Frechheit: Offenbach hat
jetzt ein gutes Lokal

Das sehenswerte Schaumahl mit neuer Küche

Von Ludwig Fienhold

Ein gutes Lokal in Offenbach? Kann das wirklich sein? Ja, darf es das überhaupt geben? Doch mit dem Schaumahl existiert dort jetzt tatsächlich eine richtig lobenswerte Adresse. Und auch die Frankfurter werden die Grenze überschreiten und die beschwerliche Reise in die verbotene Stadt antreten, wobei sich die ersten schon getraut haben. Zur Beruhigung nur dies vorneweg: Alle, die im Schaumahl arbeiten, kommen aus Frankfurt. Vor allem den Gastgeber Pit Punda kennt man aus den bekannten Frankfurter Lokalen Emma Metzler, Cyrano und Zarges. Der junge Küchenchef Christoph Kubenz hat bei Juan Amador gelernt und auch sonst in guten Häusern Station machen können.

Das Schaumahl zeigt schon optisch Charakter. Der Jugendstilbau aus dem 19. Jahrhundert steht unter Denkmalschutz und wurde von Hausbesitzer Stefan Lang mit Sinn für historische Details restauriert. Die extravagante Schmucksäule, der Dielenholzboden und der Eingang mit den bunten Glasfenstern schaffen bereits Atmosphäre, die durch gemütvolle Landhausrustikalität und blankgescheuerte Holztische unterstützt wird. 34 Gäste finden Platz, wer mag, kann auch nur auf ein Glas Wein an die Theke kommen. Freitags und samstags sollte man reservieren, sonst kann es auch spontan klappen. Pit Punda und seine rechte Hand Esra Egner sind bessere Gastgeber als viele herausgeputzte Möchtegerns in noblen Häusern. Es geht locker und munter zu, aber dennoch professionell im Handling und bei der Beratung.

Die Speisekarte fällt mit einem Dutzend Gerichten kompakt aus, was angesichts der Relation zwischen Küchebesetzung und Gästezahl auch richtig ist und sich positiv auf die Qualität auswirkt. Christoph Kubenz ist ein schlüssiger Vertreter der neudeutschen Küche, die europäische Wurzeln hat, aber sich auch ungeniert orientalischer und asiatischer Einflüsse bedient – doch stets so, dass es nie aufgesetzt, sondern wie selbstverständlich erscheint. Beim Lammrücken mit ganzen Kichererbsen und Kreuzkümmel etwa hat man es mit einer unmittelbar wirkenden und ausdrucksvollen Kombination zu tun. Die Kichererbsen werden hier nicht zu Brei gemacht und kommen effektiver und gut gewürzt im Ganzen zum Einsatz, dem feinen und bestens gegarten Sylter Lamm wird mit einigen groben Körnern Fleur de Sel mehr Geschmack herausgekitzelt. Beim sukkulenten Adlerfisch überzeugen nicht allein der Fisch und seine Konsistenz, auch die geschmeidig-saucige Begleitung aus Radieschen, Staudensellerie und Karotte ergänzt in delikater Zartheit. Die Desserts sind so, als hätten Opa und Enkel zusammen das Beste aus ihrer beider Zeit herausgeholt – Bravo!

Küchenchef Christoph Kubenz

Hier ist mit 26 Jahren ein junges Talent am Werk, dem man bereits in seiner ersten verantwortlichen Position handwerklich gekonnte Geschmackssicherheit attestieren kann. Christoph Kubenz war Commis und Chef de Partie bei Juan Amador in Langen und Souschef im Maintower in Frankfurt. Beim strengen und starken Christian Lohse in Fischers Fritz im Hotel Regent in Berlin hat er drei Monate gearbeitet. Und im opulenten Wichtigtuer-Club Mar-a-Lago von Donald Trump in Palm Beach in Florida konnte er es auch aushalten. Christoph Kubenz zählt jedenfalls durch seine sensible und doch deutliche Handschrift zu den Hoffnungsträgern der jungen deutschen Küche, wenngleich noch Spielraum ist. Unterstützt wird er im Offenbacher Lokal Schaumahl von Judith Möhrstädt und Ilja Braun, wobei es keine strikten Positionen gibt und jeder alles machen muss.

Kubenz, Möhrstedt, Ezra, Punda (v.li. nach re.)

Die Harmonie des Teams ist spürbar, auch zwischen Küche und Service gibt es keine der üblichen Störfeuer. Im Schaumahl hilft an hektischen Tagen sogar schon mal Hausherr Stefan Lang mit und spült die Gläser. Ein großer Pluspunkt ist die Weinkarte. Pit Punda ist ein Ausgepichter, der nicht nur auf gute und bekannte Namen zugreift, sondern viel lieber mit Entdeckungen überrascht. Zum Beispiel mit den Weinen des Guts Pfannebecker aus dem rheinhessischen Worms-Pfeddersheim, das eine sehr gelungene Kollektion vorlegt, wobei sogar der Chardonnay mit leichtzüngiger Frische und Saftigkeit überzeugt. Auf den Gast wartet ein ganzes Füllhorn an guten Weinen von St. Antony, Wittmann, Rings, Spreitzer, Leitz oder Kühling-Gillot aus Deutschland. Erstklassig auch die südfranzösische Domaine de Trevallon und der Châteauneuf du Pape Pegau, sonst eher selten zu bekommen der Ai Suma von Giacomo Bologna aus dem Piemont. Lobenswert auch, dass es die Apfelschaumweine von Andreas Schneider aus Nieder-Erlenbach gibt, regionale Qualitäten sollten immer eine wichtige Rolle spielen. Mit dem Schaumahl überrundet Offenbach jedenfalls viele Frankfurter Lokale – weil es ein stimmiges Konzept hat, mit guter Küche und ausreichend guten Weinen, gastfreundlichem Service und einem insgesamt lustvollen Auftritt.

schauMAHL, Offenbach, Bismarckstr. 177, Tel. 069 8299 3400. Geöffnet Mo – Sa 8 – 1 Uhr, So geschlossen. Gästeparkplätze gegenüber Ecke Bismarckstr./Ludwigstr.  www.schaumahl.de

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Ciao Mimmo!

Der Pasta-Pate verlässt
das Restaurant La Villa

 

Paride „Mimmo“ Nicoli verlässt das Opel-Villen-Restaurant in Rüsselsheim. Seine authentische italienische und von seiner Heimat Friaul geprägte Küche hat ihn im ganzen Rhein-Main-Gebiet bekannt gemacht. Bis zum 31. Mai ist noch Gelegenheit ins Restaurant La Villa zu gehen. Bislang hat Mimmo kein neues Restaurant, ihn zieht es aber nach Mainz oder Frankfurt. Rüsselsheim, ohnehin sehr arm an attraktiven Zugpunkten, verliert damit den bislang einzigen gastronomischen Magneten. Nach acht Jahren war es für Mimmo Zeit für eine Neuorientierung, zumal der Standort immer problematischer wurde. Neuer Mieter in der Villa wird Fernsehkoch Michael Beck, der zudem noch das Restaurant La Fayence und die Flörsheimer Warte im Rheingau betreibt.

