Letzte Worte eines
Molekular-Kritikers
Besuch im Drei-Sterne-Restaurant Can Fabes von Santi Santamaria
Der Bauernsohn Santi Santamaria aus Sant Celoni begann vor über 25 Jahren als Autodidakt in der eigenen Kneipe. „Hier im Can Fabes koche ich, woran ich glaube.“ Sein Glaube galt dem Produkt, dem unverfälschten Geschmack der guten Zutaten. Das Restaurant Can Fabes erscheint wie ein kleines Bauernhaus in einer Provinzstadt. Innen lockt eine rustikale Stube ebenso wie modernes Design mit offener Küche. Fünf kompromisslos designte Zimmer beherbergen die Gäste, die einige der 325 Referenzen von der Weinkarte kosten möchten. Santi mochte eigentlich alles: Die winzigen Angulas, die Glasaale. Die kleinen Tintenfische von der Küste des Mittelmeeres. Die gelatineartigen Innereien vom Kabeljau. Das Bresse-Geflügel von Miéral. Seinem Personal gönnte er mittags besseres Essen als andere Restaurants ihren Gästen. Für seine Gäste suchte er schon am frühen morgen kiloschwere „Denti“-Fische mit blitzenden Augen direkt am Hafen aus. „Die kommen nie aufs Eis“, meinte der joviale Katalane mit der buccholischen Figur und dem immerwährenden Drei-Tage Bart. „Das würde sie verbrennen. Und alles wird direkt am Abend serviert.“ Eines aber mag Santi gar nicht: „Astronautenfutter. Wenn man sich anschaut, was die Köche heute auftischen, kann einem der Appetit vergehen. Pastillen und Tabletten. Viele junge Köche wissen nicht mehr, wie man ordentlichen Fonds macht.“ Santi Santamaria wußte, wovon er redete, denn sein Fond wäre anderswo eine Suppe für Feinschmecker gewesen: Ein ganzes Brathuhn schwamm darin, und zwei Kilo schieres Kalbfleisch, dazu eine Überdosis gesundes Grünes.
Kein Zweifel, Santi war ein Produkt-Fetischist. Einer, der noch wusste, dass gute Küche bei guten Zutaten beginnt. Ein Koch von der Liste der aussterbenden Arten: Pacaud in Paris gehört dazu oder Roellinger in Cancale. Doch der Mann aus Sant Celoni nördlich von Barcelona, dessen Nachname stark nach deutschem Schlager klingt, geht noch einen Schritt weiter: Fast scheint es, als hätte er damals sein „Raco de Can Fabes“ rund um die guten Zutaten errichtet. Rechts stehen drei gläserne Kühlschränke: Im ersten warten zarte Lämmer, saftige Rinderkoteletts, Geflügel und Foie Gras, im zweiten knackige Gemüse, im dritten das Obst. Das Restaurant hatte Aura und Geschichte. „Mein Vater wurde hier geboren, ebenso wie mein Großvater und ich“ berichtete Santi. „Wir waren eine Bauernfamilie. Mein Vater erkrankte schwer, meine Mutter arbeitete als Näherin in einer Fabrik. Mit 15 musste ich dazu verdienen. Wir hatten nicht viel.“ Wenn die Mutter in der Fabrik war, kochte der Vater „Und seine Freunde liebten auch das Kochen. Ich dachte immer, alle Männer kochten.“ Als er 23 war, eröffnete er mit seiner Frau eine kleine Kneipe: „Es war die Zeit nach der Franco-Ära. Neu gewonnene Freiheit! Ich wollte mein Hobby zum Beruf machen, Freunde empfangen, einen Ort kreieren, wo verkannte Poeten Dichterlesungen halten um danach illegale Substanzen zu rauchen.“ Wie jedes Lokal das allein für Freunde bestimmt war, endete Santis Abenteuer nach einem Jahr in einer Beinahe-Katastrophe. „Wir waren ein Alltagsrestaurant, servierten für 150 Peseten, nach heutiger Währung etwa zwei Euro. Wenn unsere Gäste feierten, gingen sie anderswo hin um dort viel Geld zu lassen. Natürlich wollten wir auch ein Restaurant zum Feiern werden.“ Auch das ging Anfangs mangels Kochkenntnissen gründlich daneben. „Zum Glück arbeitete nicht weit von hier ein französischer Koch namens Philippe Serre. Der war mal bei Nouvelle-Cuisine-Erfinder Michel Guérard gewesen und brachte mir die Grundlagen bei.“ Abgesehen von diesem Schnellkurs war Santamaria Autodidakt. „Die ganze spanische Küchenrevolution, von der man so viel liest, ist von Autodidakten losgetreten worden“ erklärte er „Und ich hatte den Vorteil, dass ich schon als Kind den guten Geschmack unserer katalanischen Zutaten auf der Zunge hatte. Ich möchte feine Gerichte mit rustikaler Spitze; dem althergebrachten Geschmack ein modernes Image verpassen. “Das Zwiebelküchlein auf Blätterteig mit einer supersaftigen, leicht geräucherten Makrele, ist so ein Gericht: Das Raucharoma liefert die „bäuerliche Komponente“, die perfekte Garung und der hauchzarte Teig liefern die Verbindung zur Haute-Cuisine.
