Es wird sicher noch viele Abende geben, an denen man den Garten der Gerbermühle unter freiem Himmel genießen kann.

Ludwig Fienhold

Hotel, Restaurant & Biergarten Gerbermühle, Frankfurt, Gerbermühlstr. 105, Tel. 069 6897779 0. www.gerbermuehle.de

Ein Taxi in die Innenstadt kostet 13 €. Man kann sich aber auch gleich eins der 19 individuell gestalteten Zimmer und Suiten reservieren, 81 – 180 €, außer an Messetagen.

Photocredit: Barbara Fienhold




Balthasar Ress hat das erste Lokal in der neuen Altstadt in Frankfurt eröffnet

Weinbar & Vinothek

 

Der Rheingau kommt nach Frankfurt

 

Gaststätten und Cafés gibt es zwischen Dom und Römer viele, aber noch keine einzige moderne Weinbar. Auf diese Lücke setzt das Weingut Ress aus dem Rheingau und will damit die Frankfurter ansprechen. „Die Touristen kommen von allein, in den Abendstunden wollen wir aber das lokale Publikum erreichen“, meint Betreiber Christian Ress. Die Weinbar ist mit 30 Innenplätzen und einer kleinen Terrasse für 20 Gäste überschaubar. Die in der Nähe zu findende Weinschirn entspricht mehr dem Bild der klassischen Weinstube und verfolgt ein anderes Konzept.

Christian Ress (Mitte) mit Team: Michele, Maleshika, Serkan & Nina (l.n.r.)

Schon jetzt gibt es bei Ress allein 25 offene Weine, später will Christian Ress alle Flaschen glasweise servieren, „auch kostspielige Bouteillen“. Der Riesling-Gutswein „Von Unserm“ kommt in zwei Qualitäten auf den Tisch und eignet sich gut zum Einstieg (7 und 11,50 € für 0,2l). Ein Musterexemplar von „Everybody´s Darling“ ist der Pinot Noir Rosé-Sekt, der feinperlig und frisch viel Charme ausbreitet. Das Gros wird vom Weingut Ress selbst gestellt, aber aus Frankreich und Italien steuern befreundete Weingüter auch einige Flaschen bei. Beim Champagner setzt man auf Pol Roger, vom Brut Reserve bis zur Prestigecuvée Winston Churchill. Diese Flasche kostet 379 €, die Brut Reserve ist für 16 € das Glas (0,1l) zu bekommen. Der Kaffee stammt von der Frankfurter Kaffeerösterei, die Peter Gerigk führt, der gleich gegenüber am Markt ebenfalls ein eigenes Café eröffnen wird. Was bei ihm der Cappuccino kostet, steht noch nicht fest, in der Weinbar von Ress wird er mit stattlichen 4 € berechnet. Gekocht wird nicht in der Weinbar, es soll eine kleine Snack-Karte geben, aber die Metzgerei Dey eröffnet ja gleich nebenan.    

Das Konzept aus Weinbar und Weingeschäft funktioniert bereits in Wiesbaden erfolgreich, weshalb Christian Ress auch für Frankfurt sehr zuversichtlich ist. Die Weinbar in Frankfurt wird von Serkan Müller geleitet, die im Frankfurter Tigerpalast lernte und zuletzt im Restaurant Schönemann im Sofitel an der Alten Oper als Restaurantleiterin und Sommelière arbeitete. Mit dabei ist die Rhein-Main-Betriebsleiterin Nina Baumgärtner, die zwischen Wiesbaden und Frankfurt pendelt.

An der attraktiv gestalteten Weinbar fallen nicht allein die Weinklimaschränke und die güldene Bartheke auf, die großen und an Pusteblumen erinnernden Lampen sind ebenso Eyecatcher. Über der Bar, wo bald schon ein riesiger Spiegel hängen soll, steht geschrieben, dass hier bald ein schöner Spiegel hängen soll. Die Idee könnte man jahrelang aufrecht erhalten, weil sie im Gedächtnis hängenbleibt. Vielleicht noch mehr als ein Spiegel.

