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Wird Frankfurt die Café-Metropole Deutschlands?

Der Trend geht vom

Restaurant zum Café

 

Von Ludwig Fienhold

Rund um den Römerberg dampft es gewaltig: Kaum sonst wo gibt es auf einem so kleinen Terrain mehr als ein Dutzend Cafés, zumeist noch gute. In der Brauchbachstraße findet man drei bemerkenswerte Adressen, in der Fahrgasse inzwischen ebenfalls. Dort gibt es das erste koreanische Café, ein andersartiger, liebenswürdiger Ort. Der Kaffee im Kyu Bang wird nicht maschinell zubereitet, sondern in aller Ruhe manuell und zeremonienartig mit dem Handfilter. Dabei hat man wörtlich alle wichtigen Faktoren selbst in der Hand: Portionsgröße, Wassertemperatur sowie Geschwindigkeit und Gleichmäßigkeit des Aufgießens. Das Ergebnis ist ein sehr guter klarer puristischer Kaffee.

Gleich nebenan macht sich inzwischen die Drei Kaffeebar beliebt – durch besonders engagierten Service und ein gutes Sortiment (siehe Interview…).  Der Ausschank-Café variiert, uns begeisterte beispielsweise ein Espresso/Cappuccino der Manhattan Coffee Roasters aus El Salvador. Die Drei Kaffeebar versteht sich als ein Vertreter der Third Wave, der verkürzt gesagt, Kaffee nicht nur als Ware, sondern Geisteshaltung sieht, bei der sich Genuss, Handwerklichkeit und Wertschätzung gegenüber den Kaffeefarmern verbinden.

Neu ist das Café mit dem zwiespältigen Namen Dining Raum. Betrieben von Australiern mit südkoreanischen Wurzeln. Alles optisch clean, spartanischer Minimalismus mit Kaffeeduft. Es geht sehr akkurat und sehr freundlich zu. So höflich wie eher selten in unseren Cafés, in denen immer mehr Menschen arbeiten, die so cool sein wollen wie Barkeeper, aber nur abgebrüht erscheinen. Im Dining Raum schmecken der Kaffee (Cappuccino) mit Bohnen von Hoppenworth und Ploch sowie die leckeren Kleinigkeiten, süß und salzig. Eine Bereicherung für die immer interessanter werdende Fahrgasse.

Das Holy Cross in der Fahrgasse ist der Platzhirsch im Bohnen-Revier der Altstadt. Bei den stets wechselnden Kaffees erleben wir seit Jahren ausnahmslose Topqualitäten, die Croissants und anderen Backwaren sowie Frühstücksofferten zeigen ebenso Qualität. Chef und Chefin wissen natürlich immer gut Bescheid, aber auch sonst ist das junge ambitionierte Team sehr gastorientiert. Die Fahrgasse etabliert sich mit seiner Mischung aus Cafés und Galerien immer mehr zu einem eigenständigen Kulturbetrieb, was noch zu wenig entdeckt wurde. Die Fahrgasse war einst der bevorzugte Spazierweg von Frankfurts genialstem Wutbürger, dem Philosophen Arthur Schopenhauer.

Pop Up Café Goethestraße Frankfurt

Wie schön und lebhaft die Goethestraße aussehen könnte, wenn diese durch Gastronomie belebt werden könnte, zeigte die Villa Amore, leider nur als Pop Up. Eine solch wunderbare Melange aus Café und Kunst-Boutique mit Bildern, Weinen, Geschenken, Möbeln und anderem mehr war für viele Wochen eine große Bereicherung für die ergraute und in nobler Langeweile erstickende Einkaufsstraße. Spätestens jetzt, wo sich das Einkaufsverhalten und die Ausgehmodalitäten ändern werden, sollten sich die Verwalter der teuersten und langweiligsten Straße der Stadt einmal neuen Ideen und Konzepten öffnen – auch in ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse. Die Villa Amore wird es in dieser Version leider nicht mehr geben, doch ein guter Teil davon ist als Café Americano (Coffee & Cocktails) gleich um die Ecke in der Neuen Rothofstraße 3 eingezogen. Ganz in der Nähe wurde auf der Freßgass ein neues Café eröffnen: Das Monza. Diese italienische Aperitivo-Bar hat bereits einen guten Start auf der Schweizer Straße in Sachsenhausen hinbekommen. Auch auf der Flaniermeile Freßgass bekommt man einen guten Cappuccino und delikate gefüllte Hörnchen.