Die Opel-Villen sind auch ein architektonischer Leckerbissen. Das Haus aus dem Jahre 1915, in der klarlinigen Form von Historismus und Jugendstil entworfen, birgt trotz altem Parkett und Deckenstuck keinen Prunk. Aura und Design sind von erhabener Gelassenheit, wenngleich hier mit italienischem Temperament neues Leben erweckt wurde. Nicoli Paride, besser bekannt als Mimmo, verzichtet bei der Ausstattung und auf dem Teller auf Zierrat und kommt geschmacklich gleich zur Sache. Im Restaurant wird das serviert, was morgens eingekauft wurde. Die gegrillte Goldbrasse, saftig und fest im Fleisch, bedarf nicht mehr als einiger Tropfen Olivenöls. Bei der geschmorten Entenkeule, die zart vom Knochen fällt, erweisen sich Röstkartoffeln als angenehme Begleitung. Süffige Schmorgerichte sind eine Spezialität der Küche, die zu jeder Jahreszeit schmecken. Die Lammschulter wird in Rotwein lange auf dem Feuer gehalten und mit Polenta serviert. Mimmo prahlt nicht wie andere damit, dass dazu Barolo verwendet wird – er nimmt so oder so nur gute Weine für seine satten Saucen. Die Küche steht für einen lebendig-herzhaften Trattoria-Stil auf hohem Niveau, vieles kommt aus dem Backofen oder der Pfanne. Authentisch und bissecht sind auch die vielen Pasta-Varianten, die allein den Weg lohnen. Solche Nudeln macht kaum jemand so gut wie Mimmo.

Die meisten Sorten sind hausgemacht, selbstverständlich bereitet sie der Pasta-Pate al dente zu. Unbedingt probiert haben muss man Pici mit Ragout von der Kalbshaxe, Bigoli mit Entenragout und die friaulinischen Blecs mit Kaninchen. Sehr gut außerdem Minzi, gegrillte Nudeln mit Ochsenschwanz und Meerrettich oder hausgemachte Bigoli aus Käse, Spinat und Mangoldblättern mit Käsecreme und Walnüssen. Typisch Friaul und anders als andere Nudelgerichte sind Cialsons – Tortellini gefüllt mit einer Masse aus Quittengelee, Feigen, Rosinen, Zimt, Kartoffeln und geräuchertem Ricotta. Zudem gibt es gute und günstige Mittagsmenüs (3 Gänge plus 1 Glas Wein 22,50 €, mit zusätzlichem Pastagang 29,50 €).

Aus Mimmos Heimat, dem Friaul, stammt auch das Gericht Cotechino, dort Musett genannt. Ein Arme-Leute-Essen, wie vieles aus diesem Bereich eine deftige Delikatesse. In der warmen und wunderbar würzigen Wurst hat so ziemlich alles vom Schwein Platz gefunden, vor allem aber Speck, Schwarte und Fleisch. Sie schmeckt einfach nur auf einem Stück Polenta, doch Mimmo setzt dazu als erfrischendes Element Linsensalat mit Speck und roten, leicht süßlichen Zwiebeln ein und kombiniert dies mit sehr guter hausgemachter Entenstopfleber mit Mostarda, kandierten Senffrüchten. Mimmos Küche ist nicht vordergründig, er pflegt das raffiniert Einfache. Zu den schönsten Fleischgerichten gehören die in Rotwein geschmorten Kalbsbäckchen mit Polenta und weißen Zwiebeln und die konfierte Kaninchenkeule mit Olivengnocchi und gebratenem Fenchel. Auf der Terrasse lässt es sich angenehm bis in den späten Abend sitzen, zumal keine Nachbarn gestört werden können.

Mimmo und Lucia

Der Weinkeller hält viel Gutes bereit, kaum sonst wo kann man zu solch fairen Preisen große Barolos und andere erstklassige Tropfen bekommen. Der Barrique-Sauvignon von Ronco del Gnemiz führt die Nase in einen duftigen Sommergarten, von Castellada gibt es den besten Pinot Grigio Italiens, Anselmi sorgt für erstklassige und gehaltvolle Terrassenweine. Wer herausragende Rotweine sucht, wird bei Elio Altare und anderen Großen aus dem Piemont oder der Toskana fündig. In der Villa gibt es zudem nicht irgendeinen Prosecco, sondern einen erstklassigen Rosé-Spumante von Nino Franco. Mimmo kommt oft persönlich aus der Küche, um Gerichte zu empfehlen und zu erklären. Doch kann er sich auch auf einen sachkundigen und aufmerksamen Service verlassen – allen voran Lucia, die auch eine gute Pasta-Köchin ist.

LF

La Villa, Rüsselsheim, Ludwig-Dörfler-Allee 9, Tel. 06142 2 10 09 55. Täglich geöffnet 12 – 14 Uhr, 18 – 2.30 Uhr (Küche), Montag und Samstagmittag geschlossen. Hauptgerichte 14 – 25 Euro.

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Asia-Konfusion im neuen GinYuu

Noch mehr Systemgastronomie  für ganz Deutschland

Wieder ein neues Lokal aus der Reihe „Haben wir nicht vermisst“. Asiatisches wird versprochen, pan-asiatisches sogar. Klingt wichtiger. Ist aber Systemgastronomie. Bislang ohne System und mit viel Verwirrung. Und asiatisch auch nur entfernt. GinYuu hat vor zwei Wochen geöffnet, wurde aber erst jetzt am Donnerstag mit einer Party offiziell in der Frankfurter Junghofstraße gefeiert. In der Nähe der prominenten Goethestraße, wo einst mit dem Vogue einer der besten Clubs der Stadt Feierlaune verbreitete. GinYuu bietet 160 Plätze, die sich auf 450 Quadratmeter verteilen, plus Straßenterrasse.

Die Zeitgeistoptik mit viel Holz und offener Küche kann man noch als Edelkantine verstehen und mögen. Weniger Verständnis haben wir aber für Küchenleistungen, bei denen man sich fragt, was diese Leute eigentlich von Beruf sind. Gibt es dort überhaupt gelernte Köche oder haben wir es hier mit dem Job des Aufwärmers, Herumrührers und Beutelschneiders zu tun? Offenbar wissen diese jungen Burschen noch nicht einmal wie man Reis kocht. Jedenfalls tischen sie Reisbrei auf, ungesalzenen Matsch. Keines unserer Gerichte war korrekt gegart und wies irgendein Aroma auf. Stattdessen versuchte man die allgemeine Geschmacklosigkeit mit reichlich Chili abzudecken. Das Red Curry mit Hühnerbrust, Zuckerschoten, Bambus und Koriander bestand vor allem aus monotoner Schärfe. Dem faden blassen Convenience-Hühnchen fehlten Frische und Würzigkeit. Stümper waren auch beim Indian Curry-Cocos-Rice am Werk. Das matt wirkende Rinderfilet verriet schon optisch pures Desinteresse an Qualität. Das zähe Stuck weigerte sich hartnäckig gekaut zu werden. Als das Gegenteil davon erwies sich der fast schon flüssige Basmatireis. Die Curry-Kokos-Sauce aus der Tüte passte ins Bild der asiatischen Irrtümer. Statt der versprochenen Macadmaia wurden zudem banale Erdnüsse eingesetzt.

Thai Chicken Rice

Als geschmacklich paralysiert entpuppte sich ein Spicy Thai-Chicken-Rice mit der gleichen flauen Hühnchenbrust und einem Gemenge aus Ei, Bambussprossen, Ei und Erdnüssen (sowie glitschigem Reis). Das Carpaccio Ginyuu verspricht Rinderfilet, Limetten-Hoisin-Vinaigrette und Parmesan. Die dünnen Fleischscheiben für sich wären akzeptabel gewesen, doch die Vinaigrette war keine solche, sondern nur ein klebrig-süßer Mix aus der Flasche (von Parmesan keine Spur). Die Küche konnte sich leider nicht bremsen und schüttete die zähflüssige Masse über das Carpaccio, wodurch sie erschlagen wurde und kaum noch zu retten war. Es überraschte nicht, dass beim Tonkabohnen-Panna Cotta mit Mango (Kokosmilch, Tonkabohnen, Sahne, Mango) der gleiche grobe Dilettantismus hervortrat – das Dessert war vor allem sahnig, viel zu dünn und ohne Aussage, das pampige Mango-Mousse schmeckte nur süß und leicht metallisch. Fazit: Schlechter kann man die Weltküchen aus Thailand, China, Japan, Vietnam, Indonesien und Indien nicht präsentieren. Egal, welcher Provenienz dieses asiatische Durcheinander im GinYuu auch entspringen mag, schlechtes Essen besitzt keinen Nationalstolz und gehört ins Reich der entseelten Bedeutungslosigkeit.