Früher stand an gleicher Stelle der jetzigen Ress-Weinbar das barocke Gasthofgebäude Grüne Linde. Das im 18. Jahrhundert erbaute Original prägte den Platz am Hühnermarkt mit seinem Dreiecksgiebel und dem Occulifenster im Mansardendach. Das Erdgeschoss ist relativ hoch und verfügt daher über große Fensteröffnungen, die der kleinen Bar eine gewisse Weite geben. 1877 befand sich im Erdgeschoss der Grünen Linde eine Kolonialwarenhandlung, ab 1935 wurde es als Gasthaus genutzt. Die Weinbar ist nun die moderne Fortschreibung dieser Geschichte.

Weinbar & Vinothek Balthasar Ress, Frankfurt, Markt 13a. Täglich ab 11 Uhr geöffnet.

Photocredit: Barbara Fienhold

 

 




Anleger 511 im Rheingau säuft kulinarisch ab

Das schöne Ausflugsziel

am Rhein lädt nicht mehr

zum Essen ein

 

Was ist nur aus diesem schönen Lokal am Rhein in Eltville geworden? Die Speisekarte ist eine Farce. Ein entsetzliches Sammelsurium ohne jede persönliche Note. Flammkuchen, Schweinenackensteak, Linguine. Geht es noch einfallsloser? „Für den Kenner“ gibt es Weinbergschnecken mit Kräuterbutter für 9,40 €. Der Kenner wird es meiden. Als „Snacks zum Wein“ eine Bretzel mit Butter für 2,70 €. Sind wir am Frankfurter Flughafen?

Fatale Frikadelle

Die Frikadelle auf Glasnudelsalat (10,20 €) ist ein kulinarischer Kretin. Wer denkt sich einen solchen Blödsinn aus? Und was ist hier der Koch von Beruf? Die Frikadelle wird in einer grauenhaften süßsauren Pampe ertränkt, die mit einigen wenigen Glasnudeln, viel Paprikagemüse und holzigem Sellerie kurz aufgewärmt wurde. Mehr Unfähigkeit auf einem Teller lässt sich kaum finden.  

Fährt man aus Frankfurt in den Rheingau um Apfelwein zu trinken? Und dann auch noch Possmann! So wird der Rhein zum Mainstream. Der Longwein war immer gut, jetzt wird er mit einem vertrockneten Zweiglein Minze und einem Brocken Ingwer aufgetischt – nichts davon gibt so etwas wie Aroma ab. So wird das nur eine mäßige Weinschorle für zu viel Geld. Auf der Weinkarte findet man keine animierenden offenen Weine und bei den Flaschen lediglich einige ordentliche Tropfen, aber auch hier wieder keine Individualität. Der Kaffee/Cappuccino war zuvor besonders gut, jetzt ist er noch wässriger als der Rhein.

Ein Bild aus besseren Tagen

Man sitzt noch immer schön direkt am Rhein und sieht die Schiffe gemächlich vorbeiziehen. Optisch mag man auf den ersten Blick nur wenige Veränderungen wahrnehmen. Dann aber sieht man Plastik-Kakteen auf den Tischen, wo früher alles hübsch und mit frischem Grün dekoriert war. 

Im Internet und bei Facebook werden falsche Öffnungszeiten genannt, wer also wie einst samstags um 10 Uhr zum Frühstück kommt, steht vor verschlossenen Türen. Frühstück gibt es ohnehin gar nicht mehr, geöffnet wird samstags und sonntags um 11, aber auch dann kann man nur trinken oder Bretzel und Kuchen bekommen, die Karte ist erst ab 12 Uhr im Einsatz. Auf die Frage, warum im Internet falsch kommuniziert wird, hört man tatsächlich die allerdümmste Trump-Regel: Alles Fake. Leider erscheint das ganze Lokal Anleger 511 in Eltville nur noch wie ein Fake. Schade, denn einst gehörte es zu unserem Lieblingsadressen. Jetzt ist der Anleger 511 nur noch eine Blamage für den ganzen Rheingau.

