Großes Gourmet Festival & Gastro News

Organisiertes Chaos

 

Viele Topköche beim Gourmet Festival in Schleswig-Holstein

 

Das Aufgebot an Topköchen ist beträchtlich, beim 25. Gourmet-Festival Schleswig-Holstein werden Harald Wohlfahrt, Jörg Müller, Dieter Müller, Hans-Stefan Steinheuer und Thomas Bühner dabei sein, aber auch Newcomer wie Michael Kempf vom Berliner Facil, der ultraregionale Koch Magnus Ek aus Schweden und der Däne Thorsten Schmidt, der seine Küche als organisiertes Chaos bezeichnet.

Auftakt war der 11. September, wer für die Gala keine Karten mehr bekommen hatte, muss sich nicht grämen, das Festival geht noch viele Wochen bis zum Januar nächsten Jahres. Ziel des Festivals ist es dem kulinarischen Leben zwischen Ahrensburg und Sylt frischen Wind einzuhauchen, den Tourismus in der umsatzschwächeren Zeit Herbst/Winter anzukurbeln und Schleswig-Holstein als Feinschmecker-Bundesland zu etablieren.

Programm, Informationen, Preise: www.gourmetfestival.de

Walking Wine Dinner

Auf Schloss Reinhartshausen im Rheingau gibt es am 11. November ein Walking Wine Dinner mit Frankfurts Spitzenitaliener Carmelo Greco und Egbert Engelhardt von der Wiesbadener Consortium Gastronomie, der für die tollen Gourmetfrikadellen und Bratwürste der 11. Generation verantwortlich ist. Folgende Weingüter sind vertreten: Giacomo Bologna (Piemont), Diel (Nahe), Dr. Heger (Baden), Reichsgraf von Kesselstatt (Mosel), Reichsrat von Buhl (Pfalz), Fürst (Franken) sowie das schlosseigene Weingut. Beginn 19.30 Uhr, Preis pro Person 135 €.

www.schloss-reinhartshausen.de

 

 

Champagner zu Börsenkursen trinken

Im Grand Resort Bad Ragaz steht ab heute der Champagner hoch im Kurs. Gäste können in den Bars und Restaurants die Edelperlen zum Euro-Tageskurs genießen. Während manche Gäste gerade wegen des Franken-Kursanstiegs gegenüber dem Euro seufzen, verwandelt das Management des Grand Resort Bad Ragaz das Stimmungstief in ein prickelndes Hochgefühl. Denn ab sofort ist der Champagner De Castellane, eine Marke von Laurent-Perrier, zum Preis des Euro-Tageskurses erhältlich. Dabei wird der Preis täglich um 10:00 Uhr angepasst und mit dem Faktor 10 multipliziert, so dass ein Glas des sogenannten Börsen-Cüpli dann bei einem Notenkurs von beispielsweise 1,13 nur 11,30 Schweizer Franken (10 Euro) kostet. Der Börsen-Champagner wird noch bis zum 15. Dezember ausgeschenkt.

www.resortragaz.ch

 

Erste Unterwasser-Weinprobe der Welt an der Mosel

In Traben-Trabach moselt es gewaltig: Am 11. und 18. Dezember findet kurios-kulinarische Wein- und Wasser-Action statt: Die Tourist-Information Traben-Trarbach lädt in Zusammenarbeit mit der Moseltherme, dem Unterwasserfotograf Andreas Scholer und dem Tauchveranstalter Yeti-Divers zur weltweit ersten Weinprobe unter Wasser ein. Das Sportbecken der Moseltherme dient als Schauplatz für einen Tauchgang der anderen Art. Mit einem Tisch, Stühlen, Weinflaschen und Weingläsern ausgestattet, verwandelt sich das Erholungsbad in einen Wein-Probierraum für abenteuerlustige Genießer. Insgesamt sechs Taucher verkosten während des 2-stündigen Tauchgangs kleine Proben der fünf ausgewählten Traben-Trarbacher Premium-Weine. Sowohl Tauchprofis als auch Laien – die im Vorfeld eine kurze Schulung zum Tauchsport erhalten – können sich für das Unterwasser-Event anmelden. Nach einer kurzen Einführung im flachen Wasser werden die Teilnehmer im tiefen Teil des Beckens zu Tisch gebeten. Damit die Weinprobe im wahrsten Sinne des Wortes nicht ins Wasser fällt, wird während der Verkostung mit Signalen und Unterwasser-Schildern kommuniziert. Im Anschluss an die Tauchgänge, die an beiden Tagen jeweils um 14, 16 und 18 Uhr stattfinden, wird die Weinprobe „im Trockenen“ weitergeführt und von einem Önologen begleitet. Der Preis pro Person für die Unterwasser-Weinprobe beträgt 95 Euro und inkludiert die Tauchausrüstung, den Eintritt in die Moseltherme, die Weinprobe, das Teilnahmezertifikat sowie ein vergrößertes Unterwasser-Foto zur Erinnerung.

Buchung & Informationen unter www.traben-trarbach.de




Frankfurter Operncafé im neuen Look

Morbidezza adieu!

Alte Diva geliftet


Wer hätte das gedacht: Die alte Diva hat sich einem Facelift unterzogen. Das wunderbar morsche Operncafé wurde jetzt auf seine alten Tage noch einmal aufgefrischt. Dabei hat sich das Lokal verändert, ohne viel von seinem Charakter zu verlieren, wenngleich die ergreifende Morbidezza entschwunden ist. Die Speisekarte ist mit Absicht noch so gestrig, um die vielen angestammten Gäste nicht zu verlieren. Ob man damit aber neue Gäste begeistern kann? Auch bei den Weinen ist Nachbesserung gefragt, wenngleich es mit dem Ruinart einen guten Champagner gibt, der auch glasweise zu haben ist.

Die schwungvollen Straßenbahnbänke sind geblieben, die alte Theke wurde abgerissen und durch eine neue auf der anderen Seite ersetzt. Jetzt ist noch mehr Platz an der Bar, wo jeder auch nur auf ein Glas Wein willkommen ist. Das Operncafé lebt von seinen Stammgästen, die den zeitlosen französischen Charme schätzen“, erklärt der gastronomische Leiter Omid Enj„Wir wollen nur insgesamt etwas lockerer werden. Besucher sollen nicht das Gefühl haben, dass sie bei uns unbedingt toll essen müssen. Sie sind auch herzlich willkommen, wenn sie einfach auf ein Glas Wein, einen Espresso oder zu Kaffee und Kuchen vorbei schauen.“

Auffälligste Veränderung ist die Bar, die den Raum großzügiger wirken lässt. Auf den lederbezogenen Hockern und der Sitzbank finden nun Leute rund um die Bar Platz. „Die Gäste können zum nächtlichen Warm-up zu uns kommen, bevor sie weiter ins Nachtleben ziehen“, sagt Enj. Das ahorngebeizte Holz der Theke verbindet sich elegant mit Verzierungen aus Messing und schwarzem Lack. An der Rückwand streckt sich ein mit Spirituosen gefülltes Regal in imposante Höhe. Vieles blieb, wie es war: Die eckigen Tische mit ihren Holzstühlen, Yves Montand als Kellner in Garçon! auf dem großen Filmplakat. Der dunkle Parkettboden, die mit Stuck verzierten Wände, die auf Pariser Flohmärkten zusammengesuchten Wandlampen. Im hinteren Teil wurden die Bänke durch gepolsterte Ledersitze ersetzt. Ihre warmen Auberginetöne bilden einen reizvollen Übergang zum frisch geschliffenen dunklen Parkett und den hölzernen Weinschränken. Man entdeckt auch eine neue Tapete, Fotografien alter handschriftlich verfasster Briefe bilden ein nostalgisch anmutendes Muster.