Carpaccio

Der Wirklichkeit gegenüber wirkt der Internetauftritt des neuen Lokals noch phrasenhafter. Unglaubwürdig ist außerdem das Werben mit dem Sushi-Meister Ollysan als GinYuu-Berater, der sich in Frankfurt einen Namen machen konnte und in München ein gutes asiatisches Lokal führte. Oliver „Ollysan“ Lange hat kein einziges der Gerichte auf der Speisekarte entworfen und besitzt auch keinen Beratervertrag, wie er auf Nachfrage bestätigte. Er war lediglich kurz im Einsatz und ist nicht verantwortlich, für das was jetzt im GinYuu passiert, zumal in den letzten Wochen die Mitarbeiter häufig wechselten. Vielleicht wird Ollysan beim nächsten Projekt von Anfang an zu Rate gezogen und kann so mehr Einfluss nehmen.

Hinter der Marke Ginyuu steht der Deutsch-Amerikaner Kent Hahne und seine Apeiron AG in München – er war Frenchisepartner von McDonalds und ist Mitbetreiber der italienisch gedachten Vapiano-Kette (allein drei in Frankfurt). Das neue Lokal Ginyuu gilt als Pilotprojekt, weitere neun sollen in ganz Deutschland folgen.

LF

Ginyuu, Frankfurt, Junghofstr. 14, Tel. 069 297 294 90. Geöffnet: So-Do 11-24 Uhr, Fr-Sa. 11-1 Uhr. Gerichte 4,50 – 10 €.

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Die 7 Samurai-Köche

Deutschland wird japanischer

Von Ludwig Fienhold

Eine spannende Idee: Sieben deutsche und japanische Spitzenköche entwerfen ein Menü mit sieben Gängen zu sieben verschiedenen Sake von erstklassigen Produzenten. Die Auftaktveranstaltung bei Mario Lohninger im Restaurant Micro in Frankfurt zeigte, welches Potential in der Verbindung aus kreativer Küche und dem japanischen Kultgetränk liegt.

Sushi-Chef Kawano, Mario Lohninger, Yoshiko Ueno-Müller, Jörg Müller, Toshio Kobatake

Wie die alten Samurai, so sollen auch die Köche Tugenden und Ehre verteidigen, wenngleich nicht mit dem Schwert, sondern mit dem Küchenmesser. Keineswegs irgendwelche Köche wurden dafür ausgesucht, sondern besonders Tugendhafte: Sven Elverfeld (3 Michelin-Sterne, 19 Punkte im Gault Millau), Aqua im Ritz-Carlton, Wolfsburg; Volker Drkosch (1 Stern), Victorian, Düsseldorf; Kevin Fehling (2 Sterne), La Belle Epoque, Lübeck/Travemünde; Yoshizumi Nagaya (1 Stern), Nagaya, Düsseldorf; Tim Raue (1 Stern), Restaurant Tim Raue, Berlin; Toshio Kobatake (16 Punkte im Gault Millau), Restaurant Toshi, Düsseldorf; Mario Lohninger (Gault Millau Koch des Jahres, 1 Stern), Restaurants Silk & Cocoon, Frankfurt. Nach Lohninger werden nun alle Köche in ihren Restaurants spezielle Menüs zum Thema Sake anbieten, im monatlichen Wechsel bis November (das Programm mit Preisen und Terminen steht auf der Internetseite www.japan-gourmet.com).

Micro

Bei Mario Lohninger war das Dinner „7 Samurai-Köche & Sake“ die am schnellsten ausverkaufte Veranstaltung aller Zeiten. Die Sake-Expertin Yoshiko Ueno-Müller, in Tokio geboren und seit 20 Jahren in Deutschland zu Hause, hat die Initiative zu dieser außergewöhnlichen kulinarischen Reihe ergriffen und unter ihr Lieblingsthema gestellt (siehe auch Sake – Poesie in Flaschen). Die zugleich zarte und robuste Art von Sake ist charakteristisch für Japan und die Menschen dort.

Sashimi von Kawano

Ein perfektes Zusammenspiel  von Speise und Getränk zeigte der Gold Label der Ninki Brauerei aus Fukushima (der Katastrophen-Region, die wohl leider auf ewig mit diesem Stigma behaftet sein wird). Der aromatische, feinfruchtige Sake war solo schon ein Hinschmecker, lief aber erst mit den Sushi-Happen zur Hochform auf und offenbarte Harmonie in Vollendung. Wenn der richtige Sake auf rohen Fisch und japanische Gewürzpflanzen stößt, erfährt beides eine Geschmacksbereicherung. Es war dies der vielleicht letzte Sake aus der Ninki-Brauerei. Für die Sushi und Sashimi war wie stets in Silk und Micro Kawano Hirofumi aus Sapporo verantwortlich (siehe Titelfoto oben), der präzise Miniaturen zubereitet. Eines der besten und stark japanisch inspirierten Gerichte von Mario Lohninger ist der Black Cod mit Miso und japanischer Consomé, der auch beim Sake-Dinner zum Einsatz kam. Der ungemein saftige, fleischige und nanosekundengenau gegarte kabeljau-ähnliche Fisch badet dabei in einem leicht geräucherten und an Lapsang Souchong Tee erinnernden Sud (der diesmal mit einer dezenten Chili-Variante wechselte). Der fast schon süffige, reintönige, an feingeschliffenen Reis anmutende Sake Urakasumi Zen passte wie maßgeschneidert dazu, wobei die Uhu-Klebstoffnase anfangs irritierte. Der Zen-Sake der Brauerei Urakasumi – mit dem dicken Mönch auf dem Etikett – stammt aus der Präfektur (Region) Miyagi, die für Thunfisch bekannt ist und ebenfalls zum betroffenen Erdbebengebiet gehört.

Wenn die Klarheit und Sanftheit von Sake von einer geschmeidigen Viskosität begleitet wird, erreicht man noch höhere Geschmacksregionen. Manche von ihnen können dabei trocken ausfallen, manche erscheinen eher wie Wein-Spätlesen. Wie Dassai 50 von der Brauerei Asahi Shuzi aus Yamaguchi. Weinig, cremig, dichte Textur. Trotz trockner Art betonte Aromen, Frucht, ein Hauch Muskat. Passte hervorragend zu Mario Lohningers lauwarmem Hamachi (Gelbschwanzmakrele) in einer famosen Aromatiksauce mit Melone und Ingwer. Lohningers Desserts wirken schon von Natur aus, wie für Sake geschaffen. Wenn Zitrusfrüchte, Wasabi und Fromage Blanc Sorbet auf einen feinblumigen eleganten Amabuki Marigold treffen, dann wird es kulinarisch leicht lyrisch. Beschwingtes Finale: Yuzu-Schaumomelette mit Sorbet von Grünem Tee mit Yuzu-Sake der Kobe Shu-Shin-Kan-Brauerei. Eigentlich ein Sake-Likör mit Yuzu-Zitrus, leicht gekühlt ein toller Sommerdrink (ähnlich italienischem Limoncello).

Die dramatischen Ereignisse in Japan lassen auch verstärkt Köche und Lieferanten über japanische Erzeugnisse nachdenken. Sake, Sojasauce, Pilze, Thunfisch – was kann unbedenklich genossen werden? Die meisten jetzt im Handel befindlichen Erzeugnisse wurden schon vor der Katastrophe geerntet und abgefüllt. Bei Premium-Sake wird zudem immer ein Datum auf der Flasche genannt. Mario Lohninger ist wie viele andere auch verunsichert, bezieht seine Fische inklusive Thuna und anderes mehr aber schon länger aus dem Mittelmeer, Kalifornien oder Kanada. Erzeugnisse aus Japan, die größtenteils am Frankfurter Flughafen ankommen, werden dort sehr genau untersucht – indes stichprobenweise und nicht jedes einzelne Stück. Vertrauen und Misstrauen halten sich letztendlich die Waage. Am Ergebnis der 7 Samurai-Köche ändert dies nichts: Diese kulinarische Reihe ist ein Ereignis von Weltrang.