Ludwig Fienhold

 

 




Restaurant-Kritik Weinsinn: Frankfurt hat eine neue Topadresse

Starker Start von

Julian Stowasser

 

Von Ludwig Fienhold

 

Das Restaurant Weinsinn in Frankfurt hat innerhalb kurzer Zeit gleich zwei Küchenchefs verloren: André Rickert arbeitet jetzt im Bidlabu nahe der Freßgass, Alexandre Sadowczyk wurde nach nur drei Monaten ausgewechselt. Für ihn steht jetzt mit Julian Stowasser ein hochmotiviertes Talent am Herd, das gleich am ersten Tag einen fabelhaften Eindruck machen konnte.

Amuse: Rote Bete Baiser

Amuse Rote Bete Baiser

Die Speisekarte im modischen Stakkato gibt sich eher verschwiegen, dafür sind die Gerichte selbst vielsagend. Filigrane Detailarbeit auf kleinstem Raum, das Rote Bete Baiser mit gepoppter Aalhaut als Amuse wird mit Dill-Mayonnaise, Räucheraalcreme, Kräutergelee und Röstzwiebel zubereitet und ist eine so köstliche Delikatesse, dass man sich schon auf den nächsten Appetithappen freut. Und der fällt ganz anders aus, was intelligente Dramaturgie verrät. Die feine saftige Rinderzunge mit Bayrisch Kraut und Wasabischaum ist Weltküche mit regionalem Charakter. Einen solch lustvollen Happen hätten wir auch gerne als Hauptgang. Beim zarten Oktopus mit Artischocke wird die Passionsfrucht als Gel und Schaum eingesetzt, mit dienender Süße wie alte Winzer sagen würden. Der kleine Urwald aus Blättern und Kräutern überlädt den Teller etwas und offenbart einen gewissen Spieltrieb, zeigt sich aber geschmacklich stimmig. Die Makrele kann ein ziemlich fieser Fisch sein, mit mürbem Gewebe und Brackwasser-Duft. Im Weinsinn aber kommt eine pralle Makrele mit klarer Struktur auf den Tisch. Rotkraut, Dashi-Sud und wunderbar schmelzige sardische Fregola-Pasta-Kugeln fließen mit Souplesse zusammen. Man kann auch den Sommer perfekt auf einem Teller einfangen, im Weinsinn gelingt dies mit einem punktgenau gebratenen Saibling mit rosa Kern, Holundcercreme, marinierten Gürkenwürfeln und in Holunder eingelegtem Chicorée. Jedes Gericht zeichnet sich durch Finesse und Stilsicherheit aus. Bis hin zu den Desserts darf man als Gast ein Highlight nach dem anderen erleben. Wie man aus nicht gerade vielversprechenden Zutaten etwas Großartiges kombinieren kann, beweisen Sandorn-Eis, Gewürzkuchen, Karotte, Nougat und Ziegenkäse.

Saibling

Saibling

Der Küche wohnt eine Raffinesse inne, die zwar intelligent gesteuert und überlegt erscheint, aber auch viel Herz spüren lässt. Jedes Detail sitzt, doch sollte man es mit dem Gelen, Tüpfeln und Schäumen nicht übertreiben. Die Küche lässt gerne asiatische Aromen einfließen, aber so, als wäre dies bei den Gerichten schon immer so gewesen. Diese Stilsicherheit basiert auf allerbester Lernfähigkeit. Julian Stowasser (im Bild oben und unten rechts) war vier Jahre Souschef von Jan Hartwig, der im Bayerischen Hof mit dem Atelier ein veritables 3-Sterne-Restaurant führt. Stowassers Souschef Moritz Stauber ist ebenfalls gut geschult, hat im legendären Bareiss und auch in Bangkok gearbeitet. Das Küchenteam wurde völlig neu aufgestellt und hat mit dem im alten Weinsinn nichts mehr gemein – außer dem erstklassigen Ergebnis. Von Julian Stowasser und seiner Crew ist allerdings noch mehr zu erwarten, hier baut sich wahrscheinlich etwas ziemlich Großes auf.