Die sanitären Anlagen wurden vollständig erneuert. Manch ein Gast mag vielleicht sogar die quietschende Tür auf dem Weg zur Toilette vermissen. Dafür begleiten jetzt schwarz-weiße Fliesen und rutschfeste Treppen den Gang ins stille Örtchen. Eine neue Sensortechnik neutralisiert Gerüche. Es duftet nach frischen Orchideen. Im Operncafé waren schon immer jene zu Hause, die wichtig waren oder sich wenigstens für wichtig hielten – viele Jahre hieß das Lokal deshalb auch Café Wichtig. Es gab aber auch echte Prominenz, „Michael Gorbatschow saß hier genauso wie Luciano Pavarotti, Tom Jones, Mario Adorf oder Wladimir Klitschko“, erzählen die Inhaber, Mario Saravini und Siggi Schneider.

Alte Oper

An warmen Tagen besuchen bis zu 300 Gäste die Terrasse des Hauses. Der Mix des Publikums repräsentiert die Stadt: Chinesische Touristen, internationale Geschäftsleute oder hippe Teenager sitzen vis-à-vis vom Opernplatz, mit der Alten Oper und der Frankfurter Skyline als Kulisse. Der einstige Besitzer Hartmut Schimann entdeckte schon 1980 das Potential des Ortes. Kurzerhand verwandelte er die damalige alte Bücherei in das jetzige Operncafé. Saravini und Schneider übernahmen das Lokal dann 2005, gemeinsam mit den zwei benachbarten Restaurants Charlot und Piu Allegro. „Wir haben den Anspruch, französische Metropolenkultur zu leben. Vorbilder sind das Balthazar in New York oder Café de Flore in Paris“ erklären die Inhaber. Zwei sehr große Vorbilder, wobei das Café de Flore vor allem durch seine Künstler und Intellektuellen berühmt wurde, die bislang im Operncafé eher weniger zu sehen waren.

Operncafé, Opernplatz 10–12, Frankfurt, Tel. 069/ 28 52 60, www.operncafe-frankfurt.de

Öffnungszeiten: Montag bis Samstag 9 – 1 Uhr, Sonntag 10 Uhr bis 1 Uhr.

Bild oben rechts: Michael Hohmann


Der Opernplatz

Wo der Stenz auf Brautschau geht


Die Gastronomie auf dem Opernplatz kann man leider nicht in höchsten Tönen loben. Im Grunde ist sie eine Posse. Anspruchsvolle müssen sich fern halten oder tapfer mitspielen. Man könnte hier auch nur Würstchen verkaufen und die Gäste kämen trotzdem, um zu sehen, wer wieder den kürzesten Rock und die güldenste Kette spazieren führt. Frankfurts größte Sonnenbank ist ungeachtet jeglicher kulinarischer Leistungen immer gut besucht. Prahlemann & Söhne gehen hier bevorzugt auf Brautschau. Die Stadt zeigt sich an dieser Stelle von ihrer schicksten Seite. Wo hübsche Damen tafeln, isst auch das Auge mit. Das Lokal als Beauty Salon. Das Operncafé ist ein unverschämt schönes Lokal mit Aussicht auf die Alte Oper. Pariser Charme lugt aus jeder Ritze, und Yves Montand lächelt dazu milde von der Wand. Den Chef nannte mal jemand einen „multilingualen Schlawiner“, wobei das mit der Mehrsprachigkeit weniger vielsagend ist. Man kann im Operncafé lässig seinen Cappuccino gegen den Uhrzeigersinn rühren und die Zeit zerfließen lassen. Ganz ohne Schaum vorm Mund, mögen auch manche Preise dazu verleiten. Ein Glas Champagner ist Pflicht, da schäumt es sich stilvoller. Mittags und abends ist das Lokal gut besucht, die Zeit dazwischen ist die reine Erholung. Mann kann aber immer etwas entdecken. Man sieht sich. Es gibt viele ältere Stammgäste, von denen man dachte, dass sie schon gar nicht mehr da sind. Die Kellner scheinen auch schon ewig im Dienst zu sein. Alles an diesem Lokal ist eitel und selbstherrlich, doch auch irgendwie unsterblich.

In dem nur einen Champagnerkorkenflug entfernten Charlot sitzt man in der ersten Reihe, weil die Terrasse den Anfang von vier nebeneinander liegenden Lokalen macht. Auch ein schönes Lokal, sehr pariserisch. Das Essen ist Glückssache. Die Preise liegen im Niveau deutlich höher als die Küchenleistungen. Wegen des Essens geht auch kaum jemand dorthin, irgendwie genießt Mario einen Sympathiebonus. Den hat er sich auch damit verdient, dass er einem notleidenden Künstler wie Peter „Hamlet“ Kuper immer einen Teller Pasta spendierte. Das schreibende und malende Stadtoriginal hat ein wunderschönes Bild vom Charlot hinterlassen, das leider nicht im Lokal hängt und einem Raub zum Opfer fiel. An den Wänden hängen mehr oder weniger bekannte Gesichter, aber keines vom Format eines Hamlet. Man bringt sich gerne ins Gespräch. Michel Friedman bekäme keinen Stuhl mehr, hieß es einst.  Dann aber verkündete Mario, dass er selbstverständlich willkommen sei, nur nicht Anspruch auf einen Stammplatz habe. So geht die „Reise nach Jerusalem“ in Frankfurt. Die muntere Atmosphäre lockte sogar Marcel Reich-Ranicki aus seinem Elfenbeinturm, der im Charlot ins Fleisch schnitt, als läge Martin Walser auf dem Teller. Ein passables Glas Wein, obendrein noch ein korrekt temperiertes, wird man am Opernplatz kaum bekommen. Darüber scheint sich aber niemand aufzuregen. Die Weinauswahl gegenüber von Charlot und Operncafé ist ebenfalls nicht berauschend. Wer sein Lokal „Kubu“ nennt, von dem darf man keine Phantasie erwarten. Vor dem Restaurant hat man jetzt einen Strand angelegt, aber auch so ist genügend Sand im Getriebe. Den Logenplatz bietet das Opéra, auf Frankfurts schönstem Balkon liegt einem die Stadt zu Füßen. Nirgendwo sonst kann man so theatralisch tafeln. Der einst tröge Service hat sich deutlich verbessert, das Essen schafft inzwischen immerhin eine gewisse Erträglichkeit. Wenn man Glück hat. Die Preise muss man als Eintrittsgebühr in eine schönere Welt verstehen. Gedeckpreis für Brot und Kräuterquark 1,90 Euro, wird ohne Bestellung gereicht. Verantwortlich ist Gerd Käfer, der mal Münchner war und nun Hesse wurde. Das hat ihn aber zu keinem besseren Gastronomen gemacht. Angesichts der Gastronomie am Opernplatz wundert es nicht, dass immer mehr Flaneure ihre eigenen Flaschen am großen Brunnen trinken und dort gleich auch noch picknicken.

Ludwig Fienhold





Der Koch der Wiesen und Wälder

Matthias Schmidt von der Villa Merton will Natur pur und schafft eine einzigartige regionale Landschaftsküche

 

Von Ludwig Fienhold

So konsequent und stringent setzt kaum jemand die Idee einer Regionalküche um, wie Matthias Schmidt von der Villa Merton in Frankfurt. Er arbeitet nur noch mit heimischen Produkten, durchpflügt Wälder und Wiesen, um auch unbekannte Beeren, Blüten und Kräuter zu entdecken, die er für seine ungewöhnliche Landschaftsküche einsetzt. Matthias Schmidts Abkehr von der modernen Hochküche ist mutig und so archaisch, dass dies weit mehr  unserer Zeit und der Zukunft entspricht als es jede molekulare Küche zu sein schien.