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Sake: Poesie in Flaschen

Japanische Trinkkultur erobert Deutschland

In Japans Nationalgetränk Sake vermag viel Poesie zu liegen. Oft aber zeigt es sich auch als Krawalltrunk, der nur zum Anheizen bei Karaoke taugt. Es bedarf Zeit, gute von schlechten Arten zu unterscheiden, und es braucht Geduld, dieses einzigartige Getränk zu verstehen. Reisen nach Japan helfen dabei am besten, aber auch Besuche der Seminare von Yoshiko Ueno-Müller aus Kronberg im Taunus. Sie arbeitet vor allem mit der Gastronomie zusammen, nicht nur das japanische Restaurant Iroha im Frankfurter Hof bezieht ihren Premium-Sake. Das Kameha am Opernplatz bietet ebenso ausgesuchten Sake an wie Mario Lohninger in seinen Restaurants Silk und Micro im Frankfurter Cocoon Club. Im Grand Hyatt in Berlin existiert mit Luisa Mehlhose die erste Sake-Sommelière in Deutschland, und im Kameha Grand Bonn serviert man mit großem Erfolg Sparkling Sake. Vor allem die schäumenden Sake erobern gerade die Trend-Bars in der Welt. Sake hat sich längst von seinem trüben Image als lauwarmer Schnaps befreit. Auf der größten Weinmesse der Welt ProWein in Düsseldorf wurde gerade erstmals Sake präsentiert. Und jetzt haben sogar sieben deutsche und japanische Spitzenköche ein spezielles Sake-Menü ersonnen und servieren es in ihren Restaurants (siehe Artikel 7 Samurai-Köche).

Sake ist im Grunde kein Wein und auch kein Schnaps, von der Methode her ist es eher ein Bier, denn Sake wird regelrecht gebraut. Durch seine Geschmacksvielfalt aber darf man ihn am ehesten als (Reis)wein empfinden, manche weisen deutliche Rieslingaromen à la Weinbergspfirsich auf.

Die wesentlichen Bestandteile des Sake sind Wasser, Reis und Hefe (sowie Koji-Edelschimmel-Kulturen), der Alkoholgehalt liegt zwischen 14 und 17 Prozent. In Japan existieren über 1.500 Sake-Brauereien, jede hat ihre eigene Philosophie und Herstellungsmethoden. Das beginnt schon bei der Auswahl und dem Polieren des Reises, die den Kern des Korns freilegt und damit die Feinheit des Getränks mitbestimmt. Je kleiner die Polierrate, desto hochwertiger gilt Sake, gute Qualitäten beginnen bei 70 Prozent, die Spitzenqualitäten zeigen 35 Prozent und weniger. Weit mehr entscheidend ist jedoch das verwendete Wasser, das den Sake quellfrisch, weich, rein und fein schmecken lassen kann. Die Japaner trinken Sake von gut gekühlt bis lauwarm (5 – 25 Grad), am besten schmeckt er jedoch leicht kühl aus einem Weißweinglas. Die Aromen reichen von erdig bis blumig, verschiedene Hefesorten sorgen für die unterschiedlichsten floralen Noten.

Yoshiko Ueno-Müller und Jörg Müller

Der Amabuki „Strawberry Blossom“ etwa wird mit Erdbeerblütenhefe gebraut und schmeckt fruchtig und filigran, ohne süß zu sein. Komplex und mit Finesse präsentiert sich der Aiyama mit Nadeshiko-Nelke. Manche Flaschen irritieren mit dem „weißen Nebel“  des unfiltrierten Ur-Sakes, der sich als Reisschnee am Boden absetzt und eingeschüttelt werden muss. Der „Dreamy Clouds“ beeindruckt durch seinen erfrischenden, angenehm salzigen Seeluftduft. Die 1882 gegründete Brauerei Rihaku ist nach dem großen chinesischen Dichter benannt und liegt in der Region Izuma, die reich an Mythen ist und als Geburtsstätte des Sake gilt. Die Erzeugnisse der Kirin Brauerei in Niigata werden ebenfalls durch weiches Quellwasser und schneereiche Winter geprägt, die dem Getränk eine große Reintönigkeit verleihen.

Der Kirin Vintage 2007 überrascht mit Früchten, wie Banane und Birne, wobei diese Aromen außergewöhnlich zart einfließen. Die einstige Samurai-Familie Sudo Honke kann auf eine über 800 Jahre alte Tradition zurückblicken und unterhält die älteste Brauerei in Japan. Erzeugnisse, wie Sato no Homare, Yamawatari und Kakunko gehören zum Besten, was dieses Genre aufzuweisen hat – rein wie Quellwasser, hochelegant und anmutig. Sake kann auch in Stahltanks oder im Holzfass reifen, die Koshu genannten alten Reisweine sehen aus wie Cognac und erinnern im Geschmack oft an Sherry. Der Daruma aus dem Jahrgang 1979 von Shiraki ist ein außergewöhnlich tiefsinniger und komplexer Sake mit sinnlicher Süße. Mit ihrer tänzerischen Leichtigkeit und Beschwingtheit vermögen die perlenden Sake vielleicht am unmittelbarsten und einfachsten zu überzeugen. Der Sparkling Sake Fukuju aus der Kobe-Shu-Shi-Kan Brewery ist ein ausgezeichnetes Gute-Laune-Getränk, das man solo trinken kann und das außerdem bestens zum Thunfisch passt.

LF

Ueno Gourmet, Yoshiko Ueno-Müller, Online-Shop und Sake-Seminare,  Bahnhofstr. 7a. Kronberg, Tel. 06173 976852.www.japan-sake.de




Logenplatz bei Rhein in Flammen

Kameha Grand Bonn

Das Kameha Grand Bonn liegt direkt am malerischen Rheinufer und ist damit der ideale Logenplatz für das jährliche Lichtspektakel “Rhein in Flammen“. Am 7. Mai verwandeln Bengalisches Licht und fünf große Feuerwerke den Rhein in eine spektakuläre Kulisse. Das Kameha Grand Bonn bietet seinen Gästen zu diesem besonderen Anlass mit einem „Rhein in Flammen“ Package: Kulinarisches, eine exklusive Party und einen einzigartigen Blick auf das ultimative Feuerwerk. Das Überraschungspaket ist buchbar für zwei Übernachtungen vom 6. bis zum 8. Mai 2011 für 299 Euro pro Person im Doppelzimmer inklusive Frühstück, einem Langschläfer-Frühstück bis 12 Uhr am Sonntag, einem Vier-Gänge „Rhein in Flammen“-Menü mit Aperitif in der Brasserie Next Level sowie Eintritt zur exklusiven „Rhein in Flammen“-Party im Kameha Dome.

Jahr für Jahr lockt eines der größten Feuerwerke Deutschlands mit der Veranstaltung „Rhein in Flammen“ Tausende Besucher an die festlich geschmückten und beleuchteten Uferpromenaden des Rheins. „Im Kameha Grand Bonn können unsere Gäste den einmaligen Panoramablick auf das Feuerwerk, die vorbeifahrenden Schiffe und die malerische Rhein-Kulisse genießen“, schwärmt Thomas Kleber, geschäftsführender Direktor des Kameha Grand Bonn.