Angulas, die traditionellen Glasaale, servierte Santi Santamaria mit Knoblauch, Petersilie und chinesischen Fadennudeln für die Textur. Und die Gemüse! Wir genossen bei Santi Santamaria die besten Erbsen unseres Lebens, angerichtet mit Erbsblüten auf festem Erbspüree, sozusagen Erbse hoch Drei. „Die kommen vom Bauern nebenan. Das klingt jetzt banal, aber hier gibt es eine winzige Gegend, in der die Erbsen besser als anderswo gedeihen.“ Der grüne Spargel ergänzt wunderbar den Kaviar mit Petoncles. Santi war ein Meister der Gemüse und in dieser Disziplin besser als jeder Chef, der mit seinem eigenen Garten angibt. Riesiger Kaisergranat mit Gnocchi, Kabeljau auf seinen Innereien mit den letzten schwarzen Trüffeln aus Spanien, Foie Gras in der Salzkruste, das alles las sich banal, weil Santi Santamaria keine Reime um seine Gerichte drechselte. Natürlich meisterte Santamaria die Garzeiten perfekt, natürlich verstand er sich aufs Würzen, selbstverständlich war er ein „Verpackungskünstler“, egal ob er Lamm in Ton oder Foie Gras in Salz verpackte. Aber letztendlich ging es immer wieder ums Produkt und seine Qualität. Das erklärt, warum er den Feinschmecker-Lesern drei Gänge mit Fleisch und Geflügel serviert: „Weil den meisten Küchen zum Thema Fleisch nichts einfällt. Und ich hier den Wert der guten Zutaten demonstrieren kann.“ Hier, die Foie Gras in der Salzkruste „Das ist nicht einfach Salz, da ist Thymian und Knoblauch drin. Wenn sie das Rezept mit einer schlechten Leber versuchen, kann es sein, das sie einfach wegfließt.“ Die Raffinesse des Rezeptes liegt im Detail: So wird die Leber auf einem Grill angebraten, der mit indonesischer Bio-Kohle, gepresst aus Kokosnuss-Haut befeuert wird. „Wer Kochen verstehen will, muss die unterschiedlichen Garmethoden meistern“ erklärte Santi mit ruhiger Geste „ Wir haben Elektrizität, Gas und Feuer zur Verfügung. Einen Dampfofen, einen Mischofen, dazu Grillspieß, Plancha und Grill. Der Geschmack einer Pfanne ist etwas anderes als der Geschmack eines Holzfeuers. Wenn man das verstanden hat, bringen Technik und Methodologie nicht weiter.“
Mit seiner „Zurück zu den Wurzeln“ Philosophie hatte es Santi Santamaria weit gebracht. Zwei Kinder hat er fast nebenbei groß gezogen: Sein Sohn ist Pferdezüchter, seine Tochter studiert Wirtschaft. Einen eigenen Weinberg besaß er auch „Zwei Hektar zum Experimentieren.“ In der Vanguardia schrieb er wöchentliche Glossen über Gastronomie, zudem hatte er eine Horde Bücher über seine kulinarischen Reisen verfasst. Ihn bedrückte die Entwicklung der modernen Küche. „Die Gegend nördlich von Sant Celoni gehört zu den Hauptstädten der Chemieindustrie: Geschmacksverstärker, künstliche Aromen und jetzt auch noch Nahrungsmittelparfums.“ Das stank für Santi Santamaria zum Himmel.