Matthias Schmidts Verwandlung vom soliden Vertreter der Haute Cuisine zum wilden Naturburschen kam überraschend. Er hatte sich mit seiner feinen neudeutschen Küche einen Namen gemacht und konnte auch bei den Restaurantführern gute Wertungen erarbeiten (1 Michelin-Stern, 16 Punkte im Gault Millau). Die Zeitschrift Feinschmecker setzt ihn aktuell allerdings auf die gleiche Stufe wie die aberwitzigen Frankfurter Lokale Zenzakan und Aubergine (längst geschlossen), was an Geschmacksverirrung nicht zu überbieten ist. Jetzt sind in der Villa Merton Gänsestopfleber und Schokolade passé, selbst Olivenöl wird durch regionales Weizengrasöl ersetzt. Auf dem Obsthof von Andreas Schneider in Nieder-Erlenbach lernte Schmidt Johannisbeerbüsche kennen, denen ein ganz besonderes Aroma anhaftet. Aus den Blättern und kleinen Ästen gewinnt er einen Rohstoff, der als Grundlage für Desserts dient, beispielsweise aber auch in eine Rehjus einfließt. Die pulvrige Substanz wird in Milch und Sahne gezogen und erhält ein ungewöhnliches, angenehm fruchtiges Aroma. Aus diesem Johannisbeerholz wird dann eine schmelzige und nach Garten duftende Eisnocke mit eingelegten Holunderbeeren, roten Vogelbeeren und mit Holunderblüten gefüllten Brotkrusten, die in Johannisbeerzweigen schaukeln.

Handkäs mit Musik neu interpretiert

Beim ehemaligen französischen Alpen-Natur-Guru und 3-Sterne-Koch Marc Verat konnte man auch Moos-Mousse und so ziemlich alles außer seinem schwarzen Filzhut essen, doch wollte es einfach nicht schmecken und glitt oft in die bloße Lächerlichkeit ab. Trotz pathetisch postulierter Natürlichkeit geriet das Essen zu artifizieller Verquertheit. Bei Matthias Schmidt ist jeder Teller eine schöne Herausforderung an das Mitdenken, Mitfühlen und Mitschmecken des Gastes – für die er mit einer sehr sinnlichen, naturnahen und subtilen Küche belohnt wird. Es werden sehr feinfühlig und effektvoll Fichtensprossen, Bucheckern oder Hundsrosen eingesetzt. Charakteristisch sind die delikaten marinierten Flusskrebse mit leicht gerösteten Bucheckern, Gelee mit Schmand und hagebuttenähnlichen Hundsrosen. Das zarte Röstaroma und die fleischigen und in Bucheckernöl geschwenkten Keimblätter von der Rotbuche geben den saftig-knackigen Flusskrebsen einen enormen Schub an Ausdruckskraft, ohne deren Zartheit zu stören. Die selten gewordenen Bucheckern stammen von einem Förster aus Hanau und kosten das Kilo soviel wie Gänseleber.

Gelbwürstchen aus dem Rauch im Tontöpfchen, Frankfurter Schmandkekse in Großmutters Dose präsentiert oder Herrschaftsgespritzter-Apfelschaumwein mit Verveine als Sorbet am Spieß tragen Lokalkolorit und werden als Appetitlüstlinge serviert. Famos ist die Interpretation vom Frankfurter Handkäs´ mit Musik. Der Teller springt einen mit Heiterkeit an –  flüssig-feste Essigkugeln mit ein klein wenig Kümmel im Inneren, zarte Zwiebelchen, Apfeldrops und angebratene Brotwürfel werden mit einer sämigen Handkäsecreme übergossen und finden zur harmonischen Einheit, wobei das Rustikale erhalten bleibt und die verstellte Syntax vor allem andere Nuancen setzt.

Es gibt aber auch noch durchaus Gerichte der klassischen Haute Cuisine, wenngleich sie modifiziert werden. Dem hervorragenden und mit Knoblauchrauke, Senf und Joghurt marinierten Lammsattel mit wunderbar saftiger Speckkruste wohnt eine sous vide gegarte Riesenkarotte bei. Der phänomenale und mit eingeweckten Fichtensprossen glasierte Rehrücken (sous vide) wird von einer wundervoll faunisch aufgebauten Sauce aus Rehjus, Honig, Blütenpollen, Wacholder und Fichtensprossen pointiert, wobei sogar Muckefuck im Spiel ist, weil er Kastanienaroma einbringt und so das Thema Wald vollendet. Als Abschluss gibt es angenehm leichte, frische, dezent aromatische und keineswegs dumpf süße Desserts. Obligatorisch zum Espresso sind der leckere Kirschbaumblütenzucker  im Schmuckkästchen sowie Obst auf Eis. Schön auch der gefrorene Rhabarbersaft mit Honig, Fenchel und Abendmilch vom Dottenfelder Hof. Thierry Felden führt einen sympathischen Service und kann aus einem gut bestückten Weinkeller jeden Gang bestens begleiten, doch empfiehlt er inzwischen auch ausgezeichnete alkoholfreie Drinks, etwa einen aus Apfel und Tanne.

Küchenchef Mathias Schmidt und seine Crew konzentrieren sich sehr besonnen auf das Wesen ihrer Produkte und Rohstoffe und kombinieren überraschend und ingeniös. Es entstehen dabei geschmacklich präzise Speisen mit liebevollen Details, Gerichte von anrührender Tiefe. Viele Köche suchen vergeblich nach einer Unique Selling Proposition, Matthias Schmidt hat sich ein Reich der Regionalität als Alleinstellungsmerkmal geschaffen. Das eigentliche Wunder dabei ist, dass dies ausgerechnet in der Villa Merton stattfindet, wo nicht wenige ignorante Gäste aus der Geschäftswelt zu Hause sind, die teilweise überfordert sein könnten (ein „normales“ Business-Lunch gibt es deshalb auch noch). Dabei ist es sehr spannend und anregend mit der Küche auf Entdeckungstour zu gehen, um Wald, Wiese und Feld so en passant beim Essen besser begreifen zu können.

 

Villa Merton, Frankfurt, Leonhardsbrunn 12, Tel. 069 70 30 33. Geöffnet Mo. – Fr. 12 – 14 und 18 – 22 Uhr (Küche), Samstag und Sonntag geschlossen. Menüpreise 85 € (vier Gänge), 105 € (sechs Gänge), alle Gänge sind auch einzeln zu bestellen. Business Lunch drei Gänge für 33 €.  Stilvolles Ambiente, schöner kleiner Sommergarten. www.koflerkompanie.de

[slideshow]




Der freche Küchenchef

So macht Essen auch zu Hause Spaß

 