Die Gäste des Kameha Grand Bonn erwartet ein außergewöhnlicher Abend mit Feuerwerk, musikalischer Unterhaltung und kulinarischem Programm. In der Brasserie Next Level serviert Küchenchef Jörg Stricker um 19 Uhr ein Vier-Gänge- Menü: Gebratene Rotbarbe auf Orangen-Fenchelsalat; Kräuterrisotto mit Hummermedaillon; hausgebeiztes Kalbsfilet mit Tomaten-Basilikumjus; Mousse von der Tonkabohne mit weißer Schokolade. Der Blick auf den Rhein und das Siebengebirge verspricht eine besonders romantische Atmosphäre.

Kameha Grand Bonn

Anschließend sorgen die DJ’s im Kameha Dome bei der exklusiven „Rhein in Flammen Party“ für Stimmung. Um 23 Uhr geht es dann auf die Riverside Terrasse, wo sich das finale Feuerwerk an der gegenüberliegenden Rheinaue bestaunen lässt.

Infos und Buchungen: Tel. 0228-43345660
www.kamehagrand.com

Kameha Grand Bonn Stage Bar

Das Kameha Grand Bonn verfügt über 253 Zimmer, davon 63 Suiten, sowie einen Event- und Konferenzbereich für bis zu 2500 Personen. Das Haus präsentiert sich als ein modern designtes Life&Style Hotel. Aufmerksamer Service, das außergewöhnliche Interieur-Design des Künstlers Marcel Wanders und gelebte ökologische Verantwortung machen das Hotel zu einer Wundertüte. Das direkt am „Bonner Bogen“ und am Rheinufer gelegene Hotel ist nur wenige Minuten vom Bonner Stadtzentrum entfernt und verfügt über eine günstige Anbindung zum Flughafen Köln/Bonn, zur Autobahn und ICE-Strecke. Das Kameha Grand Bonn ist Mitglied bei Leading Hotels of the World, und wurde als „Hotel des Jahres 2011“, mit dem „Design- und Architektur-Oskar“ (MIPIM Award) ausgezeichnet. Die Lifestyle Hospitality & Entertainment Management AG betreibt das Hotel mit ihrer Hotelgesellschaft Kameha Hotels & Resorts.




Einstein in der Küche

Wird Modernist Cuisine den Geschmack revolutionieren?


Die Grundidee von „Modernist Cuisine“ ist: Wissenschaft statt Bluff am Herd. Der Star auf der Paris Cookbook Fair, der Pariser Kochbuchmesse im März, war kein Autor oder Spitzenkoch. Es war das Buch Modernist Cuisine der Autoren Maxime Bilet und Nathan Myhrvold. Ein Wälzer der Superlative, verfasst mit einem Team von bis zu 40 Forschern und gerade im Selbstverlag erschienen, bislang nur in englischer Sprache. Nicht nur ein Buch, gleich fünf Bände, natürlich im Schuber, plus eines zusätzlichen Bands mit allen Rezepten auf wasserfestem Papier, der besonders küchentauglich sein soll.

Bereits in der Subskription wurden im englischen Sprachraum 4000 Exemplare abgesetzt – zum Preis von 625 Dollar. Ob „Modernist Cuisine“ letztendlich Gewinne erwirtschaftet, steht freilich in den Sternen. Die Entwicklungskosten werden auf zwei bis sechs Millionen Dollar geschätzt, Branchenkenner sehen sie eher bei letztgenannter Zahl. Nathan Myhrvold kann sich dieses Kochbuch leisten. Der ehemalige Chief Technology Officer bei Microsoft gilt als zweifacher Milliardär. Und als Genie: Princeton-Absolvent, Postdoktorat in Cambridge unter Stephen Hawking, Erfinder mit Hunderten von Patenten, Gründer des Unternehmens „Intellectual Ventures“, das seinerseits über tausende Patente verfügt. Außerdem ist Myhrvold ein anerkannter Fotograf: „Modernist Cuisine“ hätte wohl kein hauptberuflicher Foodfotograf besser ins Bild setzen können, was dem Leser hier geboten wird, verschlägt den Atem: Grill, Ofen und Mikrowelle wurden teils per Hochdruck-Wasserstrahl entzwei geteilt, einfach um den Leser zu erklären, wie welcher Garvorgang abläuft. Ein Detail hatte ich fast vergessen: Myhrvold hat einmal die Barbecue-Weltmeisterschaften in Memphis, Tennessee gewonnen und ging dem Küchenchef eines französischen Restaurants in Seattle zur Hand. Vielleicht auch deshalb ist „Modernist Cuisine“ kein „Molekularkochbuch“ – Myhrvold selbst lernt den Begriff „Molekularküche“ strikt ab.

Myhrvolds Werk erklärt schlicht und einfach jeden Garvorgang, den wir momentan kennen und räumt mit Vorurteilen auf. Es erklärt, warum Kochen schneller als Dämpfen ist oder wieso man Backen auch als Trocknungsprozess bezeichnen kann, es prangert Lücken in den Regelungen für Bioprodukte an (in den USA dürfen „bio“ rund 200 Additive zugesetzt werden). Und es erklärt jeden Garvorgang, egal ob Grillen, Kochen, Dünsten. Hier und da wird auch mit Zusatzstoffen geliert oder geklebt. Nun ist Myhrvold schließlich Wissenschaftler und lässt bei diesem Thema dieselbe Klarheit und Offenheit walten wie beim Kapitel zum Grill. Wer mit Activa Transglutaminase, Kelcogel oder Genuvisco, alles Handelsnamen von Zusatzstoffen, wirklich kochen möchte, der darf genau das natürlich tun. Nur sollte er das seinen Gästen nicht verschweigen. Dieses Buch beschreibt präzise und beschönigt nichts, da wird kein Zuckerester zur „Textura Sucro“. Aber noch etwas wird bei der Lektüre von Modernist Cuisine klar. Es gibt einen Unterschied zwischen einem Labor im wissenschaftlichen Sinne und einem „Labor“, das ein Küchenchef betreibt. Das Labor des Wissenschaftlers dient der Forschung. Im Küchenlabor werden Rezepte ausprobiert und Gäste mit ein paar futuristischen Gerätschaften beeindruckt. Nun steht leider zu befürchten, dass einige Küchenstars den Wissenschaftler Myhrvold und sein Team vor den Karren ihrer Pseudoforschung spannen wollen.
JZ 

Die Köche Bilet, Young, Myhrvold (v.l.)

Geniales vom Hexer

Nathan Myhrvold: Koch, Tüftler, Forscher

Ist Modernist Cuisine das größte Kochbuch aller Zeiten? Es ist gewiss ein Magnum Opus. Mit 2400 Seiten, die sich auf sechs Bände verteilen, und einem Gewicht von stattlichen 20 Kilo. Auch der Preis von 625 Dollar verlangt nach einer dicken Geldbörse. Mit teilweise bis zu 40 Mitarbeitern haben der Autor und seine zwei Co-Autoren wie besessen an diesem Standartwerk gearbeitet. Nicht irgendwo, sondern in einer dafür entworfenen Mischung aus High Tech Küche und Physiklabor.Nathan Myhrvold beschreibt sachlich die Wissenschaft hinter der Kochkunst. In verschiedenen Kapiteln, wie Geschichte & Grundlagen, Technik & Ausrüstung, Tiere & Pflanzen, Zutaten & Vorbereitung. Dazu gibt es ein Küchenhandbuch sowie Rezepte. Der Autor erklärt, wie man Gerichte mit neuen Geschmacksrichtungen zubereiten kann, die zudem zu einer anderen Sensorik und Haptik führen. Myhrvold hantiert mit der Naivität des Wissenschaftlers, der sich nicht vorstellen kann, dass seine Praktiken in falsche Hände geraten könnten, mit Zentrifugen, natürlichen Hydrokolloiden, Emulgatoren und Enzymen. Er serviert uns dabei aber auch den ultimativen Hamburger (siehe Bericht „Der beste Hamburger der Welt“) Bei diesem ausgeklügelten und vor allem auf Geschmack setzenden Edelklops wird deutlich, dass Myhrvold kein Molekularkoch ist, sondern im Grunde seines Herzens ein hochsolider High Tech Griller. Das Werk bietet Chancen für die Küche, birgt aber auch Gefahren. Es wird auch hier wieder viele Trittbrettfahrer geben, die sich an einen bekannten Toptüftler anhängen und die neuen Ideen für eigene Zwecke umpolen.