Jörg Zipprick






Der 1959er Latour war jedenfalls der Star des Abends, seine Komplexität, Fruchtfülle, Eleganz und der Nachhall waren nahezu unglaublich. Es ist ein kostbares Geschenk, so einem Wein begegnen zu dürfen und lange bevor ich in die Gehaltsklasse käme, mir diamantbesetzte Eierbecher leisten zu können, würde ich die vierstellige Summe in diesen Wein stecken. Wein Nummer fünf und sechs würden es schwer haben dachte ich: 1964 Léoville Las Cases und 1964 Haut Brion. Mein Geburtsjahrgang, den ich immer bedächtig verkoste. 1964 Léoville Las Cases ist mir zum dritten Mal begegnet, wobei er nie enttäuschte. Auch diese Flasche hatte alles, was man sich von einem bald 47 Jahren Bordeaux aus mittlerem Jahr erhoffen darf. Gesunde, lediglich etwas hellere Farbe mit braunem Wasserrand. Feinwürziges Bouquet, etwas Unterholz, am Gaumen reif, mit der immer noch feinen Süße guter Bordeaux-Weine. Der Wein bleibt ein Geheimtipp zum fairen Preis. Der 1964er Haut Brion war allerdings eine Klasse besser. Ein großer Klassiker kam zum Vorschein, sehr typisches Haut Brion-Bouquet, „steinig“, Jod, sehr geradlinig. Am Gaumen entwickelte sich anfangs ein leichter Muffton, der an Korkgeschmack erinnerte, den Wein aber weder dominierte oder gar negativ beeinträchtigte. Er gehörte zum Haut Brion, was für nicht so geschulte Zungen ungewohnt ist. Später kam eine angenehme Süße hinzu, der Wein blühte immer mehr auf und blieb bis zum Schluss in Bestform. Letzte Rotweine des Abends waren 1982 Léoville Las Cases und 1982 Haut Brion. Hier zeigte sich der Léoville Las Cases von seiner besten Seite, ein vom ersten Hineinriechen zum zur letzten Minute verführerisches Kraftpaket mit Reserven für mindestens weitere 20 Jahre. Tiefe Farbe, beeindruckendes Bouquet, eher wie ein Latour. Intensive, geballte Frucht, Eleganz, die volle Süße des Jahrhundertjahrgangs 1982. Der 1982er Haut Brion war eine Re-importflasche aus den USA, der Korken leider schon vollständig vollgesogen. Hier hatten wir schon bessere Flaschen getrunken. Er reicht auch in besserem Zustand kaum an seinen Nachbarn La Mission Haut Brion von 1982 heran, überzeugt aber dennoch mit einer Klasse und Eleganz, die andere Weingüter nie erreichen.







Mehr Aussicht bietet die Aussichtsplattform auf der 124. und das Panorama-Lokal At.mosphere auf der 122. Etage. Sportliche dürfen 11.300 Stufen bewältigen. Küchenchef des höchsten Restaurants der Welt ist Dwayne Cheer aus Neuseeland. Vor seinem Aufstieg begann er im heimatlichen Waitarere in einem Fish & Chips-Laden am Strand. Nur einmal arbeitete Cheer in einem hoch bewerteten Restaurant – dem Greenhouse in London, wo der Michel Bras-Schüler Antonin Bonnet seit acht Jahren einen Michelin-Stern hält. Dwayne Cheer lebt seit über vier Jahren in Dubai und war dort als Chef de Cuisine und Executive Chef im One & Only Royal Mirage und den beiden Hotels The Address tätig, die wie der Burj Khalifa zur Emaar-Gruppe gehören. Für dieses Großunternehmen mit Sitz in Dubai arbeitet auch Viktor Stampfer als kulinarischer Direktor, der seine Hochzeit als Küchenchef im Frankfurter Restaurant Tigerpalast in den Jahren 2000 bis 2005 hatte und diesem hohe Bewertungen brachte (1 Michelin-Stern, 18 Punkte im Gault Millau).