So wünschten wir uns Kochbücher: Amüsant, individuell, authentisch und derart plastisch fotografiert, dass man einfach Lust aufs Essen bekommt. Francesco Strazzanti ist ein vielsprachiger und kochverrückter Sizilianer, der in England aufgewachsen ist und seit 20 Jahren als Designer in Frankfurt lebt. Sein unterhaltsamer Internetauftritt (www.the-saucy-chef.blogspot.com) macht enorm Appetit und gehört zu den Besten des Genres. Saucy hat nichts mit Sauce zu tun, sondern steht für frech, flott, pikant. Francesco Strazzanti zaubert oft aus verblüffend einfachen Zutaten großartige Gerichte und macht dazu auch erstklassige Fotos. Im Grunde sollte ein Talent wie er ein Restaurant besitzen, um uns alle an seinen Werken teilhaben lassen zu können (was ja vielleicht noch kommt). Strazzanti präsentiert keine herkömmlichen Rezepte, sondern plaudert mit dem Leser und erzählt, wie er in der Küche hantiert. Wir stellen einige seiner leckersten Gerichte in lockerer Folge vor und beginnen mit dem Schaf im Wolfspelz (bei Franceso Schaf in Lambs-Bekleidung)

 

Schaf im Wolfspelz

 

Spiedini di Agnello alla Menta su Cuscus Aromatico con Basilico e pomodorini

Lammspieße mit Minze auf aromatischem Couscous mit Basilikum und Kirschtomaten

Ja, ich bin in der Tat stolz auf mich und dieses Abendessen! Das letzte kleine Handvoll Lammhack, eine Tasse Couscous und ein paar andere Kleinigkeiten, und mein Kühlschrank ist endlich leer, so dass ich ohne schlechtes Gewissen in Urlaub fahren kann! Es ist wirklich erstaunlich, wie wenig Zeit man braucht für eine wirklich gute, wohlschmeckende und sättigende Mahlzeit. Mein Vater hat immer gesagt, dass Hunger die wichtigste Zutat jeder Mahlzeit ist. Hier in Deutschland sagt man auch „Hunger ist der beste Koch“. Aber das wichtigste Gewürz ist die Phantasie. Glücklicherweise habe ich sehr viel von beiden gehabt zum Abendessen!

Für das Couscous habe ich etwas kochende Hühnerbrühe über das Couscous gegossen, bis es bedeckt war. Dazu habe ich feingehackte Frühlingszwiebel, eine Handvoll Petersilie und eine Handvoll Koriander gegeben, während das Couscous noch warm war. Ich habe auch etwas Kurkuma zusammen mit dem Saft und abgeriebener Schale von einer Zitrone dazugegeben. Das Ganze wurde mit ein klein wenig Honig und etwas geriebenem Ingwer abgerundet, dann mit einer Gabel aufgelockert und zum Abkühlen weggestellt, damit ich Zeit für die Spieße hatte.

Die Spieße waren eine einfache Mischung aus Lammhack, fein geschnittenen Schalotten, Petersilie, reichlich Minze, Muskat, Koriander-Pulver, einer guten Prise Cayennepfeffer und ein wenig gemahlenem Sumak (sizilianisches/türkisches Gewürz). Dazu habe ich ein bisschen Semmelbrösel gegeben, nur um die Mischung besser abzubinden. Kneten Sie dies zusammen, bis eine schöne, kompakte Masse entsteht und rollen Sie es portionsweise aus, damit Sie einzelne Spieße formen können. Die Spieße werden in einer trockenen Teflonpfanne (ohne Öl oder Butter) gebraten, bei mittlerer Hitze – wie immer von mir! Es gibt wirklich genug Fett im Hackfleisch- Sie werden es sehen sobald es warm wird.

Francesco Strazzanti

Die Spieße sollten in 5-6 Minuten fertig sein, und damit haben Sie genug Zeit, sich um den Couscous und das Servieren der Beilagen zu kümmern. Ich drückte meinen Couscous in eine flache Schale, um es in Form zu bringen. Dann beträufelte ich es leicht mit Sesamöl. Rund herum hatte ich Basilikum, Tomaten und schwarze Oliven gestreut, die ebenso hübsch anzusehen waren  wie sie auch hervorragend zu dem Couscous später geschmeckt haben. Die Mischung zusammen mit dem Lamm-Spieße ist leicht orientalisch und sehr, sehr lecker! Und alles zusammen ist in nur wenigen Minuten zubereitet!




Top & Flop

Am Frankfurter Mainufer

 

Die Kunst-Kantine

96 Commissary

 

Die Location mit der großen Sommerterrasse am nördlichen Frankfurter Mainufer macht Spaß. Schade, dass sie als Pop-up- Restaurant nur noch bis zum 9. Oktober geöffnet hat. Das alte Degussa-Areal, zu dem diese Adresse gehört, wird bereits abgerissen.

Man sollte jedenfalls die letzten Wochen noch für einen Besuch nutzen. Das Lokal 96 Commissary ist Teil einer Schau des Museums für Moderne Kunst und wurde im amüsanten Loft-Look mit Retro-Elementen eingerichtet. Man sitzt innen wie außen auf langen Holzbänken, wie in einem traditionellen Frankfurter Apfelweinlokal, nur dass hier alles in einem anderen Kontext steht. Das jetzige Lokal war einst die Kantine des Firmenriesen Degussa und sieht nun selbstredend viel unterhaltsamer aus. Es gibt zu Zwergenpreisen Frankfurter Gassenhauer à la Tafelspitz mit Grüner Soße und Handkäs´mit Musik, aber auch leichte Kost wie Odenwald-Saibling mit Kresse sowie Salat mit Pulpo. Tadellos. Passable Weine stehen neben interessanten Szene-Drinks: Blossumflush, ein Bio-Kräuteraufguss aus Nanaminze, Hibiskusblüten, Rooibos, Silberlindenblüten, Agave, Pflaume. Oder Lemoncrazy mit Kaffir-Limettenblättern, Zitronengras, Zitronenmelisse, Zitronenthymian, Nanaminze, Agave und Limette.

Tobias Rehberger entwarf vor rund zehn Jahren die Installation Mailand, Moskau, Dubai, Singapur, Tokio als Kantine für die frühere Dresdner Bank Zentrale in Frankfurt. Die Sitzgruppen sind nach verschiedenen Städten benannt und entsprechend gestaltet. Ihre Beleuchtung richtet sich nach den Lichtverhältnissen am jeweiligen Ort in der Ferne. Rehbergers Installation gehört seit kurzem als Dauerleihgabe der Commerzbank zur Sammlung des Museums für Moderne Kunst und wurde wegen der Jubiläumsausstellung erstmals wieder aufgebaut. Ata Macias, Chef des Lokals Club Michel, der Bar Plank und des House Clubs Robert Johnson, sorgt zusammen mit Simon Horn, Koch und Betreiber des Restaurants Blumen und des Restaurants Seven Swans, in Rehbergers Installation für den neuen Kantinenbetrieb. Seit dem 19. Juni und noch bis zum 9. Oktober – also für genau 96 Tage – bietet man Kaffee, selbstgebackene Kuchen und nette Tellergerichte an. MMK After-Work-Partys, Kunstfilmkino und andere Veranstaltungen finden hier ebenfalls statt. Da man sich die verwirrenden Öffnungszeiten unmöglich merken kann, hier noch einmal alle relevanten Hinweise: 

 

Daumen Hoch

Well Done

Adresse & Öffnungszeiten 
96 Commissary befindet sich am Mainkai 3 mit Zugang über die Alte Mainzer Gasse und ist während der regulären Ausstellungszeiten geöffnet. Dienstag bis Sonntag 12 – 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr, Montag geschlossen. www.mmk-frankfurt.de/de/info/cafeteria-auf-dem-maintor-areal 

Reservierungen
Abends ist das Café nach Vereinbarung geöffnet.
Reservierungen unter  info@clubmichel.de
oder telefonisch 069 21 02 88 81

Club Michel im 96 Commissary:
Donnerstags findet von 20 – 24 Uhr im Commissary 96 Club Michel für angemeldete Gäste statt. Anmelden kann man sich, indem man den Newsletter unter www.clubmichel.net bestellt

Open Kitchen am Freitag
Open Kitchen ist für jedermann und ohne Anmeldung bereits ab 19 Uhr geöffnet.