Nathan Myhrvold aus Seattle ist ein ingeniöser Forscher und findiger Koch, der nach neuen Gartechniken sucht und sich für Sous-Vide begeistert (Garmethode für Fleisch, Fisch und Gemüse im Vakuumbeutel im Niedrigtemperatur-Wasserbad). Auch Niedrigtemperatur ist ein wichtiges Thema für ihn. „Ich liebe es, Short Ribs bei 54,4 Grad Celsius für 36 Stunden zu kochen, sagt Myhrvold, „Sie werden sehr aromatisch und haben eine andere Textur als die meisten Schmorbraten.“ Man sollte sich auch nicht von der Farbe beim Fisch täuschen lassen. „Kochen Sie Lachs 20 Minuten bei 40 Grad. Er wird noch roh aussehen, hat aber die Textur eines gekochten Fischs.“ Nach dem Sous-Vide Wasserbad möchte man manches Gericht ja mit einer schönen braunen Kruste versehen. Mit extremer Hitze in einer heißen Pfanne kommt man zu einem guten Ergebnis, doch noch besser ist nach Ansicht von Myhvold ein Bunsenbrenner.In seinem Forschungscamp bei Seattle brütet der schnelle Myhrvold immer wieder neue Ideen und Tricks aus – der Hurrikan-Bremser und der Malaria-Mücken-Laserkiller sind nur zwei auffällige Geistesblitze davon. Der 51 Jahre alte Physiker promovierte bereits mit 23 Jahren. Viel Gedanken hat er sich auch schon um die Beschaffenheit von Wackelpudding gemacht. Das Multitalent mit dem jugendlichen Lausbubengesicht wird sich und die Welt noch weiter überraschen.
PL

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Vive les Macarons!

Das erfolgreichste Kult-Gebäck der Welt


 

Von Ludwig Fienhold

Eine Schwarzwälder Kirschtorte ist plumper Sex gegen die hauchzarte Erotik von Macarons. Das feinste und schönste Gebäck der Welt hat von Frankreich aus einen unglaublichen Siegeszug angetreten und gehört nicht nur in Europa zu den begehrtesten Delikatessen. Mit ihrem Frühlingsanfang feiern die Franzosen am 20. März im ganzen Land den Jour du Macaron, an dem über 100 handwerklich arbeitende Pastissiers, Konditoreien und andere Süßwarenspezialisten international beteiligt sind. In Deutschland feiert Berlin die Macarons mit leckeren Events.

Französische Macarons haben nichts mit üppigen und eindimensionalen  deutschen Kokos-Makronen zu tun. Es sind farbenfrohe und adrett gestylte Patisserie-Miniatur-Sandwichs, mit zwei Hälften aus federleichten Mandelmakronen, in deren Mitte luftige Cremefüllungen mit den verschiedensten Aromen für geschmackliche Pointen sorgen: Vanille, Pistazie, Karamell, Himbeere, Veilchen, Mango, Grüner Apfel und viele mehr. Eine der berühmtesten Kreationen ist das Vanille/Olivenöl-Macaron von Star-Patissier Pierre Hérme. Genau dieser lernte einst bei der legendären Süßigkeiten-Manufaktur Ladurée und steht seit seiner Selbständigkeit im Jahr 1998  in unmittelbarer Konkurrenz zu seinem einstigen Arbeitgeber. Gäste und Fachwelt streiten sich gerne darüber, wer die besseren Macarons macht – wobei der Unterschied deutlich ist: Ladurée ist filigraner, Hermé kräftiger in den Aromen. Wer Feinheit und eine klare Textur schätzt, wird Ladurée vorziehen. Wer mehr Intensität sucht, dürfte Hermé den Vorrang geben. Wir lieben Ladurée, weil dessen kleine Lustmacher wie eine Wolke nur leicht die Zunge berühren, aber dennoch mehr Geschmack dabei hinterlassen als viele vordergründige Produkte der gleichen Spezies. Kein Macaron glänzt mit solch sinnlichen Aromen und einer derart harmonischen Balance der Texturen.

Ladurée Rue Royale 16 in Paris

Bei Großmeistern wie Ladurée, Lenôtre oder Hermés geraten Macarons in jedem Fall zu großem Naschwerk. Die Geschmacksvielfalt überschlägt sich inzwischen, grundsätzlich bestehen die Unterschiede jedoch aus cremigen, schokoladigen und marmeladigen Füllungen. Macarons gibt es in ganz Frankreich, aber auch bei Francois Payard in der Chocolate Bar im Plaza Hotel in New York und selbst im mexikanischen San Pedro bei Monterrey, wo sich Theurel & Thomas in einem schicken Etablissement ganz auf Macarons spezialisiert haben und sogar einen nicht so oft zu findenden mit Kokosgeschmack im Sortiment führen, der perfekt zum hellweißen Interieur passt. In Wien sind Macorons très en vogue und gerade bei jüngeren Gästen und Konsumenten extrem beliebt, die mit altmodischen Sacher-Torten wenig anfangen können.

Das erfolgreichste Unternehmen mit der Präferenz Macarons ist Ladurée mit Hauptsitz in Paris, wo 1862 alles mit einer Boulangerie in der Rue Royale Nr. 16 begann. Dort befindet sich noch immer noch der Stammsitz mit dem zauberhaften Café nebst Straßenverkauf. Fünf Ladurée-Läden existieren allein in Paris und in Versailles. Die Menschen stehen vor allem in der Rue Royal oft lange in der Schlange dafür, Einheimische müssen sich in die Massen der Touristen einreihen. Ladurée verkauft täglich 15 000 Macarons, Stückpreis 1,50 € (beim Mitbewerbern bis 2,50 €, wobei es sie auch in größer gibt). In den beiden Ladurée-Filialen in London bei Harrods und in der Burlington Arcade kommt man schneller zum Ziel. Derzeit gibt es von Ladurée 26 Geschäfte weltweit – in Monaco, Zürich, Genf, Lausanne, London, Dublin, Mailand, Nagoya. Und jetzt auch Luxemburg, Dubai, Istanbul, Riad, Beirut. Das Schlimmste aber: Es gibt kein einziges Geschäft von Ladurée in Deutschland. Wollen uns die Franzosen bestrafen oder finden sie hier einfach keinen geeigneten Partner?

Zum weltweiten Erfolg der Ladurée-Macarons hat auch der Film „Marie Antoinette“ von Sofia Coppola beigetragen, wo sie in allen Farben des Regenbogens dekorativ eingesetzt werden. Zur Premiere 2006 wurde zudem eine neue Kreation präsentiert – Macaron à la Rose mit Rosenduft. Die ästhetischen Meisterwerke erscheinen recht simpel. Es handelt sich dabei im Grunde um eine Masse aus geschlagenem Eiweiß, Zucker und gemahlenen Mandeln, die zu Schälchen gebacken und mit einer Füllung aus einer Ganache aus Buttercreme oder Kuvertüre-Sahnecreme zusammengefügt wird. Und doch gelingt es nur ganz wenigen in der Branche Meisterwerke daraus zu machen. Die Kunst liegt in der Zusammenstellung vieler filigraner Details und dem ausgewogenen Mischverhältnis der Ingredienzien. Auch das Backen der hauchzarten Schalen will gekonnt sein, sie dürfen weder zu dünn noch zu durchgebacken ausfallen. Farbe und Form spielen eine Rolle, die von Ladurée etwa haben am meisten Glanz und wirken wie poliert. Die Schale darf nicht fest, bröselig und auch nicht matschig sein, sondern leicht und luftig. Entscheidend ist außerdem die Füllung, deren Aromen so natürlich wie möglich schmecken müssen und die in der Konsistenz von cremigem Schmelz sein sollte. Geschmacklich und sensorisch erreichte bei unseren vielfältigen Verkostungen in Frankreich und in anderen Ländern niemand ein so perfektes Ergebnis wie Ladurée. Gibt es bei den Macarons so etwas wie das Beste unter der Creme de la Creme? Bei Ladurée sind Vanille und Pistazien herausragend, aber auch Süßholz und Praline. Die Krone gebührt aber vielleicht dem Caramel à la Fleur de Sel.