WeinsinnDas Restaurant Weinsinn wird zwar von Matthias Scheiber geführt, der gemeinsam mit seiner Frau Milica auch noch das großartige Gustav betreibt, doch hält er sich im Service zurück und überlässt ganz richtig zwei anderen Protagonisten die Bühne: Sommelier Dietmar Fritz und Wheena Roisch. Das Weinsinn zeichnet sich nach wie vor durch Weinkompetenz aus, die Karte hat gerade in Deutschland und Frankreich viel zu bieten. Dietmar Fritz kommt zudem ohne das nervige Sommeliergehabe aus und weiß einfach kurzweilig zu beraten. Während das vorherige Weinsinn im Westend recht klein war, breitet sich nun an neuer Stelle eine Großzügigkeit aus, wie sie selten zu erleben ist. Die Tische, von denen man auf die offene Küche blicken kann, stehen in angenehmen Abstand zueinander. Das Restaurant zeigt Design und Kunst, schafft aber vor allem durch seine enorme Raumhöhe und eine  sonst kaum zu erlebende Luftigkeit eine sehr angenehme und entspannte Atmosphäre. Die kleine und bescheidene Hinterhofterrasse wird derzeit nur zum Aperitif genutzt, im nächsten Jahr sollen dort 22 Gäste Platz finden. Das Lokal befindet sich im Bahnhofsviertel, aber nicht im wuseligen Bereich, sondern am Rande und näher zum Theaterplatz.

 

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Weinsinn

 

 

 

 

 

 

Weinsinn, Frankfurt, Weserstraße 4, Tel. (069) 56 99 80 80.

Dienstag bis Samstag, ab 18.30 Uhr, Sonntag + Montag geschlossen.

www.weinsinn.de

 

 

Oktopus

Oktopus

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rinderzunge, schnalzig

Rinderzunge, schnalzig

 

 

 

 

 

 

 

Sandorrn-Dessert

Sandorrn-Dessert

 

 

 

 

 

 

 

Weinsinn

 

 

 

 

 

 

 

 

Weinsinn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Photocredit: Barbara Fienhold

 




Warnung vor dem Garen mit Stickstoff

Techniken der Molekularküche auf dem Prüfstand

 

Nach Italien sind die USA das zweite Land, das Techniken der Molekularküche skeptisch sieht. Am 30. August hat die einflussreiche Food and Drugs Administration (FDA) vor dem Garen mit flüssigem Stickstoff gewarnt. Konkret bezieht sich die Warnung nicht auf den Stickstoff selbst, sondern auf besonders populäre Arten der Zubereitung „am Verkaufsort, unmittelbar vor dem Verzehr“, was natürlich auch den Speisesaal und den Bartresen erfasst.

Die FDA erklärt: „Flüssiger Stickstoff kann, obwohl er nicht toxisch ist, schwere Schäden an Haut und inneren Organen verursachen, wenn er wegen der extrem niedrigen Temperaturen… falsch gehandhabt oder versehentlich eingenommen wird. Das Einatmen des Dampfes, der von einer Nahrung oder einem Getränk freigesetzt wird, die durch die Zugabe von flüssigem Stickstoff unmittelbar vor dem Verzehr hergestellt wurde, kann ebenfalls zu Atembeschwerden führen, insbesondere bei Personen mit Asthma…. Die FDA hat schwerwiegende – und in einigen Fällen sogar lebensbedrohliche – Verletzungen, wieSchäden an Haut und inneren Organen, die durch flüssigen Stickstoff verursacht werden, der noch in Lebensmitteln oder Getränken vorkommt, festgestellt. Es gab auch einen Bericht über Schwierigkeiten beim Atmen nach dem Einatmen des Dampfes, der durch flüssigen Stickstoff freigesetzt wurde, wenn er unmittelbar vor dem Verzehr hinzugefügt wurde. Verletzungen entstanden durch die Handhabung oder Verzehr von Produkten, die durch Zugabe von flüssigem Stickstoff unmittelbar vor dem Verzehr hergestellt wurden, selbst nachdem der flüssige Stickstoff aufgrund der extrem niedrigen Temperatur des Lebensmittels vollständig verdampft ist.“

Bereits Geschädigte werden gebeten, sich bei „MedWatch“ registrieren zu lassen. Die Technik des Garens mit flüssigem Stickstoff wurde vor etwa 15 Jahren durch Köche wie Ferran Adrià (El Bulli, Spanien) und Heston Blumenthal (The Fat Duck, England) populär. In den USA wird sie in Restaurants und Bars sowie bei Speiseeishändlern eingesetzt.