Museumsuferfest

Das Mainufer geht baden

Am Frankfurter Mainufer geschehen seltsame Dinge. Am Wochenende sind ganz andere Jogger als sonst unterwegs, jedenfalls sieht man nicht alle Tage Stadtstreicher, Magersüchtige und Verschleierte beim Joggen. Früher waren hier auch selten Raucher unterwegs, doch seit sie aus den Lokalen vertrieben wurden, qualmen sie die grünen Lungen voll. Beim Restaurant Nizza hat man nichts dazugelernt und vernachlässigt den im Grunde schönen Garten – die Saison wurde mit Nichtstun verschenkt. Kein schöner Anblick ist außerdem das Hotel Interconti, das sich hoch über dem Mainufer erhebt. Es sieht seit Jahren aus wie ein trüber Bau in Taschkent kurz vor der Sprengung. Dem faden Betonklotz würde ein Eimer Farbe gut tun. Selbst Graffiti-Sprayer könnten daraus noch etwas machen. Das Mainufer ist noch immer nicht im Fluss und könnte sich weit schöner präsentieren.

Hotel Intercontinental

Das Museumsuferfest ist eine Proleten-Show geworden, mit Ballermann-Musik und Food To Go Away. Die Stadt Frankfurt zeigt einmal mehr Masse als Klasse – und schielt nur aufs Geld, statt auf die Qualität. Die gab es dort in den ersten drei Jahren, als die Kultur noch im Mittelpunkt stand, sich selbst Spitzengastronomen wie Franz Keller von der Adlerwirtschaft aus dem Rheingau am Fest mit einem Stand beteiligten und man unbehelligt, ungerempelt und ungeduzt durch das Museumsuferfest kam. Jetzt schieben sich nur noch die Massen auf beiden Seiten des Mains quälend zäh voran, begleitend von dumpfer und stampfender Musik. Hunderttausende Besucher und Aussteller mit schwerem Gerät und Lieferwagen hinterlassen zudem verbrannte Erde und verwandeln die grünen Mainauen innerhalb von drei Tagen in einen Haufen braunen Matsch, den das Grünflächenamt wieder auf Kosten der steuerzahlenden Bürger in mühevoller Arbeit revitalisieren muss. So geht das Mainufer baden.

Daumen runter

Bloody Hell!




Nachtisch an der Bahnsteigkante & andere Highlights

Das originellste Essen, das je im Bahnhof serviert wurde

 

Ein solches Spektakel gab es noch nie am Frankfurter Hauptbahnhof, selbst Reisende, die es eilig hatten, hielten plötzlich inne. Unter Begleitung dramatischer Lautsprechermusik wurde die Eingangshalle innerhalb von nicht einmal 15 Minuten in ein Restaurant verwandelt. Zwei riesige Tafeln wurden blitzschnell mit noblem Versace-Geschirr und feinen Schott-Zwiesel-Gläsernen eingedeckt, eine Armada von Köchen und Kellnern brachte im Handumdrehen gut gefüllte Teller und Schüsseln herbei, selbst eine italienische Schneidemaschine rollte durch den Bahnhof. Ein toskanischer Brunnen, römische Statuen und Zypressen schufen ein italienisches Ambiente, zu dem auch zwei Schauspieler gehörten, die in venezianischen Kostümen moderierten und ulkten. Die 60 geladenen Gäste saßen wie auf dem Präsentierteller und wurden von den Passanten gründlich bestaunt und fotografiert. Geladen zu diesem ungewöhnlichen Lunch hatte das Wasserunternehmen Acqua Panna (S.Pellegrino), das auf der Einladung für die Presse lediglich davon sprach, einen Brunnen auf dem Bahnhof zu installieren. Umso größer war der Überraschungseffekt, staunten die Gäste und Hunderte von Passanten. Nach gut zwei Stunden war der Zauber vorbei, wurde sogar der Brunnen wieder abgebaut, der aus Stein zu sein schien, aber lediglich aus festem Styropor war.

Der Clou, aus dem Bahnhof eine Piazza mit Restaurant zu machen,  hätte schon ausgereicht, doch wusste man mit der Kulinarischen Kreativwerkstatt von Michael Balzer aus Wiesbaden auch einen ambitionierten Caterer an seiner Seite. Die eigentliche Küche war unsichtbar in einem Zelt vor dem Bahnhof untergebracht. Allein der hervorragende Salat aus grünem Spargel mit Meeresfrüchten und die Antipasti mit bestem eingelegten Fenchel hätten schon für einen höchst vergnüglichen Mittag gesorgt, doch es gab noch Pasta aus dem Parmesanlaib, hauchzartes Scaloppine al limone mit Bratkartoffeln und tolles selbstgemachtes Eis.

In vollen Zügen genießen ließen sich außerdem der Spumante von Ca´ del Bosco sowie die Weine von Antinori und Bruno Giacosa. Köche und Servicekräfte waren trotz aller Schnelligkeit sehr engagiert und freundlich im Einsatz, besser als in vielen Restaurants. Einen solchen Bahnhof wünscht man sich alle Tage. Vor allem eine Bahn, die so präzise, pünktlich und geschmackvoll arbeitet wie die Cateringfirma von Michael Balzer.

 

 

 

 

 

 




Endlich wieder schlotzige Pasta

Mimmo eröffnet neues Lokal in Mainz

 

Die italienischen Lokale in Mainz müssen sich wappnen: Jetzt kommt Mimmo, der Pasta-Pate. Am 2. September eröffnet er in der Gaustraße sein La Gallerie. Paride „Mimmo“ Nicoli ist bekannt für die Küche seiner Heimat Friaul. Neben italienischen Evergreens werden dieses Spezialitäten mit einer eigenen Karte gewürdigt. Lust machen sollen Seeteufel mit Speck auf Borlotticreme und weiße Polenta, geschmorte Lammhaxe mit Kürbis-Orzotto und gebratenem Mangold und Tortellini gefüllt mit Ochsenschwanz und Kartoffeln auf Wirsingcreme und geraspeltem Fagagnakäse. Vom Lokal La Gallerie blickt man direkt auf die Kirche Sankt Stephan mit den berühmten Chorfenstern von Marc Chagal. Deshalb wurde dieses Thema mit eigenen Chagall-Bildern im Lokal aufgenommen.

Paride Mimmo Nicoli

Paride „Mimmo“ Nicoli  verließ am 1. Juni nach acht Jahren das Opel-Villen-Restaurant in Rüsselsheim und suchte nach einer neuen Adresse. Nach langen Erkundungstouren durch Frankfurt, Wiesbaden und Mainz entschied er sich schließlich für die Gutenberg- und Medienstadt Mainz. Dort will er das zuletzt leerstehende Lokal mit neuen Ideen wiederbeleben. Seine authentische italienische und von seiner Heimat Friaul geprägte Küche hat Mimmo im ganzen Rhein-Main-Gebiet bekannt gemacht. Seine schlotzige Pasta ist Spitze. Die meisten Sorten sind hausgemacht, selbstverständlich bereitet sie der Pasta-Pate al dente zu.