Das Maison Ladurée ist längst ein Pattisserie-Imperium geworden. Kritiker werfen dem Haus vor, vor allem eine Lifestylemaschinerie zu sein, die viel zu sehr auf modische Verpackungen wert lege und darüber das Handwerk vernachlässige. Der Vorwurf mangelnder Handwerklichkeit trifft angesichts des geschmacklichen Ergebnisses in keiner Weise. Warum außerdem sollte man schöne Delikatessen nicht auch hübsch verpacken? Das weltweit operierende Unternehmen kann aber schon lange nicht mehr vom Stammhaus allein bewirtschaftet werden und produziert in Monaco, wo die schicken Teilchen schockgefroren verschickt werden, beispielsweise in die Schweiz. In Paris gibt es sie nach wie vor frisch. Man sollte sie gleich am selben Tag genießen, da sie mit jeder Stunde zwar nicht an Geschmack, jedoch ihre wölkchenhafte Art verlieren. Franck Deville geht noch weiter und will sich nicht nur auf Süßes beschränken. Dernier cri sind salzige Macarons, die mit grüner Oliven-Tapenade, Tomate-Basilikum, Entenleber oder Räucherlachs gefüllt sind.

(siehe auch Artikel „Wo bleibt die deutsche Crème de la Crème?“)

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Wo bleibt die deutsche Crème de la Crème ?

Frankreich nascht besser


Wenigstens in Berlin hat man die Zeichen der Zeit erkannt und feierte Frankreichs berühmte Macarons. Das für seine Delikatessenabteilung bekannte Edelkaufhaus Galeries Lafayette und der französische Patissier Frédéric Cassel starteten gemeinsam mit dem Hôtel Concorde und der Werkstatt der Süße zum zweiten Mal ein Gourmet-Festival, das ganz im Zeichen des noblen Naschwerks stand. In Frankreich wird der Jour du Macaron bereits seit sechs Jahren auf Initiative von Pierre Hermé im ganzen Land gefeiert.  Wie die Modewelt, so präsentiert auch Frédéric Cassel halbjährlich eine neue Macarons-Kollektion und überrascht jeden Monat mit einer neuen Geschmacksrichtung. Die Galeries Lafayette in der Friedrichstraße bot anlässlich des „Jour du Macaron“ alle Macarons von Frédéric Cassel in den aktuellen Geschmacksrichtungen Bitterschokolade, Vanille, Kaffee, Karamell, Zitrone, Himbeere, Pistazie, Rose und Nuss zu einem Preis von 1,40 Euro an. Für den „Jour du Macaron“ gab  es außerdem im Hôtel Concorde Berlin eine spezielle französische Tea Time mit Macarons aus der hoteleigenen Pâtisserie. Das französische Luxushotel am Kurfürstendamm gehört zu den wenigen Adressen in Berlin, wo Macarons in Handarbeit selbst hergestellt werden.

In Frankreich findet man auch beim ländlichen Dorfkonditor die beliebten Macarons. Dort sehen sie meist schön bunt aus und reichen in der Qualität lange nicht an die großen Brüder in Paris heran. Es gibt auch längst Macaron-Bücher mit Rezepten. Wer sich daran versucht, wird schnell an seine Grenzen stoßen. Wenn alles so einfach wäre, könnte man die weltbesten Köche durch deren Weltklasserezepte ohne Ende kopieren. Doch die letzte Prise Genialität lässt sich nicht klonen.

Alles, was Gut und begehrt ist, findet Nachahmer. Gerade in Moskau, wo Etiketten oft wichtiger als der Inhalt sind. Dort, so meinte eine oft kluge, aber selten geschmackssichere Zeitung, gäbe es im Café Turandot Macarons, die „fast noch besser als die Originale der Konditorei Ladurée in Paris“ wären. Mehr Irrtum in einer Zeile ist kaum möglich.

In Wien werden die Macarons im berühmten Oberlaa unter den Namen LaaKronen offeriert und in der Schweiz von Sprüngli als Luxemburgerli – dort aber auch schon seit 1960. Auch in Deutschland bemüht man sich seit gut einem Jahr Anschluss zu finden und hängt sich an den berühmten Namen an. Im Vergleich zum französischen Original, wo man die zartknusprigen Mandelschalen mit hauchfeiner Creme aus Vanille, Karamell, Pistazien und vielen anderen Geschmacksrichtungen füllt, fallen die deutschen Erzeugnisse meist nur bemüht aus.

In fast jeder größeren deutschen Stadt versuchen sich Patissiers am Thema Macaron. Das Beispiel Frankfurt mag durchaus als stellvertretend gelten. Vielleicht hat man bei uns noch nicht genug in Paris Ausschau gehalten, wahrscheinlich hat man aber vor allem noch nicht verstanden, dass es nicht allein um Geschmack geht, sondern auch die Konsistenz eine alles entscheidende Rolle spielt. Ein kurzer Reigen der Kostproben: Maison du Pain im Oeder Weg: Grobes, zu keksiges Plagiat. Schokolädchen am Frankfurter Hof: Hart wie eine Nuss, ohne Aroma. Imori in der Braubachstraße: Schrecklich klebrig und süß. Zart & Bitter am Dom: Passabel, aber ohne die so wichtige Leichtigkeit und die Perfektion der Balance. Opitz am Goethehaus: Akzeptabel, jedoch nicht fein genug und haselnusslastig. Zarges auf der Freßgass: Von der Konsistenz her nicht ganz optimal, geschmacklich aber ausgezeichnet. Die Macarons werden von Château Blanc geliefert, einer Tochterfirma von Ladurée –  schockgefroren und dann eine Stunde im Kühlschrank und eine Stunde an der Luft aufgetaut. Unter den vielen Geschmacksrichtungen gefallen besonders gut: Süßholz (Lakritz), Karamell und salziges Karamell, Vanille, Brombeere, Rose. Die Süßholzraspler kosten 1 beziehungsweise 1,40 €. Demnächst wird es bei Zarges (Restaurant und Confiserie) auch salzige Macarons geben – mit Entenleber, Räucherlachs und getrüffelter Weißwurst.

(siehe auch Artikel „Vive les Macarons“!)

Galeries Lafayette Berlin, Gourmetabteilung im Untergeschoß, Friedrichstrasse 76-78, 10 bis 20 Uhr.

Tea Time „Jour du Macaron“ im Hôtel Concorde Berlin, Sa. 20. März von 15 bis 18 Uhr, 12,50 € pro Person

Jour du Macaron in Frankreich: www.jourdumacaron.com

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Ekstase-Stoff

Die Ergebnisse der größten

Apfelweinmesse der Welt

Von Ludwig Fienhold

Gastronomen, Sommeliers und Weinhändler sind immer auf der Suche nach neuem Stoff. Und weil inzwischen auch Apfelwein zur seriösen Welt des Weins gehört und auch wegen seiner Regionalität im Trend liegt, ist das Fachpublikum sehr stark bei der Frankfurter Apfelweinmesse vertreten, die jetzt zum dritten Mal in den historischen Hallen des Rathauses Römer stattfand und über 1000 Besucher lockte – Spezialisten und normale Besucher.