Café Stern, Paulsplatz

Immer mehr Cafés drängen auf den Markt, aber nicht als reine Kaffeehäuser, sondern als solche mit einem Geschäft, das bis in den Abend geht. Die Gastronomie war schon immer eine instabile Branche, doch die Corona-Politik hat große Teile an den Rand des Abgrunds gebracht. Schon vorher suchten viele ihr Glück in überschaubaren Betrieben, wobei gerade Cafés gute Rendite versprachen. Mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 152 Litern liegt Kaffee in Deutschland noch vor Bier und sogar Wasser. Der Trend zum Café verstärkt sich, selbst dort, wo es schon viele Lokale dieser Spezies gibt, werden noch neue eröffnet. Jedes Café hat seinen eigenen Charakter und ein etwas anderes Konzept. Und jeder glaubt ein bisschen anders und besser zu sein als die anderen. Prägend sind Ambiente, Konzept, Qualität, Sortiment und Personal. Hört sich einfach an, wird aber nicht überall gut umgesetzt. Der Trend geht deutlich zu den Cafés mit sogenanntem erweiterten Angebot, also Cafés, die ihr Angebot mit Wein und Delikatessen verstärken, um auch am Abend Gäste zu haben. Selbst das verschnarchte Café am Liebfrauenberg versucht sich seit dem Betreiberwechsel jünger zu positionieren, allerdings mit Hugo und anderen Drinks, die auch schon wieder alt wirken.

Hoppenworth & Ploch, Julian Ploch

Peter Gerigk gehört schon zu den älteren Gesichtern der jungen Kaffee-Generation in Frankfurt und beschäftigt sich seit über 20 Jahren professionell mit Kaffee. In seinem ehemaligen Espresso Store an der Hanauer Landstraße konnte man einen ausgezeichneten Cappuccino bekommen und sich in Frankfurts kleinste Toilette zwängen. Peter Gerigk und seine Frankfurter Kaffeerösterei sind aber immer noch in der Kleinmarkthalle vertreten, wo sie stets Anlaufpunkt für einen netten Kaffeeplausch rund um die Theke sind. Das Kaffee-Duo Hoppenworth & Ploch gehört zur neuen Kaffee-Avantgarde, obwohl es nun auch schon länger dabei ist und zu den Pionieren zählt. 2007 starteten die beiden auf dem Uni-Campus im Westend und haben sich inzwischen ein kleines Imperium erschaffen, wobei Hopplo nicht nur eigene Betriebe führen, sondern auch viele andere Lokale mit ihren Röstungen beliefern. Die handverlesene Qualität überzeugt nicht nur die Konsumenten, sondern auch die Gastronomen.

In den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts stürmte der Tchibo-Mann die bundesdeutschen Wohnzimmer mit britischem Charme und röstfrischem Kaffee. Als vor 50 Jahren weltweit und 2002 die ersten Filialen von Starbucks bei uns eröffneten, waren vor allem die Kids begeistert, denen es weniger um Qualität und mehr um ein weltstädtisches Lebensgefühl ging. Das Wiener Kaffeehaus ist unerreicht und wurde ganz zu recht zum Weltkulturerbe ernannt. Von dieser Spezies gibt es kein einziges in Frankfurt und auch nicht sonst wo in Deutschland. Die Sehnsucht danach wird weiter wachsen. Und unerfüllt bleiben. Uns fehlen die Wiener, die Literaten, die Grantler und überhaupt alles, was die Dramaturgie aus morbidem Lebensgefühl, unerbittlichen Anarchismus und heiterem Friedhofsgemüt ausmacht.

 

Siehe BISS-Artikel Top Ten Cappuccino – Wo Kaffee die Bohne wert ist

https://www.fienholdbiss.de/aktuelles/cappuccino-wo-kaffee-die-bohne-wert-ist/

Photocredit: Barbara & Ludwig Fienhold, Claudia Simchen