Jörg Zipprick

 

Weitere Quellen:

https://www.fda.gov/Food/RecallsOutbreaksEmergencies/SafetyAlertsAdvisories/ucm618058.htm?utm_campaign=CFSANCU_Nitro_08302018&utm_medium=email&utm_source=Eloqua

http://www.foodswinesfromspain.com/spanishfoodwine/global/training/cooking-techniques/cooking-technique-detail/REC2017737083.html

https://www.youtube.com/watch?v=t3VPeyYL-fI

https://www.youtube.com/watch?v=zYZwYxrJi0Y

https://www.bbc.com/news/uk-england-lancashire-34269286

https://www.theguardian.com/uk/2012/oct/08/teenager-stomach-liquid-nitrogen-cocktail

https://www.ahgz.de/regional-und-lokal/koch-verliert-bei-kochexperiment-beide-haende,200012165962.html




Rosé-Wein: Die Farbe des Sommers

Vom Modetröpfchen

zum Lustwein

 

Es gibt Tage, an denen man sich nur mit einem Rosé anfreunden möchte. Im Sommer  sind solche Begegnungen besonders häufig. Wir haben viele gute Freunde unter den Roséweinen, wobei die Qualität weltweit gestiegen ist. Es ist aber ein Unterschied, ob man Rosé in Bad Wimpfen oder an der Côte d´ Azur trinkt. Die azurblaue Küste ist ein Quell für den lebensfrohen Rosé. Gut, meist werden überteuerte Touristenweine aufgetischt, aber es gibt auch herausragende Beispiele abseits vom Mainstream.

Das Château Minuty befindet sich über dem Golf von Saint-Tropez und wird von üppigen Palmen, Platanen und Rosen romantisch verzaubert. Der elegante Rosé M schimmert lachsrosa im Glas und ist von seidiger Struktur. Der Wein ist animierend trocken, ungemein frisch und wird dezent von einer feinen Fruchtigkeit begleitet. Der zarte Duft von Beeren und Kräutern ist so präsent wie nötig und so zurückhaltend wie möglich. Es setzt jedenfalls gleich eine enorme Trinkfreude ein, die bei der ersten Flasche nicht beendet sein wird. Der Minuty M wird aus den Rebsorten Grenache, Cinsault und Tibouren erzeugt. Für uns ein Rosé par excellence. Endverbraucherpreis ca. 11 €. Wird von vielen Händlern geführt.

Mehr Urlaub in einem Glas kann es kaum geben: Die Domaine de Marchandise schenkt uns einen so köstlichen, nach praller Lebensfreude und Sinnlichkeit schmeckenden Rosé-Wein ein, wie er nicht besser sein kann. Er schwebt in perfekter Harmonie über die Zunge und zeigt sich frisch, saftig, dicht und präzise in Ausdruck und Aromatik, wobei ihn ein Hauch Waldbeeren und ein Touch Grapefruit abrundet. Der Rosé Côte de Provence aus den Rebsorten Syrah, Grenache und Cinsault lädt durch seine kühle Noblesse zum Weitertrinken ein, was gerade für die Gastronomie wichtig ist, die nicht möchte, dass die Gäste nach dem ersten Glas müde werden und sich gelangweilt fühlen. Man kann diesen fabelhaften Wein zu gegrillten Fisch und der würzigen Knoblauch-Kräuter-Küche Südfrankreichs trinken, er lässt sich aber auch ganz einfach solo genießen. Am meisten Freude bereitet er, wenn man ihn im wunderschönen Roquebrune-sur-Argens trinkt oder im nahen Weingut der Domaine de Marchandise. Es gibt ihn aber auch im Frischeparadies in Frankfurt, wo man ihn ebenfalls mit viel Spaß im Glas im Bistro zu den Fischgerichten trinken kann. Zu bestellen auch bei www.alleswein.com  Endverbraucherpreis: 11,40 €.