45 kleine Apfelwein-Winzer und größere Keltereien aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Japan, Finnland und Kanada ließen über 200 Spezialitäten verkosten – Apfelwein, Apfelschaumwein, Apfel-Sherry, Eisapfelwein, Apfelbalsamessig. Bei den Weinen gab es die aktuellen Jahrgänge zu probieren, die Qualitäten waren so schwankend wie mancher Besucher nach der Messe. Was kann man über diesen Tag hinaus an Entdeckungen und Werten mitnehmen? Apfelwein wird immer besser, weltweit, aber vor allem in Hessen. Wie bei allem Guten gibt es Trittbrettfahrer und billige Kopien. Wir mussten manchen Blubberlutsch trinken, wurden aber auch durch Ekstase-Stoff aufgewühlt. Hier nennen wir aber aus Platzgründen nur die interessantesten Erzeugnisse aus Äpfeln mit Biss:

Entdeckung des Jahres: Domaine Bordatto aus dem französisch-baskischen Jaxu. Pascale und Bixintxo Aphaule gründeten ihr vier Hektar großes Gut mit Streuobswiesen vor neun Jahren und füllen in ihrer biologisch geführten Kelterei aus 15 verschiedenen Apfelsorten drei Cuvées ab: Txalapara, Basajaun (der Teufel), Basandere (wilde Frau). Die Zungenbrechernamen kann man nach dem dritten Glas besser aussprechen. Das Trio verdankt seinen charaktervollen Geschmack einem Ausbau in alten Eichenfässern, in denen zuvor Weißwein reifte. Die runden und ausgeprägten Schaumweine schmecken leicht rauchig, erdig und nach reifen Äpfeln. Gute Struktur, kräftiger Körper, erfrischende schön eingebettete Perlage, die nicht wie bei vielen Produkten dieser Spezies oben aufgesetzt wirkt. Solcher Schaumwein verdient das Prädikat Ekstase-Stoff. Dass die Apfelweinwinzer auch noch besonders sympathisch sind, macht eine Freundschaft mit den baskischen Spitzenerzeugnissen noch leichter.

Überraschung der Messe: Der immer wieder mit Ideen aufflammende Edelobstbrenner Arno Dirker aus dem unterfränkischen Mömbris bei Aschaffenburg war nicht nur mit Hochprozentigem vertreten, sondern auch mit neuen Apfelwein-Kreationen. Der harmonische Rheinische Bohnapfel fällt gut aus, noch mehr fällt der eigenwillige Rote Rosenapfel als Gegenstück zum Eiswein auf. Beide gehaltvollen, trockenen, gut balancierten und elegant fruchtigen Apfelweine gibt es auch als Schaumwein.

Der Gehaltvollste: Die Apfelweine von Armin Treusch aus dem Odenwald werden auch Traubenweintrinker überzeugen. Sie sind sehr extraktreich, obstig und trocken. Der ungeschwefelte Rheinische Bohnapfel sur lie aus der Lage Reichelsheimer Ratzelbrunnen zeigt sich als profilstarke herbe und aromatische Persönlichkeit. Dieser Wein wird bis zur Flaschenabfüllung auf der Hefe gelagert (sur lie), wodurch Duft, Frische und Finesse eine größere Betonung erfahren. Sehr viel Stoff bieten zudem der Reichelsheimer Weinapfel und die Goldparmäne.

Die Süffigsten: Wunderbar schwungvoll flitzen die geradlinigen glasklaren und aromendichten Apfelweine von Robert Theobald (Frankfurt-Sachsenhausen), Peter Merkel (Annelsbach im Odenwald) und Andreas Schneider (Frankfurt Nieder-Erlenbach) über die Zunge: Theobalds Hausschoppen; Merkels Hausschoppen  und die Goldrenette; Schneiders Mönchberg. Das rockt.

Das beste Outfit: Der Odenwälder Dieter Walz, ein Mann wie eine Eiche, war der am originellsten angezogene Zunftvertreter. Die Apfelkette und der Riesenhut wären schon Hingucker gewesen, doch das von einer alten Bäuerin handbestickte Leinenhemd bewies besten ländlichen Schick. Aber auch die Produkte des Altmeisters können sich sehen und schmecken lassen. Die untadeligen Obstbrände ebenso wie der Apfelschaumwein und Apfelperlwein. Die Perlen von Dieter Walz sind trocken und gut. Man kann sich pur damit auf den Frühling einstimmen oder sie mit einem Schuss Likör aus Wermut- und Bitterkraut wie einen Aperol genießen, den Walz ebenfalls mit Sorgfalt fertigt.  Der Pionier begann vor zwanzig Jahren mit seinen Apfelspezialitäten, die ausschließlich aus der Region kommen.

Die tapfersten Aussteller: Die beiden Vertreter der japanischen Mashino Winery, Aiko Yazawa und Kijoshi Miyazawa, hielten sich angesichts der dramatischen Ereignisse in ihrem Land wacker. Sie stellten zwei Apfelweine aus den Sorten Fuji und Jonathan vor. Sehr alkoholreiche Erzeugnisse, die beinahe wie eine Kreuzung aus Apfelwein und Sake wirken. Mit zehn Volumenprozent Alkohol liegen sie fast doppelt so hoch wie herkömmlicher Apfelwein.

Weitere Highlights: Als Aperitif gab es zur Eröffnung des Festivals den Boskoop mit Birne von Andreas Schneider, der so trocken und feinfruchtig ausfiel, wie es für den Einstieg perfekt war. Eric Bordelets Apfel- und Birnenschaumweine gehören jedes Mal zum Feinsinnigsten unter den Erzeugnissen. Man wünscht sich von dem Franzosen mehr als nur seine zwei Sorten. Eine Besonderheit ist auch der herzhaft frisch-fruchtige Apfelwein mit Quitte, den der Frankfurter Jürgen Schuch fast wie einen Eiswein erntet und herstellt. Jörg Stier aus Maintal-Bischofsheim war mit seinen Büchern und einem echten Speierling vertreten, der aus dem Gerippten noch eine Spur besser schmeckte als aus dem Weinglas (oft ist es auch umgekehrt). Zudem überzeugte sein feinperliger Emma-Schoppen  mit zarter Frucht und schöner Würze. Die Kelterei Heil aus Laubus-Eschbach bewies, dass sie nicht nur einen ordentlichen Schoppen aus Äpfeln, sondern jetzt auch noch einen aus Birnen herstellen kann.

Die Frankfurter Familienbetrieb Nöll war erneut mit untadeligen Apfelweinen und Apfelschaumweinen präsent. Die Produkte von Weidmann & Groh aus Friedberg offenbaren durchweg Statur, die Apfelweine und Apfelschaumweine von Herberth aus Kronberg sind gute unkomplizierte Durstlöscher. Spitzenprodukt ist der angenehm trockne und herbe Apfel-Klassiker benannte Apfelschaumwein, der in traditioneller Flaschengärung hergestellt wird. Mit dem flüssigen Dosen-Obst von Bembel With Care sollten die Hotels mal ihre immergleichen und langweiligen Minibars auffüllen, denn die Designer-Crew weiß ihren Stoff amüsant zu verpacken.

Die nächste Apfelweinmesse, die wieder von Andreas Schneider (Obsthof am Steinberg in Nieder-Erlenbach) und Michael Stöckl (Landsteiner Mühle in Weilrod im Taunus) veranstaltet wird, kann man schon jetzt in den Kalender als Termin eintragen: Sonntag, 18. März 2012, Rathaus Römer Frankfurt.

Die Adressen der hier genannten Keltereien finden sich auf der Webseite der Frankfurter Apfelweinmesse: www.apfelwein-im-roemer.de

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