Unbedingt probiert haben muss man Pici mit Ragout von der Kalbshaxe, Bigoli mit Entenragout und die friaulinischen Blecs mit Kaninchen. Sehr gut außerdem Minzi, gegrillte Nudeln mit Ochsenschwanz und Meerrettich oder hausgemachte Bigoli aus Käse, Spinat und Mangoldblättern mit Käsecreme und Walnüssen. Typisch Friaul und anders als andere Nudelgerichte sind Cialsons – Tortellini gefüllt mit einer Masse aus Quittengelee, Feigen, Rosinen, Zimt, Kartoffeln und geräuchertem Ricotta. Der Weinkeller hält  viel Gutes zu fairen Preisen bereit.

 

La Gallerie, Mainz, Gaustr. 27, Tel. 06131 30 46 107. 

 www.la-gallerie.de




Leck mich! Neue, skurrile, bewährte Eissorten

Die Spitze des Eisbergs

 

Leck mich! Ruft es aus den Eissalons. Noch herrscht Eiszeit. Die Vielfalt wird immer größer. Japanische Sorten mit Fischgeschmack werden unseren Geschmackshorizont dabei sicher nicht erreichen, doch auch sonst tobt sich die Phantasie beim Eismachen aus. Alfons Schuhbeck will es nicht nur beim Kochen belassen, wer so einen guten Namen hat, der verkauft ihn auch gerne. In seinem Eissalon in der Münchner Innenstadt am Platzl gibt es außergewöhnliche Geschmacksrichtungen –  Rosmarin, Basilikum, Ingwer und sogar Kümmel. Ob sich hierzulande Parmesan-Eis und solches aus Olivenöl auf dem Markt behaupten kann, wird sich zeigen. Grundsätzlich gilt: Erst probieren und dann meckern. Im US-Staat New Jersey wird mit Erlaubnis von Rockveteran Ozzy Osbourne die Eissorte „Ozzys fleischfressender Karottenkuchen“ verkauft, der nach Zimt, Karotten und Likör schmeckt.

Es musste ja so kommen, dass man aus dem Sommerdrink des Jahres, Aperol, auch ein Eis macht. Bei Alberto auf der Vilbeler Straße gibt es ein orangefarbenes Spritz-Eis, das seinem Nahmen Ehre macht und gerade an heißen Tagen besonders erfrischt, zumal es durch seine Orangebitternote nicht zu süß ausfällt. Der Eissalon gehört zu den ersten in Frankfurt und wird seit 1951 an gleicher Stelle betrieben. Inzwischen vom dritten Pächter, Guido Soldan, der die kleine Eisdiele mit angenehm freundlicher Gelassenheit führt. Kokos ist unser Favorit, doch auch Vanille, Pistazie, Panna Cotta, Sahne-Kirsch und Karamell sind eine Empfehlung.

Wenn es bei den Spitzen des Eisbergs so etwas wie einen Primus inter Pares gibt, dann gebührt Dell´Antone dieser Titel. Er ist ein authentischer Eismacher der alten Schule. Luca Dell´ Antone und seine Frau Mariagrazia sind bei Kennern weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Sie betreiben den Salon in Frankfurt-Preungesheim bereits seit 1966, Luca fing mit 15 Jahren als Eismacher an, inzwischen hat sein Sohn übernommen. In der kleinen Manufaktur entstehen Sorten von großer Natürlichkeit. Die Aromen sind fein herausgearbeitet und kommen nicht laut tönend daher. Der Zitrone merkt man die Frische und den Duft süditalienischer Herkunft an, Banane und Mango schmecken nach reiner Frucht. Auch bei der Farbe hilft Luca nicht nach, obwohl viele Gäste bei Banane gelb und bei Pistazien mehr grün erwarten. Pistazien-Eis und Nuss fallen hervorragend aus, bei Vanille werden Vanillestangen und keine Fakes verwendet. Einige solcher hervorragender klassischer Eisdielen mit traditionellem Bewusstsein möchte man sich auch mehr in der Innenstadt wünschen, doch da hat Italien an Boden verloren.

Den Eissalon Fontanella auf der Kaiserstraße gibt es schon seit 1957 in Frankfurt. Michelangelo Michielin führt den Betrieb mit seiner Frau und seinem Sohn nach den bewährten Rezepturen des traditionellen Eismacherhandwerks. Dabei setzt man auf Naturprodukte, die Erdbeeren kommen aus dem nahen Taunus, beim Vanille-Eis wird stangenweise frische Bourbon-Vanille verwendet. Die rund 30 Eissorten wechseln nach Saison, Melone gibt es dann, wenn Michelangelo sicher ist, dass auch die Produktqualität stimmt. Die Grundmasse für Haselnuss-Eis, Coppa d´oro, ist ein Spitzenerzeugnis, beim intensiv duftenden Amarena kommt man selbstverständlich ohne Farbstoffe aus. Die Basis für Mango-Eis ist ein Püree, wie bei manchen anderen Fruchtsorten auch. Der Fruchtanteil beträgt mindestens 30 Prozent. Zur Eisherstellung werden im Fontanella grundsätzlich gefrorene Eier benutzt, da frische eine Salmonellengefahr bedeuten können. Bei der Herstellung hilft ein wunderbarer Oldtimer – die Cattabriga aus Bologna war die erste automatische Eismaschine mit Motor (vorher wurde ja alles handgerührt). Im Fontanella bekommt man eine erstklassige Qualität, was gerade bei den klassischen Sorten Vanille, Nuss, Schokolade oder Zitrone zu erleben ist. Doch auch Kokos oder Giotto aus weißer Schokolade, Nuss und Krokant schmecken besonders gut. Eine eigene Kreation ist der Tiroler Strudel, welcher aus 18 Zutaten besteht, darunter Apfel, Zimt, Kokos sowie in Malagawein getränkte Rosinen.

Das Eis

Das Siena am Sandweg fällt durch Freundlichkeit und Qualität auf. Vanille, Kokos und Panna Cotta sind zum Dahinschmelzen. Im Eis-Café Christina an der Eckenheimer Landstraße enthalten einige Sorten wie Nuss und weiße Schokolade auch erkennbar die passenden Produktstückchen dazu. Gut sind Haselnuss, Karamell, Stracciatella, Dulce de Leche und Zuppa Englese. Dichte Cremigkeit und voller Geschmack zeichnen die Christina-Eissorten aus. Die Sahnigkeit sättigt aber schnell, beim guten Malaga-Eis mit großen leckeren Rosinen hat man das Gefühl gleich einen ganzen Eiskuchen zu essen.

Am Vanille-Eis erkennt man den Meister. Im Milano an der Schweizer Straße schmeckt es perfekt. Valentino di Pellegrin benutzt ein ordentliches Bündel hochpreisiger Tahiti-Vanille, das nach einmaligem Gebrauch wieder erneuert wird. Frische Eier, Milch, Sahne und Saccharose gehören dazu, aber ebenso ein Tauchgang mit Zitronenschalen, die der Masse den Eiergeschmack nehmen. Als Valentino das Geschäft 1954 von seinem Vater übernahm, war die Kugel noch für zehn Pfennige zu haben. Köstlich sind neben Vanille auch Erdbeere, Zitrone, Mango, Banane, und Panna Cotta. Nahe der Kleinmarkthalle macht sich das Lädchen von Das Eis beliebt, vor allem das Apfel-Minze-Eis schmeckt. Man muss viel probieren, um seine Lieblingssorte zu finden, was aber dauern kann. Auch hier kosten die großen Kugeln zwei Euro, die Zunge ermüdet schnell, kleine Portionen würden mehr Vielfalt bieten. In Florenz kostet das normale Eis schon lange so viel – und Waffeln werden extra berechnet.

LF

 

Gute Eis-Adressen in Frankfurt

Dell´Antone, Weilbrunnstr. 5, Tel. 54 14 40.