 

 

Der bekannteste Promi-Rosé ist der von Brad Pitt und Angelina Jolie und ihrem Château Miraval in der Provence, der von der Weinfamilie Perrin vinifiziert wurde. Uns hat der Tropfen (17 €) nicht beeindruckt, möge er auch von vielen übermäßig gelobt werden. Ein anderer und eher interessanter Rosé mit Starstatus ist gerade auf den Markt gekommen und trägt den schönen Namen: Diving into Hampton Water. Das Etikett ist eines Design-Preises würdig und regt ganz sicher zum Kauf an. Der Wein entstammt einer gemeinsamen Idee von dem amerikanischen Rocksänger Bon Jovi, dessen Sohn Jesse Bongiovi (so der richtige Familienname) und dem ehemaligen französischen Rugbyspieler Gérard Bertrand, der längst sein eigenes Weingut in Südfrankreich betreibt. Man wollte mit diesem gemeinsamen Rosé südfranzösisches Savoir-Vivre und den lässigen Lifestyle der US-Ostküste einfangen. Die Trauben für den Wein (Grenache, Cinsault, Syrah, Mourvedre) stammen aus dem Languedoc. Im Haus in den Hamptons von Bon Jovi wurden Roséweine bislang als „rosa Saft“ getrunken. Ihr Rosé ist aber kein „Bed of Roses“. Der Hampton Water Rosé (ca. 19,95 € bei Weinwolf, Beesdo & Cap) hat eine forsche Frische, entfaltet diskrete Fruchtaromen mit leichter Dominanz der Himbeere, wirkt aber zu keiner Zeit blumig. Diving into Hampton Water lädt auf schöne und auffrischende Weise zum Abtauchen ein.

Ludwig Fienhold

 

 




Deutschlands beste Italiener: Marcello Fabbri vom Anna Amalia wird Weinbar-Koch

Veränderungen an der Spitze

  
Sternekoch Marcello Fabbri vom Restaurant Anna Amalia im historischen Hotel Elephant in Weimar zählte für uns zu den besten drei Italienern in Deutschland. Nach 25 Jahren hört er dort auf, weil das Hotel jetzt mehr auf Regionalküche setzen möchte. Die gab es zwar schon längst gut gemacht im einstigen schönen Kellerlokal, das neue Hotelmanagement der Arcona-Hotels in Rostock hat jedoch andere Pläne. Marcello Fabbri wechselt offiziell am 18. September in die Weinbar Weimar. Das erfolgreiche Weinkonzept, unter anderem mit mehr als 100 offenen Offerten, wird beibehalten. Doch schon bald wird es mehr als Barfood geben, denn Marcello Fabbri will ein kleines feines Menü und andere Gerichte mit Italo-Feeling und Qualität servieren. 
 
Der 47 Jahre alte Fabbri hielt seit 2003 ununterbrochen einen Michelin-Stern und war gerade in den Anfangsjahren engagierter als die meisten seiner Mitbewerber. Er hätte das Talent gehabt, das erste italienische Restaurant in Deutschland mit zwei Sternen zu führen, aber das Hotel Elephant neigte schon immer zu dickhäutiger Behäbigkeit und hat sein Spitzenrestaurant nicht gut genug verkauft.  
 
Unvergessen bei Marcello Fabbri: Mürbe geschmortes Ochsenschwanz-Brasato in kraftvoll-eleganter Rotweinsauce; Tintenfisch-Risotto mit geschmorten Calamaretti; Kabeljau in Holundersauce; Paprika-Risotto mit Garnelen und Pesto-Eis; Zanderwürstl in der Kartoffelkruste; Cannellini-Bohnen-Sülze.
 
Marcello Fabbri hat noch einige Gastspiele in Deutschland zu absolvieren und denkt über weitere Engagements nach. Sein Nachfolger im Hotel Elephant wird Johannes Wallner, der bislang im Restaurant Clara im historischen Erfurter Kaisersaal arbeitete und ebenfalls mit einem Stern glänzen kann. Elephant und Kaiseraal haben vor allem eine Gemeinsamkeit: Sie nutzen das Internet schlecht bis gar nicht, um sich zu präsentieren.  
 