Fontanella, Kaiserstr. 36, Tel. 24 24 70 72.

Siena, Sandweg 1, Tel. 494 05 79,

Christina, Eckenheimer Landstr. 80/Ecke Wielandstr, Tel. 59 84 52.

Alberto, Vilbeler Str. 34, Tel. 28 45 89.

Milano, Schweizer Str. 22, Tel. 61 38 23.

Mini-Milano, Schweizer Str. 69.

Das Eis, Hasengasse 1-3, Tel. 74 73 14 09.

 




So schmeckt´s im neuen Hotel Jumeirah Frankfurt

Martin Steiner kocht ganz entspannt im Max on One

 

Von Ludwig Fienhold

Der Spaß beginnt mit Aufzug fahren: Man gibt vor der Tür auf einem Display sein Ziel ein und wird automatisch dorthin befördert, im Lift selbst existiert keine Tastatur mehr, nur ein Spiegel für einen letzten Bodycheck. Das neue Jumeirah Hotel in Frankfurt hat viel Hightech zu bieten, von amüsant bis sinnvoll. Auch die Küche des Hauptrestaurants Max on One ist sehenswert – die Gäste können den Köchen ungeniert bei der Arbeit zusehen. Es ist alles sehr stilvoll, doch das Noble wird durch kybernetischen Realismus mit Rinderhälften und Knoblauchstangen am Haken rational geerdet. Zusammen mit der Schaumalrein-Küche schafft das verglaste Kühlhaus mit seinem Inventar ein großartiges Stillleben von hopperscher Dimension. Dem Jumeirah hätte man gar nicht so viel mutigen Hintersinn zugetraut, die Gestaltung des Restaurants wurde dem coolen japanischen Designer Takashi Sugimoto aus Tokio und seinem Team Super Potato überlassen, die bekannt für innovative Ideen sind, aber hauptsächlich in Asien arbeiten und hier erstmals in Deutschland aktiv wurden. Man musste mangels interessanten Fensterausblicks noch mehr nach Innen fürs Auge gehen, was auch mit dem gläsernen begehbaren Weinklimaschrank im Zentrum geglückt ist. Der Restaurantteil um die Backherde und Öfen erscheint mit den an dieser Stelle nur spartanisch eingedeckten Holztischen und dem kunstvollen Geschirr in den Wandregalen wie eine große Wohnküche. Trotz der Modernität des Raums kommt Behaglichkeit auf, was auch den kommoden Fauteuils zu verdanken ist.

Leuchter aus Gläsern

Im Gegensatz zu seinem einstigen Arbeitgeber Johann Lafer, ist Küchenchef Martin Steiner kein Mann der großen Show. Er flitzt nicht hektisch lächelnd durch seine Küche, sondern legt ganz entspannt hier und da Hand an und dirigiert leise sein Team. Genauso wenig kulinarisch kapriziös, aber sehr konzentriert auf das Wesentliche zielend, ist sein Stil. Asiatisches lässt sich Martin Steiner auch nicht mehr aufdrängen, das war auch nie seine starke Seite. Die Speisekarte ist klar strukturiert und kompakt, kein Gramm zuviel, das zu Lasten der Qualität gehen könnte. Die Preise sind (derzeit) moderat (Vorspeisen 9 – 19 €, Hauptgerichte 22 – 38 €). Menüs werden keine angeboten, dafür besinnt man sich wieder auf eine schöne alte Restaurantdisziplin – das Arbeiten am Tisch. Das Seibersbacher Freilandhuhn wird im Salzteig gegart und dann vor den Gästen tranchiert (das pfälzische und aus der Nähe der Stromburg  stammende Huhn kennt Steiner noch aus seiner Zeit als Küchenchef bei Johann Lafer).

Offene Show-Küche

Die Speisekarte ist deutsch-regional und österreichisch. Der 32 Jahre alte Martin Steiner aus Kärnten versteht sich ausgezeichnet auf seine Heimatgerichte, das Wiener Schnitzel gehört zu den Besten überhaupt und darf auch 26 Euro kosten. Es wird mit sehr guten und leicht speckigen Bratkartöffelchen und wunderbar erfrischendem Gurkensalat serviert, selbst die kaltgerührten Preiselbeeren fallen besser als sonst aus (weder zu süß, noch zu sauer). Frankfurt wird mit guten und süffigem Äppelwoi-Risotto und Oberräder Salat einbezogen. Das gebackene Bio-Freiland-Ei klingt unspektakulär, wie das meiste auf der Karte, überrascht aber optisch und geschmacklich umso mehr (siehe Foto). Das panierte Ei fließt in eine samtige Sauce mit den Kräutern der Frankfurter Grünen Soße ein – vollendete Harmonie mit Couleur locale. Das Tatar vom Simmentaler Rind mit gebratenem Wachtelei ist packend saftig und wird von dezentem Meerrettichpulver begleitet. Die Rote Grütze wird fein interpretiert und erweist sich als ein Aromenkraftprotz.

Tisch am gläsernen Kühlhaus

Das täglich geöffnete Restaurant Max on One befindet sich auf der 1. Etage – und soll an Kaiser Maximilian I.erinnern, den Gründer des deutschen Postsystems, der die Familie Thurn- und Taxis engagierte, welche ihre Zentrale im gleichnamigen Palais vor dem Jumeirah hatte. Das sehenswerte Palais Thurn und Taxis gehört nicht zum Jumeirah und wird nur gelegentlich für Veranstaltungen genutzt. Der Service im Max on One ist sehr präsent. Einige Mitarbeiter sind mental angekommen, andere haben ihre Rolle noch nicht so ganz gefunden. Man zeigt sich aber engagiert und spürt allenthalben das Bemühen um den Gast. Restaurantleiter ist Marcus Wyrwich, der unter anderem im Restaurant Ente im Nassauer Hof in Wiesbaden arbeitete. Sommelier Alejandro Coto war zuvor in den weit weniger bekannten spanischen Lokalen Pata Negra und Tres in Berlin.

Landei

Die Weinkarte hat noch nicht ihr endgültiges Gesicht erreicht (welche Weinkarte hat das schon) und präsentiert sich international mit zaghaftem Schwerpunkt auf Deutschland, Österreich und Frankreich. Zu den Österreich-Gerichten, wie Wiener Schnitzel oder Backhuhn, passen bestens die Grünen Veltliner, aber auch bei Deutschland wird man fündig. Es ist eine Weinkarte, die sichere Wege geht und Überraschungen meidet. Die Preise sind nach oben orientiert und an vielen Stellen nicht nachvollziehbar kalkuliert.  Dennoch sollte gerade die Weinkarte weit mehr als jetzt Anlass zum Konsum geben. Wenn man bedenkt, dass ein einfacher Breuer „Estate“ aus dem Rheingau im Einkauf für die Gastronomie etwa 6,50 € kostet und dem Gast für ein Gläschen 0,1 l davon für 6,50 € berechnet werden, so erscheint dies einfach nicht sympathisch. Der Gast wird jedenfalls in seinem Konsum gebremst. Gäste, die wenig oder gar nicht trinken, tragen kaum zum Umsatz bei, denn das Essen bringt gewöhnlich kaum Gewinn. Es sollte auch mehr preiswerte Einstiegsweine geben, insbesondere bei Deutschland und Österreich. Gut, dass ausreichend Weine in verschiedenen Formaten und gleich mit Preisangabe offeriert werden (0,1 l und 0,2 l). Noch ein wenig mehr Mut, Individualität sowie interessante Newcomer würde der Karte gut stehen – aber keine Angst, es muss bei über 350 Positionen niemand verdursten. Während andere ihre Wasserkarten schon wieder reduzieren oder ganz verschwinden lassen, zeigt Max on One mit einer eigenen Aqua-Karte Flagge – mit 21 verschiedenen Flaschen aus aller Welt, unter denen das fein prickelnde französische Châteldon die Nr. 1 ist.