Küchenchef Kubenz

Für die italienischen Spitzenrestaurants in Deutschland ist der Abgang von Marcello Fabbri weit mehr als eine kleine Veränderung, die Topliga ordnet sich neu. Neben Carmelo Greco beweist das besonders kreative und neu konzipierte Biancalani in Frankfurt, wie italienische Küche auch gehen kann. Das Aquarello von Mario Gamba in München, Enzo im Düsseldorfer Schiffchen und Ana Sgroi in Hamburg gehören zu den Top Five. Die meisten Spitzenitaliener in Deutschland zeigen wenig Mut zur Veränderung. Oft werden Klassiker dezent modernisiert.  Wenn Carmelo Greco gut in Form ist, serviert er unschlagbar famose Gerichte. Wenn das Biancalani in Frankfurt weiter so phantasievoll bleibt und seine Position noch beständiger ausweitet, hätte es das Potential sich an die Spitze in Deutschland zu setzen.   
 
Ludwig Fienhold
 
Siehe auch BISS-Artikel „So schmeckt Italien“ mit den besten italienischen Restaurants in Deutschland




Restaurant Ente: Wiesbaden bleibt Entenhausen

Kulinarische Bravourstücke

Topweine & Servicestärken

 

Von Ludwig Fienhold

Die Ente ist eines der ältesten Gourmet-Restaurants in Deutschland, aber nicht in die Jahre gekommen. Sie hält seit fast vier Jahrzehnten einen Michelin-Stern, wobei mit Michael Kammermeier die Küche in den letzten Jahren so gut wie nie zuvor wurde. Auch aktuelle Besuche belegen dies eindrucksvoll.

Küchenchef Michael Kammermeier ist gereift und hat die Vierzig übersprungen. Mag sich in Wiesbaden und auch im Hotel Nassauer Hof viel verändert haben, seine Ente hält dem Gegenwind stand. Das Wappentier steht immer in irgendeiner Variante auf der Speisekarte. Die Heide-Ente aus dem Rohr ist ein großartiger und am Tisch tranchierter Klassiker, die gehobelte Entenleber mit Quitte, Quittengelee, Kakaosplittern und Salzbutterbrioche könnte man täglich essen, und die Challans-Ente gehört zum Besten, was man überhaupt bekommen kann.

Ente in allen Varianten

Ente, am Tisch tranchiert

Die rosa gebratene Challans-Ente ist ein Bravourstück. Sie ist saftig, zart und feinaromatisch, doch die ganz große Pointe setzt die knusprige und umwerfend gut gewürzte karamellisierte Haut. Schwarzer Pfeffer, Szechuanpfeffer, Senfkörner, Fenchelsaat, Piment, Koriander, essbare Lavendelblüten, Steineichenhonig und Meersalz sind die Grundlage dafür. Und Paradieskörner, auch Guineapfeffer genannt. Dieser dient nicht nur als Gewürz und Heilkraut, man kann auch Rauschmittel daraus machen. Wir sind jedenfalls süchtig nach dieser Ente. Michael Kammermeier variiert die Canards de Challans und wählt als Begleitung Kürbisspätzle, Rosenkohl und Zimtblütenjus oder Sellerie Pumpernickel-Knödel, Pfifferlinge und Chicorée. Sehr schön auch die Challans-Ente mit Bohnencreme, Pfirsichspalten und Steinpilzen. Kammermeier gehört zu den wenigen Köchen in Deutschland, die auch mit einer Entenpresse arbeiten – ein schönes Schaustück, das eine wunderbare Sauce aus Entensaft, Cognac und Madeira ermöglicht.

Highlights der Küche

Zander im Erbsensud

Seezunge und glasierter Hahnenkamm in Teriyaki mit Speck-Dashi; Kabeljau mit geschmolzener Gänseleber mit Sellerie, Graupen, Pinkel und Grünkohlsaft; bretonischer Rochenflügel mit Erbsengnocchi, Holunderblütenessig und Schweinskopfjus. Längst arbeitet man auch wieder näher am Gast. Das kraftstrotzende Kalbskotelett wird am Tisch im Ganzen vorgelegt und aufgeschnitten, was die Vorfreude erhöht. Ein solch athletisches, saftig-zartes Stück Lebenskraft bekommt man in dieser Qualität nicht oft.

Neues von der Speisekarte

Entenherzen

Der pralle Steinbutt, der mit einer hauchdünnen Scheibe vom Kalbskopf belegt wird, steht harmonisch im Einklang mit sautiertem Kopfsalat und feinem Schinkensaft. Bestens gegarter Zander und kleine Chorizo-Scheibchen mit Pfifferlingen und Zartweizen werden durch einen noblen und leicht süßlichen Erbsensud geadelt. Beim Tataki vom Aberdeen Angus wird raffinierte Power-Würze aus Teriyaki, Chili, Koriander und schwarzer Knoblauchpaste forsch eingesetzt, wobei die Küche sonst eher die leisen Töne schätzt. Ente wird nicht nur in konventioneller Art serviert, die Küche traut sich auch immer etwas, denn sie kann auf neugierige Gäste zählen. Die französischen Entenherzen im Schwarzbrotmantel mit Brennnesselcreme, Senfkörnern und zartem Kohlrabi sind ungewöhnlich und sehr gut. Als Gast kann man immer wieder spannende Kombinationen erwarten. Auch bei den Desserts: Pfirsichtarte mit Basilikum, Himbeeren und Quinoa-Krokanteis.

Weinberatung

Sommeliere & Restaurantleiterin Marcella Schaefer

Die beiden Sommeliers Kai Schattner und Sebastian Mac Lachlan Müller haben die Ente und ihre Gäste in besten Weinen baden lassen. Solche kompetenten Charaktere werden immer seltener, doch Nachfolgerin Marcella Schaefer (zuvor Pickelein) setzt guten Geschmack, Fachwissen und Charme so gut ein, dass man auch gerne ein Glas mehr trinkt. Es macht jedenfalls unglaublich viel Freude, sich gleich von ihr die richtigen Weine zu den Gerichten empfehlen zu lassen. Etwa einen wunderbar gereiften Gewürztraminer von der Domaine Zind-Humbrecht zum peppigen Tatiki oder den verführerisch expressiven Grünen Veltliner vom Schloss Gobelsburg aus dem Winzer-Paradies Langenlois, der zum Zander im Erbsensud genauso gut passte wie zu den Entenherzen. Die Weinkarte listet nicht mehr wie einst über 1000 Positionen, sondern rund 400, aber wenn die Qualität wie hier in der Ente stimmt, reicht das vollkommen aus. Zudem soll es ab Herbst noch eine Raritätenkarte mit 50 besonderen Weinen geben. 

Aussichten

Küchenchef Michael Kammermeier

Dem Grandhotel Nassauer Hof stehen weitere gravierende Veränderungen bevor. Nach dem Abschied von Karl Nüser im Dezember 2015 gab es gleich zwei schnelle Managementwechsel, jetzt wird Carla Lopes als Direktorin das Hotel führen (siehe BISS-Artikel „Das Granddhotel Nassauer Hof wird erstmals von einer Frau geführt“). Der starke Mann bleibt jedoch der Unternehmer Dirk Iserlohe, Dorint-Aufsichtsrat und Konzernchef der Finanzholding Honestis. Er will den Nassauer Hof im nächsten Jahr deutlich umgestalten und aus einstigen Hotelzimmern neue und größere Luxusresidenzen machen. Am Schluss soll es 105 Zimmer und 15 Residenzen geben. Der Nassauer Hof wird Teil der neuen Premiumlinie Hommageder Dorint-Hotelgruppe werden, zu der auch das Parkhotel in Bremen, der Söl´ring Hof auf Sylt und das Maison Messmer in Baden-Baden gehören. In solchen Zeiten der starken Umbrüche bleibt das Restaurant Ente eine wichtige Konstante.

 

Hotel Nassauer Hof, Restaurant Ente, Wiesbaden, Kaiser-Friedrich-Platz 3-4, Tel. 0611 133 666. Geöffnet Di-Fr: 18.30 – 22 Uhr, Sa 12 – 15 Uhr und 18.30 – 22 Uhr. www.nassauer-hof.de

Terrasse

Lammrücken

Dessert

Tatiki

Amuse

Pre-Dessert

 

 

 

 

Photocredit: Barbara Fienhold