Küchenchef Martin Steiner

Das Max on One im neuen Jumeirah Hotel in Frankfurt hat trotz mancher und üblicher Holprigkeiten einen sehr guten Start hinbekommen. Küchenchef Matthias Steiner arbeitet mit ruhiger Hand und hastet nicht. Er gibt dezent den Ton an, will aber auch erst einmal erkennen, wer überhaupt seine Gäste sind. Die Hotelgäste kommen und gehen, weshalb man ja auch stark den lokalen und regionalen Markt im Auge hat. Man darf es aber auch nicht zu sehr allen Recht machen wollen und muss gleich mit einem markanten Profil starten. Die Küche hat Charakter und eigenständigen Stil. Aber: Die Frankfurter zieren sich gerne und lieben ihre Hotels und deren Restaurants nicht unbedingt, weil diese im Ruf stehen hochpreisig und zu formell zu sein. Hohe Speisepreise muss man im Max on One wahrlich nicht fürchten, das könnte die Schwelle senken. Weit problematischer aber ist das Fehlen einer Terrasse. In Frankfurt, das zeigt die traurige Wirklichkeit, sitzt man lieber in einem schlechten Lokal draußen als in einem guten drinnen.

Das Café Le Petit Palais wird erst am 1. September eröffnen, wenn auch das offizielle Grand Opening des Hotels stattfindet. Die Ember Bar & Lounge im Erdgeschoss wird bereits munter von einem netten Serviceteam betrieben und hält viele gute Cocktails und Spirituosen bereit, darunter die hocharomatischen Edelbrände des Tirolers Günter Rochelt. Es werden auch Champagner offen ausgeschenkt, etwa ein selten glasweise zu bekommender Dom Pérignon für akzeptable 25 Euro.

Siehe zu diesem Thema auch Biss-Artikel Lafers Sternekoch ist Chef im neuen Jumeirah sowie Orient de Luxe

 Jumeirah Frankfurt, Thurn- und Taxis-Platz 2, Tel. 069 297 237 0, Max on One ist täglich geöffnet, 12 – 14.30 Uhr, 18 – 22.30 Uhr (Küche). Frühstück 6.30 – 10.30 Uhr. Zimmer in der Soft-Opening-Phase im August ab 240 €.

[slideshow]




Die Mosbachs werden Nachfolger von Juan Amador

Nach Spanien zieht Frankreich ins Ex-Drei-Sterne-Domizil nach Langen

 

Gerade hat Drei-Sterne-Koch Juan Amador sein gleichnamiges Restaurant in Langen bei Frankfurt verlassen, schon stehen die neuen Mieter fest: Es sind die Mosbach-Brüder, die einst selbst ein Sternlein über viele Jahre in ihrem Bistrot 77 in Frankfurt hielten. Die letzten Jahre waren sie Pächter vom sehr rustikalen Grünen Baum in Neu-Isenburg. Der Vertrag dort lief ohnehin aus und sollte nicht verlängert werden. Es kam gelegen, dass der Besitzer des schönen Fachwerkhauses von Amador, Eric Beuerle, gleichzeitig nach einem Nachfolger Ausschau hielt, wobei dieser als Franzose besonders an gleichgesinnter Küche interessiert war (vor Amador war an gleicher Stelle bereits ein Lokal dieser Spezies). Dominique (Küche) und Guy (Service) Mosbach werden nun am 15. September ihr neues Lokal in Langen eröffnen, das schlichtweg ihren Namen tragen soll: Mosbachs. Sie wollen das auf den Tisch bringen, was sie im Grunde am besten können – Brasserie-Küche. Deftige und gut gemachte französische Hausmannskost, wie es sie bereits im Bistrot 77 schon auf verfeinerte Art gab. Wie Beuerle auf Anfrage erklärte, soll der Pachtvertrag in Langen zunächst über fünf Jahre laufen.

Dominique Mosbach (r.)

Dominique und Guy betrieben mit dem Bistrot 77 am Ziegelhüttenplatz in Sachsenhausen eines der ersten Gourmet-Restaurants in Frankfurt. 1980 gab es daneben nur noch Erno´s Bistro in der Liebigstraße im Westend, das sich zur Spitze zählen durfte. Die beiden elsässisch geprägten Lokale waren in freundschaftlicher Konkurrenz miteinander verbunden und tauschten nicht selten Köche untereinander aus. Es war die Zeit, als halb Frankfurt noch weitgehend dem Rippchen mit Kraut verfallen war und Zander auf Linsen beinahe etwas Exotisches zu sein schien. Ganz schwer klar kamen konservative Gäste mit dem Ambiente im Bistrot 77, denn das Restaurant war teilweise wie ein schickes Bad gekachelt (heute ist dort der Spitzenitaliener Carmelo Greco in einem ganz anderen Ambiente zu Hause). Dass eine derart amüsante und im Grunde sehr wohnliche Einrichtung einmal als avantgardistisch und umstritten galt, ist heute noch schwerer zu verstehen. Nach 23 Jahren war die Küche im Bistrot 77 immer noch gut, aber sehr viele andere hatten längst angezogen und waren zuweilen noch besser. Gewisse Ermüdungserscheinungen in Küche und Service sowie die Lage im sterilen Hochhausmilieu erschwerten zunehmend das Entree. Es war jedenfalls höchste Zeit für einen entscheidenden Wechsel. Einschneidender hätte dieser dann nicht erfolgen können: Der einstige Sterne-Koch Dominique Mosbach zog mit seinem Bruder Guy in das Wirtshaus „Zum grünen Baum“ nach Neu-Isenburg, um dort etwas ganz anderes, aber letztlich doch nicht das Gegenteil vom Vorherigen zu machen.

Grüner Baum in Neu-Isenburg

Den Mosbachs gelang vor den Toren Frankfurts eine ungewöhnliche Verbindung aus französischer Brasserie und deutschem Gasthaus. Bis dahin war der „Grüne Baum“ eine herkömmliche Apfelweinkneipe. Apfelwein gab es danach immer noch und die Flaschen aus dem heimischen Weingut im Elsass ohnehin. Daneben konnte man große Kreszenzen à la Petrus und Mouton Rothschild (sogar aus exzeptionellen Jahrgängen) bekommen. Das Entrecôte mit Pfeffersauce etwa war einer der Renner, dazu gab es täglich frisch gemachte Pommes frites. Lammbratwürste, hausgemachte Sülze oder Bouillabaisse mit Rouille waren besonders gut. Leider nicht immer. Die Leistungen der Küche schwankten stark. Der Grüne Baum hat weit mehr Plätze als das ehemalige Amador, weshalb es die Küche dort einfacher haben sollte. Dennoch ist der Standort Langen weit problematischer als das muntere und frankfurtnahe Neu-Isenburg. Wer in Langen nicht mit hervorragenden Leistungen und einem überzeugenden Konzept antritt, hat nicht den Hauch einer Chance. Selbst ein Drei-Sterne-Lokal hatte zu kämpfen und musste letztlich aufgeben. Wir wünschen den respektablen Brüdern Mosbach alles Gute für den  Neustart. Die Küche und das sonstige Equipment werden sie von Juan Amador übernehmen.

LF

 

Siehe auch Biss-Artikel “ 3-Sterne-Koch Juan Amador schließt sein Restaurant in Langen“